Urteil des EuG vom 11.07.1997

EuG: verordnung, wohlerworbenes recht, kommission, öffentliches interesse, zollager, gericht erster instanz, grundsatz der nichtdiskriminierung, ware, einlagerung, lucrum cessans

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
11. Juli 199
​[234s„Änderung der Olivenölregelung — Fehlende Übergangszeit — Schadensersatzklage“​[s
In der Rechtssache T-267/94
Oleifici Italiani SpA,
Rechtsanwälte Piero A. M. Ferrari und Massimo Merola, Rom, und Antonio Tizzano, Neapel,
Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Alain Lorang, 51, rue Albert 1
er
, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigten, Beistand: Rechtsanwalt Alberto Dal Ferro, Vicenza, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos
Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Ersatz des der Klägerin durch das Fehlen einer Übergangsmaßnahme in der Verordnung (EWG) Nr.
1429/92 der Kommission vom 26. Mai 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 über die
Merkmale von Olivenölen und Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer Bestimmung (ABl. L 150, S. 17)
angeblich entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas sowie der Richter J. Azizi und M. Jaeger,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1997,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1. Mit der mehrfach geänderten Verordnung Nr. 136/66/EWG vom 22. September 1966 errichtete der Rat
eine gemeinsame Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, 172, S. 3025). Gemäß ihrem durch die
Verordnung (EWG) Nr. 1915/87 des Rates vom 2. Juli 1987 (ABl. L 183, S. 7) eingefügten Artikel 35a
dürfen die in Artikel 1 genannten Erzeugnisse, zu denen Öle gehören, in der Gemeinschaft nur unter
bestimmten Voraussetzungen vermarktet werden.
2. In Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 der Kommission vom 11. Juli 1991 über die
Merkmale von Olivenölen und Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer Bestimmung (ABl. L 248, S.
1) werden die Merkmale festgelegt, die native Lampantöle aufweisen müssen. Olivenöle, die vor dem
Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung, dem 6. September 1991, abgefüllt und bis zum 31. Oktober
1992 vermarktet wurden, werden ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen.
3. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Verordnung (EWG) Nr. 1429/92 der Kommission vom 26. Mai
1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 über die Merkmale von Olivenölen und
Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer Bestimmung (ABl. L 150, S. 17), die am 5. Juni 1992 in
Kraft trat. Mit diesem Rechtsakt änderte die Kommission die Anhänge der Verordnung Nr. 2568/91, in
denen die Merkmale festgelegt wurden, die die verschiedenen Kategorien von Olivenölen aufweisen
müssen, insbesondere der Maximalgehalt an „trans-Isomeren“. Nach dem Inkrafttreten der
Verordnung Nr. 1429/92 durften Öle, deren Gehalt an „trans-Isomeren“ diese Höchstgrenze überstieg,
in der Gemeinschaft nicht mehr vermarktet werden. „Um Nachteile für den Handel auszuschließen“,
sah die Kommission jedoch vor, daß vor Inkrafttreten dieser Verordnung abgefülltes Olivenöl während
einer bestimmten Zeit noch vermarktet werden durfte (zweite Begründungserwägung der Verordnung
Nr. 1429/92). Aus diesem Grund nahm sie vom Anwendungsbereich der Verordnung das vor deren
Inkrafttreten am 5. Juni 1992 abgefüllte und bis zum 31. Oktober 1992 vermarktete Olivenöl aus
(Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1429/92).
Sachverhalt und Verfahren
Sachverhalt und Verfahren
4. Im Juli 1991 führte die Klägerin 6 500 Tonnen natives Lampantöl aus Tunesien ein. Um den aktiven
Veredelungsverkehr in Anspruch nehmen zu können, nahm sie ab 29. Oktober 1991 eine
vorübergehende Einfuhr dieses Öles in mehreren Partien vor, um es zu raffinieren. Da sie das
Erzeugnis nicht innerhalb kurzer Zeit verkaufen konnte, lagerte sie eine bestimmte Menge nicht
abgefüllten raffinierten Öles ab 1. April 1992 in einem Zollager ein. 920 Tonnen wurden später wieder
in Drittländer ausgeführt.
5. Nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1429/92 durfte das im Zollager verbliebene Öl — als
solches — nicht mehr auf dem Gemeinschaftsmarkt vertrieben werden, da es die durch die
Verordnung Nr. 1429/92 eingeführten neuen Kriterien nicht erfüllte.
6. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 verlangte die Klägerin von der Beklagten, ihr gegenüber eine
Entscheidung über den Ersatz des ihr durch die Verordnung Nr. 1429/92 verursachten Schadens zu
treffen. Sie kündigte ferner an, daß sie eine Untätigkeitsklage erheben werde, wenn keine Lösung
gefunden werden könne.
7. Die Beklagte arbeitete sodann einen Entwurf für eine Verordnung zur rückwirkenden Änderung der
Verordnung Nr. 1429/92 aus und übersandte ihn der Klägerin; dieser Entwurf sah vor, daß die
Verordnung nicht für Olivenölmengen galt, die sich in einem Nichterhebungsverfahren befanden,
sofern dieses Verfahren bis zum 31. Dezember 1994 „abgeschlossen“ war.
8. Mit Schreiben vom 20. Januar 1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie keine Klage erheben
werde, wenn die geplanten Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist in Kraft träten.
9. Am 29. April 1994 war der Verordnungsentwurf noch immer nicht auf die Tagesordnung des
Verwaltungsausschusses gesetzt worden. Mit Schreiben gleichen Datums forderte die Klägerin die
Beklagte gemäß Artikel 175 EG-Vertrag förmlich auf, Maßnahmen zum Ersatz des ihr im Anschluß an
den Erlaß der Verordnung Nr. 1429/92 entstandenen Schadens zu treffen.
10. Mit Schreiben vom 5. Mai 1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie „keine Verantwortung für
die geltend gemachten Verluste“ übernehme und daß „die Vermarktung des fraglichen Öles im
Einklang mit der bestehenden Regelung erfolgen“ müsse.
11. Die Klägerin hat am 18. Juli 1994 die vorliegende Klageschrift eingereicht.
12. Mit Schreiben vom 13. Februar 1995 teilte die Beklagte dem italienischen Finanzministerium mit, daß
für eine Genehmigung für den Verkauf des fraglichen Olivenöls die nationalen Behörden zuständig
seien.
13. Nach der Erteilung dieser Genehmigung durch die italienischen Behörden führte die Klägerin den
größten Teil des im Zollager befindlichen Olivenöls in den Jahren 1995 und 1996 in Drittländer aus.
14. Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen und die Parteien durch prozeßleitende Maßnahmen gemäß Artikel 64 der
Verfahrensordnung aufzufordern, einige Fragen vor der Sitzung schriftlich zu beantworten.
15. Die Vertreter der Parteien haben in der Sitzung vom 4. Februar 1997 mündlich verhandelt und
mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
16. Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,
gemäß Artikel 175 des Vertrages die Untätigkeit der Beklagten festzustellen, die darin besteht,
daß sie es unterlassen hat, spezielle Maßnahmen zum Ersatz des der Klägerin infolge der
Verordnung Nr. 1429/92 entstandenen Schadens zu treffen;
die Beklagte gemäß den Artikeln 178 und 215 des Vertrages zum Ersatz des Schadens zu
verurteilen, den die Klägerin dadurch erlitten hat, daß die Verordnung Nr. 1429/92 keine
Übergangsregelung für nicht abgefülltes, im Zollager befindliches Olivenöl vorsieht, wobei der
Schaden auf 18 473 Millionen LIT geschätzt wird, die sich aus dem Kaufpreis des streitigen
Olivenöls zuzüglich Zinsen und Lager-, Versicherungs- und Raffinationskosten (16 083 Millionen
LIT) und dem wegen der Unmöglichkeit des Weiterverkaufs entgangenen Gewinn (2 359
Millionen LIT) zusammensetzen;
die Beklagte zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
17. Mit Schreiben vom 16. September 1996 hat die Klägerin ihren Schadensersatzantrag auf 7 345
Millionen LIT verringert, bei denen es sich um ihr entstandene Lagerkosten zuzüglich Zinsen und
Bürgschaftskosten handeln soll.
18. In der Sitzung hat die Klägerin ihren Antrag auf Feststellung der Untätigkeit zurückgenommen.
19. Die Beklagte beantragt,
die gemäß den Artikeln 178 und 215 des Vertrages erhobene Klage abzuweisen;
die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Zur Schadensersatzklage
20. Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Haftung der Gemeinschaft nach gefestigter Rechtsprechung
voraussetzt, daß die Klägerin die Rechtswidrigkeit des dem betreffenden Organ vorgeworfenen
Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs
zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden nachweist (Urteile des
Gerichtshofes vom 29. September 1982 in der Rechtssache 26/81, Oleifici Mediterranei/EWG, Slg.
1982, 3057, Randnr. 16, und des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und
T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 80, vom 11. Juli
1996 in der Rechtssache T-175/94, International Procurement Services/Kommission, Slg. 1996, II-729,
Randnr. 44, und vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T-336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-
0000, Randnr. 30).
21. Besteht das gerügte Verhalten in einer Unterlassung eines Gemeinschaftsorgans, so kann es die
Haftung der Gemeinschaft nur dann begründen, wenn das betreffende Organ gegen eine
Rechtspflicht zum Tätigwerden verstoßen hat, die sich aus einer Gemeinschaftsvorschrift ergibt (vgl. z.
B. Urteil des Gerichtshofes vom 15. September 1994 in der Rechtssache C-146/91, KYDEP/Rat und
Kommission, Slg. 1994, I-4199, Randnr. 58).
22. Betrifft die geltend gemachte Rechtswidrigkeit einen Rechtsetzungsakt, so setzt die Haftung der
Gemeinschaft die Feststellung der Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden
Rechtsnorm voraus. Hat das Organ den Rechtsetzungsakt in Ausübung eines weiten Ermessens
erlassen, so kann die Haftung der Gemeinschaft schließlich nur ausgelöst werden, wenn eine
qualifizierte, d. h. offenkundige und schwerwiegende Verletzung vorliegt (vgl. Urteile des Gerichtshofes
vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975, Randnr. 11, vom
25. Mai 1978 in den Rechtssachen 83/76 und 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL u. a./Rat und
Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 6, vom 19. Mai 1992 in den Rechtssachen C-104/89 und C-
37/90, Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061, Randnr. 12, und des Gerichts vom 6. Juli
1995 in der Rechtssache T-572/93, Odigitria/Rat und Kommission, Slg. 1995, II-2025, Randnr. 34, und
Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 81).
23. Das Gericht wird zunächst prüfen, ob die Klägerin das Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens der
Beklagten nachgewiesen hat.
24. Die Klägerin zweifelt zunächst daran, daß die Verordnung Nr. 1429/92 als Rechtsetzungsakt
angesehen werden kann, der wirtschaftspolitische Entscheidungen erfordert, macht aber geltend,
hier seien jedenfalls die vom Gemeinschaftsrichter in seiner Rechtsprechung zur Haftung der
Gemeinschaft für den Erlaß eines Rechtsetzungsakts aufgestellten Kriterien (siehe oben, Randnr. 22)
erfüllt.
25. Die Beklagte habe dadurch, daß sie in der streitigen Verordnung keine Übergangszeit für nicht
abgefülltes, im Zollager befindliches Olivenöl vorgesehen habe, gegen das Diskriminierungsverbot und
die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und des Schutzes wohlerworbener
Rechte verstoßen.
1. Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
Vorbringen der Parteien
26. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, aus den beiden folgenden Gründen gegen den Grundsatz des
Vertrauensschutzes verstoßen zu haben. Erstens beruhe die Verordnung Nr. 1429/92, die keine
Übergangszeit vorsehe, auf dem durch die Verordnung Nr. 1915/87 des Rates eingefügten Artikel 35a
der Verordnung Nr. 136/66 des Rates (siehe oben, Randnr. 1). Die Verordnung Nr. 1915/87 sei aber
vier Monate nach ihrem Erlaß in Kraft getreten. Auch die übrigen Verordnungen der Kommission, in
denen ausdrücklich auf Artikel 35a Bezug genommen werde, enthielten nach dem Vorbild der
Verordnung Nr. 1915/87 Übergangsbestimmungen für die verschiedenen Kategorien von Olivenöl;
etwas anderes gelte nur für Verordnungen, die — wie die Verordnung (EWG) Nr. 1860/88 der
Kommission vom 30. Juni 1988 zur Festlegung besonderer Vermarktungsnormen für Olivenöl und zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 983/88 mit Sondervorschriften über die Vermarktung von
Olivenöl, das unerwünschte Stoffe enthält (ABl. L 166, S. 16) — Maßnahmen beträfen, die sich auf den
Einzelhandel bezögen. Darin, daß eine Übergangsregelung für nicht abgefülltes Öl fehle, unterscheide
sich die Verordnung Nr. 1429/92 daher von den übrigen genannten Verordnungen und verstoße
folglich gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
27. Zweitens verlange der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach der Gemeinschaftsrechtsprechung,
daß die wirtschaftlichen Interessen von Wirtschaftsteilnehmern, die erhebliche Investitionen
vorgenommen und sich gegenüber den Behörden unwiderruflich verpflichtet hätten, bestimmte
Geschäfte vorzunehmen, nicht durch das Inkrafttreten von Regelungen geschädigt werden dürften,
deren Erlaß nicht vorhersehbar gewesen sei. Folglich seien die betreffenden Organe in diesen Fällen
zum Erlaß einer Übergangsregelung verpflichtet, um die Interessen dieser Wirtschaftsteilnehmer zu
schützen, sofern kein zwingendes Interesse dem Erlaß einer solchen Regelung entgegenstehe (Urteile
des Gerichtshofes vom 27. April 1978 in der Rechtssache 90/77, Stimming/Kommission, Slg. 1978, 995,
Randnr. 6, vom 16. Mai 1979 in der Rechtssache 84/78, Tomadini, Slg. 1979, 1801, Randnr. 20, und
vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-368/89, Crispoltoni, Slg. 1991, I-3695, Randnr. 21). Im
vorliegenden Fall habe die Klägerin nicht nur investiert, um das Öl zu kaufen undzu raffinieren, sondern
sie habe sich auch gegenüber den Behörden in zollrechtlicher Hinsicht unwiderruflich verpflichtet. Die
Beklagte habe kein höherrangiges öffentliches Interesse geltend gemacht, das sie am Erlaß einer
Übergangsregelung hindere. In Wirklichkeit könne sie sich nicht darauf berufen, daß eine
Übergangsregelung ausgeschlossen sei, damit Betrugshandlungen verhindert würden. Das
Vorhandensein von „trans-Isomeren“ lasse nicht zwangsläufig auf Betrugsvorgänge schließen,
sondern könne sich auch aus zulässigen Raffinationsmaßnahmen ergeben. Im übrigen sei das
streitige Öl nach seiner Einfuhr immer wieder von den Zollbehörden kontrolliert worden.
28. Die Beklagte weist auf den grundlegenden Unterschied zwischen der Verordnung Nr. 1915/87 und der
Verordnung Nr. 1429/92 hin. Mit der erstgenannten Verordnung sei die Grundverordnung Nr. 136/66,
u. a. durch die Einfügung von Artikel 35a, geändert worden. Die Verordnung Nr. 1429/92 enthalte
dagegen nur Maßnahmen zur Durchführung der Grundverordnung. Auch die Durchführungsverordnung
Nr. 2568/91, die zum Zeitpunkt der Einfuhr des Öles durch die Klägerin gegolten habe, habe ebenso
wie die Verordnung Nr. 1429/92 keine Übergangsregelung für nicht abgefülltes Öl enthalten.
29. Außerdem habe die Klägerin seit Juli 1991 vom beabsichtigten Erlaß der Verordnung Nr. 1429/92, die
erst am 5. Juni 1992 in Kraft getreten sei, durch die Kommission gewußt.
30. Darüber hinaus hätte eine Übergangszeit für nicht abgefülltes Öl das Hauptziel der Verordnung Nr.
1429/92, nämlich den Schutz der Reinheit des Öles, gefährdet. Die Möglichkeit, für eine bestimmte
Zeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1429/92 nicht abgefülltes Öl zu vermarkten, das nicht
den in der Verordnung festgelegten Reinheitsanforderungen entspreche, hätte die
Verfälschungsgefahren erhöht, denen die Verordnung gerade habe entgegenwirken sollen.
31. Da im übrigen die an die Verordnung Nr. 1429/92 angepaßte Tarifnomenklatur für auf der Durchfuhr in
Drittländer befindliches Öl erst am 19. Februar 1993 in Kraft getreten sei, sei die Verordnung Nr.
1429/92 erst ab diesem Zeitpunkt anwendbar gewesen, so daß es der Klägerin freigestanden habe,
das streitige Öl bis dahin unter der Bezeichnung „raffiniertes Olivenöl“ wieder auszuführen.
Würdigung durch das Gericht
32. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zwar zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft, aber die
Wirtschaftsteilnehmer dürfen nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die
die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können; dies gilt insbesondere auf
einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung
an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofes
vom 21. Mai 1987 in den Rechtssachen 133/85 bis 136/85, Rau u. a., Slg. 1987, 2289, Randnr. 18, und
vom 5. Oktober 1994 in den Rechtssachen C-133/93, C-300/93 und C-362/93, Crispoltoni u. a., Slg.
1994, I-4863, Randnr. 57). Ein Wirtschaftsteilnehmer kann auch kein wohlerworbenes Recht oder auch
nur ein berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation geltend machen,
die durch Entscheidungen verändert werden kann, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres
Ermessens treffen (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93,
Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 80).
33. Im Hinblick auf diese Grundsätze ist zu prüfen, ob die Klägerin im vorliegenden Fall die begründete
Erwartung hegen konnte, daß für nicht abgefülltes Olivenöl eine Übergangszeit eingeführt würde.
34. Erstens konnte die Klägerin ihre Forderungen nicht darauf stützen, daß es in der Verordnung Nr.
1915/87 eine Bestimmung gibt, nach der sie etwa vier Monate nach ihrer Veröffentlichung in Kraft trat.
Während nämlich die Verordnung Nr. 1915/87 bezweckte, die Bezeichnungen und Definitionen der
Olivenöle anzupassen, um ihre Vermarktung zu erleichtern, diente die Verordnung Nr. 1429/92 dazu,
als Maßnahme zur Durchführung der Grundverordnung die Merkmale von Olivenölen zu ändern, um ihre
Reinheit besser zu gewährleisten.
35. Der Gemeinschaftsgesetzgeber darf im Rahmen des weiten Ermessens, über das er im Bereich der
gemeinsamen Agrarpolitik verfügt (siehe oben, Randnr. 32), dem Ziel der besseren Gewährleistung
der Reinheit eines bestimmten Erzeugnisses sowie — implizit — des Verbraucherschutzes Vorrang
einräumen vor dem — von ihm möglicherweise in einer früheren Verordnung verfolgten — Ziel, die
Vermarktung dieses Erzeugnisses zu erleichtern.
36. Hinsichtlich einer etwaigen Übergangszeit ist die streitige Verordnung im Vergleich mit der Verordnung
Nr. 2568/91 zu beurteilen, die sie ändert und die somit die gleiche Rechtsnatur besitzt wie sie. Diese
Verordnung sah jedoch ebenso wie die Verordnung Nr. 1429/92 keine Übergangszeit für nicht
abgefülltes Olivenöl vor.
37. Außerdem konnte der Klägerin als einer in diesem Sektor gewerblich Tätigen in der Zeit zwischen der
Einfuhr des streitigen Öles und dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1429/92 nicht verborgen
geblieben sein, daß mit deren Erlaß zu rechnen war. Sie hat im übrigen in der Sitzung eingeräumt,
gewußt zu haben, daß die in der Verordnung Nr. 1429/92 enthaltenen technischen Normen zunächst
auf internationaler Ebene durch den Internationalen Olivenölrat (IOR) ausgehandelt und erlassen
worden waren, bevor sie von der Beklagten übernommen wurden.
38. Zweitens ist die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung nicht einschlägig. Sie beruft sich
zunächst auf das Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88 (Sofrimport/Kommission, Slg.
1990, I-2477), in dem der Gerichtshof die Ansicht vertreten hat, daß das betreffende Organ gegen
den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen hatte, weil es eine Schutzmaßnahme getroffen und
dabei, ohne sich auf ein zwingendes öffentliches Interesse zu berufen, die Lage von
Wirtschaftsteilnehmern wie Sofrimport, deren Waren sich auf dem Weg in die Gemeinschaft befanden,
völlig unberücksichtigt gelassen hatte, obwohl es nach einer speziellen Bestimmung dazu verpflichtet
war. Die im vorliegenden Fall maßgebende Regelung enthält dagegen keine spezielle Bestimmung, die
die Beklagte dazu verpflichtet hätte, die besondere Lage von Wirtschaftsteilnehmern zu
berücksichtigen, denen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 1429/92 nicht abgefülltes
Olivenöl gehörte, das sich im Zollager befand.
39. Die Klägerin beruft sich sodann auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 1975 in der Rechtssache
74/74 (CNTA/Kommission, Slg. 1975, 533, Randnrn. 28 bis 44) und auf das vorerwähnte Urteil Tomadini
(Randnr. 20). Im Urteil CNTA/Kommission hat der Gerichtshof ausgeführt, daß der CNTA, der
Ausfuhrlizenzen unter Vorausfestsetzung des Erstattungsbetrags erhalten hatte, mit Recht darauf
vertrauen konnte, daß hinsichtlich von ihm unwiderruflich abgeschlossener Geschäfte keine
unvorhersehbare Änderung eintrat, die für ihn unweigerlich zu Verlusten führen würde. Im Urteil
Tomadini hat der Gerichtshof den Grundsatz des Vertrauensschutzes für den Fall näher ausgestaltet,
daß eine spezielle Regelung besteht, nach der sich die Wirtschaftsteilnehmer bei endgültig
abgeschlossenen Geschäften gegen die Auswirkungen von Änderungen der Anwendungsmodalitäten
einer gemeinsamen Marktorganisation schützen können. In einem solchen Fall verbietet dieser
Grundsatz den Gemeinschaftsorganen, die Regelung zu ändern, ohne Übergangsmaßnahmen
vorzusehen, sofern kein zwingendes öffentliches Interesse dem entgegensteht.
40. Im vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht geltend machen, unwiderrufliche Geschäfte
abgeschlossen zu haben, da die Einlagerung einer Ware im Zollager nur eine Vorstufe zu deren
Vermarktung darstellt. Da niemand verpflichtet ist, eine zuvor im Zollager eingelagerte Ware dort zu
belassen, kann die Einlagerung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht als „unwiderrufliche
Verpflichtung“ angesehen werden.
41. Da die Klägerin keine Umstände dargetan hat, die ein berechtigtes Vertrauen hätten begründen
können, ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.
2. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
Vorbringen der Parteien
42. Die Klägerin trägt vor, durch die Einräumung einer Übergangszeit für abgefülltes, nicht aber für nicht
abgefülltes Olivenöl, habe die Beklagte die Eigentümer von nicht abgefülltem Öl ohne objektive
Rechtfertigung schlechter behandelt als die Eigentümer von abgefülltem Öl. Das Ziel der
Betrugsverhinderung rechtfertige diese unterschiedliche Behandlung jedenfalls nicht.
43. Darüber hinaus habe die Beklagte eine ungerechtfertigte Diskriminierung vorgenommen, indem sie
die Eigentümer von nicht abgefülltem Olivenöl, das sich im freien Verkehr befunden habe, und
diejenigen, die solches Öl im Zollager eingelagert hätten, gleichbehandelt habe. Das letztgenannte Öl
könne nämlich wegen der Kontrolle durch die Zollbehörden nicht Gegenstand von Betrugshandlungen
sein.
44. Die Beklagte vertritt die Ansicht, eine unterschiedliche Behandlung von abgefülltem und nicht
abgefülltem Olivenöl sei aufgrund der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1429/92, die Reinheit des
Olivenöls zu gewährleisten, objektiv gerechtfertigt. Ein hoher Anteil an „trans-Isomeren“ erleichtere
nämlich die Mischung des Öles mit Ölen minderer Qualität. In der Antwort auf die schriftliche Frage des
Gerichts vom 15. Januar 1997 und in der Sitzung hat die Beklagte diese unterschiedliche Behandlung
damit gerechtfertigt, daß bei abgefülltem Öl die Verfälschungsgefahr geringer sei als bei nicht
abgefülltem Olivenöl. Wenn sie die Möglichkeit eröffnet hätte, nicht abgefülltes Öl während einer
Übergangszeit zu vermarkten, wäre dieses Öl länger der Verfälschungsgefahr ausgesetzt gewesen.
Für abgefülltes Öl habe dies nicht gegolten, da die Abfüllung jede betrügerische Veränderung
verhindere.
Würdigung durch das Gericht
45. Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu den Grundprinzipien
des Gemeinschaftsrechts (Urteil Deutschland/Rat, a. a. O., Randnr. 67; Urteil des Gerichts vom 11.
Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./EG, Slg. 1996, II-0000, Randnr. 46). Dieser
Grundsatz verlangt, vergleichbare Sachverhalte nicht ohne objektive Rechtfertigung unterschiedlich zu
behandeln.
46. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen
Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfügt, das den politischen Aufgaben entspricht, die ihm die
Artikel 40 und 43 des Vertrages übertragen (Urteil Crispoltoni u. a. vom 5. Oktober 1994, a. a. O.,
Randnr. 42; Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1995 in den Rechtssachen T-466/93, T-469/93, T-473/93, T-
474/93 und T-477/93, O'Dwyer u. a./Rat, Slg. 1995, II-2071, Randnrn. 107 und 113). Folglich kann die
Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn die
Maßnahme für den Zweck, den das zuständige Organ erreichen möchte, offensichtlich ungeeignet ist
(Urteil O'Dwyer u. a./Rat, a. a. O., Randnr. 107).
47. Die streitige Verordnung gehört zur gemeinsamen Agrarpolitik. Um feststellen zu können, ob eine
Diskriminierung vorliegt, ist daher zu prüfen, ob sie vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich
behandelt und ob gegebenenfalls die unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist, wobei
insoweit das weite Ermessen der Beklagten hinsichtlich der objektiven Rechtfertigung einer etwaigen
unterschiedlichen Behandlung zu berücksichtigen ist.
48. In Artikel 2 Absatz 2 der streitigen Verordnung wird zwischen nicht abgefülltem und abgefülltem
Olivenöl unterschieden und nur für dieses eine Übergangsfrist vorgesehen. Das Hauptziel der
streitigen Verordnung besteht nach ihren Begründungserwägungen darin, die Reinheit des Olivenöls
zu gewährleisten. Aus den Akten geht aber hervor, daß dieses Öl, wenn es überhitzt wurde, über einen
erhöhten Prozentsatz an „trans-Isomeren“ verfügt, so daß es mit anderen Ölen minderer Qualität
vermischt werden kann. Diese Verfälschungsgefahr, die bei abgefülltem Olivenöl infolge der Abfüllung
grundsätzlich nicht besteht, kann bei nicht abgefülltem Öl nicht ausgeschlossen werden, selbst wenn
es sich im Zollager befindet.
49. Die Beklagte hätte nur dann eine Ausnahme von der streitigen Verordnung vorsehen müssen, wenn
die Einlagerung in nationalen Zollagern die Gewähr dafür bieten würde, daß eine Verfälschung der
dort gelagerten, nicht abgefüllten Erzeugnisse ausgeschlossen ist. Angesichts ihres weiten
Ermessens wäre die Beklagte nur dann verpflichtet, eine solche Ausnahme vorzusehen, wenn
erwiesen wäre, daß in irgendeinem Zollager der Gemeinschaft eingelagertes, nicht abgefülltes
Olivenöl unmöglich verfälscht werden kann. Die für Zollager geltenden Gemeinschaftsnormen sind
aber in Anbetracht ihrer Ziele, die hauptsächlich Zollfragen betreffen, nicht geeignet, jede Betrugs-
oder Manipulationsmöglichkeit auszuschließen, die keinen Zollcharakter hat.
50. Da es somit nicht ausgeschlossen war, daß für nicht abgefülltes Öl trotz seiner etwaigen Einlagerung
im Zollager eine Verfälschungsgefahr bestand, konnte die Beklagte nach Ansicht des Gerichts im
Rahmen des weiten Ermessens, über das sie im Bereich der Agrarpolitik verfügte, geeignete
Maßnahmen treffen, um die Reinheit des Öles besser zu gewährleisten. Dabei war sie berechtigt, den
Eigentümern von im Zollager eingelagertem, nicht abgefülltem Olivenöl keine zusätzliche Frist für
seinen Verkauf einzuräumen.
51. Folglich ist die Rüge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot als unbegründet
zurückzuweisen.
3. Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Vorbringen der Parteien
52. Die Klägerin vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der
Rechtssache 265/87 (Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21) die Ansicht, daß die Beklagte, indem sie
keine Übergangszeit für nicht abgefülltes Olivenöl vorgesehen habe, den Handel in einer Weise
behindert habe, die zum Zweck der Gewährleistung der Reinheit des Öles unter möglichst geringer
Beeinträchtigung des Handels außer Verhältnis stehe. Das unter zollbehördlicher Kontrolle stehende
Öl hätte jedenfalls nicht verfälscht werden können, und dieErfordernisse der Betrugsverhinderung
könnten daher das Fehlen der Übergangsregelung ihr gegenüber nicht rechtfertigen.
53. Die Beklagte macht geltend, die Notwendigkeit der Betrugsverhinderung habe jede Möglichkeit einer
Übergangsmaßnahme für nicht abgefülltes Öl ausgeschlossen. Im Unterschied zu dem Sachverhalt,
um den es im vorerwähnten Urteil Schräder gegangen sei, sei der Klägerin im vorliegenden Fall keine
finanzielle Belastung auferlegt worden.
Würdigung durch das Gericht
54. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kommt es für die Frage, ob eine Vorschrift des
Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, darauf an, ob die von ihr
eingesetzten Mittel geeignet sind, das angestrebte Ziel zu verwirklichen, und nicht über das
hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (Urteile des Gerichtshofes vom 11. März 1987
in den Rechtssachen 279/84, 280/84, 285/84 und 286/84, Rau u. a./Kommission, Slg. 1987, 1069,
Randnr. 34, und vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-426/93, Deutschland/Rat, Slg. 1995, I-
3723, Randnr. 42).
55. Wie oben ausgeführt (Randnr. 46), kann im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik die Rechtmäßigkeit
einer Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme für das Ziel, das das
zuständige Organ mit ihr verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist.
56. Im vorliegenden Fall wirft die Klägerin der Beklagten vor, daß sie dem in der zweiten
Begründungserwägung der streitigen Verordnung genannten Ziel der Gewährleistung der Reinheit
des Öles Vorrang vor dem in der dritten Begründungserwägung dieser Verordnung erwähnten Ziel,
Nachteile für den Handel auszuschließen, eingeräumt hat.
57. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Gemeinschaftsorgane nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik für den ständigen Ausgleich
sorgen müssen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, isoliert betrachtet, erforderlich
machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen zeitweiligen Vorrang
einräumen müssen, sofern die wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände, die ihrer Beschlußfassung
zugrunde liegen, dies gebieten (Urteile des Gerichtshofes vom 20. September 1988 in der
Rechtssache 203/86, Spanien/Rat, Slg. 1988, 4563, Randnr. 10, und vom 19. März 1992 in der
Rechtssache C-311/90, Hierl, Slg. 1992, I-2061, Randnr. 13).
58. Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall die Beklagte die widerstreitenden Interessen abwägen und dem
Ziel der Reinheit, das vor allem dem Verbraucherschutz dient, Vorrang einräumen durfte. Die Klägerin
hat insoweit nicht dargetan, daß die Argumentation der Beklagten offensichtlich fehlerhaft war oder
daß die Beklagte die Grenzen des ihr in diesem Bereich zustehenden Ermessens überschritten hätte.
Sie hat auch nicht nachgewiesen, daß die Maßnahmen der Beklagten den Handel behindert oder
jedenfalls zu dem verfolgten Ziel außer Verhältnis gestanden hätten.
59. Hinzu kommt, daß die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse zwar darauf zu achten hat,
daß die den Wirtschaftsteilnehmern auferlegten Belastungen nicht über das hinausgehen, was zur
Erreichung der Ziele, die die Behörde verwirklichen muß, erforderlich ist; daraus folgt jedoch nicht,
daß diese Verpflichtung an den besonderen Verhältnissen eines Wirtschaftsteilnehmers oder einer
bestimmten Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern zu messen ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 24.
Oktober 1973 in der Rechtssache 5/73, Balkan-Import-Export, Slg. 1973, 1091, Randnr. 22, und des
Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994,
II-1201, Randnr. 74).
60. Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, daß die Beklagte durch den Erlaß der Verordnung Nr.
1429/92 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.
4. Verletzung wohlerworbener Rechte
Vorbringen der Parteien
61. Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe dadurch, daß sie das streitige Öl im Zollager eingelagert habe,
den Übergang von der Regelung über die vorübergehende Einfuhr zur Regelung über zur Ausfuhr
bestimmte Waren beantragt. Daher hätte davon ausgegangen werden müssen, daß die Ware formal
bereits das Gemeinschaftsgebiet verlassen habe. Sie habe ferner das Recht erworben, die Ware
gemäß den zum Zeitpunkt der Einlagerung des streitigen Öles im Zollager geltenden Vorschriften
ohne Genehmigung in Drittländer auszuführen. Die Beklagte habe dieses Recht verletzt, indem sie die
Verordnung Nr. 1429/92 erlassen habe, ohne sie mit einer angemessenen Übergangsregelung zu
versehen.
62. Das Vorliegen eines wohlerworbenen Rechts sei auch aus Artikel 121 Absatz 1 der Verordnung (EWG)
Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L
302, S. 1) abzuleiten, wonach die auf die betreffende Ware zum Zeitpunkt der Annahme der
Anmeldung zur Überführung dieser Ware in den aktiven Veredelungsverkehr anzuwendenden
Bemessungsgrundlagen ohne Berücksichtigung späterer Änderungen heranzuziehen seien. Gelte
dieses Kriterium für die Bestimmung der zollrechtlichen Verpflichtung, so gelte es auch für die
Ausübung des Rechts auf Ausfuhr der dieser Verpflichtung unterliegenden Ware.
63. Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe kein Recht auf unbegrenzte Beibehaltung der zum Zeitpunkt
der Einlagerung ihres Öles im Zollager geltenden Regelung erworben. Sie habe ihr Recht behalten,
dieses Öl unter Beachtung der neuen Vorschriften auszuführen. Nach der
Gemeinschaftsrechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 21. Mai 1987, Rau u. a., a. a. O.,
Randnr. 18, und vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-69/89, Nakajima/Rat, Slg. 1991, I-2069,
Randnr. 119) verfüge niemand über ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils, von
dem er zu einem bestimmten Zeitpunkt profitiert habe. Schließlich sei Artikel 121 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 2913/92 nicht anwendbar, wenn das zur Wiederausfuhr bestimmte Erzeugnis nicht der
anwendbaren Regelung entspreche.
Würdigung durch das Gericht
64. Es gibt keine Bestimmung, die dem Eigentümer von im Zollager eingelagerten Waren das subjektive
Recht verleiht, diese Waren gemäß den zum Zeitpunkt ihrer Einlagerung in dieses Lager geltenden
Rechtsvorschriften zu vermarkten. Außerdem erlaubt Artikel 109 der Verordnung Nr. 2913/92 den
Eigentümern von Einfuhrwaren, diese Waren an etwaige Neuregelungen anzupassen, indem er ihnen
die Möglichkeit gibt, sie Behandlungen zu unterziehen, die ihrer Erhaltung, der Verbesserung ihrer
Aufmachung und Güte oder der Vorbereitung ihres Vertriebs oder Weiterverkaufs dienen. Folglich
können sich die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung der zum Zeitpunkt der
Einlagerung der Ware im Zollager anwendbaren Regelung berufen.
65. Die Klägerin kann auch aus Artikel 121 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2913/92 kein wohlerworbenes
Recht ableiten. Dieser lautet: „Vorbehaltlich des Artikels 122 wird bei Entstehen einer Zollschuld die
Höhe dieser Zollschuld anhand der Bemessungsgrundlagen berechnet, die für die Einfuhrwaren in
dem Zeitpunkt maßgebend waren, in dem die Anmeldung zur Überführung dieser Waren in den aktiven
Veredelungsverkehr angenommen wurde.“
66. Erstens wird durch die Verordnung Nr. 1429/92 die Höhe der Zollschuld, die sich aus Artikel 121
Absatz 1 der Verordnung Nr. 2913/92 ergibt, keineswegs verändert. Zweitens kann aus dem Recht der
Klägerin auf Festlegung der Höhe ihrer Zollschuld gemäß diesem Artikel 121 kein Recht auf
Beibehaltung der Regelung zur Bestimmung der Merkmale, die vermarktetes Olivenöl aufweisen muß,
abgeleitet werden. Drittens ist Artikel 121 überhaupt nicht einschlägig, da die Klägerin die Ware
bereits vor ihrer Einlagerung im Zollager gemäß den Vorschriften über den aktiven
Veredelungsverkehr verarbeitet hatte.
67. Folglich ist die Rüge einer Verletzung wohlerworbener Rechte zurückzuweisen.
5. Ergebnis in bezug auf die Voraussetzung des Vorliegens eines rechtswidrigen Verhaltens
68. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Klägerin kein rechtswidriges Verhalten der
Beklagten dargetan hat. Folglich braucht nicht geprüft zu werden, ob die streitige Handlung
Rechtsetzungscharakter hat und ob die geltend gemachten Verstöße qualifiziert sind.
69. Auch wenn die Schadensersatzklage schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann, hält es das
Gericht im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles für angebracht, die Frage
des geltend gemachten Schadens zu prüfen.
Vorbringen der Parteien
70. Die Klägerin meint, einen Schaden von 7 345 Millionen LIT in Form ihr entstandener Lagerkosten
zuzüglich Zinsen und Bürgschaftskosten erlitten zu haben. Ursprünglich habe der Schaden 18 473
Millionen LIT betragen (siehe oben, Randnrn. 16 und 17), aber er habe sich aufgrund des Verkaufs
des streitigen Öles während des vorliegenden Verfahrens verringert, nachdem die Beklagte ihren
Widerstand gegen die Erteilung einer Genehmigung der italienischen Zollbehörden für den Verkauf
dieses Öles aufgegeben habe.
71. Die Beklagte trägt vor, da die Klägerin das streitige Öl 1995 und 1996 verkauft und dabei von der
Erhöhung des Kurses von Olivenöl auf dem Weltmarkt profitiert habe, habe sie dadurch, daß dieses
möglicherweise im Zollager festgehalten worden sei, keinen Schaden erlitten, sondern einen Gewinn
von 10 929 648 626 LIT erzielt. Ein durch die Verordnung verursachter etwaiger Schaden könne
jedenfalls nicht höher sein als der Unterschied zwischen dem Preis der streitigen Ware auf dem
Drittlandsmarkt unmittelbar vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1429/92 und dem Preis dieser Ware
unmittelbar nach Inkrafttreten der Verordnung. Die Klägerin habe aber nicht dargetan, daß ein
solcher Unterschied bestehe.
72. In der Sitzung hat die Klägerin entgegnet, wenn sie den Gesamterlös aus dem Verkauf der 4 788,809
Tonnen Öl früher hätte reinvestieren können, hätte sie einen deutlich höheren als den von der
Beklagten angegebenen Gewinn erzielt.
Würdigung durch das Gericht
73. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, daß sie das streitige Olivenöl 1995 und 1996 tatsächlich verkauft
hat und daß der Kurs des Olivenöls auf dem Weltmarkt in diesem Zeitraum gestiegen ist, so daß sie
das streitige Öl zu einem höheren Preis als dem, den sie erhalten hätte, wenn sie dieses Öl 1992
verkauft hätte, verkaufen und so einen Gewinn erzielen konnte, der über der letztlich verlangten
Entschädigung (siehe oben, Randnr. 17) liegt. Das Argument, daß die Klägerin einen deutlich höheren
Gewinn erzielt hätte, wenn sie den Gesamterlös aus dem Verkauf des streitigen Öles früher hätte
reinvestieren können, greift nicht durch, da sie erstens nicht den Ersatz des Lucrum cessans verlangt
hat und zweitens der aus der fehlenden Möglichkeit der früheren Reinvestition des Verkaufserlöses
resultierende Schaden nicht nur rein hypothetisch, sondern auch unbestimmt ist.
74. Somit ist der Schaden, dessen Ersatz verlangt wird, in Wirklichkeit nicht vorhanden.
75. Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß sie den geltend gemachten Schaden erlitten hat.
76. Da die Klägerin weder ein rechtswidriges Verhalten noch das Vorliegen des geltend gemachten
Schadens nachgewiesen hat, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
77. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag
der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
García-ValdecasasAzizi
Jaeger
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
R. García-Valdecasas
Verfahrenssprache: Italienisch.