Urteil des EuG vom 18.04.2016

Marke, Geistiges Eigentum, Verordnung, Beschwerdekammer

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)
18. April 2016
)
„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Anna Smith –
Ältere Unionswortmarke SMITH – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr –
Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Teils offensichtlich unzulässige und
teils offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrende Klage“
In der Rechtssache T‑295/15
Yongyu Zhang,
Rechtsanwältin M. Steinert,
Kläger,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor
dem Gericht:
K & L Ruppert Stiftung & Co. Handels‑KG
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Kockläuner und O. Nilgen,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO
vom 27. Februar 2015 (Sache R 1559/2014‑5) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der
K & L Ruppert Stiftung & Co. Handels‑KG und Herrn Yongyu Zhang
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude (Berichterstatter), der Richterin
I. Wiszniewska-Białecka und des Richters I. Ulloa Rubio,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 26. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 5. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung des EUIPO,
aufgrund der am 5. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung der Streithelferin,
folgenden
Beschluss
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 12. Juli 2013 meldete der Kläger, Herr Yongyu Zhang, nach der Verordnung (EG)
Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Amt
der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Anna Smith.
3
Die Marke wurde u. a. für folgende Waren der Klassen 18 und 25 des Abkommens von Nizza
über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von
Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
– Klasse 18: „Handtaschen; Abendhandtaschen; Damenhandtaschen; Handtaschen;
Reisehandtaschen; Lederhandtaschen; Herrenhandtaschen; Handtaschenkarkassen;
Handtaschen aus Lederimitationen; Herrentaschen; Herrentaschen; Handtaschen aus
Leder; Handtaschen“;
– Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.
4
Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 114/2013 vom 1. August 2013
veröffentlicht.
5
Am 31. Oktober 2013 erhob die Streithelferin, die K & L Ruppert Stiftung & Co. Handels‑KG,
gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren
Widerspruch nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009.
6
Der Widerspruch war auf die ältere Unionswortmarke SMITH gestützt, die folgende Waren der
Klassen 18 und 25 erfasst:
– Klasse 18: „Reise- und Handkoffer; Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten);
Regenschirme; Sonnenschirme; Brieftaschen; Portemonnaies“;
– Klasse 25: „Ober- und Unterbekleidungsstücke; Handschuhe; Schals; Halstücher;
Krawatten; Fußbekleidungsstücke; Strümpfe; Strumpfhosen; Kopfbedeckungen; Schuhe;
Gürtel“.
7
Mit dem Widerspruch wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht.
8
Am 29. April 2014 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung
zurück, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.
9
Am 20. Juni 2014 legte die Streithelferin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung
nach den Art. 58 und 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde ein.
10
Mit Entscheidung vom 27. Februar 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die
Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf. Sie
stellte fest, dass das relevante Publikum ein normal informierter und angemessen
aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher der Europäischen Union sei. Der
Vergleich der betroffenen Waren ergebe, dass sie identisch seien. Ein Vergleich der Zeichen
ergebe, dass sie in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht zu einem mittleren
Grad ähnlich seien. Deshalb bestehe unter Berücksichtigung der durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der älteren Marke zumindest in einem Teil der Union eine
Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
Anträge der Parteien
11
Der Kläger beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– die angemeldete Marke als Unionsmarke für Waren der Klassen 18 und 25 zuzulassen.
12
Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
13
Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich
unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, ohne Fortsetzung des
Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.
14
Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend
unterrichtet und beschließt in Anwendung dieses Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu
entscheiden.
15
Einleitend ist festzustellen, dass der zweite Antrag des Klägers im Wesentlichen dahin zu
verstehen ist, dass vom Gericht begehrt wird, dem EUIPO aufzugeben, die Markenanmeldung
für die betreffenden Waren zuzulassen. Wie sich aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt,
hat das EUIPO aber im Rahmen einer beim Unionsrichter eingereichten Klage gegen die
Entscheidung einer seiner Beschwerdekammern nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung
Nr. 207/2009 die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergeben.
Das Gericht kann somit dem EUIPO keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen
aus dem Tenor und den Gründen der Entscheidungen des Unionsrichters zu ziehen (vgl. Urteil
vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan
Bolaños], T‑443/05, Slg, EU:T:2007:219, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
16
Folglich ist der zweite Antrag des Klägers als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.
17
Der Kläger macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Er ist der Ansicht, dass zwischen der angemeldeten und der
älteren Marke keine Ähnlichkeiten bestünden, die geeignet seien, eine Verwechslungsgefahr
hervorzurufen.
18
Wie das EUIPO zu Recht vorträgt, mangelt es der Klageschrift an Klarheit. Aus ihr geht jedoch
hervor, dass der Kläger weder die Definition des relevanten Publikums noch die Feststellung zur
Identität der betroffenen Waren in Frage stellt. Zudem lassen sich vier Argumente
herausarbeiten, die der Kläger zur Stützung seines einzigen Klagegrundes vorträgt.
19
Mit seinem ersten Argument wirft der Kläger der Beschwerdekammer vor, sich im Rahmen der
Prüfung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auf den Grundsatz gestützt
zu haben, wonach die Tatsache, dass eine Marke ausschließlich aus der älteren Marke
bestehe, der ein anderes Wortelement hinzugefügt werde, auf die Ähnlichkeit dieser beiden
Marken hindeute. Nach Ansicht des Klägers gilt dieser Grundsatz nur für Marken, die sich aus
Phantasienamen zusammensetzen, und nicht für Marken mit dem Namen natürlicher Personen.
20
Hierzu ist festzustellen, dass die Unionsmarkenanmeldung eines Zeichens, das ganz oder
teilweise aus einem oder mehreren Personennamen besteht, nicht den Beurteilungskriterien
entzogen ist, die für die Anmeldung von Marken anderer Kategorien gelten (Urteil vom 13. Juli
2005, Murúa Entrena/HABM – Bodegas Murúa [Julián Murúa Entrena], T‑40/03, Slg,
2005, Murúa Entrena/HABM – Bodegas Murúa [Julián Murúa Entrena], T‑40/03, Slg,
EU:T:2005:285, Rn. 49). Daher sind entgegen dem Vorbringen des Klägers bei der Beurteilung
des Vorliegens einer Ähnlichkeit von Marken, die aus einem Personennamen bestehen,
mangels einer anderweitigen Regelung in der Verordnung Nr. 207/2009 die gleichen Kriterien
wie im Fall anderer Markenkategorien heranzuziehen.
21
In Bezug auf die im vorliegenden Fall anwendbaren Beurteilungskriterien ist darauf
hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, dass eine Marke
ausschließlich aus der älteren Marke besteht, der ein anderes Wort hinzugefügt ist, auf die
Ähnlichkeit dieser beiden Marken hindeutet (vgl. Urteil vom 7. März 2013, FairWild
Foundation/HABM – Wild [FAIRWILD], T‑247/11, EU:T:2013:112, Rn. 31 und die dort
angeführte Rechtsprechung). Der Beschwerdekammer kann daher nicht vorgeworfen werden,
dass sie aufgrund dieser Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die
einander gegenüberstehenden Zeichen ähneln, da die ältere Marke vollkommen in der
angemeldeten Marke enthalten ist.
22
Das erste Argument des Klägers ist daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
23
Mit seinem zweiten Argument trägt der Kläger vor, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht
angenommen, dass der Name Smith unterscheidungskräftiger sei als der Vorname Anna.
Dieser Vorname hebräischen Ursprungs sei innerhalb der Union nicht geläufig und habe daher
keine schwache Unterscheidungskraft, sondern der Grad seiner Unterscheidungskraft sei mit
dem des Namens Smith zumindest vergleichbar.
24
Insoweit ist hervorzuheben, dass die Beschwerdekammer zwar in Rn. 35 der angefochtenen
Entscheidung ausgeführt hat, dass der Name Smith zumindest in einem Teil der Union
durchschnittliche Kennzeichnungskraft habe, während der in der Union weit verbreitete
Vorname Anna eine schwächere Kennzeichnungskraft habe. Sie ist jedoch in Rn. 36 der
angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gekommen, dass eine Verwechslungsgefahr
selbst dann vorläge, wenn man annähme, dass die Elemente „Anna“ und „Smith“ gleich
kennzeichnungskräftig seien, da der Name Smith, der die ältere Marke darstelle, innerhalb der
angemeldeten Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalte. Der Kläger stellt den
von der Beschwerdekammer in Rn. 36 gezogenen Schluss aber nicht in Frage.
25
Daher ist das zweite Argument des Klägers als ins Leere gehend zurückzuweisen.
26
Mit seinem dritten Argument macht der Kläger geltend, dass in der Modebranche ein kleiner
Unterschied zwischen den Marken wie die Hinzufügung eines Vornamens ausreiche, um eine
Verwechslungsgefahr zu vermeiden, sofern es sich nicht um berühmte oder sehr bekannte
Marken handele.
27
Hierzu stellt das Gericht fest, dass dem Argument des Klägers, wonach die maßgeblichen
Verbraucher auf kleine Unterschiede zwischen Marken achteten, die von demselben
Familiennamen abgeleitet seien, entgegensteht, dass in der Bekleidungsbranche häufig Marken
anzutreffen sind, die von einem Familiennamen – mit oder ohne Vornamen – abgeleitet sind
und sich derselben betrieblichen Herkunft zuordnen lassen (Urteil vom 20. Februar 2013,
Caventa/HABM – Anson’s Herrenhaus [B BERG], T‑631/11, EU:T:2013:85, Rn. 68). Dass bei
der angemeldeten Marke dem Familiennamen Smith der Vorname Anna hinzugefügt wird, reicht
daher nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Überdies trägt der Kläger
nichts vor, was seinen Standpunkt stützen könnte, wonach die Möglichkeit, in der Modebranche
von einem Familiennamen abgeleitete Marken derselben betrieblichen Herkunft zuzuordnen,
nur für berühmte oder sehr bekannte Marken gelte.
28
Das dritte Argument ist daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
29
Mit seinem vierten Argument trägt der Kläger vor, dass die Streithelferin in Anbetracht dessen,
dass sie die Marke SMITH nicht nutze, kein Interesse am Schutz des Wortes „Smith“ geltend
machen könne.
30
Mit diesem Argument scheint sich der Kläger auf Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009
zu beziehen. Nach dieser Bestimmung hat der Inhaber einer älteren Unionsmarke, der
Widerspruch erhoben hat, auf Verlangen des Anmelders den Nachweis zu erbringen, dass er
die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der
Unionsmarke in der Union oder in dem Mitgliedstaat, in dem sie geschützt ist, für die Waren
oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines
Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat oder dass berechtigte Gründe für ihre
Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Marke seit mindestens fünf
Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch
zurückgewiesen.
31
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Kläger zum einen während des Verfahrens vor
dem EUIPO nicht die Vorlage von Nachweisen für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke
verlangt hat.
32
Nach ständiger Rechtsprechung muss die Frage des Nachweises der ernsthaften Benutzung
der älteren Marke aber ausdrücklich und rechtzeitig vor der Widerspruchsabteilung aufgeworfen
worden sein, da die ernsthafte Benutzung der Marke eine Frage darstellt, die, ist sie vom
Markenanmelder einmal aufgeworfen worden, vor der Entscheidung über den Widerspruch
selbst beantwortet werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2007, Saint-Gobain
Pam/HABM – Propamsa [PAM PLUVIAL], T‑364/05, Slg, EU:T:2007:96, Rn. 34 und 37 und die
dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist es nicht zulässig, diese Frage erstmals vor der
Beschwerdekammer (vgl. in diesem Sinne Urteil PAM PLUVIAL, EU:T:2007:96, Rn. 39) oder vor
dem Gericht aufzuwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2007, NV Marly/HABM –
Erdal [Top iX], T‑57/06, EU:T:2007:333, Rn. 18).
33
Zum anderen wurde die ältere Marke am 12. November 2008 eingetragen. Als am 1. August
2013 die Anmeldung der Unionsmarke veröffentlicht wurde, war die ältere Marke somit seit
weniger als fünf Jahren eingetragen. Folglich hätte jedenfalls nach Art. 42 Abs. 2 der
Verordnung Nr. 207/2009 die Frage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke im Rahmen
des Verfahrens vor dem EUIPO nicht wirksam aufgeworfen werden können.
34
Daher ist das vierte, die fehlende ernsthafte Benutzung der älteren Marke betreffende
Argument als unzulässig zurückzuweisen.
35
Nach alledem ist die Klage als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich jeder
rechtlichen Grundlage entbehrend abzuweisen.
Kosten
36
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen.
37
Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des EUIPO und der Streithelferin die
Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Yongyu Zhang trägt die Kosten.
Luxemburg, den 18. April 2016
Luxemburg, den 18. April 2016
Der Kanzler
Der Präsident
E. Coulon
M. van der Woude
Verfahrenssprache: Deutsch.