Urteil des EuG vom 23.11.2015

Muster Und Modelle, Beschwerdekammer, Verordnung, Begriff

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)
23. November 2015(
)
„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke FoodSafe –
Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“
In der Rechtssache T‑766/14
Actega Terra GmbH
C. Onken,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch A. Schifko als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor
dem Gericht:
Heidelberger Druckmaschinen AG
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin I. Lins,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom
8. September 2014 (Sache R 2440/2013-4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der
Heidelberger Druckmaschinen AG und der Actega Terra GmbH
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka
(Berichterstatterin) und des Richters I. Ulloa Rubio,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 18. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 3. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung
des HABM,
aufgrund der am 26. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung der Streithelferin,
aufgrund der Entscheidung vom 27. April 2015, die Einreichung einer Erwiderung nicht zu
gestatten,
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 26. April 2011 wurde für die Klägerin, die Actega Terra GmbH, beim Harmonisierungsamt
für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die am 7. November 2010
angemeldete Wortmarke FoodSafe als Gemeinschaftsmarke unter der Nr. 9502551
eingetragen.
2
Die Marke FoodSafe wurde für „Lacke, insbesondere für die graphische Industrie; alle
vorgenannten Waren nicht zur Verwendung im Baubereich“ in Klasse 2 des Abkommens von
Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung
von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen.
3
Am 3. August 2012 beantragte die Streithelferin, die Heidelberger Druckmaschinen AG, beim
HABM die Nichtigerklärung der Marke FoodSafe gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke
(ABl. L 78, S. 1). Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die genannte Marke unter Verstoß
gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden sei.
4
Mit Entscheidung vom 14. Oktober 2013 gab die Nichtigkeitsabteilung des HABM dem Antrag
auf Nichtigerklärung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 Buchst. a
der Verordnung Nr. 207/2009 statt.
5
Am 4. Dezember 2013 legte die Klägerin beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der
Nichtigkeitsabteilung ein.
6
Mit Entscheidung vom 8. September 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies
die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie gelangte zu dem
Ergebnis, dass die Marke FoodSafe für die Art und den Verwendungszweck der betroffenen
Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend sei.
Anträge der Parteien
7
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Entscheidung der
Nichtigkeitsabteilung vom 14. Oktober 2013 aufgehoben und der Antrag auf
Nichtigerklärung zurückgewiesen wird;
– hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
8
Das HABM und die Streithelferin beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
9
Nach Art. 126 der Verfahrensordnung des Gerichts kann dieses, wenn eine Klage offensichtlich
unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des
Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss
zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
10
Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht für durch die Aktenstücke hinreichend unterrichtet
und beschließt in Anwendung dieses Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden,
obschon eine Partei eine mündliche Verhandlung beantragt hat (vgl. in diesem Sinne Beschluss
vom 13. September 2011, ara/HABM – Allrounder (A), T‑397/10, EU:T:2011:464, Rn. 18).
11
Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Grund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7
Abs. 1 Buchst. c, Art. 52 Abs. 1 Buchst. a und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009
geltend macht.
12
Sie bringt vor, die Beschwerdekammer habe nicht dargelegt, dass die englischsprachigen
Verkehrskreise zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Marke, also am 7. November 2010,
das Zeichen FoodSafe im Zusammenhang mit Lacken als Hinweis darauf verstanden hätten,
dass diese für Lebensmittel unschädlich seien bzw. sich geschmacklich oder geruchlich nicht
darauf auswirkten.
13
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind von der Eintragung Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr
zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der
geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der
Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen
können. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt, dass die Vorschriften des Abs. 1
dieses Artikels auch dann Anwendung finden, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem
Teil der Europäischen Union vorliegen.
14
Nach der Rechtsprechung verhindert Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009,
dass die Zeichen oder Angaben, auf die er abstellt, aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem
einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Vorschrift verfolgt damit das im
Allgemeininteresse liegende Ziel, dass solche Zeichen oder Angaben von jedermann frei
verwendet werden können (Urteil vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C-191/01 P, Slg,
EU:C:2003:579, Rn. 31; siehe auch Urteil vom 22. Mai 2008, Radio Regenbogen Hörfunk in
Baden/HABM [RadioCom], T‑254/06, EU:T:2008:165, Rn. 26 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
15
Unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 fallen solche Zeichen und Angaben,
die im normalen Sprachgebrauch aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise dazu
dienen können, die angemeldete Ware oder Dienstleistung entweder unmittelbar oder durch
Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale zu bezeichnen (Urteile vom 20. September
2001, Procter & Gamble/HABM, C-383/99 P, Slg, EU:C:2001:461, Rn. 39, und RadioCom, oben
in Rn. 14 angeführt, EU:T:2008:165, Rn. 28).
16
Demnach fällt ein Zeichen nur dann unter das in dieser Vorschrift aufgestellte Verbot, wenn es
einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den betroffenen Waren oder
Dienstleistungen aufweist, der es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, sofort und
ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der Art der betreffenden Waren und
Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrzunehmen (Urteile des Gerichts vom 22. Juni
2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, Slg, EU:T:2005:247, Rn. 25, und
RadioCom, oben in Rn. 14 angeführt, EU:T:2008:165, Rn. 29).
17
Ob ein Zeichen beschreibenden Charakter hat, kann nur in Bezug auf die betroffenen Waren
oder Dienstleistungen und anhand der Wahrnehmung der aus den Verbrauchern dieser Waren
oder Dienstleistungen bestehenden angesprochenen Verkehrskreise beurteilt werden (Urteile
vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T-34/00, Slg, EU:T:2002:41,
Rn. 38, und RadioCom, oben in Rn. 14 angeführt, EU:T:2008:165, Rn. 33).
18
Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdekammer fest, dass die in Rede stehenden Waren
18
Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdekammer fest, dass die in Rede stehenden Waren
hauptsächlich für den Fachverkehr, aber auch für den Durchschnittsverbraucher bestimmt
seien. Sie wies darauf hin, dass die englischsprachigen Verkehrskreise die maßgeblichen
Verkehrskreise seien, da es sich bei dem Zeichen FoodSafe um einen englischen Begriff
handle.
19
Die Klägerin tritt dieser Definition der maßgeblichen Verkehrskreise nicht entgegen. Auch die
nicht weiter belegte schlichte Behauptung in der Klageschrift, dass die in Rede stehenden
Waren Spezialwaren und nicht Massenkonsumgüter seien, kann nicht ausreichen, um die
besagte Definition in Frage zu stellen.
20
Die Beschwerdekammer führte aus, dass der englische Begriff „foodsafe“ „lebensmittelecht“
bedeute und eine ausreichend klare und spezifische Beziehung zu den betroffenen Waren
habe. Er beschreibe, dass die Lacke lebensmittelecht seien, also in Verbindung mit
Lebensmitteln unschädlich seien bzw. keine geschmackliche oder geruchliche Wirkung hätten.
Damit beschreibe dieser Begriff die Art und den Verwendungszweck der Waren „Lacke“.
21
Das Zeichen FoodSafe besteht aus einer Aneinanderreihung des englischen Wortes „food“,
das „Essen/Lebensmittel“ bedeutet, und des englischen Wortes „safe“, das „sicher/unschädlich“
bedeutet. Es vereint somit zwei geläufige englische Wörter unter Einhaltung der
Grammatikregeln der englischen Sprache. Das Zeichen FoodSafe wird von den
englischsprachigen Verkehrskreisen so verstanden werden, dass es „unschädlich für
Lebensmittel/lebensmittelecht“ bedeutet.
22
Die Angabe, dass die Ware „lebensmittelecht“ ist, auf „Lacken“ wird den Verbrauchern sofort
die Information liefern, dass diese Lacke auf Untergründen verwendet werden können, die dazu
bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und dass sie keinerlei Folge für die
Genießbarkeit, den Geruch oder den Geschmack dieser Lebensmittel haben. Insoweit hat die
Beschwerdekammer zu Recht das Beispiel von Lacken angeführt, die auf Verpackungen oder
Behältnissen von Lebensmitteln Verwendung finden können, wofür die Lebensmittelechtheit
eine notwendige Eigenschaft ist.
23
Die Beschwerdekammer ist somit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Marke FoodSafe
für die Art und den Verwendungszweck der betroffenen Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1
Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend sei.
24
Die Klägerin bringt nichts vor, was dieses Ergebnis der Beschwerdekammer in Frage stellen
könnte.
25
Als Erstes macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe nicht dargelegt, dass die
englischsprachigen Verkehrskreise den Begriff „FoodSafe“ zum Zeitpunkt der Anmeldung der
streitigen Marke als für die betroffenen Waren beschreibend verstanden hätten. In
englischsprachigen Wörterbüchern sei er weder in dieser Erscheinungsform noch in den
Schreibweisen „foodsafe“, „food safe“ oder „food-safe“ vorgekommen. Auch sei weder
nachgewiesen worden, dass der Begriff „foodsafe“ in den englischsprachigen Ländern im Sinne
von „in Verbindung mit Lebensmitteln unschädlich bzw. keine geruchliche oder geschmackliche
Wirkung habend“ verwendet werde, noch, dass er zur Bezeichnung von Lacken oder ihren
Merkmalen benutzt werde.
26
Hierzu genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Zurückweisung einer
Anmeldung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 durch das HABM nicht
voraussetzt, dass die Zeichen und Angaben im Sinne dieser Bestimmung, aus denen die Marke
besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung tatsächlich für Waren oder Dienstleistungen wie die in
der Anmeldung aufgeführten oder für deren Merkmale beschreibend verwendet werden. Es
genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass sie zu diesem Zweck
verwendet werden können. Ein Wortzeichen muss daher nach dieser Bestimmung von der
Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es in zumindest einer seiner möglichen Bedeutungen
ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Urteile
HABM/Wrigley, oben in Rn. 14 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 32, und PAPERLAB, oben in
HABM/Wrigley, oben in Rn. 14 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 32, und PAPERLAB, oben in
Rn. 16 angeführt, EU:T:2005:247, Rn. 34).
27
Außerdem ist das HABM nicht verpflichtet, zu beweisen, dass das Zeichen im Wörterbuch
steht. Ob ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden kann, ist allein auf der
Grundlage des einschlägigen Gemeinschaftsrechts in der Auslegung durch den Unionsrichter zu
beurteilen. Es genügt also, dass die Beschwerdekammer für ihre Entscheidungsfindung das
Kriterium des beschreibenden Charakters in der Auslegung durch die Rechtsprechung
angewandt hat; sie braucht sich dafür nicht auf Beweise zu stützen (Urteile vom 8. Juli 2004,
Telepharmacy Solutions/HABM [TELEPHARMACY SOLUTIONS], T‑289/02, Slg, EU:T:2004:227,
Rn. 54, und PAPERLAB, oben in Rn. 16 angeführt, EU:T:2005:247, Rn. 34).
28
Das Vorbringen der Klägerin zum Nichtvorhandensein des Begriffs „foodsafe“ in den
englischsprachigen Wörterbüchern und dazu, dass dieser Begriff nicht für die betroffenen
Waren beschreibend verwendet werde, ist somit als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
29
Als Zweites beanstandet die Klägerin, die Beschwerdekammer habe sich für die
Schlussfolgerung, dass die streitige Marke beschreibend sei, ausschließlich auf Auszüge aus
deutschsprachigen und englisch-deutschen Onlinewörterbüchern gestützt.
30
Sie macht erstens geltend, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung
Nr. 207/2009 verstoßen. Da diese Bestimmung im Nichtigkeitsverfahren nicht anwendbar sei,
hätte die Beschwerdekammer die Definition des deutschen Begriffs „lebensmittelecht“
(Übersetzung des englischen Begriffs „foodsafe“) im deutschen Duden-Onlinewörterbuch nicht
von Amts wegen berücksichtigen dürfen. Der Beweis des beschreibenden Charakters der
streitigen Marke obliege demjenigen, der den Antrag auf Nichtigerklärung gestellt habe, und die
Beschwerdekammer könne sich allenfalls auf allgemein bekannte Tatsachen stützen. Bei der
Definition des Begriffs „lebensmittelecht“ im Duden-Wörterbuch handle es sich aber nicht um
eine allgemein bekannte Tatsache.
31
Nach Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 haben die Prüfer und auf Beschwerde die
Beschwerdekammern des HABM bei der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse von
Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln, um festzustellen, ob die angemeldete Marke unter
eines der Eintragungshindernisse des Art. 7 dieser Verordnung fällt. Infolgedessen können sich
die zuständigen Stellen des HABM veranlasst sehen, ihre Entscheidungen auf Tatsachen zu
stützen, die vom Anmelder unter Umständen nicht angeführt wurden (Urteile vom 22. Juni 2006,
Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg, EU:C:2006:422, Rn. 50, vom 12. April 2011, Fuller & Thaler Asset
Management/HABM (BEHAVIOURAL INDEXING), T‑310/09 und T‑383/09, EU:T:2011:157,
Rn. 29, und vom 13. September 2013, Fürstlich Castell’sches Domänenamt/HABM – Castel
Frères [CASTEL], T‑320/10, Slg [Auszüge], EU:T:2013:424, Rn. 26).
32
Gleichwohl kann im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens die Beschwerdekammer nicht
verpflichtet sein, die vom Prüfer vorgenommene Ermittlung des relevanten Sachverhalts, der sie
zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt,
erneut von Amts wegen durchzuführen. Aus den Bestimmungen der Art. 52 und 55 der
Verordnung Nr. 207/2009 geht hervor, dass die Gemeinschaftsmarke so lange als gültig
angesehen wird, bis sie vom HABM nach einem Nichtigkeitsverfahren für nichtig erklärt wird. Ihr
kommt somit eine Vermutung der Gültigkeit zugute, die die logische Folge der vom HABM im
Rahmen der Prüfung einer Anmeldung durchgeführten Kontrolle darstellt (Urteil CASTEL, oben
in Rn. 31 angeführt, EU:T:2013:424, Rn. 27).
33
Diese Vermutung der Gültigkeit beschränkt die sich aus Art. 76 Abs. 1 der Verordnung
Nr. 207/2009 ergebende Verpflichtung des HABM, den relevanten Sachverhalt, der es zu der
Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt, von Amts
wegen zu ermitteln, auf die Prüfung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, die von den Prüfern
und auf Beschwerde von den Beschwerdekammern im Verfahren der Eintragung dieser Marke
durchgeführt wird. Da die Gültigkeit der eingetragenen Gemeinschaftsmarke vermutet wird, ist
es hingegen im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens Sache des die Nichtigerklärung
begehrenden Antragstellers, vor dem HABM die konkreten Gesichtspunkte darzulegen, die die
Gültigkeit der Marke in Frage stellen sollen (Urteil CASTEL, oben in Rn. 31 angeführt,
EU:T:2013:424, Rn. 28).
34
Art. 76 der Verordnung Nr. 207/2009 hindert die Instanzen des HABM jedoch nicht daran, ihre
Entscheidungen nicht nur auf die von den Verfahrensbeteiligten unterbreiteten Tatsachen und
Beweise, sondern auch auf offenkundige Tatsachen zu stützen, d. h. Tatsachen, die jeder
kennen kann oder die allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (Urteile vom
22. Juni 2004, Ruiz-Picasso u. a./HABM – DaimlerChrysler [PICARO], T‑185/02, Slg,
EU:T:2004:189, Rn. 29, und vom 15. Januar 2013, Welte-Wenu/HABM – Kommission
[EUROPEAN DRIVESHAFT SERVICES], T‑413/11, Slg, EU:T:2013:12, Rn. 24).
35
Hat daher wie im vorliegenden Fall die Streithelferin die Gültigkeit der fraglichen Marke unter
Berufung auf Gesichtspunkte, mit denen sie ihren Nichtigkeitsantrag begründete, in Abrede
gestellt, oblag es der Beschwerdekammer – wie geschehen –, diese Gesichtspunkte zu prüfen
und vom Prüfer im Rahmen des Eintragungsverfahrens etwa außer Acht gelassene
offenkundige Tatsachen zu berücksichtigen.
36
Die Beschwerdekammer durfte berücksichtigen, dass der Begriff „lebensmittelecht“ mit Blick auf
das Duden-Wörterbuch bedeutet, dass die in Rede stehenden Waren in Bezug auf Lebensmittel
unschädlich sind bzw. keine geschmackliche oder geruchliche Wirkung haben. Ein Auszug aus
dem deutschen Duden-Onlinewörterbuch stellt nämlich eine der breiten Öffentlichkeit allgemein
zugängliche Quelle dar. Hinsichtlich der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung ist davon
auszugehen, dass die Bedeutung des Begriffs „lebensmittelecht“, die sich in diesem Wörterbuch
findet, allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden kann und damit eine offenkundige
Tatsache ist.
37
Das Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 76 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, ist daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
38
Die Klägerin macht zweitens geltend, die von der Streithelferin vor der Nichtigkeitsabteilung
vorgelegten Auszüge aus englisch-deutschen Onlinewörterbüchern datierten von 2012 und
bewiesen damit nicht, dass der Ausdruck „foodsafe“ zum Zeitpunkt der Anmeldung von den
englischsprachigen Verkehrskreisen verstanden worden sei.
39
Dieses Vorbringen kann keinen Erfolg haben, denn die Klägerin selbst räumt in der Klageschrift
ein, dass die Streithelferin belegt habe, dass drei der von ihr vor dem HABM vorgelegten
Auszüge aus Übersetzungswebsites, die den deutschen Begriff „lebensmittelecht“ als
Übersetzung für den englischen Begriff „foodsafe“ angäben, aus der Zeit vor der Anmeldung
der streitigen Marke datierten.
40
Da außerdem die Streithelferin mehrere, allesamt übereinstimmende Bezugnahmen auf
englisch-deutsche Onlinewörterbücher vorlegte, ist das Vorbringen der Klägerin, dass diese
Websites wenig zuverlässig seien, ebenfalls als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
41
Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin nicht nachvollziehbar, wonach diese
Onlineübersetzungswörterbücher als österreichische bzw. deutsche Websites die Auffassung
der deutschsprachigen Verkehrskreise widerspiegelten und kein Beweis für das Verständnis der
englischsprachigen Verkehrskreise seien. Die Beschwerdekammer hat lediglich mit der
Übersetzung des Begriffs „foodsafe“ in die vor dem HABM verwendete Verfahrenssprache, also
das Deutsche, argumentiert. Die Klägerin kann nicht behaupten, dass die Übersetzung eines
Begriffs aus dem Englischen ins Deutsche je nach Ursprung des Wörterbuchs unterschiedlich
ausfalle.
42
Somit ist das Vorbringen, mit dem die Klägerin den Beweiswert der von der Streithelferin
vorgelegten Auszüge aus englisch-deutschen Onlinewörterbüchern in Abrede stellt, als
offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
43
Drittens macht die Klägerin geltend, in einer früheren Entscheidung des HABM über die
Zurückweisung der Anmeldung einer Marke FoodSafe sei der Prüfer der Ansicht gewesen, dass
diese direkt Metallbehälter für die Aufbewahrung von Essen beschreibe. Daraus folge, dass der
Begriff „foodsafe“ nicht „in Verbindung mit Lebensmitteln unschädlich bzw. keine geruchliche
oder geschmackliche Wirkung habend“ bedeute.
44
Dieses Vorbringen kann keinen Erfolg haben, da nach der oben in Rn. 26 angeführten
Rechtsprechung genügt, dass das Wortzeichen in zumindest einer seiner möglichen
Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren bezeichnet. Deshalb ist der Umstand,
dass der Prüfer des HABM in einer anderen Entscheidung dem Begriff „foodsafe“ hinsichtlich
anderer Waren oder Dienstleistungen eine andere Bedeutung beigemessen haben mag, nicht
für die Beurteilung relevant, ob dieser Begriff für die in Rede stehenden Waren beschreibend ist.
45
Viertens macht die Klägerin geltend, auch die übrigen Unterlagen, die die Streithelferin vor der
Beschwerdekammer vorgelegt habe, die aber von dieser nicht berücksichtigt worden seien,
bewiesen nicht, dass das Zeichen FoodSafe für Lacke beschreibend sei.
46
Dazu genügt die Feststellung, dass diese Unterlagen, wie von der Klägerin zugestanden, von
der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt wurden, weshalb dieses Vorbringen als ins Leere
gehend und damit offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
47
Der einzige Klagegrund, der von der Klägerin geltend gemacht wird, ist daher als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
48
Somit ist die Klage insgesamt als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend
abzuweisen, wobei der Antrag der Streithelferin auf Feststellung der Unzulässigkeit bestimmter
Anlagen zur Klageschrift und der erste Klageantrag der Klägerin, mit dem die Abänderung der
angefochtenen Entscheidung, die Aufhebung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung und
die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung begehrt werden, dahingestellt bleiben
können.
Kosten
49
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen
des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Actega Terra GmbH trägt die Kosten.
Luxemburg, den 23. November 2015
Der Kanzler
Der Präsident
E. Coulon
M. van der Woude
Verfahrenssprache: Deutsch.