Urteil des EuG vom 25.09.1997

EuG: kommission, juristische person, verordnung, ware, china, antidumping kodex, staatliches unternehmen, klagegrund, behandlung, stichprobe

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)
25. September 1997
„Dumping — Staatshandelsländer — Gleichartige Ware — Individuelle Behandlung — Berechnung der
Dumpingspanne“
In der Rechtssache T-170/94
Shanghai Bicycle Corporation (Group),
(Volksrepublik China), Prozeßbevollmächtigter: Barrister Izzet M. Sinan, Zustellungsanschrift: Kanzlei der
Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union
Beistand: Rechtsanwälte Hans-Jürgen Rabe und Georg M. Berrisch, Hamburg und Brüssel,
Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsfragen der
Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,
Beklagter,
unterstützt durch
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer
Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
und durch
European Bicycle Manufacturers Association (EBMA),
Jacques H. J. Bourgeois, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Loesch, 11, rue
Goethe, Luxemburg,
Streithelfer,
wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 des Rates vom 8. September 1993 zur
Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der
Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls (ABl. L 228, S. 1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, der Richterin V. Tiili sowie der Richter J. Azizi, R. M.
Moura Ramos und M. Jaeger,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1997,
folgendes
Urteil
Der Klage zugrunde liegender Sachverhalt
1.
Die Klägerin, die Shanghai Bicycle Corporation (Group), Gesellschaft chinesischen Rechts, ist einer
der größten Fahrradhersteller und -exporteure Chinas. Sie exportiert auch in die Europäische
Gemeinschaft.
2.
Im Juli 1991 ging bei der Kommission eine Beschwerde der European Bicycle Manufacturers
Association (Europäischer Verband der Fahrradhersteller; im folgenden: EBMA) ein, der zufolge bei
Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China ein Dumping vorlag, das eine bedeutende
Schädigung verursacht habe.
3.
Die Kommission leitete daraufhin ein Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Fahrrädern
mit Ursprung in Taiwan und der Volksrepublik China aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des
Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht
zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1; im folgenden:
Grundverordnung) ein. Die Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens wurde am 12.
Oktober 1991 veröffentlicht (ABl. C 266, S. 6).
4.
Im Rahmen dieses Verfahrens übersandte die Kommission den nicht in der Gemeinschaft
ansässigen Exporteuren und Herstellern einen Fragebogen. Die Klägerin antwortete hierauf mit
Schreiben vom 17. Dezember 1991. Auch mehrere andere Exporteure beantworteten den
Fragebogen.
5.
Am 5. Februar 1992 ersuchte die Kommission um zusätzliche Auskünfte betreffend die Arten und
Modelle der in die Gemeinschaft ausgeführten Fahrräder. Ihrer Antwort fügte die Klägerin Unterlagen
bei, die ihre ursprüngliche Antwort änderten. Diese Änderungen betrafen die Zahl der von der
Klägerin verkauften Fahrräder und den Wert dieser Verkäufe, die Ausfuhren in die Gemeinschaft sowie
zusätzliche Informationen zu den in die Gemeinschaft ausgeführten Fahrradmodellen.
6.
Am 9. Juni 1992 hörte die Kommission einige taiwanesische und chinesische Exporteure an.
7.
Sodann erließ sie die Verordnung (EWG) Nr. 550/93 der Kommission vom 5. März 1993 zur
Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der
Volksrepublik China (ABl. L 58, S. 12; im folgenden: vorläufige Verordnung). Sie setzte den vorläufig
anwendbaren Zollsatz auf 34,4 % fest.
8.
Mit Schreiben vom 8. April 1993 legte die Klägerin ihren Standpunkt zu der vorläufigen Verordnung
schriftlich dar und erhob eine Reihe von Einwendungen. Sie ersuchte ferner um Informationen über
die von der Kommission angewandte Methodik.
9.
Am 21. Juni 1993 übersandte die Kommission der Klägerin ein als „Übermittlungsschreiben“
bezeichnetes Dokument, das die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen enthielt, auf deren
Grundlage sie beabsichtigte, dem Rat die Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls zu
empfehlen. Die Klägerin gab
sodann eine schriftliche Stellungnahme zu diesem Dokument ab und traf sich mit den zuständigen
Bediensteten der Kommission.
10.
Der Rat erließ sodann die Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 vom 8. September 1993 zur Einführung
eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik
China und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls (ABl. L 228, S. 1; im
folgenden auch: angefochtene Verordnung). Er setzte den anwendbaren endgültigen Zoll auf 30,6 %
fest.
Verfahren
11.
Die Klägerin hat die Klageschrift in der vorliegenden Rechtssache am 23. Dezember 1993 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht. Die Rechtssache ist unter der Nummer C-477/93 eingetragen
worden.
12.
Nach dem Beschluß des Rates vom 7. März 1994 zur Änderung des Beschlusses 93/350/Euratom,
EGKS, EWG zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts
erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 66, S. 29) ist ab 15. März 1994 das Gericht in
bezug auf Klagen zuständig, die gemäß Artikel 173, 175 und Artikel 178 EG-Vertrag von natürlichen
oder juristischen Personen erhoben werden und die sich auf Maßnahmen im Falle von Dumping und
Subventionen beziehen. Aus diesem Grund hat der Gerichtshof die Rechtssache C-477/93 mit
Beschluß vom 18. April 1994 an das Gericht verwiesen. Die Rechtssache ist in der Kanzlei des Gerichts
unter der Nummer T-170/94 eingetragen worden.
13.
Mit Beschluß vom 14. September 1994 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts die
Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen. Mit Schreiben
vom 17. Oktober 1994 hat die Kommission erklärt, sie verzichte auf die Einreichung eines
Streithilfeschriftsatzes.
14.
Mit Beschluß vom 20. Oktober 1994 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts
die EBMA als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen und die
vertrauliche Behandlung von zwei Anlagen zur Klageschrift bewilligt. Die EBMA hat am 6. Januar 1995
einen Streithilfeschriftsatz eingereicht. Die Klägerin hat am 3. März 1995 ihre Erklärungen zu diesem
Schriftsatz eingereicht. Mit Entscheidung vom 26. April 1995 hat das Gericht auf Antrag des Beklagten
das schriftliche Verfahren wieder eröffnet, um es diesem zu ermöglichen, zu den Erklärungen der
Klägerin zum Schreithilfeschriftsatz der EBMA Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat seine Erklärungen
am 2. Juni 1995 eingereicht.
15.
Im Anschluß an den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs
Schweden zu den Europäischen Gemeinschaften ist die Rechtssache am 23. Januar 1995 der Dritten
erweiterten Kammer neu zugewiesen
worden, und es ist ein neuer Berichterstatter bestimmt worden. Da dieser später der Fünften
erweiterten Kammer zugeteilt wurde, ist die Rechtssache auch dieser Kammer zugewiesen worden.
16.
Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) beschlossen, die
mündliche Verhandlung zu eröffnen und prozeßleitende Maßnahmen anzuordnen. Der Beklagte hat vor
dem Sitzungstermin die vom Gericht angeforderten Dokumente vorgelegt.
17.
Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 11. März 1997 mündlich verhandelt und Fragen des
Gerichts beantwortet.
Anträge der Beteiligten
18.
Die Klägerin beantragt,
— die Verordnung Nr. 2474/93 für nichtig zu erklären,
— dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
19.
Der Beklagte beantragt,
— die Klage für unzulässig zu erklären,
— hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen,
— der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
20.
Die EBMA als Streithelferin beantragt,
— die Klage für unzulässig zu erklären,
— hilfsweise, sie als unbegründet abzuweisen,
— der Klägerin die Streithilfekosten aufzuerlegen.
21.
Die Kommission als Streithelferin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
— die Klage als unbegründet abzuweisen,
— der Klägerin die Streithilfekosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
22.
Unterstützt von den Streithelferinnen erhebt der Beklagte im wesentlichen drei
Unzulässigkeitseinreden. Mit der ersten macht er geltend, die Klägerin sei keine juristische Person.
Die zweite geht dahin, daß die Klägerin nicht unmittelbar und individuell betroffen sei. Mit der dritten
rügt er, daß das Klagebegehren zu weit gefaßt sei.
Vorbringen der Beteiligten
23.
Der Beklagte und die Streithelferinnen machen geltend, daß die Klägerin nicht als juristische
Person im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages angesehen werden könne. Die Angaben über
die Verbindungen zwischen der klägerischen Gesellschaft und den dreizehn Einheiten, die zu ihrer
Gruppe gehörten, sowie über die Beteiligung einer dieser Einheiten an einer weiteren Gesellschaft
seien widersprüchlich und ermöglichten keine zufriedenstellende Beurteilung des Rechtsstatus und
der Tätigkeiten der Klägerin. Darüber hinaus gehe aus keiner der von der Klägerin gemachten
Angaben hervor, ob sie eine produzierende oder eine Handel treibende Gesellschaft sei.
24.
Der Beklagte weist außerdem darauf hin, daß der Klage entgegen Artikel 38 § 5 der
Verfahrensordnung des Gerichtshofes weder die Satzung der Klägerin noch ein neuerer Auszug aus
dem Handelsregister beigefügt gewesen sei.
25.
Die Klägerin weist das Vorbringen des Beklagten und der Streithelferinnen, sie sei keine juristische
Person, zurück. Zu diesem Zweck hat sie der Erwiderung eine Abschrift ihrer Eintragung in das
Handelsregister beigefügt und führt aus, daß die dreizehn Einheiten, die zu der Gruppe gehörten,
Produktionseinheiten und keine eigenen Gesellschaften seien. Die Erklärungen bezüglich ihrer
Beteiligung am Kapital einer weiteren Gesellschaft, die sie in ihrer Antwort auf den Fragebogen der
Kommission gegeben habe, seien außerdem vollkommen klar und von dieser Gesellschaft bestätigt
worden.
Würdigung durch das Gericht
26.
Die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage, die gemäß Artikel 173 des Vertrages von einer Einheit
erhoben wird, hängt zunächst von deren Eigenschaft als juristische Person ab. Im Rechtsschutzsystem
der Gemeinschaften hat ein Kläger die Eigenschaft einer juristischen Person, wenn er die
Rechtspersönlichkeit gemäß dem auf seine Gründung anwendbaren Recht erlangt hat (Urteil des
Gerichtshofes vom 27. November 1984 in der Rechtssache 50/84, Bensider u. a./Kommission, Slg.
1984, 3991, Randnrn. 7 und 8) oder wenn er von den Gemeinschaftsorganen als unabhängige
rechtliche Einheit behandelt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 8. Oktober 1974 in der
Rechtssache 175/73, Gewerkschaftsbund u. a./Rat, Slg.
1974, 917, Randnrn. 11 bis 13, und in der Rechtssache 18/74, Allgemeine Gewerkschaft/Kommission,
Slg. 1974, 933, Randnrn. 7 bis 9; Urteil des Gerichtsvom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T-161/94,
Sinochem Heilongjiang/Rat, Slg. 1996, II-695, Randnr. 31).
27.
Gemäß Artikel 38 § 5 Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichtshofes und Artikel 44 § 5
Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichts hat der Kläger, wenn er eine juristische Person des
Privatrechts ist, mit der Klageschrift seine Satzung, einen neueren Auszug aus dem Handelsregister,
einen neueren Auszug aus dem Vereinsregister oder einen anderen Nachweis seiner
Rechtspersönlichkeit einzureichen.
28.
Im vorliegenden Fall ist die Klägerin die Hauptgesellschaft der Shanghai Bicycle Corporation Group,
eines produzierenden und exportierenden Unternehmens. Sie umfaßt dreizehn Produktionseinheiten.
Mit ihrer Erwiderung hat sie einen Auszug aus dem Handelsregister vorgelegt, der ihre Eintragung
durch die Behörden der Provinz Shanghai am 21. Mai 1993 belegt. Ausweislich dieses Dokuments ist
sie eine „corporate legal person“, die sich im Besitz der Volksrepublik China befindet und
Rechtspersönlichkeit nach chinesischem Recht hat. Da die Erlangung der Rechtspersönlichkeit nach
nationalem Recht die Vermutung begründet, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen der
Rechtspersönlichkeit im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages gegeben sind (Urteil Bensider u.
a./Kommission, zitiert in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils, Randnrn. 7 und 8), und da das
Dokument, das die Eintragung in das Handelsregister belegt, die Rechtspersönlichkeit nach
chinesischem Recht beweist, ist dieses Dokument als Auszug zu bewerten, mit dem im Sinne der oben
genannten Vorschriften der Verfahrensordnungen des Gerichtshofes und des Gerichts der Nachweis
der Rechtspersönlichkeit der Klägerin erbracht wird.
29.
Im übrigen ist die Klägerin von den Gemeinschaftsorganen im Verwaltungsverfahren als
unabhängige rechtliche Einheit behandelt worden. So hat die Kommission einen regelmäßigen
Schriftwechsel mit der Klägerin geführt und sie bei der Anhörung als Gesprächsteilnehmer akzeptiert.
Unter diesen Umständen können die Gemeinschaftsorgane der Klägerin in dem auf dieses
Verwaltungsverfahren folgenden gerichtlichen Verfahren nicht die Eigenschaft als unabhängige
juristische Person absprechen (Urteil Sinochem Heilongjiang/Rat, zitiert in Randnr. 26 des
vorliegenden Urteils, Randnr. 34).
30.
Nach alledem war die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine juristische Person im Sinne
von Artikel 173 des Vertrages.
Vorbringen der Parteien
31.
Der Beklagte und die Streithelferinnen machen geltend, daß die Klägerin durch die streitige
Verordnung nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages betroffen
sei.
32.
In Ländern ohne Marktwirtschaft kontrolliere der Staat die Ausführer; die Antidumpingverfahren und
-verordnungen seien folglich gegen ihn und nicht gegen die einzelnen Ausführer gerichtet. Die
Klägerin könne sich nicht auf das Urteil vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77 (NTN Toyo
Bearing Company u. a./Rat, Slg. 1979, 1185, Randnr. 11) berufen, in dem der Gerichtshof entschieden
habe, daß eine Antidumpingverordnung, entsprechend einer „Sammelentscheidung“, gleichwohl
diejenigen Hersteller unmittelbar und individuell betreffe, die in ihr namentlich bezeichnet seien. Die
Klägerin könne sich auch nicht auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in den
verbundenen Rechtssachen 239/82 und 275/82 (Allied Corporation u. a./Kommission, Slg. 1984, 1005,
Randnrn. 11 und 12) stützen, in dem Dumpingpraktiken Unternehmen und nicht dem Staat
vorgeworfen worden seien. Die Verordnung Nr. 2474/93 habe, da sie die Ausfuhren aus einem
Staatshandelsland betreffe, nicht den Charakter einer „Sammelentscheidung“, die gegen die in der
Verordnung namentlich bezeichneten Unternehmen ergangen sei. Das Urteil Allied Corporation u.
a./Kommission könne die Klägerin zudem deshalb nicht anführen, weil im vorliegenden Fall der
Volksrepublik China und nicht der Klägerin und/oder anderen Herstellern oder Ausführern
Dumpingpraktiken vorgeworfen worden seien.
33.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß sie durch die angefochtene Verordnung unmittelbar und
individuell betroffen sei. Zum einen sei sie in der Verordnung namentlich bezeichnet. Zum anderen sei
sie an allen Phasen der Untersuchung beteiligt gewesen. Sie erfülle die Zulässigkeitskriterien, die der
Gerichtshof in dem in Randnummer 32 des vorliegenden Urteils zitierten Urteil Allied Corporation u.
a./Kommission aufgestellt habe. Obwohl sie von den mit der Angelegenheit befaßten Bediensteten der
Kommission stets als Verfahrensbeteiligte behandelt worden sei, hätten die Kommission und der Rat
sich geweigert, die von ihr mitgeteilten Informationen zu verwenden. Genau diese Weigerung liege
dem Rechtsstreit zugrunde.
34.
Die Klägerin bringt vor, sie sei ein Fahrradhersteller und könne daher nicht einem Einführer
gleichgestellt werden.
Würdigung durch das Gericht
35.
Legt man die Kriterien des Artikels 173 Absatz 2 des Vertrages an, so haben die Verordnungen, mit
denen Antidumpingzölle eingeführt werden, zwar aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite
tatsächlich normativen Charakter, da sie für die
Gesamtheit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, doch schließt dies nicht aus, daß ihre
Bestimmungen bestimmte Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffen können (Urteil des Gerichtshofes
vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C-358/89, Extramet Industrie/Rat, Slg. 1991, I-2501, Randnr. 13,
und Urteil Sinochem Heilongjiang/Rat, zitiert in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils, Randnr. 45).
36.
So ist anerkannt worden, daß Rechtsakte, durch die Antidumpingzölle eingeführt werden,
diejenigen produzierenden und exportierenden Unternehmen, die nachweisen können, daß sie in den
Rechtsakten der Kommission oder des Rates namentlich genannt werden oder von den
vorbereitenden Untersuchungen betroffen waren (vgl. Urteil Allied Corporation u. a./Kommission, zitiert
in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils, Randnr. 12, Urteil des Gerichtshofes vom 23. Mai 1985 in der
Rechtssache 53/83, Allied Corporation u. a./Rat, Slg. 1985, 1621, Randnr. 4, und Urteil Extramet
Industrie/Rat, zitiert in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils, Randnr. 15), und allgemeiner jeden
Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen können, der das Vorliegen bestimmter
persönlicher Eigenschaften nachweisen kann, die ihn im Hinblick auf die fragliche Maßnahme aus dem
Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer herausheben (vgl. Urteile Extramet Industrie/Rat, zitiert in
Randnr. 35 des vorliegenden Urteils, Randnrn. 16 und 17, und Sinochem Heilongjiang/Rat, zitiert in
Randnr. 26 des vorliegenden Urteils, Randnr. 46).
37.
Dem Argument des Beklagten, das in Randnummer 32 des vorliegenden Urteils zitierte Urteil Allied
Corporation u. a./Kommission sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil die Dumpingpraktiken
nicht den einzelnen chinesischen Herstellern und Ausführern, sondern der Volksrepublik China als
Staat vorgeworfen würden, kann nicht gefolgt werden. Aus der Verordnung Nr. 2474/93, insbesondere
aus Randnummer 50 der Begründungserwägungen über die Berechnung der Dumpingspannen, ergibt
sich nämlich, daß die Dumpingpraktiken den chinesischen Unternehmen vorgeworfen werden, die
Fahrräder in die Gemeinschaft ausführen.
38.
Der Rechtsschutz einzelner Unternehmen, die von einem Antidumpingzoll betroffen sind, kann im
übrigen nicht allein dadurch beeinträchtigt werden, daß es sich um einen einheitlichen Zoll handelt,
der in bezug auf einen Staat und nicht auf einzelne Unternehmen eingeführt wurde.
39.
Im vorliegenden Fall ist die Klägerin durch die angefochtene Verordnung individuell betroffen.
Erstens unterliegen die von ihr hergestellten Fahrräder einem Antidumpingzoll. Zweitens hat sie sich,
soweit ihr das möglich war, an dem Verwaltungsverfahren beteiligt (Beantwortung des Fragebogens
der Kommission, Teilnahme an einer Anhörung, Stellungnahme zur vorläufigen Verordnung sowie zum
„Übermittlungsschreiben“). Auf ihre Beteiligung wird übrigens in der angefochtenen Verordnung
ausdrücklich hingewiesen, die somit die Klägerin
„namentlich nennt“ (vgl. Urteil des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T-155/94,
Climax Paper/Rat, Slg. 1996, II-873, Randnrn. 50 und 51).
40.
Der Beklagte hat außerdem keinen Beweis für seine Behauptung erbracht, daß die Klägerin
lediglich ein Fahrradhändler sei, der einem in der Auswahl seiner Hersteller freien Einführer
gleichgestellt werden könne (siehe Randnr. 23 des vorliegenden Urteils).
41.
Die Klägerin ist auch unmittelbar betroffen, da eine Verordnung, durch die ein Antidumpingzoll
eingeführt wird, die Zollbehörden der Mitgliedstaaten zur Vereinnahmung des Zolls verpflichtet und
dabei kein Ermessen vorsieht (Urteil des Gerichtshofes vom 29. März 1979 in der Rechtssache 118/77,
I.S.O./Rat, Slg. 1979, 1277, Randnr. 26; Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden
Urteils, Randnr. 53).
42.
Danach ist die zweite Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
43.
Der Beklagte macht geltend, die Klägerin könne jedenfalls die Nichtigerklärung der angefochtenen
Verordnung nicht insgesamt, sondern nur insoweit beantragen, als sie nicht vom Antidumpingzoll
ausgenommen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-174/87,
Ricoh/Rat, Slg. 1992, I-1335, Randnr. 7).
44.
Die Klägerin weist darauf hin, daß es sich in der Rechtssache, in der das in Randnummer 43 zitierte
Urteil Ricoh/Rat ergangen sei, um japanische Gesellschaften gehandelt habe, denen der Rat
Antidumpingzölle auferlegt habe, die für jede von ihnen individuell berechnet worden seien. Die
Ausführungen des Gerichtshofes, nach denen ein Unternehmen nur die Nichtigerklärung der
Bestimmungen beantragen könne, durch die ihm ein besonderer Antidumpingzoll auferlegt werde,
hätten aber im Rahmen eines Antidumpingverfahrens gegen Unternehmen aus einem Land ohne
Marktwirtschaft wie der Volksrepublik China keine Bedeutung. Die Argumentation des Beklagten führe
folglich zu einem „Teufelskreis“, da im vorliegenden Fall die Dumpingpraktiken Unternehmen aus
einem Land ohne Marktwirtschaft vorgeworfen würden.
45.
Ferner ergebe sich aus der ersten Seite der Klageschrift, daß die Nichtigerklärung der
angefochtenen Verordnung insoweit begehrt werde, als diese die Klägerin betreffe.
Würdigung durch das Gericht
46.
Obwohl in den Anträgen der Klageschrift nicht klar ausgedrückt, geht aus der ersten Seite der
Klageschrift und der Bestätigung durch die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung hervor, daß die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2474/93 begehrt wird,
„soweit sie die Klägerin betrifft“.
47.
Die Klage ist daher so auszulegen, daß die Nichtigerklärung der Verordnung nur insoweit begehrt
wird, als diese die Klägerin betrifft.
48.
Daher ist die dritte Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen, mit der gerügt wird, daß das
Klagebegehren zu weit gefaßt sei (vgl. auch Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des
vorliegenden Urteils, Randnrn. 54 bis 56).
49.
Nach alledem ist die Klage zulässig.
Zur Begründetheit
50.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen
Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung und einen Ermessensmißbrauch bei der
Bestimmung der dem Antidumpingzoll unterliegenden Waren. Der zweite Klagegrund wird daraus
hergeleitet, daß der Beklagte durch die Vornahme einer unangemessenen Stichprobenauswahl gegen
Artikel 2 Absatz 13 der Grundverordnung verstoßen habe. Mit dem dritten Klagegrund macht die
Klägerin geltend, daß die Gemeinschaftsorgane gegen Artikel 2 Absätze 5 und 9 und Artikel 13 Absatz
3 der Grundverordnung sowie gegen Artikel VI Absatz 2 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens
(GATT) verstoßen hätten, weil sie ihr keine individuelle Behandlung gewährt hätten. Der vierte
Klagegrund wird darauf gestützt, daß der Beklagte durch die Weigerung, die Methode für die
Berechnung der Dumpingspanne mitzuteilen, gegen Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben b und c der
Grundverordnung verstoßen habe. Mit dem fünften Klagegrund rügt die Klägerin einen Verstoß gegen
Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung und einen Ermessensmißbrauch durch Festsetzung eines
überhöhten Antidumpingzolls.
Vorbringen der Parteien
51.
Die Klägerin beanstandet, der Beklagte habe alle Fahrradtypen zu einer einzigen Ware
zusammengefaßt, anstatt sie in fünf verschiedene Kategorien einzustufen, undzwar Mountainbikes,
Sport- und Rennräder, Tourenräder, Kinderräder und sonstige Fahrräder. Die Kommission habe, wie ihr
Fragebogen belege, zunächst diese Klassifizierung verwendet, sie jedoch in ihrer vorläufigen
Verordnung aufgegeben. Der Beklagte habe daher die Waren zur Bestimmung des Normalwerts und
der Dumpingspanne nicht richtig eingestuft.
52.
Die Fahrräder könnten aber nicht alle als gleichartige Waren angesehen werden, da die
Unterschiede zwischen den oben aufgeführten Fahrradkategorien grundlegender Art seien. Jede
Kategorie ziele nämlich auf eine unterschiedliche Verbrauchergruppe und sei für eine besondere
Verwendung bestimmt.
53.
Um die „gleichartigen Waren“ im Sinne von Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung zu bestimmen,
müsse man unabhängig von der tatsächlichen Verwendung der Ware die Kriterien berücksichtigen,
durch die sich der Käufer bei seiner Auswahl leiten lasse, da der Wettbewerb im Stadium der
Kaufentscheidung stattfinde. Zu diesen Kriterien zählten die materiellen Eigenschaften und die
„funktionale Austauschbarkeit“ (Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in den verbundenen
Rechtssachen 294/86 und 77/87, Technointorg/Kommission und Rat, Slg. 1988, 6077, vom 10. März
1992 in der Rechtssache C-176/87, Konishiroku Photo Industry/Rat, Slg. 1992, I-1493, und vom 10.
März 1992 in der Rechtssache C-177/87, Sanyo Electric/Rat, Slg. 1992, I-1535; Schlußanträge des
Generalanwalts Lenz zum Urteil in der Rechtssache C-75/92, Gao Yao/Rat, Slg. 1994, I-3141, I-3142,
Randnr. 82).
54.
Der Beklagte habe darüber hinaus sein Ermessen mißbraucht, weil er nicht die Dumpingspanne und
die Schädigung für jede der oben genannten Fahrradkategorien ermittelt habe. Anders als die
taiwanesischen Hersteller und die chinesischen Gemeinschaftsunternehmen, die hauptsächlich
Mountainbikes und in geringerem Umfang Rennräder in die Gemeinschaft ausführten, exportiere die
Klägerin nämlich eine große Anzahl von Kinderrädern, wenige Mountainbikes und fast gar keine
Rennräder.
55.
Der Beklagte weist vorab darauf hin, daß der Begriff der „gleichartigen Ware“ in der
Grundverordnung nicht den geringsten Schluß darauf zulasse, welche Ware oder welches
Warensortiment Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung sein könnte, sondern einen korrekten
Preisvergleich zur Bestimmung des Normalwerts und der Dumpingspanne gewährleisten solle.
56.
Zum einen bestreitet der Beklagte, daß er ursprünglich eine Unterscheidung zwischen fünf
Fahrradkategorien beabsichtigt habe.
57.
Zum anderen habe er die Fahrräder insgesamt zu Recht als eine einzige Ware angesehen, da der
Unterschied zwischen den verschiedenen Kategorien unscharf sei und sie aufgrund der Ähnlichkeiten
zwischen verschiedenen Fahrradtypen miteinander im Wettbewerb stünden. Es sei zudem nicht
möglich, klar umrissene Fahrradkategorien festzulegen, weil ständig neue Modelle mit den Merkmalen
verschiedener Fahrradtypen auf den Markt gebracht würden.
58.
Da Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung die „gleichartige Ware“ als Ware definiere, die „in jeder
Hinsicht“ der betreffenden Ware gleiche, hätten die Fahrräder, wenn man der Argumentation der
Klägerin folgte, in weit mehr als fünf
Kategorien eingeteilt werden müssen. Es gebe nämlich keine zwei vollkommen identischen, d. h. sich
„in jeder Hinsicht“ gleichenden Fahrräder.
59.
Erstens ergebe sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-69/89
(Nakajima/Rat, Slg. 1991, I-2069, Randnr. 58), daß beim Fehlen allgemein anerkannter Kriterien für die
Einteilung der Waren in verschiedene Gruppen alle betroffenen Waren zu Recht als gleichartige Waren
angesehen werden könnten. Zweitens verfügten die Gemeinschaftsorgane gemäß den
Schlußanträgen des Generalanwalts Lenz zum Urteil in der Rechtssache C-75/92 (Gao Yao/Rat, zitiert in
Randnr. 53 des vorliegenden Urteils) über ein weites Ermessen bei der Entscheidung der Frage nach
der Vergleichbarkeit der betroffenen Produkte. Drittens seien die Gemeinschaftsorgane berechtigt,
bestimmte Waren als eine einzige „gleichartige Ware“ zu behandeln, wenn die Leistungsklassen nicht
klar gegeneinander abgegrenzt worden seien, wenn bestimmte Warentypen zu mehreren
verschiedenen Leistungsklassen gehören könnten und wenn zum einen zwischen bestimmten
Warentypen nahe beieinanderliegender Leistungsklassen und zum anderen zwischen Waren
verschiedener Leistungsklassen Wettbewerb herrsche (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1992 in
der Rechtssache C-179/87, Sharp Corporation u. a./Rat, Slg. 1992, I-1635, Randnrn. 26 bis 28). Die
zuletzt zitierten Ausführungen gälten auch im vorliegenden Fall. Nach dieser Rechtsprechung obliege
es der Klägerin, einen Beurteilungsfehler der Gemeinschaftsorgane bei der Bestimmung der
„gleichartigen Waren“ nachzuweisen. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber keinen solchen
Fehler aufgezeigt.
60.
Die Streithelferin EBMA pflichtet dem Beklagten darin bei, daß die Unterscheidung der Fahrräder
wegen der Überschneidung verschiedener Kategorien ungenau sei. Außerdem seien die
verschiedenen Fahrradtypen in hohem Maße funktional austauschbar, weil bestimmte Bauteile sehr
leicht entsprechend den Kundenwünschen entfernt, hinzugefügt oder ersetzt werden könnten.
Würdigung durch das Gericht
61.
Die Grundverordnung legt weder fest, wie die Ware oder das Warensortiment, die Gegenstand einer
Dumpinguntersuchung sein können, definiert werden soll, noch verlangt sie eine genaue
Klassifizierung der Ware.
62.
Sie nennt den Begriff der „gleichartigen Ware“ im Zusammenhang mit der Bestimmung des
Normalwerts und der Schädigung. Gemäß Artikel 2 Absatz 5 wird der Normalwert einer gedumpten
Ware durch Vergleich mit einer tatsächlich verkauften „gleichartigen Ware“ eines Drittlandes mit
Marktwirtschaft ermittelt. Nach Artikel 2 Absatz 12 „bedeutet .gleichartige Ware' eine Ware, die mit der
betreffenden Ware identisch ist, das heißt, ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder wenn es eine solche
Ware nicht gibt, eine andere Ware, die charakteristische Merkmale aufweist, die denen der
betreffenden Ware stark ähneln“. Artikel 4 Absatz 4
bestimmt, daß „die Auswirkungen der gedumpten oder subventionierten Einfuhren ... an der
Erzeugung der gleichartigen Ware in der Gemeinschaft gemessen [werden], wenn die verfügbaren
Angaben deren Abgrenzung erlauben“.
63.
Die Gemeinschaftsorgane verfügen bei der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte
über ein weites Ermessen (Urteil des Gerichts vom 28. September 1995 in der Rechtssache T-164/94,
Ferchimex/Rat, Slg. 1995, II-2681, Randnr. 66). Darunter fällt auch die Bestimmung der „gleichartigen
Waren“, um den Normalwert entsprechend den vorgenannten Vorschriften zu berechnen.
64.
Die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung ist auf die Prüfung der Frage zu beschränken,
ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen
Auswahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich
fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. Urteile des
Gerichtshofes vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache 255/84, Nachi Fujikoshi/Rat, Slg. 1987, 1861,
Randnr. 21, und vom 14. März 1990 in der Rechtssache C-156/87, Gestetner Holdings/Rat und
Kommission, Slg. 1990, I-781, Randnr. 63, sowie Urteil Ferchimex/Rat, zitiert in Randnr. 63 des
vorliegenden Urteils, Randnr. 67).
65.
Daher ist zu prüfen, ob die Gemeinschaftsorgane im vorliegenden Fall ihr weites Ermessen (vgl.
oben, Randnr. 63) dadurch überschritten haben, daß sie die Produktion der Fahrräder insgesamt
ohne Rücksicht auf die Leistungsklasse als „Erzeugung der gleichartigen Ware in der Gemeinschaft“
ansahen.
66.
Der Gerichtshof hat in seinen Urteilen zu den auf Normalpapierkopierer mit Ursprung in Japan
erhobenen Antidumpingzöllen entschieden (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 10. März 1992 in
der Rechtssache C-171/87, Canon/Rat, Slg. 1992, I-1237, Randnrn. 47, 48 und 52, und in der
Rechtssache C-174/87, Ricoh/Rat, Slg. 1992, I-1335, Randnrn. 35, 36 und 40, sowie Urteil Sharp
Corporation u. a./Rat, zitiert in Randnr. 59 des vorliegenden Urteils, Randnrn. 25, 26 und 30), daß die
Gemeinschaftsorgane keinen Beurteilungsfehler begingen, als sie zum Zweck der Ermittlung der
Schädigung der Gemeinschaftsindustrie die Kopierer-Produktion insgesamt ohne Rücksicht auf die
Leistungsklasse als „Erzeugung der gleichartigen Ware in der Gemeinschaft“ ansahen — mit
Ausnahme der Geräte, die in der Gemeinschaft nicht hergestellt wurden —, da nach den
Marktstudien, auf die sich die Organe gestützt hatten, die Leistungsklassen der Kopierer nicht klar
gegeneinander abgegrenzt waren, weil zum einen manche Geräte wegen bestimmter, insbesondere
technischer Merkmale, zu mehreren verschiedenen Leistungsklassen gehören konnten und weil zum
anderen sowohl zwischen den Geräten nahe beieinanderliegender Leistungsklassen als auch zwischen
denen, die in verschiedene Leistungsklassen eingestuft waren, Wettbewerb herrschte.
67.
Wie in den Randnummern 9 bis 11 der Begründungserwägungen der vorläufigen Verordnung und in
Randnummer 8 der Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung ausgeführt, sind die
Organe zu dem Ergebnis
gekommen, daß es nicht möglich war, klar umrissene Fahrradkategorien entsprechend der
Verwendung und der Vorstellung der Verbraucher festzulegen.
68.
Es gibt mehrere Fahrradmodelle, die sich vor allem durch ihre spezifischen Leistungsmerkmale
unterscheiden. Fahrräder werden in der Regel in fünf Unterkategorien eingeteilt: Mountainbikes,
Sport- und Rennräder, Tourenräder, Kinderräder und sonstige Fahrräder.
69.
Gleichwohl ergibt sich aus den Akten und den Erklärungen der Parteien in der mündlichen
Verhandlung, daß diese Modelle nicht klar gegeneinander abgegrenzt sind, weil manche Fahrräder
wegen bestimmter, insbesondere technischer Merkmale zu mehreren Unterkategorien gehören
können und außerdem sowohl zwischen den Fahrrädern nahe beieinanderliegender Unterkategorien
als auch zwischen den in die verschiedenen Unterkategorien eingestuften Fahrrädern Wettbewerb
herrscht.
70.
Diese Unterschiede zwischen den Fahrrädern genügen nicht für die Feststellung, daß all diese
Modelle verschiedene Funktionen haben und verschiedenen Bedürfnissen entsprechen. Wie übrigens
aus Randnummer 8 der Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung hervorgeht, verliert
die Unterscheidung verschiedener Fahrradkategorien im Rahmen eines Antidumpingverfahrens durch
die Tendenz der Verbraucher, multifunktionale Fahrräder zu verwenden, und durch die Möglichkeit, die
Modelle durch Hinzufügung von Bauteilen zu verändern, an Bedeutung oder wird sogar irrelevant.
71.
Die Klägerin hat jedenfalls nicht nachgewiesen, daß die Gemeinschaftsorgane durch die Annahme,
die Fahrräder fielen im vorliegenden Fall insgesamt ohne Rücksicht auf die Kategorie unter den Begriff
der „gleichartigen Ware“ im Sinne von Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung, einen offensichtlichen
Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen haben.
72.
Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
73.
Mit dem zweiten Klagegrund wirft die Klägerin dem Beklagten einen Verstoß gegen Artikel 2 Absatz
13 der Grundverordnung vor. Dieser Artikel erlaube eine Stichprobenauswahl nur dann, wenn eine
erhebliche Zahl von Geschäftsvorgängen betroffen sei. In diesem Fall müsse der Beklagte die am
häufigsten vorkommenden oder repräsentativen Preise verwenden.
74.
Im vorliegenden Fall sei die Stichprobe nicht repräsentativ. Der Beklagte habe nämlich bis auf eine
einzige Ausnahme nicht die Informationen über die staatlichen Unternehmen berücksichtigt, die den
Fragebogen beantwortet hätten. Dieses eine Unternehmen habe zwar das größte Ausfuhrvolumen,
verlange aber viel niedrigere Preise als die übrigen betroffenen Ausführer. Da die Zahl der
Geschäftsvorgänge der staatlichen Unternehmen relativ gering sei, hätte der Beklagte, wenn er eine
Stichprobenauswahl vornehmen wollte, Preisspannen festsetzen oder die häufigsten
Geschäftsvorgänge aller im Staatsbesitz befindlichen Ausführer heranziehen können und müssen.
Zumindest hätte er die Informationen über staatliche Unternehmen berücksichtigen müssen, die
repräsentativer als das vom Beklagten verwendete Unternehmen seien, insbesondere die von der
Klägerin gemachten Angaben. Die Klägerin sei der zweitwichtigste staatliche Ausführer auf dem
betreffenden Markt und verkaufe zu „normaleren“ Preisen.
75.
Im übrigen habe der Beklagte bei seiner Stichprobenauswahl einen grundlegenden Fehler
begangen, weil er die Gesellschaft Waimanly Bicycle Manufactory (im folgenden: Waimanly) als
staatliches Unternehmen angesehen habe, was sie jedoch nicht sei.
76.
Der Beklagte vertritt, unterstützt durch die Streithelferinnen, die Ansicht, daß die Voraussetzungen
für die Anwendung von Artikel 2 Absatz 13 der Grundverordnung vorgelegen hätten. Erstens habe die
Untersuchung die Ausfuhren von Fahrrädern aus der Volksrepublik China und nicht die Ausfuhren
einzelner chinesischer Unternehmen betroffen. Zweitens hätten sehr unterschiedliche Preise und
zahlreiche Geschäftsvorgänge vorgelegen. Jedem chinesischen Fahrradtyp habe zur Bestimmung des
Normalwerts ein gleichartiges auf dem taiwanesischen Markt verkauftes Modell und zur Ermittlung der
Unterbietung ein auf dem Gemeinschaftsmarkt verkauftes Modell entsprechen müssen. Wäre die
Stichprobe auf andere Ausführer und deren Fahrradtypen ausgedehnt worden, so wäre die Zahl der
zu prüfenden Geschäftsvorgänge erheblich gestiegen und das Verfahren dadurch unnötig verlängert
worden.
77.
Die Klägerin beanstande zu Unrecht, daß der Beklagte nicht alle Ausführer in die Stichprobe
aufgenommen habe. Die betreffende Vorschrift erlaube eine Stichprobe auf der Grundlage einer
repräsentativen Auswahl von Ausführern, vor allem dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine große
Zahl von ihnen betroffen sei.
78.
Im vorliegenden Fall sei die Stichprobenauswahl repräsentativ gewesen, da sie 88 % der
Gesamtausfuhren der 20 Unternehmen in die Gemeinschaft erfaßt habe, die den Fragebogen
beantwortet hätten, darunter die Ausfuhren der Guanghzou Five Rams Bicycle Group und von
Waimanly, zweier im Staatsbesitz befindlichen Gesellschaften. Diese Ausfuhren hätten sich auf mehr
als 85 % der Gesamtausfuhren belaufen, die die im Staatsbesitz befindlichen Unternehmen, die den
Fragebogen beantwortet hätten, im Untersuchungszeitraum getätigt hätten.
79.
Entgegen der Behauptung der Klägerin sei Waimanly eine staatliche Gesellschaft, weil sie sich zu
100 % im Besitz der Foreign Trading Company of Po Ou Province befinde, die ihrerseits zu 100 % der
Volksrepublik China gehöre.
Würdigung des Gerichts
80.
Nach Artikel 2 Absatz 13 der Grundverordnung können bei „unterschiedlichen Preisen ...
Stichprobenauswahlen, z. B. die Verwendung der am häufigsten vorkommenden oder repräsentativen
Preise, ... zur Ermittlung des Normalwerts und der Ausfuhrpreise in Fällen, die eine erhebliche Anzahl
von Geschäftsvorgängen betreffen, angewandt werden“.
81.
Zur Bestimmung des Normalwerts der Waren können Unternehmen aufgrund ihrer Repräsentativität
bezüglich ihrer Ausfuhren auf den Gemeinschaftsmarkt ausgewählt werden (vgl. u. a. Urteil des
Gerichtshofes vom 12. Mai 1989 in der Rechtssache 246/87, Continentale Produkten-Gesellschaft, Slg.
1989, 1151, Randnr. 12).
82.
Weder die oben zitierte Vorschrift noch die Rechtsprechung enthalten irgendeinen Hinweis darauf,
daß die Gemeinschaftsorgane die am häufigsten vorkommenden oder repräsentativen Preise jedes
einzelnen Ausführers und nicht der Ausführer insgesamt berücksichtigen müßten.
83.
Wie die Gemeinschaftsorgane ausführen, ergibt sich aus Randnummer 15 der
Begründungserwägungen der vorläufigen Verordnung und aus Randnummer 28 der
Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung, daß die betreffenden Unternehmen
aufgrund ihrer Repräsentativität bezüglich der Ausfuhren auf den Gemeinschaftsmarkt ausgewählt
wurden. Die Klägerin bestreitet insoweit nicht, daß auf die sechs Unternehmen der Stichprobe 88 %
der Gesamtexporte derjenigen Unternehmen in die Gemeinschaft entfielen, die den Fragebogen
beantworteten (Randnr. 28 der Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung).
84.
Hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, daß Waimanly nicht als staatliches Unternehmen
angesehen werden könne, ergibt sich aus den von der Kommission am 25. Februar 1997 dem Gericht
vorgelegten Dokumenten, insbesondere aus einem vom 1. Juli 1992 datierenden Telefax des
Rechtsbeistands von Waimanly an die Kommission, daß Waimanly ein Unternehmen ist, das sich zu 100
% im Besitz einer Einrichtung der Volksrepublik China befindet, der Foreign Trading Company of Po Ou
Province. Die Gemeinschaftsorgane haben daher Waimanly zu Recht als staatliches Unternehmen
angesehen.
85.
Artikel 2 Absatz 13 der Grundverordnung räumt schließlich den Organen ein weites Ermessen ein
(vgl. Urteil Ferchimex/Rat, zitiert in Randnr. 63 des vorliegenden Urteils). Die Kontrolle durch das
Gericht ist daher auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften
eingehalten worden sind, ob der
Sachverhalt, der der umstrittenen Auswahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist
und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein
Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. die in den Randnrn. 63 und 64 des vorliegenden Urteils zitierten
Urteile Nachi Fujikoshi/Rat, Randnr. 21, Gestetner Holdings/Rat und Kommission, Randnr. 63, und
Ferchimex/Rat, Randnr. 67).
86.
Die Tatsache allein, daß der Beklagte die repräsentativsten Preise der wichtigsten Ausführer jeder
der von ihm festgelegten Kategorien berücksichtigt hat und nicht die Preise der Ausführer insgesamt,
beweist daher nicht, daß die Stichprobe, auf deren Grundlage der streitige Antidumpingzoll
festgesetzt wurde, offensichtlich nicht repräsentativ ist.
87.
Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
88.
Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß die Gemeinschaftsorgane hinsichtlich der Einführung
von Antidumpingzöllen seit einigen Jahren eine Politik verfolgten, nach der Unternehmen aus Ländern
ohne Marktwirtschaft keine individuelle Behandlung gewährt werde (vgl. Randnrn. 33 und 34 der
Begründungserwägungen der vorläufigen Verordnung). Entsprechend werde für alle Ausführer des
Landes ein einheitlicher Antidumpingzoll eingeführt, der für alle in die Gemeinschaft ausgeführten
Produkte gelte, ohne daß die für den jeweiligen Hersteller oder Ausführer ermittelten
Dumpingspannen berücksichtigt würden. Die Kommission und der Rat gingen davon aus, daß die
Einführung unterschiedlicher Zölle für die Unternehmen eines Landes mit Planwirtschaft den Staat
veranlassen würde, einzugreifen und alle Ausfuhren über das Unternehmen zu leiten, das mit dem
niedrigsten Zoll belastet sei.
89.
Eine solche Politik stehe im Widerspruch zur Grundverordnung, nach der die Gemeinschaftsorgane
den Ausführern unabhängig vom Ursprungsland der Waren eine individuelle Behandlung zu gewähren
hätten, sofern dies möglich sei; dies gelte zumindest dann, wenn das Unternehmen in vollem Umfang
bei dem Verfahren mitgearbeitet habe.
90.
Die Politik der Gemeinschaftsorgane, die Antidumpingzölle nicht entsprechend der individuellen
Lage des jeweiligen Ausführers festzusetzen, bedeute nicht nur, daß dessen Besonderheiten bei der
Berechnung des ihn betreffenden Normalwerts nicht berücksichtigt würden, sondern auch, daß die
Unterschiede, die die Preise und Ausfuhrvolumen des jeweiligen Ausführers beträfen, ignoriert
würden. Eine solche
Praxis führe zu einem Verstoß gegen eines der grundlegenden Prinzipien des GATT bezüglich der
Antidumpingzölle (Artikel VI Absatz 2 des GATT), das in Artikel 8 Absatz 3 des Übereinkommens zur
Durchführung des Artikels VI des GATT vom 12. April 1979 (ABl. 1980, L 71, S. 90, im folgenden:
Antidumping-Kodex des GATT) Ausdruck gefunden habe und in Artikel 13 Absatz 3 der
Grundverordnung aufgenommen sei. Dieser bestimme: „Die betreffenden Zölle dürfen nicht die
vorläufig ermittelte oder endgültig festgestellte Dumpingspanne ... übersteigen. Sie sollten niedriger
sein, wenn ein geringerer Zoll ausreicht, um die Schädigung zu beseitigen.“ Durch diese Praxis würde
schließlich den betroffenen Unternehmen, darunter der Klägerin, ein faires Verfahren versagt.
91.
Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß die Klägerin ein Unternehmen aus einem Land
ohne Marktwirtschaft sei, da der einzige Unterschied, den der Gesetzgeber zwischen den
Unternehmen solcher Länder und anderen Unternehmen gemacht habe, die Methode für die
Berechnung des Normalwerts betreffe.
92.
Die Klägerin macht außerdem geltend, daß die Gemeinschaftsorgane ihr auch im Rahmen der
beanstandeten Politik eine individuelle Behandlung hätten gewähren müssen. In früheren Fällen, in
denen es um Waren mit Ursprung in der Volksrepublik China gegangen sei, hätten die
Gemeinschaftsorgane den betreffenden Ausführern eine individuelle Behandlung zugestanden, wenn
diese nachgewiesen hätten, daß sie ihre Exportpolitik und ihre Ausfuhrpreise unabhängig vom Staat
bestimmen konnten (Randnr. 16 der Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung).
93.
Was gerade ihre Unabhängigkeit vom Staat angehe, erfülle die Klägerin die Kriterien, die die
Gemeinschaftsorgane in einem Memorandum der Kommission vom 1. Dezember 1992 festgelegt
hätten, in dem die beabsichtigte Vorgehensweise der Kommission beim Dumping von
Gemeinschaftsunternehmen in Ländern ohne Marktwirtschaft dargelegt sei. Sie könne ihre Waren
ohne Erlaubnis vollkommen frei im Ausland verkaufen und verkaufe im allgemeinen unmittelbar und zu
frei ausgehandelten Bedingungen an in der Gemeinschaft niedergelassene unabhängige Einführer.
94.
Die Gemeinschaftsorgane müßten jedenfalls beweisen und dürften nicht einfach unterstellen, daß
die Ausfuhren der Klägerin staatlich kontrolliert würden. Im vorliegenden Fall hätten sie hierfür keinen
Beweis erbracht.
95.
Die Volksrepublik China sei schließlich kein Staatshandelsland, sondern ein Land mit „sozialistischer
Marktwirtschaft“, das zwar keinen Privatbesitz an Unternehmen zulasse, ihnen jedoch die
Verantwortung für ihre Gewinne und Verluste auferlege. Hierzu führt die Klägerin mehrere Artikel der
Wirtschaftsliteratur an, die bestätigten, daß die chinesische Wirtschaft sich in eine Marktwirtschaft
umwandele. Daß der chinesische Staat, wie jeder andere Staat, seine Rechtsvorschriften
jederzeit ändern könne, stelle die Unabhängigkeit der Unternehmen vom Staat nicht in Frage.
96.
Der Beklagte macht geltend, daß die Antidumping-Grundverordnung die Gemeinschaftsorgane nicht
verpflichte, die Ausführer individuell zu behandeln. Aus Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der
Grundverordnung gehe hervor, daß ein Antidumpingverfahren die Ausfuhren aus einem Land oder
mehreren Ländern und nicht die Ausfuhren eines einzelnen Unternehmens oder mehrerer
Unternehmen betreffe. Zudem bestimme Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung lediglich, daß die
Antidumpingverordnungen Aufschluß über das Ursprungs- oder Ausfuhrland und, soweit das
durchführbar sei, den Namen der Lieferanten geben müßten.
97.
Keine Bestimmung der Grundverordnung, auch nicht Artikel 13 Absatz 3, schreibe vor, daß für jeden
Ausführer individuelle Dumpingspannen zu berechnen seien. Das gleiche gelte für den Antidumping-
Kodex des GATT. Dieser sei allerdings im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Volksrepublik China
keine Vertragspartei des GATT sei.
98.
Im vorliegenden Fall sei eine individuelle Behandlung der Klägerin nicht möglich gewesen. Es sei
nicht nachgewiesen worden, daß die Klägerin unabhängig vom chinesischen Staat handeln könne. Es
wäre nicht möglich gewesen, die Ausführer zu individualisieren, ohne die Wirksamkeit der erlassenen
Schutzmaßnahmen zu beeinträchtigen. Da der Staat nämlich die Preise der Subunternehmer
kontrollieren könne, hätten die Kosten der Exportunternehmen nicht notwendig der wirtschaftlichen
Realität entsprochen. Folglich hätte die Berücksichtigung der individuellen Dumpingspannen
möglicherweise einem der Exportunternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegeben,
weil der Staat die Möglichkeit gehabt hätte, die Schutzmaßnahmen durch Leitung der Ausfuhren über
den mit dem niedrigsten Zoll belasteten Ausführer zu umgehen.
99.
Selbst wenn in der Volksrepublik China die staatliche Kontrolle in einigen Sektoren zurückgegangen
sei, stünden chinesische Exportunternehmen wie die Klägerin immer noch zu 100 % im Eigentum des
Staates und würden von diesem kontrolliert; sie könnten daher nicht als unabhängige Unternehmen
angesehen werden, die den in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmen vergleichbar seien. So
könne der Staat jederzeit und gegenüber jedem Ausführer die Genehmigung für die Tätigung von
Exportgeschäften widerrufen. Es sei jedenfalls, selbst bei einer Untersuchung an Ort und Stelle, nicht
möglich, das genaue Ausmaß der staatlichen Kontrolle festzustellen: Zum einen würden bestimmte
Gesetze nicht veröffentlicht und seien Ausländern nicht zugänglich, zum anderen verdrängten
bestimmte Praktiken das Gesetz.
Würdigung durch das Gericht
100.
Die Antidumping-Grundverordnung enthält keine Vorschrift, die die Einführung eines einheitlichen
Antidumpingszolls für die Staatshandelsländer verbietet (Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39
des vorliegenden Uteils, Randnr. 92).
101.
Artikel 2 Absatz 5 enthält nur die Kriterien, anhand deren der Normalwert im Falle von Einfuhren aus
Ländern ohne Marktwirtschaft zu bestimmen ist. Artikel 2 Absatz 9 über den Vergleich des Normalwerts
mit dem Ausfuhrpreis betrifft nur die Vergleichbarkeit der Preise und die Anpassungen, mit denen die
Unterschiede, die diese Vergleichbarkeit beeinflussen können, berücksichtigt werden sollen.
102.
Aus Artikel 2 Absatz 13 ergibt sich, daß bei unterschiedlichen Preisen die Ausfuhrpreise
normalerweise mit dem Normalwert auf der Grundlage jedes einzelnen Geschäftsvorgangs verglichen
werden. Im vorliegenden Fall wurde der Vergleich auf dieser Grundlage durchgeführt (vgl. Randnr. 28
der Begründungserwägungen der vorläufigen Verordnung). Das bedeutet jedoch entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht, daß kein einheitlicher Antidumpingzoll festgesetzt werden konnte.
103.
Weder Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung noch Artikel 8 Absatz 3 des Antidumping-Kodex des
GATT — unabhängig von der Frage, ob dieser im vorliegenden Fall anwendbar ist — untersagen die
Einführung eines einheitlichen Zolls oder bestimmen, daß eine individuelle Dumpingspanne für jeden
einzelnen Ausführer zu berechnen ist. Sie schreiben lediglich einen Zusammenhang zwischen dem Zoll
und der Dumpingspanne vor, der auch dann bestehen muß, wenn es sich um einen einheitlichen Zoll
und eine einheitlich festgelegte Dumpingspanne handelt.
104.
Artikel 2 Absatz 14 der Grundverordnung definiert zwar die Dumpingspanne als den Betrag, um den
der Normalwert über dem Ausfuhrpreis liegt (Buchstabe a), jedoch heißt es weiter: „Bei
unterschiedlichen Dumpingspannen können gewogene Durchschnitte errechnet werden“ (Buchstabe
b).
105.
Nach Artikel 13 Absatz 2 schließlich geben die Antidumpingverordnungen „insbesondere Aufschluß
über den Betrag und die Art des festgesetzten Zolls, die betroffene Ware, das Ursprungs- oder
Ausfuhrland, den Namen des Lieferanten, soweit dies durchführbar ist, sowie die Gründe, auf die sie
sich stützen“. Insoweit (vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils,
Randnr. 93) ergibt sich zwar aus der Systematik und der Zielsetzung dieser Bestimmung, daß die
Verpflichtung zur Angabe des Namens des Lieferanten in den Antidumpingverordnungen bedeutet,
daß grundsätzlich für jeden Lieferanten ein spezifischer Antidumpingzoll festzusetzen ist, doch muß
nach dem Wortlaut dieser Bestimmung der Name nur angegeben werden, „soweit dies durchführbar
ist“. Der Gesetzgeber hat also die Verpflichtung zur Angabe des Namens des Lieferanten
und folglich zur Festsetzung eines spezifischen Antidumpingzolls für jeden Lieferanten ausdrücklich auf
Fälle beschränkt, in denen dies durchführbar ist.
106.
Die Gemeinschaftsorgane haben durch die Anwendung der beanstandeten Politik die Wendung
„soweit dies durchführbar ist“ nicht fehlerhaft ausgelegt. Es ist nämlich nicht durchführbar, den
Namen jedes Lieferanten anzugeben, wenn es zur Verhinderung der Gefahr einer Umgehung der
Antidumpingzölle erforderlich ist, einen einheitlichen Zoll für ein ganzes Land festzusetzen. Dies trifft
insbesondere dann zu, wenn die Gemeinschaftsorgane bei einem Staatshandelsland nach Prüfung
der Situation der betroffenen Ausführer nicht überzeugt sind, daß diese Ausführer unabhängig vom
Staat handeln (vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils, Randnr. 94).
107.
Die beanstandete Politik steht auch nicht im Widerspruch zur Zielsetzung und zum Geist der
Antidumping-Grundverordnung. Wie das Gericht bereits im Urteil Climax Paper/Rat (zitiert in Randnr. 39
des vorliegenden Urteils, Randnr. 95) festgestellt hat, ist die Zielsetzung der Antidumping-
Grundverordnung nämlich u. a. der Schutz der Gemeinschaft gegen gedumpte Einfuhren. Was den
Geist der Verordnung anlangt, ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften, daß der Normalwert
und die Ausfuhrpreise in der Regel für jeden Ausführer getrennt zu ermitteln sind. Dies bedeutet
jedoch weder, daß die Gemeinschaftsorgane verpflichtet sind, in jedem Fall so zu verfahren, noch daß
sie für jeden Ausführer einen individuellen Antidumpingzoll festsetzen müssen. Sinn und Zweck der
Verordnung lassen den Gemeinschaftsorganen ein weites Ermessen hinsichtlich der Frage, wann es
am angemessensten ist, den betroffenen Ausführern eine individuelle Behandlung zu gewähren. Dies
ergibt sich u. a. aus Artikel 2 Absatz 14 Buchstabe b und Artikel 13 Absatz 2, nach denen die
Gemeinschaftsorgane die Möglichkeit haben, den gewogenen Durchschnitt der Dumpingspannen und
damit eine einheitliche Dumpingspanne für ein ganzes Land zu errechnen und einen einheitlichen
Antidumpingzoll für dieses Land festzusetzen.
108.
Eine Politik, die zur Einführung eines einheitlichen Antidumpingzolls für ein ganzes Land führt, steht
demnach weder zum Wortlaut noch zur Zielsetzung noch zum Geist der Antidumping-Grundverordnung
im Widerspruch, wenn sie erforderlich ist, um die Gemeinschaft gegen Dumping und gegen die Gefahr
einer Umgehung der Abwehrmaßnahmen zu schützen (vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39
des vorliegenden Urteils, Randnr. 96).
109.
Die Beantwortung der Frage, ob ein Ausführer eines Staatshandelslands so unabhängig von dem
Staat ist, daß ihm eine individuelle Behandlung gewährt werden kann, setzt die Beurteilung komplexer
tatsächlicher Fragen voraus, die zugleich die wirtschaftliche, die politische und die rechtliche Lage
betreffen. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, daß die Organe bei komplexen wirtschaftlichen Fragen
über ein weites Ermessen verfügen (vgl. Urteil Ferchimex/Rat, zitiert in Randnr. 63 des vorliegenden
Urteils, Randnr. 131). Die gerichtliche Kontrolle dieses Ermessens ist auf die Prüfung der Frage zu
beschränken, ob die
Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen
Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich
fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. die in
Randnr. 64 des vorliegenden Urteils zitierten Urteile Nachi Fujikoshi/Rat, Randnr. 21, und Gestetner
Holdings/Rat und Kommission, Randnr. 63). Das gleiche muß für die rechtliche und die politische Lage
in dem betreffenden Land gelten, die die Gemeinschaftsorgane bei der Entscheidung, ob ein
Ausführer so unabhängig von den Behörden eines Staatshandelslands handelt, daß ihm eine
individuelle Behandlung gewährt werden kann, beurteilen müssen (vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert
in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils, Randnr. 98).
110.
Im vorliegenden Fall sind die Argumente stichhaltig, die der Beklagte zugunsten der Einführung
eines einheitlichen Zolls in den Randnummern 17 bis 21 der Begründungserwägungen der
angefochtenen Verordnung und in seinen Schriftsätzen angeführt hat. Insbesondere schreibt die
Grundverordnung keine individuelle Behandlung vor, und im übrigen scheint es plausibel, daß die
Kommission in der gegenwärtigen Lage nicht imstande ist, die Angaben der chinesischen Ausführer an
Ort und Stelle nachzuprüfen.
111.
Vor allem sind die Gründe nicht offensichtlich fehlerhaft, die in Randnummer 19 der
Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung dafür angeführt werden, daß es in einem
Land wie der Volksrepublik China außerordentlich schwierig sei festzustellen, ob ein chinesisches
Unternehmen tatsächlich vom Staat unabhängig sei. Die Klägerin hat zudem nicht den dort
vertretenen Standpunkt widerlegt, daß die Wirtschaft der Volksrepublik China sich im Zeitraum der
Untersuchung im Übergang von einer vollauf staatlich kontrollierten Wirtschaft zu einer teilweise
marktorientierten Wirtschaft befunden habe. Sie hat auch nicht die Behauptung bestritten, daß die
staatliche Kontrolle in sehr vielen Aspekten des Wirtschaftslebens fortbestehe und die für das
Funktionieren einer Marktwirtschaft erforderlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsstrukturen
noch nicht genügend entwickelt und den Wirtschaftsbeteiligten und Beamten nur unzureichend
bekannt seien.
112.
Zudem hat die Klägerin nicht bestritten, daß ein Vertreter der chinesischen Regierung, der
angeblich alle Fahrradhersteller vertrat, die sich teilweise im Besitz des chinesischen Staates
befanden, der Kommission erklärte, der chinesische Staat koordiniere die Tätigkeiten aller
Fahrradhersteller in China (Randnr. 26 der Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung).
113.
Die Klägerin hat übrigens in ihrer Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß
die Wirtschaft der Volksrepublik China streng genommen keine Marktwirtschaft, sondern eine
„sozialistische Marktwirtschaft“ sei, und damit implizit anerkannt, daß dieses Land nach wie vor ein
Staatshandelsland ist.
114.
Bei dem Memorandum der Kommission vom 1. Dezember 1992 handelt es sich um ein internes
Memorandum und damit um ein Arbeitsdokument der Kommission, das keine begründeten
Erwartungen der Klägerin wecken kann (vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des
vorliegenden Urteils, Randnr. 115) und kein anderes Gemeinschaftsorgan binden kann.
115.
Die Klägerin hat demnach nicht bewiesen, daß sie tatsächlich unabhängig vom Einfluß der
chinesischen Behörden ist. Die Gemeinschaftsorgane haben daher keinen offensichtlichen Fehler bei
der Beurteilung des Sachverhalts begangen.
116.
Der dritte Klagegrund greift daher nicht durch.
Vorbringen der Parteien
117.
Die Klägerin wirft der Kommission vor, ihre Bekanntgabepflicht aus Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b
der Grundverordnung verletzt zu haben, weil sie die Klägerin nicht ausreichend unterrichtet habe. Die
Kommission habe ihr nämlich erstens nur Angaben über die Guanghzou Five Rams Bicycle Group,
jedoch keine die Klägerin betreffenden Angaben mitgeteilt, zweitens keine ausreichenden Auskünfte
über die Modelle und die Preise taiwanesischer Fahrräder erteilt, auf deren Grundlage der Normalwert
berechnet worden sei, und drittens Gesamtzahlen für das Dumping insgesamt und die
Dumpingspanne genannt, anstatt Auskünfte über jeden einzelnen Geschäftsvorgang zu erteilen.
118.
Nach Ansicht des Beklagten haben die Gemeinschaftsorgane sich an die vom Gerichtshof in seinem
Urteil vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-49/88 (Al-Jubail Fertilizer und Saudi Arabian Fertilizer/Rat,
Slg. 1991, I-3187, Randnr. 17) aufgestellten Kriterien gehalten. Die Kommission habe die Klägerin in
ihrem Übermittlungsschreiben von der Methode für die Berechnung des Antidumpingzolls unterrichtet.
Sie habe ferner den sechs Ausführern der Stichprobe Auskünfte über alle sie betreffenden
Berechnungen erteilt. Diese Informationen hätten den anderen Unternehmen einschließlich der
Klägerin aus Gründen der Vertraulichkeit nicht bekanntgegeben werden können und hätten diesem
anderen Unternehmen auch kaum eine sachdienliche Stellungnahme ermöglicht. Zudem habe die
Klägerin jedenfalls Zugang zu den nicht vertraulichen Akten gehabt, die in den Räumlichkeiten der
Kommission hätten eingesehen werden können. Die Gemeinschaftsorgane hätten keine
weitergehenden Einzelheiten zur Dumpingspanne mitteilen können, da keine individuelle
Dumpingspanne berechnet worden sei. Die Klägerin könne nicht beanstanden, daß die Organe ihr
keine sie betreffenden Informationen mitgeteilt hätten; da die Klägerin nicht von der Stichprobe erfaßt
gewesen sei, seien derartige Informationen nicht im Sinne der streitigen Vorschrift verwendet worden.
Würdigung durch das Gericht
119.
Nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b der Grundverordnung können die „Ausführer ... der Ware, die
Gegenstand der Untersuchung ist, ... beantragen, über die wesentlichen Tatsachen und
Überlegungen unterrichtet zu werden, aufgrund deren beabsichtigt wird, die Erhebung endgültiger
Zölle ... anzuregen“. Anträge müssen bei der Kommission schriftlich eingereicht werden (Artikel 7
Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i, aa). In Fällen, in denen ein vorläufiger Zoll eingeführt wurde, müssen
diese Anträge spätestens einen Monat nach der Bekanntmachung der Einführung dieses Zolls
eingehen (Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i, cc). Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c Ziffern ii und iii
regeln, auf welche Art und Weise die beantragte Unterrichtung durch die Kommission erfolgen kann
und in welcher Frist dies zu geschehen hat.
120.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die Verteidigungsrechte gewahrt, wenn dem betroffenen
Unternehmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit gegeben worden ist, zum Vorliegen
und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie gegebenenfalls zu den
herangezogenen Unterlagen Stellung zu nehmen (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar
1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11, sowie
Urteile Nakajima/Rat, zitiert in Randnr. 59 des vorliegenden Urteils, Randnr. 108, und Al Jubail Fertilizer
und Saudi Arabian Fertilizer/Rat, zitiert in Randnr. 118 des vorliegenden Urteils, Randnr. 17; Urteile des
Gerichtsvom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775, Randnr.
59, und in der Rechtssache T-36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1847, Randnr. 69, sowie Urteil
Sinochem Heilongjiang/Rat, zitiert in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils, Randnr. 75).
121.
Die Unterrichtungspflicht der Kommission ist allerdings in Einklang zu bringen mit dem Verbot,
vertrauliche Informationen bekanntzugeben. Nach Artikel 8 Absatz 2 der Grundverordnung dürfen die
Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten sowie deren Bedienstete die Informationen, die sie bei
der Anwendung der Verordnung erhalten haben und deren vertrauliche Behandlung vom
Auskunftgeber beantragt worden ist, nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis des Auskunftgebers
bekanntgeben. Die Gemeinschaftsorgane können bestimmte Informationen als vertraulich betrachten,
wenn sich ihre Bekanntgabe wahrscheinlich in erheblichem Grade nachteilig auf den Auskunftgeber
oder die Informationsquelle auswirken würde. (Artikel 214 des Vertrages und Artikel 8 Absatz 3 der
Grundverordnung).
122.
Im vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht beanstanden, daß die ihr von der Kommission
mitgeteilten nicht vertraulichen Informationen unzureichend gewesen wären. Erstens hat die
Kommission im Übermittlungsschreiben Auskünfte über die betroffene Ware, die
Gemeinschaftsindustrie, den Normalwert, die Ausfuhrpreise, die Dumpingspanne und die Schädigung
der Gemeinschaft erteilt. Zweitens besteht für die Gemeinschaftsorgane nicht nur keine
Verpflichtung, die Dumpingspanne
jedes betroffenen Unternehmens zu berechnen und für jedes Unternehmen einen eigenen
Dumpingzoll festzusetzen (vgl. oben die Gründe zum dritten Klagegrund), sondern sie verfügen auch
über ein weites Ermessen bei der Auswahl der Unternehmen für die Stichprobe, mit der die
Dumpingspanne und der festzusetzende Zoll ermittelt werden soll. Folglich ist den
Gemeinschaftsorganen das Recht zuzuerkennen, bezüglich bestimmter Unternehmen keine
Informationen zu sammeln und zu verwenden. Die Organe können deshalb auch nicht verpflichtet sein,
derartige Informationen mitzuteilen, die per definitionem und erst recht im vorliegenden Fall nicht
verlangt und mithin auch nicht verwendet worden sind. Drittens bestreitet die Klägerin nicht, daß sie
Zugang zu den nicht vertraulichen Akten in den Räumlichkeiten der Kommission gehabt habe.
123.
Auch der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
124.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe seine Ermessenbefugnis dadurch mißbraucht, daß
er die Dumpingspanne unangemessen und fehlerhaft erhöht habe. Der Beklagte habe die
Gesamtdumpingspanne und den Zollsatz für die meisten Unternehmen, die den Fragebogen
beantwortet hätten, künstlich in die Höhe getrieben, indem er die Dumpingspanne desjenigen
Unternehmens der Stichprobe verwendet habe, dessen Spanne am höchsten gewesen sei. Für diese
Unternehmen übersteige daher der Zoll unter Verstoß gegen Artikel 13 Absatz 3 der
Grundverordnung die tatsächliche Dumpingspanne. Der Beklagte dürfe die 27 % der Ausfuhren, die
auf die Unternehmen entfielen, die bei der Ermittlung der Dumpingspanne angeblich nicht kooperiert
hätten, nicht einschließen, da die Auskünfte, die die chinesischen Ausführer erteilt hätten, für eine
repräsentative Stichprobe ausreichten. Diese Zahl von 27 %, deren Quelle unbekannt sei, entbehre
übrigens jeder Grundlage. Falls sie vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften
(Eurostat) stamme, sei darauf hinzuweisen, daß die Kommission sich oft über die Ungenauigkeit der
Angaben dieser Einrichtung beklagt habe.
125.
Der Beklagte führt aus, daß die Zahl für das Gesamtvolumen der Fahrradausfuhren aus der
Volksrepublik China in die Gemeinschaft im Untersuchungszeitraum von Eurostat stamme, der einzig
verläßlichen Informationsquelle. Die von den Ausführern erteilten Auskünfte hätten 73 % dieses
Gesamtvolumens im Untersuchungszeitraum gedeckt. Die Dumpingspanne für die übrigen 27 % sei
gemäß Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b der Grundverordnung aufgrund der besten verfügbaren
Angaben ermittelt worden. Nach ständiger Praxis
seien die Angaben desjenigen Unternehmens maßgeblich, das von den kooperierenden Unternehmen
die höchste Dumpingspanne habe.
Würdigung durch das Gericht
126.
Gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung dürfen die Antidumpingzölle nicht die vorläufig
ermittelte oder endgültig festgestellte Dumpingspanne übersteigen und sollen niedriger sein, wenn
ein geringerer Zoll ausreicht, um die Schädigung zu beseitigen.
127.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vorläufigen Verordnung (vgl. Randnr. 37 der
Begründungserwägungen) und der angefochtenen Verordnung (vgl. Randnr. 50 der
Begründungserwägungen), daß auf die Unternehmen, die den Fragebogen der Kommission
beantworteten, 73 % der Gesamtexporte aus der Volksrepublik China entfielen. Die Dumpingspanne
für diese Unternehmen wurde anhand des gewogenen Durchschnitts der Dumpingspanne je Modell
der sechs Unternehmen der Stichprobe ermittelt und für die Ausführer der restlichen 27 %, die den
Fragebogen nicht beantworteten, nach Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b der Grundverordnung. Gemäß
dieser Bestimmung können vorläufige oder endgültige positive oder negative Entscheidungen auf der
Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden, wenn eine betroffene Partei oder ein
Drittland den Zugang zu Informationsquellen verweigert oder nicht innerhalb eines angemessenen
Zeitraums die erforderlichen Auskünfte erteilt oder erheblich die Untersuchung behindert. In diesem
Zusammenhang stellten nach Auffassung der Kommission die Angaben über das Unternehmen der
Stichprobe mit der höchsten Dumpingspanne die beste Grundlage dar. Auf dieser Grundlage betrug
die Dumpingspanne für die Volksrepublik China, ausgedrückt als Prozentsatz des Cif(cost, insurance,
fright)-Wertes 30,6 %.
128.
Die oben vorgenommene Prüfung des dritten Klagegrunds hinsichtlich der Weigerung, den
einzelnen betroffenen Ausführern eine individuelle Behandlung zu gewähren, hat zum einen ergeben,
daß die Vorgehensweise der Gemeinschaftsorgane nicht im Widerspruch zum Wortlaut, zur Zielsetzung
und zum Geist der Grundverordnung stand, und zum anderen, daß die Klägerin nicht die notwendigen
Voraussetzungen für eine individuelle Behandlung erfüllte und die Organe daher keinen
offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen haben.
129.
Im Rahmen dieser Vorgehensweise wird außerdem angenommen, daß die Ausführer in
Staatshandelsländern in der Regel nicht unabhängig vom Staat sind. Eines der Ziele dieser Politik ist
es, die Umgehung der Antidumpingzölle zu verhindern. Dürften die Organe die Dumpingspanne
nämlich nicht unter Berücksichtigung der Ausfuhren der Unternehmen berechnen, die bei der
Untersuchung nicht kooperiert haben, dann könnten die Behörden der Staatshandelsländer im Fall
einer Einleitung einer Antidumpinguntersuchung den
Ausführer mit den höchsten Ausfuhrpreisen anweisen, mit den Gemeinschaftsorganen
zusammenzuarbeiten, und dies den anderen Ausführern untersagen. Sie könnten auf diese Weise
sicherstellen, daß ein Antidumpingzoll in Höhe der Dumpingspanne, die für den Ausführer mit der
niedrigsten Spanne festgestellt wurde, für alle an dem Dumping beteiligten Ausführer gelten würde
(vgl. Urteil Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils, Randnr. 130).
130.
Wie oben in Randnummer 107 festgestellt, ergibt sich schließlich aus Artikel 2 Absatz 14 Buchstabe
b der Grundverordnung, daß die Gemeinschaftsorgane die Möglichkeit haben, einen gewogenen
Durchschnitt der Dumpingspannen und damit einen einheitliche Dumpingspanne für ein ganzes Land
zu errechnen.
131.
Die Gemeinschaftsorgane haben sich im übrigen zu Recht gemäß Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b
der Grundverordnung auf die Statistiken von Eurostat und die Informationen der Unternehmen
gestützt, die den Fragebogen der Kommission beantwortet hatten, da diese Informationen im
vorliegenden Fall die besten verfügbaren Angaben im Sinne der genannten Vorschrift waren.
132.
Sowohl die Berechnung der Ausfuhrpreise der Ausführer, die bei der Untersuchung nicht
kooperierten, als auch die Berechnung der einheitlichen Dumpingspanne anhand der verfügbaren
Angaben setzen zudem die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte voraus. Die
gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung ist auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die
Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen
Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich
fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. die in
Randnr. 64 des vorliegenden Urteils zitierten Urteile Nachi Fujikoshi/Rat, Randnr. 21, Gestetner
Holdings/Rat und Kommission, Randnr. 63, und Climax Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden
Urteils, Randnr. 135).
133.
Insoweit ergibt sich aus der vorläufigen Verordnung (vgl. Randnr. 37 der Begründungserwägungen)
und der angefochtenen Verordnung (vgl. Randnr. 50 der Begründungserwägungen), daß die Angaben
der Unternehmen, die den Fragebogen der Kommission beantworteten, nicht die Gesamtausfuhren,
sondern nur 73 % der Gesamtausfuhren der betreffenden Ware aus der Volksrepublik China betrafen.
Um den Teil der Ausfuhren zu berechnen, der auf die Ausführer entfiel, die keine Informationen
mitgeteilt hatten, haben sich die Gemeinschaftsorgane gemäß Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b der
Grundverordnung auf die Statistiken von Eurostat über das Gesamtvolumen der Fahrradeinfuhren aus
der Volksrepublik China in die Gemeinschaft und auf die Informationen der Unternehmen gestützt, die
den Fragebogen der Kommission beantworteten.
134.
Die Klägerin hat sich darauf beschränkt, die Berechnung der Gemeinschaftsorgane in Frage zu
stellen, ohne den geringsten Beweis für ihre Fehlerhaftigkeit zu
erbringen. Die Gemeinschaftsorgane haben sich jedenfalls auf die besten verfügbaren Informationen
gestützt.
135.
Was die Methode für die Berechnung der Ausfuhrpreise der Hersteller betrifft, die bei der
Untersuchung nicht kooperiert haben, ist nicht zu beanstanden, daß die Gemeinschaftsorgane die
niedrigsten Preise der Stichprobe zugrunde gelegt haben, da jede andere Lösung zur Folge gehabt
hätte, daß die Ausführer dazu angeregt worden wären, nicht zu kooperieren (vgl. Urteil Climax
Paper/Rat, zitiert in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils, Randnr. 140). Zudem weist nichts darauf hin,
daß die Berechnung selbst fehlerhaft wäre oder daß der Beklagte einen offensichtlichen Fehler bei
der Beurteilung des Sachverhalts begangen hätte.
136.
Der fünfte Klagegrund greift daher nicht durch.
137.
Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
138.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und der Beklagte und die
Streithelferin EBMA ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt haben, sind ihr neben ihren
eigenen Kosten die Kosten des Beklagten und der Streithelferin EBMA aufzuerlegen.
139.
Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als
Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Beklagten und der
Streithelferin EBMA.
3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
García-Valdecasas
Tiili
Azizi
Moura Ramos
Jaeger
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. September 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
R. García-Valdecasas
Inhaltsverzeichnis
Der Klage zugrunde liegender Sachverhalt
II -
Verfahren
II -
Anträge der Beteiligten
II -
Zur Zulässigkeit
II -
Zur ersten Unzulässigkeitseinrede
II -
Vorbringen der Beteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zur zweiten Unzulässigkeitseinrede
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zur dritten Unzulässigkeitseinrede
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zur Begründetheit
II -
Zum ersten Klagegrund, mit dem eine fehlerhafte Bestimmung der gleichartigen Ware (Verstoß
gegen Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung) sowie ein Ermessensmißbrauch bei der Bestimmung
der dem Antidumpingzoll unterliegenden Waren gerügt wird
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum zweiten Klagegrund, mit dem eine fehlerhafte Stichprobenauswahl gerügt wird (Verstoß
gegen Artikel 2 Absatz 13 der Grundverordnung)
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung des Gerichts
II -
Zum dritten Klagegrund, mit dem die Weigerung gerügt wird, den einzelnen betroffenen
Ausführern eine individuelle Behandlung zu gewähren (Verstoß gegen Artikel 2 Absätze 5 und 9 und
Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung sowie gegen Artikel VI Absatz 2 des GATT)
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum vierten Klagegrund, mit dem die Weigerung, die Berechnungsmethode mitzuteilen, gerügt
wird (Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben b und c der Grundverordnung)
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum fünften Klagegrund, mit dem eine fehlerhafte Methode für die Berechnung der
Dumpingspannen (Verstoß gegen Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung) sowie ein
Ermessensmißbrauch hinsichtlich des Satzes des eingeführten Antidumpingzolls gerügt werden
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Kosten
II -
Verfahrenssprache: Englisch.