Urteil des EuG vom 14.10.2015

Satzung, Kommission, Verfahrensordnung, Ewr

BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)
14. Oktober 2015
)
„Klageschrift – Formerfordernisse – Mangelnde Vertretung durch einen Anwalt – Offensichtliche
Unzulässigkeit – Antrag auf Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines nationalen Gesetzes
oder einer Entscheidung eines nationalen Gerichts – Offensichtliche Unzuständigkeit“
In der Rechtssache T‑230/15
Karl-Günther Lattermann,
Kläger,
gegen
Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main,
Beklagter,
wegen Feststellung, dass der Kläger sein Notaramt trotz des Erreichens der Altersgrenze von
70 Jahren weiter ausüben darf, und, hilfsweise, wegen Aufhebung des Beschlusses des
Bundesgerichtshofs vom 16. März 2015
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des
Richters V. Kreuschitz,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Verfahren und Anträge des Klägers
1
Mit Klageschrift, die am 11. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der
Kläger die vorliegende Klage erhoben.
2
Unterzeichnet war die Klageschrift nur vom Kläger.
3
Der Kläger beantragt,
– festzustellen, dass er sein Amt trotz Überschreitung der in der Bundesnotarordnung
vorgesehenen Altersgrenze für die Ausübung des Amts des Notars weiter ausüben darf;
– hilfsweise, den Beschluss des Bundesgerichtshofs NotZ (Brfg) 10/14 vom 16. März 2015
aufzuheben und die Rechtssache an dieses Gericht zurückzuverweisen;
– dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
4
Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich
unzulässig ist, die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu
entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
5
Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht für durch die Akten hinreichend unterrichtet und trifft
gemäß der genannten Vorschrift die Entscheidung, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu
entscheiden.
6
Wie sich aus den Akten ergibt, ist der Kläger Rechtsanwalt und hat die Klage in dieser
Eigenschaft erhoben.
7
Nach Art. 19 Abs. 3 und 4 und Art. 21 Abs. 1 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs
der Europäischen Union, die gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem
Gericht anwendbar sind, und Art. 43 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts
vom 2. Mai 1991 müssen Parteien, die nicht Mitgliedstaaten, Unionsorgane, die EFTA-
Überwachungsbehörde oder Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) sind, durch einen Anwalt vertreten sein, der berechtigt ist, vor einem
Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens
aufzutreten. Zudem muss die Klageschrift Namen und Wohnsitz des Klägers sowie die Stellung
des Unterzeichnenden angeben. Schließlich ist die Urschrift jedes Schriftsatzes vom
Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen.
8
Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus den genannten Bestimmungen, insbesondere
aus der Verwendung des Ausdrucks „vertreten“ in Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs,
dass sich eine „Partei“ im Sinne dieser Bestimmung bei der Erhebung einer Klage vor dem
Gericht eines Dritten bedienen muss, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats
oder eines Vertragsstaats des EWR-Abkommens aufzutreten (Beschlüsse vom 5. Dezember
1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, Slg, EU:C:1996:473, Rn. 11, vom 21. November 2007,
Correia de Matos/Parlament, C‑502/06 P, EU:C:2007:696, Rn. 11, und vom 29. September
2010, EREF/Kommission, C‑74/10 P und C‑75/10 P, EU:C:2010:557, Rn. 54).
9
Dabei ist die Vorstellung von der Rolle des Rechtsanwalts in der Unionsrechtsordnung, die auf
den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten beruht und Art. 19 der Satzung des
Gerichtshofs zugrunde liegt, die eines Organs der Rechtspflege, das in völliger Unabhängigkeit
und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die
der Mandant benötigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 1982, AM & S
Europe/Kommission, 155/79, Slg, EU:C:1982:157, Rn. 24, vom 14. September 2010, Akzo
Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a., C‑550/07 P, Slg, EU:C:2010:512,
Rn. 42, und vom 3. September 2015, Lambauer/Rat, C‑52/15 P, EU:C:2015:549, Rn. 19).
10
Die im vorliegenden Fall eingereichte Klageschrift, die der Kläger selbst unterzeichnet hat,
genügt demnach nicht den Anforderungen des Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs.
11
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit seiner Klage begehrt, dass das Gericht
der Sache nach über die Rechtmäßigkeit eines deutschen Gesetzes und, hilfsweise, über die
Rechtmäßigkeit eines Beschlusses des Bundesgerichtshofs befindet.
12
Hierzu ist festzustellen, dass die Zuständigkeiten des Gerichts in Art. 256 AEUV genannt und in
Art. 51 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 1 des Anhangs I dieser Satzung näher bestimmt
sind. Nach diesen Bestimmungen ist das Gericht für Klagen gemäß Art. 263 AEUV zuständig,
jedoch nur, sofern sie gegen Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der
Union gerichtet sind.
13
Im vorliegenden Fall wird aber keine Handlung eines Organs, einer Einrichtung oder einer
sonstigen Stelle der Union angefochten.
14
Im Übrigen ist das Gericht nicht befugt, Feststellungsurteile zu erlassen (Beschlüsse vom 25.
Oktober 2011, DMA Die Marketing Agentur und Hofmann/Österreich, T‑472/11, EU:T:2011:631,
Rn. 10, und vom 27. Januar 2014, Stolz/Parlament und Kommission, T‑582/13, EU:T:2014:69,
Rn. 10).
15
Nach alledem ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen. Eine Zustellung der
Klageschrift an den Beklagten erübrigt sich damit.
Kosten
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Da der vorliegende Beschluss ergangen ist, bevor die Klageschrift dem Beklagten zugestellt
wurde und diesem hätten Kosten entstehen können, ist nur zu entscheiden, dass der Kläger
gemäß Art. 133 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten trägt.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Karl-Günther Lattermann trägt seine eigenen Kosten.
Luxemburg, den 14. Oktober 2015
Der Kanzler
Der Präsident
E. Coulon
M. Prek
Verfahrenssprache: Deutsch.