Urteil des EuG vom 20.07.2016

Klage auf Nichtigerklärung, Europäische Kommission, Verfahrensordnung, Satzung

BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)
20. Juli 2016(
*
)
„Klageschrift – Formerfordernisse – Keine anwaltliche Vertretung – Offensichtliche Unzulässigkeit“
In der Rechtssache T‑674/15
Pénzügyi Ismeretterjesztő és Érdek-képviseleti Egyesület (PITEE)
D. Lazar,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission,
Beklagte,
betreffend eine auf Art. 263 AEUV gestützte Klage auf Nichtigerklärung der Beschlüsse der Kommission Ares(2015)4207700 vom 9. Oktober 2015 und
Ares(2015)3532556 vom 14. August 2015, mit denen sie der Klägerin den Zugang zu Dokumenten verweigerte, und darauf, der Klägerin alle
Dokumente der ungarischen Regierung zum EU‑Pilotverfahren 6874/14/JUST (CHAP[2015]00353 und CHAP[2015]00555) zugänglich zu machen,
unabhängig davon, ob sie bereits vorliegen oder erst in Zukunft vorgelegt werden sollen,
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des Richters V. Kreuschitz,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Verfahren und Anträge der Klägerin
Mit Klageschrift, die am 16. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin, die Pénzügyi Ismeretterjesztő és Érdek-
képviseleti Egyesület (PITEE), die vorliegende Klage erhoben.
Die eingereichte Klageschrift trägt allein die Unterschrift des Vorsitzenden der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
– die Beschlüsse der Kommission Ares(2015)4207700 vom 9. Oktober 2015 und Ares(2015)3532556 vom 14. August 2015, der Klägerin den Zugang zu
Dokumenten zu verweigern, für nichtig zu erklären;
– der Kommission aufzuerlegen, alle Dokumente der ungarischen Regierung zum EU‑Pilotverfahren 6874/14/JUST (CHAP[2015]00353 und
CHAP[2015]00555) der Klägerin zugänglich zu machen, unabhängig davon, ob sie bereits vorliegen oder erst in Zukunft vorgelegt werden sollen.
Rechtliche Würdigung
Gemäß Art. 126 der Verfahrensordnung des Gerichts kann dieses, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist, die Entscheidung treffen, durch mit
Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt in Anwendung dieses
Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Vorsitzende der Klägerin Rechtsanwalt ist und die Klage in dieser Eigenschaft erhoben hat.
Nach Art. 19 Abs. 3 und 4 und Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die gemäß Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das
Verfahren vor dem Gericht anwendbar sind, und nach Art. 73 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen andere Parteien als die
Mitgliedstaaten, die Organe der Europäischen Union, die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und die
Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch einen Anwalt vertreten sein, der berechtigt ist, vor einem
Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens aufzutreten. Ferner muss die Klageschrift Namen und Wohnsitz
des Klägers und die Stellung des Unterzeichnenden enthalten. Schließlich muss das Original jedes Verfahrensschriftstücks von dem Bevollmächtigten
oder Anwalt der Partei unterzeichnet sein.
Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus den vorstehend genannten Bestimmungen und insbesondere aus der Verwendung des Begriffs
„vertreten“ in Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass sich eine „Partei“ im Sinne dieses Artikels bei der Erhebung
einer Klage vor dem Gericht eines Dritten zu bedienen hat, der berechtigt sein muss, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines
Vertragsstaats des EWR‑Abkommens aufzutreten (Beschlüsse vom 5. Dezember 1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, EU:C:1996:473, Rn. 11, vom 21.
November 2007, Correia de Matos/Parlament, C‑502/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:696, Rn. 11, und vom 29. September 2010,
EREF/Kommission, C‑74/10 P und C‑75/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:557, Rn. 54).
Herr Denes Lazar, der anwaltliche Vertreter der Klägerin, kann für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache nicht als ein von der Klägerin
unabhängiger „Dritter“ im Sinne der oben in Rn. 8 angeführten Rechtsprechung angesehen werden. Er ist nämlich Vorsitzender und damit „leitendes
Organ“ der Klägerin. Rechtanwälte, die Leitungsfunktionen in den Gesellschaftsorganen einer juristischen Person bekleiden, können jedoch nach
gefestigter Rechtsprechung nicht deren Interessen vor dem Unionsrichter wahrnehmen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 8. Dezember 1999,
Euro-Lex/HABM [EU-LEX], T‑79/99, EU:T:1999:312, Rn. 29, vom 13. Januar 2005, Sulvida/Kommission, T‑184/04, EU:T:2005:7, Rn. 10, und vom 30.
November 2012, Activa Preferentes/Rat, T‑437/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:638, Rn. 7).
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Da die Klageschrift von Herrn Lazar unterzeichnet wurde, ist die vorliegende Klage folglich nicht im Einklang mit Art. 19 Abs. 3 und 4 und Art. 21
Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 73 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben worden.
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Nach alledem ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen.
Kosten
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Da der vorliegende Beschluss ergangen ist, bevor der Kommission die Klageschrift zugestellt worden ist und bevor ihr Kosten entstehen konnten, ist
lediglich zu entscheiden, dass die Klägerin nach Art. 133 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten trägt.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Pénzügyi Ismeretterjesztő és Érdek-képviseleti Egyesület (PITEE) trägt ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 20. Juli 2016
Der Kanzler Der Präsident
E. Coulon M. Prek
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Verfahrenssprache: Deutsch.