Urteil des EuG vom 30.11.2004

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URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
30. November 200
„Gemeinschaftsmarke – Wortmarke NURSERYROOM – Absolute Eintragungshindernisse – Artikel 7 Absatz 1
Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 40/94“
In der Rechtssache T-173/03
Anne Geddes,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
E. Dijkema und A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 13. Februar
2003 (Sache R 839/2001‑4) über die Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke NURSERYROOM
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,
aufgrund der am 19. Mai 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 8. August 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,
nach der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2004,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 21. September 2000 reichte die Klägerin gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.
Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung beim
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die Anmeldung einer
Gemeinschaftsmarke ein.
2
Die Marke, deren Eintragung beantragt wurde, ist das Wortzeichen NURSERYROOM.
3
Die Waren, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, gehören zu folgenden Klassen im Sinne des
Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung:
Klasse 16: „Bücher, Papier- und Schreibwaren, Karten“;
Klasse 18: „Wickeltaschen“;
Klasse 21: „Teller und Tassen“;
Klasse 25: „Hüte, Babyschuhe, Babybekleidung, Schuhe, Babywäsche“;
Klasse 28: „Plüschtiere, Mobiles“.
4
Mit Entscheidung vom 26. Juli 2001 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Artikel 38 der Verordnung Nr.
40/94 aufgrund von Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 zurück, weil die
angemeldete Marke eine Beschreibung der Bestimmung der angegebenen Waren sei.
5
Am 19. September 2001 legte die Klägerin beim HABM gegen die Entscheidung des Prüfers Beschwerde ein.
6
Mit Entscheidung vom 13. Februar 2003 (Sache R 839/2001-4, im Folgenden: angefochtene Entscheidung)
wies die Vierte Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass die angemeldete
Marke eine Beschreibung der Bestimmung der angegebenen Waren sowie des Personenkreises, für den
diese Waren bestimmt seien, sei, was der Vorschrift des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr.
40/94 widerspreche.
Anträge der Parteien
7
Die Klägerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
die Sache an den Prüfer zurückzuverweisen.
8
Das Amt beantragt,
die Klage abzuweisen;
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Gründe
9
Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer mit ihrer Auffassung, dass das angemeldete Zeichen
die Bestimmung der angegebenen Waren oder anders ein Merkmal dieser Waren bezeichne, nämlich dass
diese zur Verwendung in einem Kinderzimmer oder Kinderhort (nursery room) bestimmt seien, gegen Artikel 7
Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen.
10
Eine einfache Analyse der Wörter „nursery“ und „room“, aus denen sich die angemeldete Marke
zusammensetze, zeige, dass diese Marke als Ganzes keinen unmittelbaren Bezug zu den angegebenen
Waren aufweise und weder die Bestimmung dieser Waren angebe noch notwendigerweise bedeute, dass
diese in einem Kinderzimmer oder ‑hort („nursery room“) Verwendung fänden. Der Begriff „nurseryroom“
habe keine eindeutige Bedeutung. Höchstens suggeriere er, dass diese Waren für Kleinkinder geeignet
seien. Dieser Begriff sei unzweifelhaft ein suggestiver und kein beschreibender Begriff. Die angemeldete
Marke habe losgelöst von der Art dieser Waren eigenständige Unterscheidungskraft.
11
Die Klägerin meint, die Beschwerdekammer habe die von ihr aufgeworfenen Fragen nicht ausreichend
berücksichtigt.
12
Das HABM führt zu der in der vorangehenden Randnummer wiedergegebenen Rüge aus, die Klägerin stelle
lediglich die von der Beschwerdekammer vorgenommene Würdigung der Beschwerdegründe in Frage. Für
den Fall, dass das Gericht darin einen auf die Verletzung des Artikels 73 der Verordnung Nr. 40/94
gestützten Klagegrund sehen sollte, vertritt das HABM die Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung
ordnungsgemäß begründet sei.
13
Das HABM ist der Auffassung, dass die Klägerin aus der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht zwei
unterschiedliche Begründungen für die Anwendung des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr.
40/94 herauslese.
14
Das HABM führt aus, dass die Wörter, aus denen das Zeichen NURSERYROOM bestehe, den maßgeblichen
Verkehrskreisen ermöglichten, ohne weiteres Nachdenken die Bestimmung dieser Waren zu erkennen. Die
Verbindung dieser Wörter werde oft zur eindeutigen Bezeichnung eines Kinderzimmers verwandt. Es sei
unbestreitbar, dass einige der angegebenen Waren speziell für Babys oder Kleinkinder bestimmt seien und
für die anderen Waren die Klägerin eine solche Bestimmung nicht ausgeschlossen habe. Der Begriff
„nurseryroom“ habe nichts Willkürliches oder Schöpferisches. Er sei nach den gängigen Regeln der
Grammatik gebildet, und die bloße Zusammenschreibung der Worte reiche nicht aus, um dem Begriff seinen
beschreibenden Charakter zu nehmen. Die ihm innewohnende Bestimmung der Endverbraucher dieser
Waren, nämlich Babys und Kleinkinder, sei ein wesentliches Merkmal dieser Waren. Aus diesem Grund
würden diese Waren, obgleich sie unterschiedlicher Art seien, an demselben Ort verkauft. Dem Begriff
„nurseryroom“ komme daher bei der Kaufentscheidung ausschlaggebende Bedeutung zu. In der mündlichen
Verhandlung hat das HABM die Ansicht vertreten, die Ablehnung der Eintragung sei um so mehr
gerechtfertigt, als der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C-363/99
(Koninklijke KPN Nederland, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 102) festgestellt habe, dass es keine Rolle spiele, ob
das durch die Marke beschriebene Merkmal wirtschaftlich wesentlich sei.
15
Nach Ansicht des HABM ist der zweite Antrag der Klägerin unzulässig, da das Gericht dem Amt keine
Anweisungen erteilen könne.
16
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 sind „Marken, die ausschließlich aus Zeichen
oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der
Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der
Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung
dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen.
17
Ob eine Marke beschreibenden Charakter hat, beurteilt sich zum einen im Hinblick auf die Waren oder
Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung
der maßgeblichen Verkehrskreise.
18
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die maßgeblichen
Verkehrskreise nicht ausdrücklich bestimmt. Da die angemeldete Marke jedoch aus englischen Wörtern
besteht, die von der Beschwerdekammer auch in dieser Sprache untersucht wurden, und die Klägerin hierzu
nichts weiter vorgetragen hat, ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer stillschweigend, aber
unzweifelhaft die durchschnittlichen englischsprachigen Verbraucher als die maßgeblichen Verkehrskreise
angesehen hat.
19
Dem Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache C-191/01 (HABM/Wrigley, Slg. 2003,
I‑12447) zufolge kann ein Wortzeichen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 von der
Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal
der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Randnr. 32).
20
Es ist daher zu prüfen, ob für die maßgeblichen Verkehrskreise ein unmittelbarer und konkreter
Zusammenhang zwischen dem fraglichen Wortzeichen und den angegebenen Waren besteht (vgl. zuletzt das
Urteil des Gerichts vom 20. Juli 2004 in der Rechtssache T-311/02 Lissotschenko und Hentze/OHMI [LIMO],
Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 30 sowie die zitierte Rechtsprechung).
21
Es ist nicht bestritten worden, dass die Wörter „nursery room“ einen für Babys oder Kleinkinder bestimmten
Ort bezeichnen. Es ist außerdem festzustellen, dass das fragliche Zeichen durch die Zusammenschreibung
dieser beiden Wörter in der nach der englischen Grammatik richtigen Reihenfolge nicht einen Eindruck
hervorruft, der von dem sich aus dem bloßen Nebeneinanderstellen der Worte ergebenden Eindruck weit
genug abweicht, um den Sinn oder die Bedeutung der Wörter zu verändern (vgl. entsprechend das Urteil in
der Rechtssache Koninklijke KPN Nederland (vorstehend, Randnr. 14), Randnrn. 98 und 99).
22
Von den angegebenen Waren betreffen einige ausschließlich Babys oder Kleinkinder. Dies ist der Fall bei
Windelhosen, Babyschuhen, Babybekleidung und ‑wäsche sowie Plüschtieren. Alle anderen Warengruppen,
also Bücher, Papier- und Schreibwaren, Karten, Teller, Tassen, Hüte, Schuhe und Mobiles, umfassen
diejenigen, die aufgrund ihrer Form, ihrer Größe oder ihres Aussehens speziell für Babys oder Kleinkinder
bestimmt sind.
23
Das fragliche Zeichen beschreibt zwar in seiner unmittelbaren Bedeutung einen für den Aufenthalt dieses
Personenkreises geeigneten Ort. Diese Bedeutung muss jedoch im Zusammenhang mit den in der
Markenanmeldung angegebenen Waren betrachtet werden (vorstehend, Randnr. 17). Unter diesem
Blickwinkel ist das fragliche Wortzeichen eine völlig passende Bezeichnung für Waren, die sich zum Gebrauch
in einer „nursery“ und damit zum Gebrauch für Babys oder Kleinkinder eignen. Da alle angegebenen Waren
ausschließlich oder potenziell für diesen Benutzerkreis bestimmt sein können, werden die maßgeblichen
Verkehrskreise mühelos eine unmittelbare und konkrete Verbindung zwischen dem Zeichen und diesen
Waren herstellen. Die von der Klägerin geltend gemachte Tatsache, dass sich die angegebenen Waren
offenkundig auch zum Gebrauch außerhalb einer „nursery“ eignen, ändert hieran nichts, da diese
Möglichkeit einen durchschnittlichen Verbraucher nicht von seinem Verständnis der Bestimmung dieser
Waren abbringt.
24
Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, dass die Beschwerdekammer „die von ihr
aufgeworfenen Fragen nicht ausreichend berücksichtigt hat“ und dass die angefochtene Entscheidung zwei
unterschiedliche Begründungen enthalte, weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht substanziiert
worden ist. Es kann daher nicht als eigenständige Rüge angesehen werden und vermag somit nichts am
Ergebnis zu ändern.
25
Nach alledem ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass das fragliche Zeichen eine
Beschreibung der Bestimmung der Waren und im weiteren Sinne der Gruppe der Endbenutzer, d. h. der
Babys und Kleinkinder, ist (Randnr. 10 der angefochtenen Entscheidung).
26
Folglich ist der einzige Klagegrund der Klägerin, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c
der Verordnung Nr. 40/94 gerügt worden ist, zurückzuweisen.
27
Infolgedessen muss auch der Antrag der Klägerin, die Sache an den Prüfer zurückzuverweisen,
zurückgewiesen werden.
28
Somit ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
29
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung
der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Pirrung
Forwood
Papasavvas
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2004.
H. Jung
J. Pirrung
Verfahrenssprache: Englisch.