Urteil des EuG vom 10.05.2016

Geistiges Eigentum, Unterscheidungskraft, Form, Beschwerdekammer

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)
10. Mai 2016(
*
)
„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke BAG PAX – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 15 Abs. 1 Buchst. a und Art. 51 Abs. 1
Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“
In der Rechtssache T‑324/15
Volkswagen AG
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Beklagter,
Streithelfer vor dem Gericht, vormals BAGPAX Cargo Systems e. K., andere Partei des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des EUIPO:
Marvin Dominic Andrã,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 23. April 2015 (Sache R 1971/2014‑4) zu einem
Verfallsverfahren zwischen Volkswagen und BAGPAX Cargo Systems
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka (Berichterstatterin) und des Richters I. Ulloa Rubio,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 23. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 28. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,
aufgrund der am 29. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 18. März 2008 wurde für den Streithelfer, Herrn Marvin Dominic Andrã, vormals BAGPAX Cargo Systems e. K., beim Amt der Europäischen Union für
geistiges Eigentum (EUIPO) unter der Nr. 4715322 die Unionswortmarke BAG PAX eingetragen.
Die Marke BAG PAX wurde für folgende Waren der Klassen 12 und 22 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen:
– Klasse 12: „Transportbehälter aus Gewebe oder Kunststoff für Fahrzeuge“;
– Klasse 22: „Planen, Säcke, Netze, Fahrzeugplanen“.
Am 26. April 2013 stellte die Klägerin, die Volkswagen AG, gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26.
Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke BAG PAX. Sie trug vor, dass die Marke
BAG PAX innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren für alle Waren, für die sie eingetragen worden sei, nicht in der Form benutzt
worden sei, in der sie eingetragen worden sei.
Mit Entscheidung vom 10. Juni 2014 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke BAG PAX für „Planen, Netze,
Fahrzeugplanen“ der Klasse 22 statt. Hingegen wies sie den Antrag auf Erklärung des Verfalls für „Transportbehälter aus Gewebe oder Kunststoff für
Fahrzeuge“ der Klasse 12 und für „Säcke“ der Klasse 22 zurück und stellte fest, dass für diese Waren die Benutzung der Marke nachgewiesen worden
sei.
Am 28. Juli 2014 legte die Klägerin beim EUIPO gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung der
Nichtigkeitsabteilung ein, soweit sie ihren Antrag auf Erklärung des Verfalls zurückgewiesen hatte.
Mit Entscheidung vom 23. April 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde
zurück. Die Beschwerdekammer wies darauf hin, dass sich die Klägerin darauf beschränke, zu bestreiten, dass die Marke BAG PAX in der Form benutzt
worden sei, in der sie eingetragen worden sei. Die Beschwerdekammer führte dazu aus, dass eine Kombination zweier Silben, sei sie in einem Wort
zusammengeschrieben oder nicht, für die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer Gesamtheit nicht maßgebend sei. Sie kam zu dem Schluss, dass
die Schreibweise der unterscheidungskräftigen Wortmarke BAG PAX in einem Wort, nämlich BAGPAX, die Unterscheidungskraft der Marke in der Form,
in der sie eingetragen worden sei, nicht im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 beeinflusse.
Anträge der Parteien
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Das EUIPO und der Streithelfer beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Nach Art. 126 der Verfahrensordnung des Gerichts kann das Gericht, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede
rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu
entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
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Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt in Anwendung dieses
Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
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Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009
rügt. Sie macht geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht angenommen, dass die Benutzung der Marke BAG PAX in einem Wort die
Unterscheidungskraft der Marke, wie sie eingetragen worden sei, nicht beeinflusse.
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Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 umfasst der Nachweis der ernsthaften Benutzung einer Marke auch den Nachweis ihrer
Benutzung in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst
wird.
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Der Zweck von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, der es vermeidet, eine strikte Übereinstimmung zwischen der verwendeten
Form der Marke und derjenigen, in der die Marke eingetragen worden ist, vorzuschreiben, besteht darin, es dem Inhaber dieser Marke zu erlauben, im
Rahmen seines Geschäftsbetriebs Veränderungen an dem Zeichen vorzunehmen, die es, ohne die Unterscheidungskraft der Marke zu beeinflussen,
erlauben, sie den Anforderungen der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen besser
anzupassen. Seinem Zweck entsprechend ist der sachliche Geltungsbereich dieser Bestimmung als auf die Situationen beschränkt zu betrachten, in
denen das Zeichen, das vom Inhaber einer Marke konkret zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die diese eingetragen worden ist,
verwendet wird, die Form darstellt, in der diese Marke gewerblich genutzt wird. Für solche Situationen sieht die erwähnte Bestimmung vor, dass die
Pflicht zur Benutzung der Marke dann, wenn das im Handelsverkehr verwendete Zeichen von der Form, in der es eingetragen worden ist, nur in
geringfügigen Bestandteilen abweicht und die beiden Zeichen somit als insgesamt gleichwertig betrachtet werden können, dadurch erfüllt werden
kann, dass der Nachweis der Benutzung des Zeichens erbracht wird, das deren im Handelsverkehr benutzte Form darstellt (Urteile vom 10. Juni 2010,
Atlas Transport/HABM – Hartmann [ATLAS TRANSPORT], T‑482/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:229, Rn. 30, vom 21. Juni 2012, Fruit of the Loom/HABM
– Blueshore Management [FRUIT], T‑514/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:316, Rn. 28, und vom 12. März 2014, Borrajo Canelo/HABM – Tecnoazúcar
[PALMA MULATA], T‑381/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:119, Rn. 26).
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Die Feststellung einer Beeinflussung der Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form erfordert eine Prüfung der
Unterscheidungskraft und der Dominanz der hinzugefügten oder gestrichenen Bestandteile, bei der auf die Eigenschaften jedes einzelnen dieser
Bestandteile sowie deren jeweilige Rolle bei der Gesamtgestaltung der Marke abzustellen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2010, ATLAS
TRANSPORT, T‑482/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:229, Rn. 31).
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Im vorliegenden Fall steht fest, dass der einzige Unterschied zwischen der Marke, wie sie eingetragen wurde, BAG PAX, und der Marke, wie sie benutzt
wird, BAGPAX, im Weglassen des Zwischenraums zwischen den beiden Bestandteilen „bag“ und „pax“ besteht.
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Es ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass in dem von der Marke BAG PAX hervorgerufenen
Gesamteindruck, da der Zwischenraum zwischen den Wortbestandteilen „bag“ und „pax“ nicht zur Unterscheidungskraft dieser Marke beitrage, die
Streichung dieses Zwischenraums ihre Unterscheidungskraft nicht beeinflusse.
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Es ist nämlich davon auszugehen, dass dieser Zwischenraum ein im von der Marke BAG PAX hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigender
Bestandteil ist und die Marke BAG PAX, wie sie eingetragen wurde, und die Marke BAGPAX, wie sie benutzt wird, insgesamt als gleichwertig angesehen
werden können.
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Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, dass der Nachweis der Benutzung des Zeichens in der Form BAGPAX einen
Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke, wie sie eingetragen worden sei, im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009
darstelle.
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Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer in Frage stellen könnte.
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Sie macht geltend, dass die Unterscheidungskraft der eingetragenen Marke, BAG PAX in zwei Wörtern, anders sei als die Unterscheidungskraft der
Marke in der benutzten Form, nämlich BAGPAX in einem Wort. Was die eingetragene Marke betreffe, sei das Wort „bag“ für die von der Marke
erfassten Waren für den englischsprachigen Verbraucher beschreibend und ergebe sich ihre Unterscheidungskraft nur aus dem Wort „pax“. Die in
einem Wort benutzte Marke werde als ein Phantasiezeichen verstanden, das der englischsprachige Verbraucher nicht in zwei Bestandteile zergliedere.
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Festzustellen ist zum einen, dass die Streichung des Zwischenraums zwischen den Bestandteilen „bag“ und „pax“ die Unterscheidungskraft der
Marke BAG PAX nicht verringert. Die Klägerin beanstandet die Feststellung der Beschwerdekammer nicht, wonach die Marke BAG PAX, wie sie
eingetragen worden sei, und die Marke BAGPAX, wie sie benutzt werde, erhöhte Unterscheidungskraft besäßen.
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Da zum anderen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke auf den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen
ist, selbst wenn, wie die Klägerin vorträgt, der Bestandteil „pax“ in der Marke, wie sie eingetragen wurde, BAG PAX, wichtiger wäre als der Bestandteil
„bag“, bleibt diese Bemerkung für die Marke, wie sie benutzt wird, BAGPAX, gültig.
23
Nach der Rechtsprechung nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke zwar regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen
Einzelheiten, doch wird er ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln
oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (Urteile vom 12. November 2008, ecoblue/HABM – Banco Bilbao Vizcaya Argentaria [Ecoblue], T‑281/07,
nicht veröffentlicht, EU:T:2008:489, Rn. 30, und vom 1. Februar 2013, Coin/HABM – Dynamiki Zoi [Fitcoin], T‑272/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:52,
Rn. 23).
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Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird der englischsprachige Verbraucher daher das Wort „bag“ in der Marke BAGPAX erkennen und sie in zwei
Bestandteile, „bag“ und „pax“, zerlegen. Die Marke BAGPAX wird als Summe dieser beiden Bestandteile verstanden. Die benutzte Marke und die
Marke, wie sie eingetragen wurde, weisen daher keinen Unterschied auf, der den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck verändern
könnte.
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Im Übrigen ist festzustellen, dass der von der Klägerin vorgenommene Vergleich mit dem Wort „bagdad“ nicht relevant ist. Da das Wort „bagdad“ im
Gegensatz zur Marke BAGPAX seine eigene Bedeutung hat, wird es der englischsprachige Verbraucher nicht in zwei Teile zerlegen.
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Daher ist das Vorbringen der Klägerin als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
27
Was das Argument der Klägerin betrifft, wonach die Streichung des Zwischenraums zwischen den Bestandteilen „bag“ und „pax“ nicht durch die
Anforderungen der Vermarktung der Waren oder die Verkaufsförderung geboten sei, genügt die Feststellung, dass es ins Leere geht.
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Die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 verlangt nämlich keine Begründung dafür, dass die Marke in einer Form
benutzt wird, die von der, in der sie eingetragen wurde, abweicht.
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Somit ist der einzige von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
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Folglich ist die Klage abzuweisen, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.
Kosten
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Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin
unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und des Streithelfers die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Volkswagen AG trägt die Kosten.
Luxemburg, den 10. Mai 2016
Der Kanzler Der Präsident
E. Coulon M. van der Woude
*
Verfahrenssprache: Deutsch.