Urteil des EuG vom 20.04.2016

Form der Ware, Geistiges Eigentum, Dreidimensionale Marke, Unterscheidungskraft

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)
20. April 2016(
*
)
„Unionsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form einer Box, die aus zwei offenen Würfeln besteht – Absolutes
Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Klage, der offensichtlich jede
rechtliche Grundlage fehlt“
In der Rechtssache T‑326/15
Dima Verwaltungs GmbH
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
M. Fischer als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 20. April 2015 (Sache R 2567/2014‑5) über die
Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in der Form einer Box, die aus zwei offenen Würfeln besteht, als Unionsmarke
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka (Berichterstatterin) und des Richters I. Ulloa Rubio,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 22. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 18. September 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 28. Februar 2014 meldete die Klägerin, die Dima Verwaltungs GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
Die als Marke angemeldete dreidimensionale Form ist nachfolgend wiedergegeben:
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Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 16, 20 und 21 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
– Klasse 16: „Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren“;
– Klasse 20: „Behälter, nicht aus Metall, für Transportzwecke; Behälter aus Synthetikmaterial [ausgenommen für Haushalt oder Küche]; Behälter für
Aufbewahrungszwecke [ausgenommen für Haushalt und Küche]; Behälter [nicht aus Metall] zum Handhaben von Waren [ausgenommen für Haushalt
oder Küche]; Tragbare Kunststoffboxen [Behälter]“;
– Klasse 21: „Behälter für den Haushalt; Behälter für Getränke [Haushalt und Küche]“.
Mit Entscheidung vom 20. August 2014 wies der Prüfer die Anmeldung für alle mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren gemäß Art. 7
Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.
Am 2. Oktober 2014 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung beim EUIPO Beschwerde ein.
Mit Entscheidung vom 20. April 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde
zurück. Sie war der Auffassung, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung
Nr. 207/2009 aufweise.
Anträge der Parteien
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– das EUIPO zu verpflichten, dem Eintragungsverfahren Fortgang zu geben;
– hilfsweise, festzustellen, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung nicht entgegensteht, und die Sache an die
Beschwerdekammer zurückzuverweisen;
– dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Das EUIPO beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Nach Art. 126 der Verfahrensordnung des Gerichts kann dieses, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche
Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
ohne das Verfahren fortzusetzen.
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Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt in Anwendung dieses
Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
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Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.
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Sie trägt vor, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft besitze.
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Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung
ausgeschlossen.
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Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, wenn sie
geeignet ist, die Waren, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren
somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P,
EU:C:2011:680, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
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Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum
anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und
angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. Urteil vom 20.
Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, EU:C:2011:680, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
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Nach ständiger Rechtsprechung gelten für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst
bestehen, keine anderen Kriterien als für die übrigen Markenkategorien. Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine
dreidimensionale Marke, die aus der Form der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in der gleichen Weise
wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren
unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer
Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren (Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258,
Rn. 38).
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Außerdem ist, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso
eher zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Unter solchen
Umständen besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche
herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (Urteil vom 7.
Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 31).
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Wenn eine dreidimensionale Marke aus der Form der Ware besteht, für die sie angemeldet wird, reicht demnach der bloße Umstand, dass die
angemeldete Marke eine Variante der üblichen Formen der fraglichen Waren ist, nicht aus, um zu belegen, dass es dieser Marke nicht an
Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Es ist immer zu prüfen, ob sie es dem
Durchschnittsverbraucher dieser Waren erlaubt, diese – ohne eine Prüfung vorzunehmen und ohne besonders aufmerksam zu sein – von Waren
anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 32).
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Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zum einen festgestellt, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren an allgemeine
Verkehrskreise richteten, deren Aufmerksamkeitsgrad in Bezug auf alltägliche Gebrauchsgüter aus dem Niedrigpreissektor durchschnittlich sei, und
zum anderen, dass bei einer dreidimensionalen Marke, die von allen Verbrauchern in gleicher Weise wahrgenommen werde, die Verkehrskreise in der
gesamten Europäischen Union maßgeblich seien. Dies wird von der Klägerin nicht bestritten.
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Bei den fraglichen Waren handelt es sich um Behälter, Kästen und Boxen für Transport‑ und Aufbewahrungszwecke. Die angemeldete Marke besteht
aus der Form einer Box, die sich aus zwei durch eine Trennwand voneinander abgetrennte und nach oben offene Würfel mit Umrandungen, die
dunkler sind als die Flächen, zusammensetzt. Die beiden Seitenwände mit den Griffen sind höher ausgestaltet, haben oben abgerundete Kanten,
einen dunklen, horizontal verlaufenden Streifen sowie einen dunklen Streifen oberhalb der Griffe.
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In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die angemeldete Marke aus der Form einer auf dem Markt
üblichen würfelförmigen Kiste mit zwei Aussparungen oder Griffen zum Transport bestehe, die nicht erheblich von der Norm oder der
Branchenüblichkeit abweiche, und dass sie dem Erscheinungsbild der in der Anmeldung beanspruchten Waren entspreche. Keines der von der
Klägerin geltend gemachten Merkmale der angemeldeten Marke führe dazu, dass die Verbraucher sie als einen von branchenüblichen Kästen oder
Behältern erheblich abweichenden Behälter auffassten.
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Hierzu ist übereinstimmend mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass die angemeldete Marke einen einfachen geometrischen Körper darstellt
und nicht von auf dem Markt üblichen würfel- oder quaderförmigen Kisten und Boxen abweicht, dass die Aussparungen den Transport der Kiste
erleichtern und als rein funktionelle Elemente wahrgenommen werden, dass die dunklen Streifen minimale dekorative Verzierungen darstellen bzw.
der Stabilität des Behälters, insbesondere im Bereich oberhalb der Griffe, dienen und dass auch die Tatsache, dass zwei der Außenwände höher und
an den oberen Kanten abgerundet sind, kein unterscheidungskräftiges Merkmal der angemeldeten Marke ist. Die Beschwerdekammer hat ferner
zutreffend ausgeführt, dass die Tatsache, dass die angemeldete Marke aus der Form einer nicht stapelbaren Kiste besteht, als bloße Variante der
branchenüblichen Kistenformen wahrgenommen wird.
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Die Beschwerdekammer ist daher zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die angemeldete Marke nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7
Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist.
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Die Klägerin macht lediglich geltend, dass die als Marke angemeldete Boxenform weit von den der Norm und der Branchenüblichkeit entsprechenden
Boxenformen abweiche, und stützt sich dabei auf die gleichen Merkmale der angemeldeten Marke wie vor der Beschwerdekammer. Sie bringt kein
neues Argument vor, das die Beurteilung dieser Merkmale durch die Beschwerdekammer in Frage stellen könnte.
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So beschränkt sie sich zum einen auf den Hinweis, dass die als Marke angemeldete Boxenform weit von den Boxenformen abweiche, die der Norm
und der Branchenüblichkeit entsprächen, da die üblichen Transportboxen weder erhabene Teile mit Griffen noch Verzierungen hätten. Hierzu genügt
die Feststellung, dass es keinesfalls unüblich ist, dass eine Transportbox Griffe hat, und dass die Verzierungselemente der angemeldeten Marke im
vorliegenden Fall minimal sind und ihr deshalb keine Unterscheidungskraft verleihen. Zum anderen weist sie lediglich darauf hin, dass Transportboxen
im Allgemeinen durch ihre reine Praktikabilität, ihre Stabilität und ihre Stapelfähigkeit gekennzeichnet seien, wohingegen sich die als Marke
angemeldete Form an ästhetischen Gesichtspunkten orientiere. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Tatsache, dass die angemeldete Marke aus
der Form einer nicht stapelbaren Box besteht, eine bloße Variante der üblichen Formen der von der Markenanmeldung erfassten Waren begründet
und dass dieses Merkmal der angemeldeten Marke weder Originalität noch Unterscheidungskraft verleiht. Daher ist dieses Vorbringen als
offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
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Folglich sind der einzige Klagegrund und damit die Klage insgesamt als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abzuweisen, ohne
dass über die Zulässigkeit des zweiten und des dritten Antrags der Klägerin entschieden zu werden braucht.
Kosten
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Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen
ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Dima Verwaltungs GmbH trägt die Kosten.
Luxemburg, den 20. April 2016
Der Kanzler Der Präsident
E. Coulon M. van der Woude
*
Verfahrenssprache: Deutsch.