Urteil des BVerwG vom 15.03.2017

VG Prof: innerstaatliches recht, vergleich, abrede, projekt, quelle, kommission, eugh, meldung, einheit, verfügung

Rechtsquellen:
BNatSchG n.F. § 61 Abs. 2 und 3, § 69 Abs. 5
FStrG
§ 17 Abs. 1, 4 und 6 c
FFH-RL
Art. 4 Abs. 1 bis 3, Art. 6 Abs. 3 und 4
Stichworte:
Verkehrsprojekt; Planfeststellung; anerkannter Naturschutzver-
ein; Antragsbefugnis; potentielles FFH-Gebiet; prioritärer Le-
bensraumtyp; FFH-Schutzregime; Vorwirkungen; Verträglichkeits-
prüfung; Alternativlösung; Projektziele; rechtliches Hinder-
nis; FFH-interner Variantenvergleich; FFH-externe Bewertungs-
faktoren; Verhältnismäßigkeitsprüfung; Lärmschutzerwägungen;
Kostengesichtspunkte.
Leitsätze:
1. Eine Alternativlösung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ist nur
dann gegeben, wenn sich das Planungsziel trotz ggf. hinnehmba-
rer Abstriche auch mit ihr erreichen lässt.
2. Der Vorhabenträger braucht sich auf eine technisch mögliche
Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich Art. 6
Abs. 4 FFH-RL am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulas-
sungssperre erweist wie an dem von ihm gewählten Standort.
3. Der Vorhabenträger darf von einer Alternativlösung Abstand
nehmen, die technisch an sich machbar und rechtlich zulässig
ist, ihm aber Opfer abverlangt, die außer Verhältnis zu dem
mit ihr erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.
4. Eine Alternativlösung darf ggf. auch aus naturschutzexter-
nen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel verworfen werden.
5. Wieweit das Anliegen, das Verkehrslärmniveau im innerörtli-
chen Bereich zu senken, oder das Interesse, die Projektkosten
in Grenzen zu halten, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung
durchschlägt, hängt von dem Gewicht ab, das ihm im konkreten
Fall zukommt.
Urteil des 4. Senats vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01
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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 A 28.01
Verkündet
am 17. Mai 2002
Röder
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w sowie die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n ,
Dr. L e m m e l , H a l a m a und Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
- 3 -
Der Planfeststellungsbeschluss des Hessischen
Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landes-
entwicklung vom 5. April 2001 ist rechtswidrig.
Er darf nicht vollzogen werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich
gegen den Neubau der Bundesautobahn A 44 im Teilabschnitt
Hessisch Lichtenau-West bis Hessisch Lichtenau-Ost.
Im Mai 1993 wurde das Raumordnungsverfahren für den Bau einer
vierstreifigen Umgehungsstraße von Fürstenhagen, Hessisch
Lichtenau und Walburg im Zuge der B 7 eingeleitet. Nach In-
Kraft-Treten des Fernstraßenausbaugesetzes wurde das Verfahren
ab Ende 1993 für den Abschnitt Hessisch Lichtenau unter der
Bezeichnung BAB A 44 weitergeführt und im Dezember 1996 zu
Gunsten der Vorschlagslinie der Hessischen Straßenbauverwal-
tung abgeschlossen. Die Linienbestimmung erfolgte im Dezember
1997.
Das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Kassel beantragte im
Jahre 1999 die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens.
Nach den Planunterlagen, die in der Zeit vom 3. Januar 2000
bis einschließlich 2. Februar 2000 in der Stadt Hessisch
Lichtenau auslagen, durchschneidet die Trasse die Fläche des
"Lichtenauer Hochlandes" zum Teil in Tunnel- und zum Teil in
Tieflage. Um die Zerschneidungswirkungen auszugleichen, ist
u.a. die Anlegung einer Grünbrücke vorgesehen. Der Kläger er-
hob mit Schreiben vom 10. Februar 2000 Einwendungen gegen den
Plan. Er machte u.a. geltend, zwingende Gründe des überwiegen-
den öffentlichen Interesses im Sinne des FFH-Rechts lägen
- 4 -
nicht vor. Die Alternativenprüfung genüge nicht den rechtli-
chen Anforderungen; insbesondere seien der Ausbau der Bundes-
straße B 7 und die so genannte Netra-Variante zu Unrecht aus-
geschieden worden. Die behaupteten Wirkungen der Grünbrücke
seien wissenschaftlich nicht belegbar. Im Erörterungstermin am
20. Juni 2000 legte der Kläger eine ergänzende Stellungnahme
vom 17. Juni 2000 vor, in der er sich u.a. kritisch mit der im
November 1999 vorsorglich angestellten FFH-Verträglichkeits-
untersuchung auseinander setzte.
Das "Lichtenauer Hochland" wurde im September 2000 als FFH-
Gebiet gemeldet. In der Meldung wurden folgende Biotope des
Anhangs I der FFH-Richtlinie aufgeführt: Trespen-Schwingel-
Kalk-Trockenrasen (Code Nr. 6210) rund 19 ha, Pfeifengraswie-
sen auf kalkreichem Boden und Lehmboden (Code Nr. 6410)
2,5 ha, feuchte Hochstaudenfluren (Code Nr. 6430) 1,6 ha, Ex-
tensive Mähwiesen (Code Nr. 6510) rund 54 ha, Kalkreiche Nie-
dermoore (Code Nr. 7230) 0,1 ha. Als Anhang II - Tierart -
wurde insbesondere der Schwarzblaue Ameisenbläuling (Maculinea
nausithous) genannt. Im Laufe des Jahres 2001 bestätigte sich
die Vermutung, dass es in dem maßgeblichen Landschaftsraum
auch eine Kalktuff-Quelle (Code Nr. *7220) gibt, die nach An-
hang I der Richtlinie zum Kreis der prioritären Lebensraumty-
pen gehört. Im Süden von Hessisch Lichtenau wurden die
"Reichenbacher Kalkberge" und das "Weißbachtal bei
Reichenbach" als FFH-Gebiete gemeldet.
Im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 wurden die
Einwendungen des Klägers zurückgewiesen: Den Anforderungen des
FFH-Rechts werde Rechnung getragen. Die Planungsziele ließen
sich mit einer anderen Variante nicht erreichen. Jedenfalls
gebe es südlich von Hessisch Lichtenau keine aus umweltrecht-
licher Sicht bessere Alternative. Dort wäre ebenfalls ein FFH-
Gebiet betroffen. Das Vorhaben sei zwar mit erheblichen Beein-
trächtigungen von FFH-relevanten Lebensraumtypen verbunden, es
- 5 -
werde aber durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentli-
chen Interesses gerechtfertigt. Die Eingriffe würden durch die
Grünbrücke und durch eine Erweiterung des gemeldeten Gebiets
im Bereich des Hasenbergs ausgeglichen. Die naturschutzfachli-
che Bedeutung des "Lichtenauer Hochlandes" sei in der FFH-
Verträglichkeitsuntersuchung richtig erfasst worden. Die vom
Kläger geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit der Grünbrücke
seien unbegründet. Das Bauwerk werde dem Vernetzungsbedarf der
beeinträchtigten Lebensräume gerecht und biete der Fauna in
ihrem Einzugsbereich eine geeignete Querungsmöglichkeit. Die
Problematik einer Beeinträchtigung des Grundwassers im Bereich
der Pfeifengraswiesen sei bei der Planung erkannt, untersucht
und bewertet worden.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor: Der Plan-
feststellungsbeschluss genüge nicht den europarechtlichen Vor-
gaben. Im Süden Hessisch Lichtenaus komme eine Alternativlö-
sung in Betracht, bei der die gemeldeten Gebiete "Reichen-
bacher Kalkberge" und "Weißbachtal bei Reichenbach" nicht in
Anspruch genommen werden müssten und FFH-relevante Biotope o-
der Arten auch sonst nicht erheblich beeinträchtigt würden. Im
Bereich der planfestgestellten Trasse sei übersehen worden,
dass die Pfeifengraswiesen durch die Versiegelungswirkungen
und die Veränderung natürlicher Wasseradern vernichtet würden.
Dadurch würden die Lebensräume der Maculinea-Population nörd-
lich und südlich der Trasse zerstört. Außerdem sei das Gebiet
langfristig als Lebensraum für den Raubwürger nicht mehr ge-
eignet. Es liege kein Ausnahmetatbestand vor, der eine Vorha-
benzulassung rechtfertige. Der Beklagte lege nicht dar, woraus
sich ergebe, dass die von ihm für das Vorhaben ins Feld ge-
führten Belange den durch das FFH-Recht geschützten Natur-
schutzinteressen im Range vorgingen. Das öffentliche Wohl neh-
me keinen Schaden, wenn das Projekt nicht, wie vorgesehen,
verwirklicht werde. Die Eingriffsfolgen würden nicht in der
rechtlich gebotenen Weise ausgeglichen. Die besondere Bedeu-
- 6 -
tung des "Lichtenauer Hochlandes" ergebe sich insbesondere aus
dem sehr guten Erhaltungszustand der Pfeifengraswiesen. Die zu
ihrer Sicherung vorgesehene Grünbrücke sei nicht geeignet, die
ihr zugedachte Funktion zu erfüllen. Sie tauge nicht als Ver-
bindung, denn sie liege höher als die vorhandenen Wiesen und
nötige zu einem Umweg von zusätzlichen 200 m. Sie ändere
nichts daran, dass die Autobahn für den Ameisenbläuling ein
unüberwindliches Hindernis darstelle.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 aufzuhe-
ben,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, vor Beginn der
Durchführung des Vorhabens geeignete Maßnahmen zur Siche-
rung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Net-
zes "Natura 2000" vorzusehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus: Der Kläger sei mit seinem Vorbringen größten-
teils präkludiert. Auch in der Sache gingen seine Angriffe
fehl. Die Südtrasse habe ausgeschieden werden dürfen, da sie
auf die Verwirklichung eines anderen Projekts hinauslaufe.
Selbst wenn sie die Merkmale einer Alternativlösung erfüllen
würde, habe sie nicht erwogen werden müssen, weil sie unzumut-
bar sei. Sie durchschneide einen Bereich, der ebenfalls die
Qualität eines potentiellen FFH-Gebiets habe und der
EU-Kommission nachgemeldet werden solle. Sie beeinträchtige
ebenso wie die Wahllinie FFH-relevante Lebensraumtypen, näm-
lich Extensive Mähwiesen (Code Nr. 6510), Halb-Trockenrasen
auf Kalk (Code Nr. 6212) und Waldmeister-Buchenwald (Code
- 7 -
Nr. 9130), und unterbreche Funktionsbeziehungen, auf die ins-
besondere der Ameisenbläuling, aber auch der Raubwürger und
der Neuntöter angewiesen seien. Als Alternative ungeeignet sei
sie darüber hinaus deshalb, weil sie für die Ortsdurchfahrten
von Fürstenhagen und Walburg eine deutlich geringere Verkehrs-
entlastung ermöglichen würde und weil sie mit Baukosten von
rund 304 Mio. Euro erheblich teurer käme als die planfestge-
stellte Trasse, für die Kosten in Höhe von 252 Mio. Euro ver-
anschlagt worden seien. Die Durchführung des Straßenbauvorha-
bens liege schon deshalb im überwiegenden öffentlichen Inte-
resse, weil die geplante Maßnahme zu den Projekten "Deutsche
Einheit" gehöre und nach der Bedarfsplanung des Bundes der De-
ckung eines vordringlichen Bedarfs diene. Den Schutzzwecken
der FFH-Richtlinie werde hinreichend Rechnung getragen. Der
Kläger überbewerte die Bedeutung der Pfeifengraswiesen. Das
"Lichtenauer Hochland" sei als FFH-Gebiet gemeldet worden, um
den Biotopkomplex, durch den diese Mittelgebirgsregion gekenn-
zeichnet sei, zu schützen. Die Pfeifengraswiesen stellten le-
diglich den "feuchtnassen Flügel" der standörtlichen Bandbrei-
te dar. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, sie als funktio-
nell wichtigsten Bestandteil des Gesamtkomplexes hervorzuhe-
ben. Die Befürchtung des Klägers, die Pfeifengraswiesen würden
aufgrund der Wasserableitung innerhalb des Trassenbereichs und
der zusätzlichen Dränage der trassennahen Wiesen sowie der Ab-
senkung des Grundwasserspiegels trocken fallen, sei unzutref-
fend. Sie werde durch die im Rahmen der Planfeststellung
durchgeführten hydrologischen Untersuchungen widerlegt. Die
Grünbrücke diene ganz allgemein dem räumlichen Verbund der
feuchten Grünlandkomplexe nördlich und südlich der geplanten
Trasse. Ihre Funktion werde durch ihre Höhenlage nicht beein-
trächtigt. Die Verbindung zwischen den beiden durch die Trasse
getrennten Bereichen lasse sich durch eine Grünbrücke mit Mäh-
wiesencharkter auch für die Pfeifengraswiesen aufrechterhal-
ten. Denn der Ameisenbläuling komme nicht nur in den Pfeifen-
graswiesen vor, er nutze auch die strukturell und kleinklima-
- 8 -
tisch verwandten Pflanzengesellschaften der Umgebung, wie etwa
die Extensiven Mähwiesen. Im Übrigen würden die nachteiligen
Wirkungen der Autobahn durch die Erweiterung des FFH-Gebiets
"Lichtenauer Hochland" im Bereich des Hasenbergs ausgeglichen.
II.
A. Die Klage ist zulässig.
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1
Abs. 1 Nr. 5 VerkPB erstinstanzlich zuständig. Der Abschnitt,
der den Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbe-
schlusses bildet, ist Teil der Autobahnverbindung "A 4/A 44
zwischen der Landesgrenze Thüringen und der A 7 bei Kassel",
die durch Verordnung vom 28. November 2000 (BGBl I S. 1678)
unter der Nr. 22 in § 2 der Fernverkehrswegebestimmungsverord-
nung vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) aufgenommen wurde.
2. Der Kläger ist klagebefugt. Er ist ein anerkannter Natur-
schutzverein im Sinne des § 29 Abs. 2 BNatschG a.F. An dieser
Rechtsstellung hat sich durch das Bundesnaturschutzgesetz vom
25. März 2002 (BGBl I S. 1193) nichts geändert (vgl. § 69
Abs. 7 Satz 1 BNatschG n.F.). Nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 BNatschG
n.F. kann ein anerkannter Naturschutzverein, ohne in seinen
Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe gegen Planfeststel-
lungsbeschlüsse über Vorhaben einlegen, die mit Eingriffen in
Natur und Landschaft verbunden sind. Nach § 69 Abs. 5 Nr. 2
BNatschG n.F. gilt § 61 BNatschG n.F. auch für nach dem
1. Juli 2000 erlassene Verwaltungsakte, sofern diese noch
nicht bestandskräftig sind und im vorausgegangenen Verwal-
tungsverfahren eine Mitwirkung der von den Ländern anerkannten
Vereine gesetzlich vorgeschrieben war. Dies trifft hier zu.
Dem Kläger war in dem für das Planvorhaben eingeleiteten Plan-
feststellungsverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatschG a.F.
Gelegenheit zur Äußerung sowie zur Einsicht in die einschlägi-
- 9 -
gen Sachverständigengutachten zu geben. Ein Klagerecht eröff-
net § 61 Abs. 2 BNatschG n.F. freilich nur, wenn der Verein
geltend macht, dass der Erlass des von ihm angefochtenen Ver-
waltungsakts Rechtsvorschriften widerspricht, die zumindest
auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege
zu dienen bestimmt sind, und wenn der Verein sich im Planfest-
stellungsverfahren in der Sache geäußert hat oder ihm nicht in
der rechtlich gebotenen Weise Gelegenheit zur Äußerung gegeben
worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klage lediglich
in einem Einzelpunkt nicht.
Der Kläger hält dem Beklagten vor, den Anforderungen nicht ge-
recht geworden zu sein, die sich aus dem FFH-Recht ergeben.
Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BVerwG,
Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1
und vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302),
gehören die Regelungen der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie
der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL (ABl EG Nr. L 206
S. 7) zu den Rechtsvorschriften, die auch den Belangen des Na-
turschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind.
Art. 6 FFH-RL, dessen Verletzung der Kläger rügt, macht hier-
von keine Ausnahme. Das auf diese Vorschrift gestützte Klage-
vorbringen lässt sich nur in einem Randbereich als unbeacht-
lich qualifizieren. Der Auffassung des Beklagten, die vom Klä-
ger angesprochenen Fragenkomplexe könnten im Klageverfahren
durchweg schon deshalb keiner gerichtlichen Kontrolle mehr un-
terliegen, weil sie nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist des
§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zum Gegenstand von Einwendungen ge-
macht worden seien, ist nicht zu folgen. Ihr liegt die Vor-
stellung zu Grunde, dass die Präklusionsvorschrift des § 17
Abs. 4 Satz 1 FStrG auch auf anerkannte Naturschutzvereine an-
wendbar sei. Diese Ansicht war schon nach altem Recht fragwür-
dig; nach der neuen Rechtslage ist sie vollends nicht mehr
haltbar. Im Übrigen übersieht der Beklagte, dass der Kläger
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selbst bei Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG mit seinem
Hauptanliegen nicht präkludiert wäre. Denn die Grundlinien des
Klagevorbringens lassen sich bereits im Schreiben vom 10. Feb-
ruar 2000 nachzeichnen, das vor Ablauf der Einwendungsfrist
des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG bei der Anhörungsbehörde einge-
gangen ist. Darin bemängelt der Kläger, dass die Bedeutung
verschiedener im Untersuchungsgebiet vorhandener Biotope ver-
kannt worden sei, die Alternativenprüfung nicht die notwendige
Aufmerksamkeit gefunden habe und die Eignung der Grünbrücke
für die Sicherung des Fortbestandes der von der Planung be-
troffenen besonders empfindlichen Lebensraumtypen überschätzt
werde. Lediglich zum Absterben der Pfeifengraswiesen, zu dem
sich der Kläger im Klageverfahren ausführlich geäußert hat,
fehlen im Schreiben vom 10. Februar 2000 ebenso wie in der er-
gänzenden Stellungnahme vom 17. Juni 2000 jegliche Angaben.
Nur insoweit ist der Kläger nach § 61 Abs. 3 BNatSchG n.F.,
der seinem sachlichen Gehalt nach nichts anderes besagt als
§ 36 Abs. 1 Nr. 4 HeNatG, mit seinem nunmehrigen erstmaligen
Vorbringen ausgeschlossen.
B. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene
Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig und darf nicht
vollzogen werden. Er steht nicht in Einklang mit Art. 6 Abs. 3
und 4 FFH-RL. Der Beklagte hat nicht grundsätzlich verkannt,
dass diese Bestimmung für die von ihm getroffene Entscheidung
einen wesentlichen rechtlichen Maßstab bildet. Er hat den An-
forderungen, die sich aus dieser Regelung im Hinblick auf das
als FFH-Gebiet gemeldete "Lichtenauer Hochland" ergeben, indes
nicht hinreichend Rechnung getragen.
1. Der Senat hat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH
mehrfach entschieden, dass die FFH-Richtlinie schon jetzt für
die Planfeststellung bestimmte Vorwirkungen für den Mitglied-
staat entfaltet (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 -
a.a.O.; vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O. und vom
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27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140). Dazu
gehört insbesondere das aus dem Gemeinschaftsrecht folgende
Verbot, die Ziele der FFH-Richtlinie zu unterlaufen und voll-
endete Tatsachen zu schaffen, die geeignet sind, die Erfüllung
der vertraglichen Pflichten unmöglich zu machen. Wie der Senat
in Bezug auf die Beeinträchtigung sog. potentieller FFH-Ge-
biete durch Straßenbauvorhaben weiter entschieden hat, kann
diese Vorwirkung unterschiedliche Rechtspflichten auslösen.
Drängt es sich auf, dass ein potentielles FFH-Gebiet nach sei-
ner Meldung auch Aufnahme in die Gemeinschaftsliste (vgl.
Art. 4 Abs. 2 FFH-RL) finden wird, ist die Zulässigkeit eines
dieses Gebiet berührenden Straßenbauvorhabens an den Anforde-
rungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen (Urteil vom
27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O.). Kann dagegen die
Aufnahme in die Gemeinschaftsliste nicht hinreichend sicher
prognostiziert werden, hat es mit dem Verbot sein Bewenden,
das Gebiet so nachhaltig zu beeinträchtigen, dass es für eine
Meldung und Aufnahme in die Gemeinschaftsliste nicht mehr in
Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG
4 A 18.99 - a.a.O.). Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszu-
führen: Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht alles Erfor-
derliche unternommen, um der FFH-Richtlinie Geltung zu ver-
schaffen. Sie hat die Regelungen der Richtlinie zwar in inner-
staatliches Recht umgesetzt. Dass die Gemeinschaftsliste, die
nach den zeitlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL bis zum
10. Juni 1998 hätte vorliegen sollen, noch nicht hat erstellt
werden können, beruht aber nicht zuletzt darauf, dass sie die
Meldepflichten, die ihr nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL obliegen,
nicht zeitgerecht vollständig erfüllt hat (vgl. EuGH, Urteil
vom 11. September 2001 - C-71/99 - NuR 2002, 151). Wären die
Gebietsmeldungen richtliniengemäß bis zum 10. Juni 1995 abge-
schlossen worden, so hätte der fristgerechten Erarbeitung der
Kommissionsliste von deutscher Seite nichts im Wege gestanden.
Ohne den Gemeinschaftsrechtsverstoß wäre das vom Kläger be-
kämpfte Planvorhaben an den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 und 4
- 12 -
FFH-RL zu messen. Das ergibt sich aus Folgendem:
Das durch die Planung betroffene Gebiet des "Lichtenauer Hoch-
landes" schließt einen prioritären Lebensraumtyp ein (Kalk-
tuff-Quelle, *7220). Dass die Fläche, auf der sich die Quelle
befindet, anders als die übrigen Gebietsteile, bisher noch
nicht gemeldet worden ist, schließt ihre Berücksichtigung
nicht aus. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass
auch Gebiete, die nicht gemeldet worden sind, nach den im An-
hang III (Phase 1) genannten Kriterien aber hätten gemeldet
werden müssen, als potenzielle FFH-Gebiete zu qualifizieren
sind. Auch die Gebietsabgrenzung ist anhand der im Anhang III
(Phase 1) aufgeführten Merkmale vorzunehmen (vgl. BVerwG, Ur-
teil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.). Ge-
bietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen,
dürfen bei der Gebietsmeldung nicht ausgespart werden. Die
Fläche, die die Kalktuff-Quelle beherbergt, bildet mit den üb-
rigen Gebietsteilen des "Lichtenauer Hochlandes" eine räumli-
che Einheit. Ihre Nachmeldung ist nicht bloß möglich, sondern
rechtlich geboten. Denn über die ökologische Bedeutung der
Quelle herrscht kein Streit. Neben dem Erfordernis, dass die
sachlichen Kriterien des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL gegeben sind,
ist auch die weitere Voraussetzung erfüllt, dass die Aufnahme
des "Lichtenauer Hochlandes" in ein kohärentes Netz mit ande-
ren Gebieten sich aufdrängt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom
19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.).
Wäre die Kommission durch gemeinschaftskonformes Verhalten in
die Lage versetzt worden, die Gemeinschaftsliste innerhalb der
Frist des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL zu erstellen, so würde das
"Lichtenauer Hochland" nicht bloß die Merkmale eines poten-
ziellen FFH-Gebiets erfüllen, sondern die Qualität eines Ge-
biets von gemeinschaftlicher Bedeutung aufweisen. Das folgt
aus der im Anhang III (Phase 2 Nr. 1) zur FFH-Richtlinie ge-
troffenen Regelung. Danach werden alle von den Mitgliedstaaten
- 13 -
in Phase 1 ermittelten Gebiete, die prioritäre natürliche Le-
bensraumtypen bzw. Arten beherbergen, als Gebiete von gemein-
schaftlicher Bedeutung betrachtet. Anders als bei der Beurtei-
lung der Bedeutung der anderen in die Listen der Mitgliedstaa-
ten aufgenommenen Gebiete (vgl. hierzu Anhang III Phase 2
Nr. 2) gesteht die Richtlinie der Kommission insoweit keinen
Auswahlspielraum zu. Die Wertung, die dieser Regelung zugrunde
liegt, rechtfertigt es, Vorhaben in einem Gebiet, das wegen
des Vorhandenseins prioritärer Biotope oder Arten dem Automa-
tismus des Anhangs III Phase 2 Nr. 1 unterliegt, dem strengen
Regime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu unterwerfen (vgl.
BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.
und vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O.), während
es für Vorhaben in Gebieten ohne prioritäre Elemente mit dem
Beeinträchtigungsverbot sein Bewenden hat, dessen Wirkungen
der Senat im Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 -
(a.a.O.) näher beschrieben hat.
2. Der Beklagte stellt auf der Grundlage der Ergebnisse der
von ihm veranlassten Verträglichkeitsprüfung nicht in Abrede,
dass die nach seiner eigenen Einschätzung schützenswerten
Gebietsteile des "Lichtenauer Hochlandes" durch das Planvorha-
ben erheblich beeinträchtigt werden. Für den Fall einer erheb-
lichen Beeinträchtigung richtet das FFH-Recht eine Zulassungs-
schranke auf, die ausschließlich unter den in Art. 6 Abs. 4
FFH-RL bezeichneten Ausnahmevoraussetzungen überwindbar ist.
Fällt das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung negativ aus, so
darf das Projekt nur unter dem Vorbehalt verwirklicht werden,
dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interes-
ses dies rechtfertigen. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL stellt allerdings
klar, dass für eine solche Interessenabwägung erst Raum ist,
wenn feststeht, dass eine Alternativlösung nicht vorhanden
ist. In dieser Systematik kommt zum Ausdruck, dass die Gewäh-
rung einer Ausnahme als letztes Mittel in Betracht kommt und
zu unterbleiben hat, wenn sich die mit dem Vorhaben verbunde-
- 14 -
nen nachteiligen Wirkungen vermeiden lassen. Ist eine Alterna-
tivlösung vorhanden, so hat der Gebietsschutz nach der Konzep-
tion der FFH-Richtlinie Vorrang.
Der Beklagte ist den Erfordernissen, die sich aus der Pflicht
zur Alternativenprüfung ergeben, nicht in der FFH-rechtlich
gebotenen Weise gerecht geworden. Unzutreffend ist seine An-
nahme, die von ihm bisher verworfene Südtrasse sei keine Al-
ternative im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, sondern ein ande-
res Projekt, weil sich die mit dem Straßenbauvorhaben verfolg-
ten Ziele mit ihr nicht erreichen ließen (dazu 3.). Aber auch
die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vorsorglich
angestellte Alternativenbetrachtung hält einer rechtlichen
Prüfung nicht Stand (dazu 4.).
3. Der Bau der A 44 dient nach den Angaben des Beklagten nicht
nur dem Zweck, eine Lücke im Autobahnnetz im Zuge der Achse
Kanalhäfen - Ruhrgebiet - Kassel - Eisenach - Dresden -
Görlitz - Polen zu schließen (vgl. PFB S. 156 ff.). Ein weite-
res Anliegen ist es insbesondere in dem vom Planvorhaben be-
troffenen Raum, das vorhandene Straßennetz und die Ortslagen
verkehrlich zu entlasten (vgl. PFB S. 166 ff.). Im Wege der
Optimierung der Vorgaben des Bedarfsplans für die Bundesfern-
straßen, der den Bau einer Autobahn zwischen der A 7 bei Kas-
sel und der A 4 bei Eisenach und außerdem im Bereich von
Hessisch Lichtenau die Schaffung von Ortsumgehungen vorsieht,
wird die planfestgestellte Wahllinie nicht nur der Magistra-
lenfunktion einer überregionalen Verkehrsverbindung gerecht.
Sie erfüllt mit den vorgesehenen Anbindungsmöglichkeiten
gleichzeitig auch die Aufgabe, zu einer Entspannung der klein-
räumlichen Verkehrssituation beizutragen. Der Beklagte stellt
nicht in Abrede, dass die Gesamtverkehrsnetzkonzeption, in die
sich die A 44 einfügt, nicht beeinträchtigt wird, wenn die
Trasse nicht im Norden, sondern im Süden an Hessisch Lichtenau
vorbeigeführt wird. Nach seiner Ansicht verfehlt eine Südum-
- 15 -
fahrung indes das weitere Ziel, die regionalen Verkehrsproble-
me zu lösen, so dass es sich gemessen an dem Verkehrskonzept
nicht mehr um eine "Alternative" handle. Dem vermag der Senat
nicht zu folgen.
Zu Unrecht hält es der Kläger allerdings für eine sachfremde
Erwägung, bei der Trassierung einer Autobahn, die definitions-
gemäß einem weiträumigen Verkehr zu dienen bestimmt ist, ört-
lichen Interessen Rechnung zu tragen. Richtig ist lediglich,
dass eine Autobahn nach der vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 1
FStrG getroffenen Grundentscheidung grundsätzlich nur gebaut
werden darf, wenn für sie ein überörtlicher Verkehrsbedarf be-
steht. Das bedeutet aber nicht, dass der Vorhabenträger sich
bei der konkreten Trassierung ausschließlich von dem Gedanken
leiten lassen darf, den Anforderungen gerecht zu werden, die
an eine Fernverkehrsverbindung zu stellen sind. Eine Bündelung
mit anderen Zielen ist nicht von vornherein ausgeschlossen.
Das Planungsinstrumentarium, das der Gesetzgeber im Bundes-
fernstraßengesetz zur Verfügung stellt, darf auch zur Errei-
chung von Zielen nutzbar gemacht werden, die über bloße Be-
darfsdeckungsmaßnahmen hinausgehen. Nach der Rechtsprechung
des Senats begegnet es daher keinen rechtlichen Bedenken, wenn
der Verkehrswegebau als Mittel eingesetzt wird, um regionale
Zentren an das weiträumige Straßennetz anzuschließen oder die
wirtschaftliche Entwicklung in bisher unzureichend erschlosse-
nen Räumen zu fördern (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 1985
- BVerwG 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15, vom 24. November 1989
- BVerwG 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 und vom 26. März 1998
- BVerwG 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137). Als
ebenfalls zulässig hat der Senat es angesehen, bei der Tras-
senwahl maßgeblich darauf abzustellen, dass lokale Verkehrs-
ströme umgelenkt werden und dadurch das nachgeordnete
- 16 -
Straßennetz entlastet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai
1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.).
Genau diese Wirkung möchte der Beklagte im Raum Hessisch
Lichtenau erzielen. Nach seinen Angaben lässt sich dieses Ziel
mit der Nordvariante weit wirkungsvoller erreichen als mit der
Südvariante. Die Wahllinie bietet in der Tat in höherem Maße
die Gewähr dafür, dass der Durchgangsverkehr abgezogen wird,
durch den die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen und von
Walburg belastet werden. Wird die Autobahn nach den Vorgaben
des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gebaut, so ver-
mindern sich die Verkehrsmengen, die nach neueren Verkehrsun-
tersuchungen im Prognose-Null-Fall 2015 mit 18 800 Kfz/24 h in
Fürstenhagen und mit 18 200 Kfz/24 h in Walburg zu Buche
schlagen würden, auf 1 400 Kfz/24 h in Fürstenhagen und
1 700 Kfz/24 h in Walburg. Das entspricht einem Entlastungs-
grad von 92,6 bzw. 90,6 %. Für die Südtrasse fällt die Bilanz
deutlich schlechter aus. Der Durchgangsverkehr bleibt mit
8 200 Kfz/24 h in Fürstenhagen und 5 200 Kfz/24 h in Walburg
weiterhin ein nicht zu vernachlässigender Faktor.
Von einer Zweckverfehlung kann insoweit gleichwohl keine Rede
sein. Die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen und Walburg würden
auch im Falle einer Südumgehung spürbar entlastet werden. Ist
die Südtrasse geeignet, ihrerseits solche erheblichen Entlas-
tungswirkungen zu erzeugen, so stellt sie sich auch von dieser
Zielrichtung her als bloße Alternative des vom Beklagten ge-
planten Projekts dar. Dass sich mit ihr der Zweck der örtli-
chen Verkehrsentlastung im Vergleich mit der Wahllinie nur
suboptimal verwirklichen lässt, rechtfertigt es nicht, ihr den
Stempel eines anderen Projekts aufzudrücken. Bleibt das
Ziel(-Bündel) als solches erreichbar, so sind Abstriche am
Grad der Zielvollkommenheit als typische Folge des Gebots, Al-
ternativen zu nutzen, hinnehmbar. Wäre das Tatbestandsmerkmal
der Alternativlösung schon dann nicht erfüllt, wenn sich das
- 17 -
Ziel(-Bündel) nicht in genau der gleichen Weise wie vom Vorha-
benträger geplant erreichen ließe, so liefe insoweit Art. 6
Abs. 4 FFH-RL weitgehend leer.
4. Der Beklagte hat die Südumfahrung nicht bloß mit der Be-
gründung ausgeschlossen, sie mache die Verwirklichung des Pla-
nungsziels unmöglich (vgl. PFB S. 313). Er hat die Südtrasse
auch mit dem Argument verworfen, "bezüglich des Zieles 'Siche-
rung des Zusammenhangs des Netzes Natura 2000'" sei südlich
von Hessisch Lichtenau jedenfalls "eine günstigere Alternative
... nicht gegeben" (vgl. PFB S. 328). Dies lässt darauf
schließen, dass er sich der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gebote-
nen Alternativenbetrachtung nicht grundsätzlich entzogen hat.
Die von ihm in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen
reichen indes nicht aus, um der getroffenen Planungsentschei-
dung eine tragfähige Grundlage zu verschaffen.
a) Der Beklagte nimmt mehr oder weniger pauschal Bezug auf das
Ergebnis der im Rahmen der fachplanerischen Abwägung nach § 17
Abs. 1 Satz 2 FStrG vorgenommenen Alternativenprüfung (vgl.
PFB S. 328). Mit dieser Vorgehensweise wird er jedoch schon
vom Ansatz her der Bedeutung nicht gerecht, die der Alternati-
venproblematik in der FFH-rechtlichen Verträglichkeitsprüfung
zukommt. Die Alternativenprüfung, die Art. 6 Abs. 4 FFH-RL
vorschreibt, erfüllt eine andere Funktion als die Alternati-
venprüfung, die sich im deutschen Planungsrecht herkömmlicher-
weise nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen
richtet. Lässt sich das Planungsziel an einem nach dem Schutz-
konzept der FFH-Richtlinie günstigeren Standort oder mit ge-
ringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Pro-
jektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgend-
wie gearteter Gestaltungsspielraum wird ihm nicht eingeräumt.
Schon aufgrund seines Ausnahmecharakters begründet Art. 6
Abs. 4 FFH-RL ein strikt beachtliches Vermeidungsgebot, das zu
Lasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL fest-
- 18 -
gelegten kohärenten Systems nicht bereits durchbrochen werden
darf, wenn dies nach dem Muster der Abwägungsregeln des deut-
schen Planungsrechts vertretbar erscheint (vgl. hierzu BVerwG,
Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.), son-
dern nur beiseite geschoben werden darf, soweit dies mit der
Konzeption größtmöglicher Schonung der durch die FFH-RL ge-
schützten Rechtsgüter vereinbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom
27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O.).
b) Der Beklagte hat möglicherweise deshalb von einer den An-
forderungen des FFH-Rechts genügenden Alternativenprüfung ab-
gesehen, weil er davon ausgegangen ist, dass "bei allen Südva-
rianten ebenfalls ein FFH-Gebiet erheblich betroffen" wäre
(vgl. PFB S. 328). Diese Feststellung entspricht indes nicht
den Tatsachen. Aufgrund der Ermittlungen des Senats steht
fest, dass sich südlich von Hessisch Lichtenau eine Trassenva-
riante verwirklichen lässt, bei der keines der beiden im Zeit-
punkt der Planungsentscheidung gemeldeten FFH-Gebiete
"Reichenbacher Kalkberge" und "Weißbachtal bei Reichenbach" in
Anspruch genommen werden muss. Trotz dieser Erkenntnis stellt
sich die Frage, ob es sich bei dieser Variante um eine Alter-
nativlösung im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL handelt, nach
Ansicht des Beklagten deshalb nicht, weil die Trasse durch ei-
nen Landschaftsraum führe, der seinerseits ebenso wie die
"Reichenbacher Kalkberge" und das "Weißbachtal bei Reichen-
bach" die Merkmale eines FFH-Gebiets aufweise. Eine Meldung
dieses Gebiets sei bisher zwar nicht erwogen worden, erscheine
aber auf der Grundlage der Ergebnisse der inzwischen veran-
lassten Untersuchungen, gemessen an den im Anhang III (Pha-
se 1) zur FFH-Richtlinie genannten Auswahlkriterien, unumgäng-
lich. Die nunmehr entstandene Pattsituation, die dadurch ge-
kennzeichnet sei, dass sich die Erhaltungsziele in dem einen
FFH-Gebiet nur um den Preis der Aufopferung von Erhaltungszie-
len in dem anderen FFH-Gebiet wahren lassen, verbiete es - so
die Einschätzung des Beklagten -, die eine oder die andere Lö-
- 19 -
sung als vorzugswürdige Alternative anzusehen.
Diese Betrachtungsweise vermag der Senat so nicht zu teilen.
Sie ist zu undifferenziert, um dem normativen Zusammenhang
Rechnung zu tragen, in dem die FFH-rechtliche Alternativenre-
gelung steht. Fällt die nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL gebotene
Verträglichkeitsprüfung negativ aus, so ist das Vorhaben
grundsätzlich unzulässig. Die Alternativenprüfung fügt sich in
diesen Verbotstatbestand ein. Ist eine Alternativlösung vor-
handen, so setzt sich die Sperrwirkung durch. Diesem Rege-
lungsmuster entspricht es, bei der Alternativenprüfung spie-
gelbildlich vorzugehen und vorrangig zu fragen, ob dem Vorha-
ben auch am Alternativstandort rechtliche Hindernisse im Wege
stehen. Lässt sich das Projekt im Einklang mit den rechtlichen
Vorgaben anderswo verwirklichen, so hat der Vorhabenträger
nach der Konzeption des FFH-Rechts diese Möglichkeit grund-
sätzlich zu nutzen. Dagegen braucht er sich auf eine technisch
machbare Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich
das Vorhaben auch am Alternativstandort nur unter Verstoß ge-
gen eine Verbotsregelung ausführen ließe. Als insoweit rele-
vante Zulassungssperre kann sich auch Art. 6 FFH-RL erweisen.
Erforderlich ist jedoch, dass diese Vorschrift am Alternativ-
standort eine gleich wirksame rechtliche Hürde wie an dem vom
Vorhabenträger gewählten Standort aufrichtet. Nach der Syste-
matik der FFH-Richtlinie kann, aber muss dies nicht der Fall
sein. Es kann nicht, wie es dem Beklagten vorschwebt, das Be-
einträchtigungspotential in dem einen und dem anderen FFH-
Gebiet unbesehen gleichgesetzt werden. Bei einem Vergleich ist
den Leitgedanken der FFH-Richtlinie Rechnung zu tragen. Art. 6
FFH-RL enthält Differenzierungsmerkmale, die sich als Gradmes-
ser dafür verwenden lassen, wie schwer die Beeinträchtigung im
Einzelfall wiegt. Die Vorschrift gewährleistet keinen allum-
fassenden Flächenschutz. Sie richtet vielmehr ein schutzgutbe-
zogenes Regime auf. Ein Verbot sieht sie nur für den Fall vor,
dass die in den Anhängen I und II aufgeführten schützenswerten
- 20 -
Lebensraumtypen und Tierarten erheblich beeinträchtigt werden.
Die Beeinträchtigung sonstiger Gebietsteile bewertet sie, für
sich genommen, als irrelevant. Soweit es um die Zulassung von
Ausnahmen geht, unterscheidet sie zwischen prioritären und
nicht prioritären Biotopen und Arten. Die insoweit getroffene
Regelung lässt den Schluss zu, dass sie prioritäre Elemente
als schutzbedürftiger einstuft als nicht prioritäre. Innerhalb
der Gruppen von prioritären oder nicht prioritären Lebensraum-
typen oder Arten legt sie hingegen weder qualitativ noch quan-
titativ ein Rangverhältnis fest. Die Feindifferenzierungskri-
terien, die bei den Eintragungen in das von der Kommission
nach Art. 4 Abs. 1 Satz 6 FFH-RL ausgearbeitete Meldeformular
bei der Gebietsmeldung zu beachten sind, haben entgegen der
Auffassung des Klägers im Anwendungsbereich des Art. 6 FFH-RL
bei dem im Rahmen der Alternativenprüfung gebotenen Trassen-
vergleich außer Betracht zu bleiben. Von entscheidender Bedeu-
tung ist vielmehr, ob am Alternativstandort eine Linienführung
möglich ist, bei der keine der als Lebensraumtypen oder Habi-
tate besonders schutzwürdigen Flächen erheblich beeinträchtigt
werden oder jedenfalls prioritäre Biotope und Arten verschont
bleiben.
c) Gemessen an diesen Kriterien spricht nach dem gegenwärtigem
Verfahrensstand manches dafür, dass die Südumfahrung bei einem
Vergleich mit der Wahllinie unter FFH-Gesichtspunkten den Vor-
zug verdienen könnte.
Die planfestgestellte Trasse durchschneidet, wenn auch in
Tieflage, den Biotopkomplex, den das Land Hessen zum Anlass
für eine Gebietsmeldung nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL genommen
hat, mehr oder weniger mittig. Betroffen ist vor allem der Le-
bensraumtyp 6510 (Extensive Mähwiesen), um den sich die übri-
gen schützenswerten Biotoptypen unter Einschluss der vom Klä-
ger besonders hervorgehobenen Pfeifengraswiesen wie ein Kranz
legen. Die Trasse kommt einem Einbruch in ein in sich ge-
- 21 -
schlossenes Biotopsystem gleich. Im Süden von Hessisch
Lichtenau stellt sich auf der Grundlage der dem Senat zur Ver-
fügung gestellten Unterlagen die Situation insoweit anders
dar. Das vom Beklagten vorgelegte Kartenmaterial lässt, was
die ökologische Ausstattung angeht, zwei Vorkommensschwerpunk-
te erkennen. Der eine befindet sich auf dem Gelände des Trup-
penübungsplatzes; der zweite deckt sich weitgehend mit den Ge-
bieten, die unter der Bezeichnung "Reichenbacher Kalkberge"
und "Weissbachtal bei Reichenbach" bereits zum Gegenstand ei-
ner Gebietsmeldung gemacht worden sind. Für die Südtrasse
lässt sich der Korridor nutzen, der zwischen diesen beiden Bi-
otopkomplexen vorhanden ist. Der Beklagte weist freilich dar-
auf hin, dass auch dieser Bereich durch Einsprengsel von FFH-
relevanten Lebensraumtypen gekennzeichnet wird. Er hält zwar
nicht mehr an seiner ursprünglichen Behauptung fest, dass im
Falle einer Südumfahrung Extensive Mähwiesen nachteilig be-
troffen werden. Ein Beeinträchtigungspotential birgt die Süd-
variante nach seiner Einschätzung aber deshalb, weil zwei
Kalktrockenrasenflächen (Code 6212) angeschnitten und ein
Waldmeister-Buchenwaldbestand (Code 9130) in Anspruch genommen
werden. Der Kläger verwahrt sich gegen diese Darstellung mit
dem Einwand, die genannten Biotope erfüllten die nach Anla-
ge III (Phase 1) maßgeblichen Merkmale überhaupt nicht oder
weit kleinflächiger als der Beklagte behaupte. Dahinstehen
kann, ob diese Kritik berechtigt ist. Schon aus den kartogra-
fischen Unterlagen des Beklagten ergibt sich, dass jedenfalls
der Waldmeister-Buchenwald nicht nennenswert beeinträchtigt
wird. Soweit der Waldbestand im Trassenbereich liegt, handelt
es sich um eine Tunnelstrecke, deren westliches Ende mit der
Gebietsgrenze nahezu zusammenfällt. Unstreitig ist, dass sich
das Tierarteninventar im Norden und im Süden von Hessisch
Lichtenau nicht wesentlich voneinander unterscheidet. Soweit
der Beklagte die Auffassung vertritt, dass durch eine Südum-
fahrung Austauschbeziehungen in ähnlicher Weise wie im Bereich
des "Lichtenauer Hochlandes" unterbrochen werden könnten,
- 22 -
tritt der Kläger ihm allerdings mit der Bemerkung entgegen,
dass sich die Habitate des Schwarzblauen Ameisenbläulings, des
Neuntöters und des Raubwürgers eindeutig auf den Landschafts-
raum südlich der Trassenvariante konzentrierten.
Nach der derzeitigen Datenlage kommt mithin die Südtrasse un-
ter FFH-Gesichtspunkten als schonendere Lösung ernstlich in
Betracht. Von einer echten Beeinträchtigung kann nur beim
Kalktrockenrasen die Rede sein, der im Mittelabschnitt anzu-
treffen ist. Die schützenswerte Fläche hat jedoch Inselcharak-
ter. Sie weist keinerlei Verbundfunktion auf. Sie ist keinem
der Biotopkomplexe zuzurechnen, die den "Reichenbacher Kalk-
bergen" sowie dem "Weissbachtal bei Reichenbach" im Süden und
dem Truppenübungsplatz im Norden ihr Gepräge geben. Beim ge-
genwärtigen Erkenntnisstand dürfte sie im ökologischen Gesamt-
gefüge unter dem Blickwinkel der mit der FFH-Richtlinie er-
strebten Vernetzung keinen unverzichtbaren Baustein darstel-
len.
d) Eine abschließende Bilanz lässt sich gleichwohl nicht zie-
hen. Erst das anhängige Verfahren hat den Anstoß dazu gegeben,
im Einzelnen der Frage nachzugehen, wie der Landschaftsraum,
der für eine Alternativlösung in Betracht kommt, unter FFH-Ge-
sichtspunkten einzustufen und im Vergleich mit dem
"Lichtenauer Hochland" zu bewerten ist. Der Beklagte hat sich
zwar aufgrund der bisherigen Nachforschungen davon überzeugt,
dass das Gebiet meldewürdig ist, er hat sich aber in der Zeit-
spanne seit dem Aufklärungsbeschluss des Senats vom 18. Dezem-
ber 2001 ein zuverlässiges Bild vom Ausstattungspotential
nicht verschaffen können. Die von ihm aufgenommenen Untersu-
chungen sind noch nicht abgeschlossen.
Der Senat sieht keinen Anlass, das Ende dieser Ermittlungen
abzuwarten oder selbst aufzuklären, wie es um die ökologische
Qualität des Raums südlich von Hessisch Lichtenau im Einzelnen
- 23 -
bestellt ist. Fest steht, dass die im Planfeststellungsbe-
schluss vom 5. April 2001 in Abrede gestellte Möglichkeit ei-
ner Alternativlösung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die
vom Beklagten getroffene Planungsentscheidung weist in diesem
Punkt ein Defizit auf, das auszuräumen nicht Aufgabe des Ge-
richts sein kann. Die Frage, ob ein FFH-Gebiet in seiner Wer-
tigkeit einem anderen vergleichbar ist oder nicht, ist ebenso
wie die Frage, ob ein Gebiet überhaupt FFH-würdig ist, anhand
der hierfür maßgeblichen ökologischen Kriterien der FFH-Richt-
linie zu beantworten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Janu-
ar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Eine fachliche Bewertung, die den Anforderungen der Richtlinie
standhält, steht aus. Dem Beklagten ist es jedenfalls nicht
gelungen, den Mangel, der dem Planfeststellungsbeschluss vom
5. April 2001 anhaftet, im anhängigen Verfahren zu beheben.
e) Der dargelegte Mangel bei der Alternativenprüfung ist nicht
deshalb ohne rechtliche Bedeutung, weil der Beklagte die Süd-
trasse aus anderen, naturschutzexternen Gründen als Projektva-
riante hätte verwerfen dürfen. Auch insoweit genügen die vom
Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Erwägungen
nicht, um den Planfeststellungsbeschluss als im Ergebnis rich-
tig anzusehen.
Richtig ist freilich, dass ein Vorhabenträger auch aus Erwä-
gungen, die sich nicht unmittelbar auf das FFH-Recht zurück-
führen lassen, von einer technisch an sich möglichen und
rechtlich zulässigen Alternativlösung Abstand nehmen darf. Ob-
wohl dies im Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nicht zum Aus-
druck kommt, versteht sich vor dem Hintergrund des in Art. 5
Abs. 3 EGV gemeinschaftsrechtlich verankerten Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit von selbst, dass auch im Anwendungsbereich
dieser Norm niemandem unverhältnismäßige Opfer abverlangt wer-
den dürfen. Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH frei-
lich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, Urteile vom
- 24 -
27. Juni 1990 - C-118/89 - Slg. 1990, I-2653 Rn. 12 und vom
21. Januar 1992 - C-319/90 - Slg. 1992, I-214 Rn. 12). Die dem
Vorhabenträger durch die Alternativenregelung angesonnenen
Vermeidungsanstrengungen übersteigen das zumutbare Maß nur
dann, wenn sie außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu
dem mit ihnen erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.
Wie der Senat im Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C
2.99 - (a.a.O.) dargelegt hat, können in diesem Zusammenhang
auch finanzielle Erwägungen den Ausschlag geben. Ob Kosten o-
der sonstige Belastungen und Nachteile außer Verhältnis zu dem
nach Art. 6 FFH-RL festgelegten Schutzregime stehen, ist am
Gewicht der beeinträchtigten gemeinschaftlichen Schutzgüter zu
messen. Richtschnur hierfür sind die Schwere der Gebietsbeein-
trächtigung, Anzahl und Bedeutung etwa betroffener Lebensraum-
typen oder Arten sowie der Grad der Unvereinbarkeit mit den
Erhaltungszielen.
Gemessen an diesen Anforderungen kann sich der Beklagte nach
dem derzeitigen Erkenntnisstand der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL
gebotenen Alternativenprüfung weder mit dem Argument der ge-
ringeren Entlastungswirkung der Südumfahrung noch mit Kosten-
erwägungen entziehen.
ea) Mit der Verlagerung von innerörtlichem Verkehr auf die Au-
tobahn verfolgt er das Ziel, in den vom Durchgangsverkehr be-
sonders betroffenen Ortschaften das Immissionsniveau zu sen-
ken. Nicht jede Verbesserung der Immissionsverhältnisse recht-
fertigt es indes, das Verbotsregime des Art. 6 FFH-RL beiseite
zu schieben. Insbesondere kann von unzumutbaren Opfern keine
Rede sein, wenn die durch Verkehrsimmissionen verursachten Be-
lastungen in gemindertem Umfang in den Grenzen fortbestehen,
die nach den Wertungen des innerstaatlichen Rechts grundsätz-
lich hinzunehmen sind. Der Beklagte stellt nicht in Abrede,
dass auch die Südvariante dazu führt, die Verkehrsbelastung in
Fürstenhagen und in Walburg auf 8 200 bzw. 5 200 Kfz/24 h zu
- 25 -
vermindern. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Lärm-
werte, die diesen Verkehrsmengen entsprechen, die in § 2
Abs. 1 der 16. BImSchV genannten Grenzwerte übersteigen. Die-
ser Umstand allein lässt sich aber noch nicht als Indiz für
eine nicht hinnehmbare Lärmbeeinträchtigung werten. Die
16. BImSchV scheidet insoweit als rechtlicher Maßstab aus. Ihr
§ 1 Abs. 1 stellt klar, dass sie nur für den Bau oder die we-
sentliche Änderung von öffentlichen Straßen gilt. Auf beste-
hende Straßen (hier: die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen und
von Walburg) ist sie nicht anwendbar. Für sonstige Immissionen
gilt Entsprechendes. Schutzvorkehrungen kommen nur nach Maßga-
be des § 74 Abs. 2 Satz 2 und des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in
Betracht. Eine allgemeine normative Regelung des Inhalts, dass
unter bestimmten Voraussetzungen Sanierungsmaßnahmen zu er-
greifen sind, ist dem deutschen Verkehrswegerecht fremd (vgl.
BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 C 26.93 -
BVerwGE 97, 367). Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass
eine Verkehrsmenge von 8 200 bzw. 5 200 Kfz/24 h einer Gesund-
heitsgefährdung gleich- oder nahe kommt oder aus sonstigen
Gründen so schwerwiegt, dass eine Abhilfe rechtlich unumgäng-
lich erscheinen könnte. Sind Immissionen in der Größenordnung,
die im Falle einer Südumfahrung zu erwarten wären, nach der
deutschen Rechtsordnung an "Altstraßen" grundsätzlich zumut-
bar, sind sie für sich allein genommen nicht geeignet, eine
Alternativlösung im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als unver-
hältnismäßig hohen Preis für die Erhaltung schützenswerter Le-
bensraumtypen zu qualifizieren. Das schließt freilich nicht
aus, bei der Frage, ob eine Variante zu unverhältnismäßigen
Opfern führen würde, den Gesichtspunkt der durch die planfest-
gestellte Lösung bewirkten spürbaren Verminderung von an sich
rechtlich hinzunehmenden Immissionen zusammen mit den anderen
für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Gesichtspunk-
ten im Sinne einer Gesamtbilanz mit zu berücksichtigen. Dies
bedarf hier keiner weiteren Vertiefung.
- 26 -
eb) Das Kostenargument rechtfertigt ebenfalls nicht zwangsläu-
fig die Schlüsse, die der Beklagte aus ihm zieht, und zwar we-
der für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gesichts-
punkt, dass die Nordtrasse eine stärkere Entlastung von Ver-
kehrslärm zur Folge hat als eine Südtrasse. Daran ändert auch
der Hinweis nichts, dass sich eine Alternativlösung nicht zu-
letzt aus Kostengründen als unverhältnismäßiges Mittel erwei-
sen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C
2.99 - a.a.O.). Der Beklagte spricht von Mehrkosten in einem
Umfang von 50 Mio. Euro. Er bringt aber selbst zum Ausdruck,
dass dieser Betrag nicht unbedingt das letzte Wort sein muss,
sondern einer Korrektur zugänglich ist, falls eine Detailbe-
rechnung bessere Erkenntnisse zu Tage fördert. Der Kläger mel-
det unter Berufung auf ein eigenes Rechenwerk erhebliche Zwei-
fel an der Aussagekraft der vom Beklagten gemachten Zahlenan-
gaben an. Dahinstehen kann, ob seine Einwände in allen Punkten
stichhaltig sind. Ins Auge fällt freilich, dass nach der Dar-
stellung im Planfeststellungsbeschluss (S. 106) die Südum-
fahrung (Variante 4) im Vergleich mit der Wahllinie (Varian-
te 2) als "geringfügig billiger" bezeichnet wird. Worauf es
beruht, dass sie trotz dieser Angabe erheblich teurer kommen
soll, legt der Beklagte nicht dar.
Ob ein zusätzlicher Kostenaufwand als unverhältnismäßig zu
qualifizieren ist, ist von den Schutzgütern der FFH-Richtlinie
her zu bestimmen, also danach, ob die Kosten außer Verhältnis
zu dem mit Art. 6 Abs. 4 FFH-RL verfolgten Zweck stehen. Je
größeren Gewinn eine Alternativlösung für die Wahrung der Er-
haltungsziele verspricht, desto umfassendere Vermeidungsan-
strengungen auch unter Einschluss finanzieller Mittel hat der
Vorhabenträger zu unternehmen. Eine abschließende Beurteilung
ist dem Senat indes auch in diesem Punkt verwehrt, weil weder
feststeht, ob und ggf. welche Mehrkosten tatsächlich entstün-
den, noch abschätzen lässt, wie intensiv FFH-relevante Schutz-
güter beeinträchtigt werden, wenn der Beklagte sich entschlie-
- 27 -
ßen würde, das Planvorhaben nicht, wie beabsichtigt, im Nor-
den, sondern im Süden von Hessisch Lichtenau auszuführen.
5. Der Fehler, der dem Beklagten bei der Behandlung der Alter-
nativenfrage unterlaufen ist, nötigt nicht zur Aufhebung der
angefochtenen Planungsentscheidung. Es kann damit sein Bewen-
den haben, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 5. April
2001 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt wird.
Der Senat lässt sich hierbei von den Erwägungen leiten, die
ihn auch im Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 -
(a.a.O.) veranlasst haben, von einer Aufhebung abzusehen. Zwar
gehört Art. 6 Abs. 4 FFH-RL samt dem Tatbestandsmerkmal der
Alternativlösung ebenso wie § 8 Abs. 3 BNatschG a.F., der sei-
nerzeit den rechtlichen Maßstab bildete, dem strikten Recht
an. Der Gesetzgeber hat aber in § 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG ei-
ne spezifische Fehlerfolgenregelung für fernstraßenrechtliche
Planungsentscheidungen getroffen, die es rechtfertigt, diese
Vorschrift auch auf Fehler zu erstrecken, die darauf beruhen,
dass die planende Behörde Schranken nicht beachtet hat, die
- wie dies auch hier der Fall ist - "bei der Abwägung" nicht
überwindbar sind. Der Fehler, an dem der angefochtene Plan-
feststellungsbeschluss leidet, ist nicht von solcher Art und
Schwere, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage
gestellt erscheint (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. März
1996 - BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370). Es lässt sich
nicht ausschließen, dass er im Sinne des § 17 Abs. 6 c Satz 2
FStrG in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann. Im
Zuge eines solchen ergänzenden Verfahrens hätte der Beklagte
zunächst die oben unter Abschnitt 4 d) dargestellten natur-
schutzfachlichen Ermittlungen und die darauf fußende verglei-
chende Bewertung der beiden potentiellen FFH-Gebiete durchzu-
führen. Sollte unter diesem Gesichtspunkt die Südtrasse als
Alternative in Betracht kommen, wäre weiter zu prüfen, ob
- ggf. auch bislang noch nicht erörterte - gewichtige natur-
- 28 -
schutzexterne Gründe der Annahme entgegenstehen, dass die Süd-
umfahrung von Hessisch Lichtenau gegenüber der gewählten Nord-
umfahrung eine vorrangige Alternative im Sinne von Art. 6
Abs. 4 FFH-RL ist.
6. Auch wenn es in dieser prozessualen Situation für die Ent-
scheidung weder von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob zwin-
gende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses das
Planvorhaben rechtfertigen, noch darauf ankommt, ob den Anfor-
derungen des Ausgleichsgebots genügt ist, hält der Senat ange-
sichts der Befugnis des Beklagten, ein ergänzendes Verfahren
durchzuführen sowie mit Blick auf das umfangreiche Vorbringen
der Beteiligten zu diesen Fragenkomplexen folgende ergänzende
Ausführungen für geboten:
a) Der Beklagte sieht als zwingenden Ausnahmegrund bereits den
Umstand an, dass die A 44 im Bedarfsplan für die Bundesfern-
straßen als vordringlicher Bedarf dargestellt ist. Außerdem
weist er darauf hin, dass ein Verkehrsprojekt "Deutsche Ein-
heit" verwirklicht, eine Lücke in der europäischen Fernstra-
ßenverbindung Kanalhäfen - Ruhrgebiet - Kassel – Eisenach -
Dresden - Görlitz - Polen geschlossen und Kapazitätsengpässe
im Zuge der B 7, B 27 und B 400 abgebaut werden sollen (vgl.
PFB S. 328 unter Hinweis auf S. 141 ff. und S. 156 ff.). Die
Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan rechtfertigt nicht
die Schlüsse, die der Beklagte zieht. Ob das öffentliche Inte-
resse, das für ein Projekt ins Feld geführt wird, im Sinne des
Art. 6 Abs. 4 FFH-RL "überwiegt", kann nur das Ergebnis einer
Bewertung mit dem Integritätsinteresse sein, dessen Wahrung
die FFH-RL dient. Fehlt eine solche Entscheidung, so kann
Art. 6 Abs. 4 FFH-RL schon aus diesem Grunde tatbestandlich
nicht erfüllt sein. Es deutet, auch nach dem Vorbringen des
Beklagten, nichts darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber bei
der Aufnahme der A 44 in den Bedarfsplan die Regelungen der
FFH-Richtlinie in seine Erwägungen mit einbezogen haben könn-
- 29 -
te. Überprüfungsbedürftig ist auch, ob das prognostizierte
Verkehrsaufkommen im Planungsraum ohne weiteres einen Auto-
bahnbau rechtfertigt, der den strengen Ausnahmevoraussetzungen
des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gerecht wird. Anstatt mit den für das
Jahr 2010 ursprünglich vorausgeschätzten 31 000 bzw.
33 000 Kfz/24 h ist für den Prognose-Nullfall 2015 nach den
neueren Ermittlungen nur mehr mit einer Verkehrsmenge von
18 800 in Fürstenhagen und von 18 200 in Walburg zu rechnen.
Die A 44 weist indes zwei weitere Qualifikationsmerkmale auf,
die ihr im Vergleich mit sonstigen wichtigen Verkehrsvorhaben
erhöhte Bedeutung verleihen. Sie zählt zu den Verkehrsprojek-
ten "Deutsche Einheit", die im Rahmen der Bundesverkehrswege-
planung insofern eine besondere Funktion erfüllen, als sie da-
zu bestimmt sind, im Interesse der Schaffung gleicher Lebens-
verhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern den
Grundstein für eine gemeinsame Verkehrsinfrastruktur zu legen.
Hinzu kommt, dass die A 44 nicht nur im innerdeutschen, son-
dern auch im gesamteuropäischen Verkehrssystem als wichtiges
Bindeglied angesehen wird. Sie ist - unter Einschluss des Ab-
schnitts zwischen Kassel und Eisenach - Teil des transeuropä-
ischen Straßennetzes, dem ausweislich der zweiten Begründungs-
erwägung der Entscheidung des Rates vom 29. Oktober 1993 (ABl
EG Nr. L 305/11) "eine fundamentale wirtschaftliche und sozi-
ale Rolle im Güter- und Personenverkehr innerhalb der Gemein-
schaft und in ihren Beziehungen zu Drittländern" zukommt. Die-
ser auf europäischer Ebene vorgenommenen Wertung ist als Ge-
wichtungsvorgabe bei der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gemein-
schaftsrechtlich gebotenen Interessenabwägung Rechnung zu tra-
gen. Es wäre in sich widersprüchlich, die A 44 als Verkehrs-
dienstleistung zu charakterisieren, die von deutscher Seite im
Gemeinschaftsinteresse erbracht werden soll, sie gleichzeitig
aber am FFH-Recht scheitern zu lassen.
b) Der Planfeststellungsbeschluss dürfte auch den Anforderun-
gen genügen, die sich aus dem Kohärenzwahrungsgebot ergeben.
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Das Planvorhaben führt zu einem Verlust und einer Zerschnei-
dung von Flächen insbesondere des Lebensraumtyps 6510 sowie zu
einer Beeinträchtigung der Habitate des Schwarzblauen Amei-
senbläulings. Um gleichwohl die Gebietskohärenz aufrecht zu
erhalten, sieht der Planungsträger die Errichtung einer Grün-
brücke und die Schaffung eines rund 50 ha großen Feuchtgrün-
landkomplexes am Hasenberg in der unmittelbaren Nachbarschaft
des "Lichtenauer Hochlandes" vor.
ba) Der Kläger geht davon aus, dass sich mit diesen Maßnahmen
der verfolgte Ausgleichszweck nicht erreichen lässt. Er
spricht insbesondere der Grünbrücke die Eignung ab, die von
ihm als besonders bedeutsam eingestuften Pfeifengraswiesen
miteinander zu verbinden. Indes verstellt er sich den Blick
auf die von ihm angesprochene Kompensationsproblematik von
vornherein dadurch, dass er in seine Betrachtung ausschließ-
lich den Lebensraumtyp der Pfeifengraswiesen einbezieht. Rich-
tig ist, dass diese Wiesen in der Vegetationsstruktur des
"Lichtenauer Hochlandes" ein wichtiges Element darstellen. Ihr
Flächenanteil ist zwar gering. Sie bilden aber den Kern des
Feuchtbiotopkomplexes, durch den das "Lichtenauer Hochland"
maßgeblich mit geprägt wird. Der Beklagte räumt ein, dass sich
die Pfeifengraswiesen durch eine Vielzahl von Pflanzenarten
auszeichnen, die nicht nur für Heuschrecken und Gehäuseschne-
cken, sondern insbesondere auch für Tagfalter von Bedeutung
sind, unter denen der nach Anhang II der FFH-Richtlinie ge-
schützte Schwarzblaue Ameisenbläuling besonders hervorzuheben
ist. Der Kläger hält dem Beklagten vor, aus dieser Erkenntnis
nicht die gebotenen Konsequenzen gezogen zu haben. Er lässt
bei seiner Kritik jedoch außer Acht, dass die Pfeifengraswie-
sen nicht die einzigen feuchten Standorte sind, die zur Ge-
bietscharakteristik beitragen. Sie bilden einen Verbund mit
weiteren Feuchtbiotopen, in denen ein Teil der für sie typi-
schen Tierarten ebenfalls vorkommt. Dies gilt nicht zuletzt
- 31 -
für den Schwarzblauen Ameisenbläuling, der außer in den Nie-
dermoorbereichen auch in den Hochstaudenfluren und den angren-
zenden Grünlandflächen anzutreffen ist (vgl. die der FFH-
Verträglichkeitsuntersuchung vorangestellte Gebietsbeschrei-
bung, die der Kläger unwidersprochen gelassen hat). Mit der
Grünbrücke wird das Ziel verfolgt, einen Gründlandkorridor zu
schaffen, der für sich nicht den Anspruch erheben kann und
will, als unmittelbare Verbindung zwischen den rund 300 m von-
einander entfernten Pfeifengraswiesen zu dienen, der aber die
Feuchtbiotopkomplexe nördlich und südlich der Trasse so mit-
einander vernetzt, dass vorhandene Funktionsbeziehungen erhal-
ten werden. Diese Maßnahme soll vor allem auch dem auf ent-
sprechende Biotopstrukturen angewiesenen Schwarzblauen Amei-
senbläuling zugute kommen. Die Austauschbeziehungen sollen
nach den Planunterlagen in Zukunft freilich an anderer Stelle
fortgesetzt werden als heute. Denn dort, wo die Grünbrücke er-
richtet werden soll, sind derzeit Äcker bzw. Ackerbrachen vor-
handen (vgl. die im Rahmen der Verträglichkeitsuntersuchung
angefertigte Bestands- und Konfliktkarte). Der Austausch, den
die Grünbrücke gewährleisten soll, findet nach der Darstellung
in der Bestands- und Konfliktkarte zurzeit weiter östlich in
einem Bereich statt, der hierfür im Falle der Verwirklichung
des planfestgestellten Vorhabens nicht mehr zur Verfügung ste-
hen wird, weil die Trasse dort nach den Planunterlagen in ei-
nem Einschnitt verlaufen soll, der - auch nach den Bekundungen
des Planungsträgers - für Tagfalter ebenso wie für andere Ar-
tengruppen als nahezu unüberwindliche Barriere wirkt. Werden
die Austauschbeziehungen auf die Grünbrücke verlagert, so be-
deutet dies, dass zwischen den Pfeifengraswiesen größere Ent-
fernungen zurückzulegen sind. Diese Folge rechtfertigt es, für
sich genommen, indes nicht, bereits die Zwecktauglichkeit der
Kompensationsmaßnahme in Frage zu stellen. Die Grünbrücke
dient nach der Darstellung des Beklagten nicht speziell als
Trittstein zur Vernetzung der Pfeifengraswiesen, sondern als
Verbindung zwischen den Feuchtgrünlandkomplexen nördlich und
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südlich der geplanten Trasse, die die Pfeifengraswiesen als
einen von mehreren Bestandteilen einschließen und die neben
anderen Tierarten insbesondere auch dem Schwarzblauen Amei-
senbläuling ausreichende Lebensbedingungen bieten. Der Kläger
stellt nicht in Abrede, dass dem Schwarzblauen Ameisenbläu-
ling, dem als Anhang II-Art im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 4
FFH-RL gebotenen Kompensation vorrangig Beachtung zu schenken
ist, nicht bloß Pfeifengraswiesen, sondern auch die sonstigen
Feuchtbiotope, die im "Lichtenauer Hochland" vorkommen, als
Habitat dienen. Eignet sich die Grünbrücke zur Vernetzung die-
ser Lebensraumtypen, so genügt sie dem gemeinschaftsrechtli-
chen Erfordernis, Eingriffe in das FFH-relevante ökologische
Wechselbeziehungsgefüge auszugleichen.
An dieser Einschätzung vermag auch der Einwand des Klägers
nichts zu ändern, die Grünbrücke werde die ihr zugedachte
Funktion schon deshalb nicht erfüllen können, weil sie, einem
"Tunneldach" vergleichbar, "nach allen Seiten hin abfallen ...
und den höchsten Punkt in der näheren Umgebung darstellen"
werde. Die höchste Erhebung im Trassenbereich ist der Schul-
berg, für dessen Querung ein Tunnel vorgesehen ist. Die Grün-
brücke ist vom östlichen Tunnelportal knapp 300 m entfernt in
einem Bereich, in dem die Trasse in Einschnittslage verläuft.
Sie schließt nach den Planunterlagen niveaugleich mit dem an-
schließenden Gelände ab. Richtig an dem Vorbringen des Klägers
ist allerdings, dass die Grünbrücke höher liegt als die Pfei-
fengraswiesen. Der Höhenunterschied wäre unter dem Blickwinkel
des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL indes nur dann von ausschlaggebender
Bedeutung, wenn die Grünbrücke dafür bestimmt wäre, Arten eine
Querungsmöglichkeit zu bieten, die an Standortbedingungen ge-
bunden sind, wie sie ausschließlich auf Pfeifengraswiesen
herrschen. Nach der Darstellung des Beklagten nutzt der
Schwarzblaue Ameisenbläuling indes ebenso wie andere für Pfei-
fengraswiesen typische Tierarten auch strukturell ähnliche Bi-
otope, die auf dem "Lichtenauer Hochland" in der Nachbarschaft
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der geplanten Grünbrücke vorkommen. Trifft dies zu, so kommt
es nicht entscheidend darauf an, wie hoch der Anteil der Pfei-
fengraswiesen im vegetationskundlichen Sinne an den als Habi-
tat geeigneten Pflanzengesellschaften ist. Wesentlich ist
vielmehr, dass unabhängig von der Höhenlage artgemäße Leit-
strukturen vorhanden sind, die zur Grünbrücke hin führen. Der
Kläger behauptet selbst nicht, dass der Schwarzblaue Amei-
senbläuling nur auf Pfeifengraswiesen und nicht auch in höher
gelegenen sonstigen Biotopen anzutreffen ist. Dann aber ist
nicht nachvollziehbar, weshalb die Grünbrücke als Bindeglied
zwischen eben diesen Biotopen ungeeignet sein soll.
bb) Der Kläger bemängelt ohne Erfolg, dass "bei den Maßnahmen
zur Sicherung des Natura 2000-Zusammenhangs ... der Raubwürger
nicht aufgeführt (ist), obwohl er ein Schutzziel darstellt".
Der Raubwürger gehört nicht zu den Vogelarten, zu deren Guns-
ten ggf. nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutz-Richtlinie
Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Er genießt auch sonst unter
dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts keinen besonderen
Schutz. Freilich gehört er nach den Bekundungen des Klägers in
Hessen zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Kommt er, wie im
Bereich des "Lichtenauer Hochlandes", unbestritten in hoher
Dichte (vier Brutpaare) vor, so mag dies als zusätzliches In-
diz für den ökologischen Wert des Gebiets gedeutet werden. Es
trifft jedoch nicht zu, dass der Raubwürger vom Beklagten
nicht zur Kenntnis genommen worden sei. In der Verträglich-
keitsuntersuchung wird er als eine der für den Landschaftsraum
bedeutsamen, in den EG-Normen nicht genannten Arten besonders
hervorgehoben. Der Beklagte räumt ein, dass die südlich der
Trasse gelegene ca. 63 ha große Teilfläche des FFH-Gebiets so-
wohl durch die Zerschneidung als auch durch betriebsbedingte
Immissionen als ein für den Raubwürger und verschiedene andere
Vogelarten geeigneter Lebens- und Aktionsraum dauerhaft beein-
trächtigt, wenn nicht gar entwertet wird. Dieser Verlust soll
dadurch ausgeglichen werden, dass das potentielle FFH-Gebiet
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"Lichtenauer Hochland" im Norden am Hasenberg um ein Areal von
rund 50 ha erweitert wird, das insofern ähnliche geomorpholo-
gische Strukturen wie der betroffene Gebietsteil aufweist, als
es aus einer Mischung von Trocken- und Feuchtstandorten be-
steht. Dieser Darstellung tritt der Kläger nicht entgegen.
Entspricht die Erweiterungsfläche aber schon jetzt weithin dem
Gebietsteil, dessen Funktionen sie übernehmen soll, so ist die
Gefahr einer "zeitlichen Funktionslücke" offenbar gering. Auch
sonst deutet nichts darauf hin, dass das Gebiet am Hasenberg
den rechtlichen Eignungsanforderungen nicht genügt. Der Raub-
würger ist zwar ausgesprochen lärmempfindlich. Der Hasenberg
liegt aber weit außerhalb des Einwirkungsbereichs der geplan-
ten Autobahn, deren Trasse im Bereich des potentiellen FFH-
Gebiets "Lichtenauer Hochland" ausschließlich in Tunnel- oder
Einschnittslage verläuft.
C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3
VwGO.
Paetow Berkemann Lemmel
Halama
RiBVerwG Dr. Jannasch
ist wegen Urlaubs verhindert
zu unterschreiben.
Paetow
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25 000 € festgesetzt
(§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Paetow Berkemann Lemmel
Halama
RiBVerwG Dr. Jannasch
ist wegen Urlaubs verhindert
zu unterschreiben.
Paetow