Urteil des BVerwG vom 25.03.2009

Vorbehalt des Gesetzes, Erlass, Verwaltungsakt, Beiladung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 3.08
VG 1 K 3109/06
Verkündet
am 25. März 2009
Jesert
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich,
Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. Mai
2007 und der Beschluss der Bundesnetzagentur vom
22. Mai 2006 werden aufgehoben.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und
die Beigeladene die Gerichtskosten sowie die außerge-
richtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte; ihre eigenen
außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz für breitbandigen Internet-
verkehr; die Beigeladene unterhält ein digitales Breitband-Teilnehmernetz. Mit
dem Produkt „T-DSL-ZISP Basic“ führt die Beigeladene über ihr Konzentrator-
netz anderen Netzbetreibern wie der Klägerin hochbitratigen Verkehr zu. Nach-
dem die Beigeladene einen mit der Klägerin geschlossenen Nutzungsvertrag
gekündigt hatte, erließ auf deren Antrag die Bundesnetzagentur am 26. Februar
2003 eine Zusammenschaltungsanordnung, mit der sie die Beigeladene ver-
pflichtete, der Klägerin Netzanschluss zu gewähren. Auf deren Antrag geneh-
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migte die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 verschiede-
ne Entgelte für die Leistung „T-DSL-ZISP Basic“, darunter ein Entgelt für die
Nutzung des Konzentratornetzes der Beigeladenen in Höhe von 0,49 € je ange-
fangene 10 kbit/s genutzter Bandbreite für den Zeitraum vom 1. November
2005 bis zum 30. November 2007.
Die Beigeladene hat Verpflichtungsklage auf Genehmigung eines höheren Ent-
gelts erhoben und zusätzlich mit dem gleichen Ziel Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Bundesnetz-
agentur durch einstweilige Anordnung vom 4. April 2006 verpflichtet, der Beige-
ladenen vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis
zum 30. November 2007, ein Entgelt für die Nutzung des Konzentratornetzes in
Höhe von 0,52 € je 10 kbit/s genutzter Bandbreite zu genehmigen.
Daraufhin änderte die Bundesnetzagentur ihren Beschluss vom 27. Oktober
2005 durch einen weiteren Beschluss vom 22. Mai 2006 vorläufig dahin, dass
die nutzungsabhängige Tarifierung je angefangene 10 kbit/s auf 0,52 € festge-
legt wurde. Sie befristete die Änderung auf die Zeit vom 1. November 2005 bis
zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis zum 30. November
2007. Die Behörde verwies auf die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts
und auf ihren fehlenden Spielraum bei der Umsetzung der darin ausgespro-
chenen Verpflichtung.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt: Die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung vom
22. Mai 2006 sei rechtmäßig. Sie finde ihre Grundlage in § 35 Abs. 5 Satz 2
TKG 2004 in Verbindung mit der einstweiligen gerichtlichen Anordnung vom
4. April 2006. Entgegen dem Gesetzeswortlaut dürfe das Gericht die vorläufige
Zahlung eines höheren Entgelts nicht unmittelbar selbst anordnen, sondern
lediglich die Bundesnetzagentur zur Erteilung einer vorläufigen Änderungsge-
nehmigung verpflichten. Diese Handhabung sei zur Gewährleistung eines ef-
fektiven Rechtsschutzes geboten, zumal eine Beiladung sämtlicher Vertrags-
partner, die vor dem etwaigen Erlass einer unmittelbaren gerichtlichen Zah-
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lungsanordnung notwendig wäre, den Rahmen des Eilverfahrens sprengen
müsste.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Die vom
Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG
finde im Gesetz keine Stütze. Nach dieser Vorschrift hätte das Verwaltungsge-
richt die Aufforderung zur vorläufigen Zahlung eines höheren Entgelts - nach
Beiladung der zahlungspflichtigen Zusammenschaltungspartner der Beigelade-
nen - allenfalls selbst erlassen, aber nicht ohne Beiladung eine Verpflichtung
der Bundesnetzagentur zum Erlass eines diesbezüglichen vorläufigen Verwal-
tungsakts aussprechen dürfen. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Zweitei-
lung des Verfahrens der vorläufigen Entgeltanordnung in ein gerichtliches Eil-
verfahren des regulierten Unternehmens und ein daran anschließendes Klage-
verfahren der Leistungsnachfrager widerspreche dem Ziel einer möglichst ra-
schen Klärung der strittigen Entgeltfrage. Zudem hätten die materiellen Voraus-
setzungen für die Anordnung eines vorläufig höheren Nutzungsentgelts nicht
vorgelegen, und das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit seinen
diesbezüglichen Erwägungen Verfahrensrechte der Klägerin verletzt.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Be-
schluss der Bundesnetzagentur vom 22. Mai 2006 aufzu-
heben,
2. hilfsweise: das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,
3. äußerst hilfsweise: unter Abänderung des angefochte-
nen Urteils festzustellen, dass der Bescheid der Bundes-
netzagentur vom 22. Mai 2006 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
und verteidigt die angefochtene Entscheidung der Bundesnetzagentur.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass das Verwaltungsgericht auf die von ihr seinerzeit er-
hobene Verpflichtungsklage inzwischen ein Bescheidungsurteil vom 15. Mai
2008 - VG 1 K 6817/05 - erlassen und die Bundesnetzagentur ihr in Vollzug
dieses rechtskräftigen Urteils zwei - abschließende, aber von der Klägerin an-
gefochtene - Entgeltgenehmigungen vom 3. September 2008 und vom
10. November 2008 erteilt hat. Im Hinblick darauf hält die Beigeladene den vor-
liegenden Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. In der Sache selbst macht
sie geltend, die hier angefochtene vorläufige Genehmigung der Bundes-
netzagentur sei rechtmäßig gewesen.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des
Urteils des Verwaltungsgerichts und des angegriffenen Beschlusses der Bun-
desnetzagentur. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bun-
desrecht und stellt sich auch im Ergebnis als unrichtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1,
§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müs-
sen.
1. Die Klage ist in dem für die Beurteilung der Sachentscheidungsvorausset-
zungen maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zulässig.
a) Sie ist als Anfechtungsklage statthaft, denn sie richtet sich gegen einen Ver-
waltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG. Unbeschadet der
zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Bundesnetzagentur für die
umstrittene vorläufige Entgeltgenehmigung vom 22. Mai 2006 eine Befugnis
zum Erlass eines Verwaltungsakts in Anspruch nehmen konnte, hängt die
Statthaftigkeit der Anfechtungsklage allein davon ab, wie die Klägerin als Be-
troffene die Erklärung der Behörde unter Berücksichtigung der äußeren Form,
Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller
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sonstigen ihr bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung
entsprechend §§ 157, 133 BGB verstehen musste (stRspr, s. nur Urteil vom
8. Oktober 1998 - BVerwG 4 C 6.97 - BVerwGE 107, 264 <267> = Buchholz
406.11 § 35 BauGB Nr. 337 S. 119; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008,
§ 35 Rn. 18 m.w.N.).
Die Auslegung führt hier zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es sich bei dem
angegriffenen Beschluss um einen Verwaltungsakt handelt. Dafür spricht schon
der Beschlusstenor, in dem von der Erteilung einer Genehmigung sowie von
der - wenn auch vorläufigen - Änderung des vorangegangenen Beschlusses der
Bundesnetzagentur vom 27. Oktober 2005, bei dem es sich zweifellos um einen
Verwaltungsakt in Gestalt einer Entgeltgenehmigung handelt, die Rede ist. Es
kommt hinzu, dass der angefochtene Beschluss in seiner Begründung
ausdrücklich als „Verwaltungsakt“ bezeichnet, auf die Befugnisnorm des § 130
des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) - TKG
2004 - gestützt und mit einer dementsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung ver-
sehen worden ist. Aus der Sicht der Klägerin konnte deshalb kein Zweifel am
Charakter als Verwaltungsakt bestehen.
b) Die Klägerin kann im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch
die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung in ihren Rechten verletzt zu
sein. Ihre Klagebefugnis ergibt sich daraus, dass der Bescheid das privatrecht-
liche Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen unmittelbar, wenn
auch nur vorläufig, gestaltet. Die privatrechtsgestaltende Wirkung beeinträchtigt
die Klägerin als Entgeltschuldnerin in eigenen Rechten (vgl. Urteil vom
10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95 ff.> = Buchholz
442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 3 ff., Beschluss vom 13. Dezember 2006 - BVerwG
6 C 23.05 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2 Rn. 15 f.), deren Verletzung je-
denfalls nicht ausgeschlossen werden kann.
c) Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des an-
gefochtenen vorläufigen Bescheides.
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Durch den Erlass der (abschließenden) Entgeltgenehmigungen der Bundes-
netzagentur vom 3. September und 10. November 2008, die die Klägerin ihrer-
seits angefochten hat, ist das Rechtsschutzbedürfnis für den hier vorliegenden
Anfechtungsstreit nicht entfallen. Zwar entfaltet ein vorläufiger Verwaltungsakt
nur eine begrenzte Regelungswirkung, die unter dem Vorbehalt der späteren
endgültigen Entscheidung steht und der deshalb nur bis dahin eine Bedeutung
zukommt. Mit der endgültigen Regelung des Verfahrensgegenstandes erlischt
grundsätzlich die vorläufige Regelung, ohne dass es dafür ihrer förmlichen Auf-
hebung bedarf (Urteil vom 14. April 1983 - BVerwG 3 C 8.82 - BVerwG 67, 99
<103> = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 73 S. 27). Ob aber diese Wir-
kung des Erlöschens schon mit dem Ergehen des endgültigen Bescheides ein-
tritt (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43 Rn. 39, 50,
213; s. auch BFH, Beschluss vom 3. Juli 1995 - GrS 3/93 - BFHE 178, 11
<14 f.> für einen Steuervorauszahlungsbescheid) oder erst mit dessen Be-
standskraft (so Urteil vom 14. August 1986 - BVerwG 3 C 9.85 - Buchholz
451.90 EWG-Recht Nr. 66 S. 139, insoweit in BVerwGE 74, 357 nicht abge-
druckt, für eine vorläufige Subventionsbewilligung; Beschluss vom 15. März
2007 - BVerwG 6 C 20.06 - juris Rn. 3 für eine vorläufige Regulierungsverfü-
gung), lässt sich nicht für sämtliche vorläufigen Verwaltungsakte allgemein be-
antworten. Entscheidend ist vielmehr stets der Regelungsgehalt des konkreten
Verwaltungsakts, der durch Auslegung unter Berücksichtigung der einschlägi-
gen fachgesetzlichen Normen zu ermitteln ist.
Die Auslegung des angefochtenen Bescheides vom 22. Mai 2006 hat davon
auszugehen, dass ihn die Bundesnetzagentur „vorläufig für die Zeit vom
01.11.2005 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren (Az. 1 K 6817/05),
längstens bis zum 30.11.2007“ erteilt hat. Da die Angabe des 30. November
2007 lediglich die Befristung der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom
27. Oktober 2005 aufgreift und daher ersichtlich nur das Recht zur Entgelterhe-
bung, aber nicht das Recht zum Behaltendürfen der zuvor erhobenen Entgelte
betrifft, kommt nur die im Verfügungstenor gleichfalls genannte „Entscheidung
im Hauptsacheverfahren“ als Anknüpfungspunkt für die Erledigung des vorläu-
figen Bescheides in Betracht. Diese sollte entgegen dem missverständlichen
Wortlaut erkennbar nicht schon mit der Rechtskraft des Verpflichtungsurteils
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eintreten, sondern erst mit der Bestandskraft der in Vollzug dieses Urteils ge-
gebenenfalls zu erteilenden Entgeltgenehmigung.
Für dieses Verständnis ist maßgeblich, dass der Beschluss der Bundesnetz-
agentur in Vollzug einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung erlassen wurde,
die sich ihrerseits auf § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 stützte. Nach dieser Vor-
schrift kann das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 VwGO, ohne dass
es der Darlegung eines Anordnungsgrundes bedarf, die vorläufige Zahlung
eines beantragten höheren Entgeltes anordnen, wenn der Entgeltanspruch
überwiegend wahrscheinlich ist; verpflichtet das Gericht die Bundesnetzagentur
zur Erteilung einer höheren Entgeltgenehmigung, entfaltet diese nur dann
Rückwirkung, wenn ihr eine diesbezügliche einstweilige Anordnung vorausge-
gangen ist (s. § 35 Abs. 5 Satz 1, 3 TKG 2004). In Anbetracht dieses besonde-
ren normativen Zusammenhangs, in den der angefochtene Bescheid - sei es zu
Recht oder zu Unrecht - gestellt ist, erledigt er sich nicht, bevor die abschlie-
ßende Entscheidung über den Entgeltanspruch der Beigeladenen in Bestands-
kraft erwächst. Denn das Verwaltungsgericht wollte mit seiner Anordnung vom
4. April 2006, die von der Bundesnetzagentur lediglich umgesetzt worden ist,
auf der Grundlage von § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 einstweilen die Höhe des
der Beigeladenen zustehenden Entgeltes regeln, bis die Entgeltfrage
- gegebenenfalls mit Rückwirkung - abschließend geklärt sein würde; diese Klä-
rung war indes erst mit der Bestandskraft der endgültigen Entgeltgenehmigung
erreichbar. Es kommt hinzu, dass aus Rechtsschutzgründen sowohl das Ver-
waltungsgericht als auch - ihm folgend - die Bundesnetzagentur in Betracht zu
ziehen hatten, dass für die etwaige Rückwirkung der endgültigen Entgeltge-
nehmigung erst der aufgrund der gerichtlichen Anordnung ergehende vorläufige
Bescheid maßgeblich ist, den die Klägerin, wie geschehen, zur Abwehr der
Rückwirkung anfechten konnte (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom
9. November 2006 - 1 BvR 675/06 u.a. - BVerfGK 9, 425 <429>). In dieser
Konstellation darf der Klägerin ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG)
in Bezug auf die etwaige Rückwirkung der Genehmigung eines höheren Entgel-
tes auch dann nicht abgeschnitten sein, wenn bei Erlass des endgültigen Ge-
nehmigungsbescheides noch über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entgelt-
genehmigung gestritten wird. Jedenfalls deshalb muss sich der vorläufige Be-
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scheid Regelungswirkung bis zur Bestandskraft der endgültigen Entgeltgeneh-
migung beimessen und kann sich vor diesem Zeitpunkt nicht erledigen.
2. Die Klage ist begründet, denn die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmi-
gung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten.
a) Die Klägerin ist durch die materielle Rechtskraft des nach § 123 Abs. 1
VwGO ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2006
nicht gehindert, die Rechtswidrigkeit des hier angefochtenen, in dessen Vollzug
ergangenen Bescheides der Bundesnetzagentur geltend zu machen; denn die
Rechtskraft wirkt nicht gegenüber der Klägerin, die an dem einstweiligen ge-
richtlichen Verfahren nicht beteiligt war (s. § 121 Nr. 1 VwGO).
b) Für den hier angefochtenen Bescheid der Bundesnetzagentur, der wegen
seiner grundrechtsverkürzenden privatrechtsgestaltenden Wirkung dem Vorbe-
halt des Gesetzes unterliegt, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
aa) Die auf einer nur summarischen Prüfung beruhende vorläufige Entgeltge-
nehmigung kann sich nicht allein auf diejenige Grundlage stützen, auf der die
endgültige Entgeltgenehmigung beruht. Für diese gelten aufgrund der Über-
gangsvorschrift des § 150 Abs. 1 TKG 2004 hier noch die Vorschriften des Te-
lekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) - TKG 1996 -.
Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 blieben im Übergangszeitraum bis zum Er-
gehen neuer Regulierungsentscheidungen bereits getroffene Feststellungen
einer marktbeherrschenden Stellung ebenso wirksam wie die daran anknüp-
fenden gesetzlichen Verpflichtungen einschließlich der Pflicht, sich den im alten
Recht vorgesehenen Verwaltungsakten zu unterwerfen, so dass die Bundes-
netzagentur einstweilen auf ihre früheren Eingriffsbefugnisse zurückzugreifen
hatte (Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 6 C 14.05 - BVerwGE 126, 74
Rn. 21 = Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 1; Urteil vom 19. September 2007
- BVerwG 6 C 34.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2 Rn. 10, 16; s. auch
EuGH, Urteil vom 22. November 2007 - Rs. C-262/06 - Slg. 2007, I-10057).
Entsprechendes gilt gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3 TKG 2004 für die im vorliegen-
den Fall einschlägigen - nicht marktmachtabhängigen - gesetzlichen Verpflich-
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tungen, die sich im Anschluss an eine angeordnete Zusammenschaltung aus
§ 39 Alt. 2 TKG 1996 ergeben (s. Beschluss vom 17. Mai 2006 a.a.O. Rn. 36);
unter den hier vorliegenden Umständen beruhen die Entgeltgenehmigungs-
pflicht und ihre gesetzlichen Wirkungen auf § 39 Alt. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1, § 29
TKG 1996.
Diese Normen bilden für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die
hier angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur. Un-
abhängig davon, ob vorläufige Verwaltungsakte, mit denen Belastungen ver-
bunden sind, stets einer besonderen, von der Ermächtigung zur abschließen-
den Sachentscheidung zu trennenden Rechtsgrundlage bedürfen (s. dazu etwa
Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 35 Rn. 246; Axer, DÖV 2003, 271
<274 f.>), ist insoweit der unmittelbare Durchgriff auf die Befugnis zur abschlie-
ßenden Sachentscheidung jedenfalls dann versperrt, wenn das einschlägige
Fachgesetz vorläufige behördliche Entscheidungen einer speziellen Regelung
unterwirft. Das ist hier der Fall. Denn der übergangsweise noch anwendbare
§ 78 TKG 1996 enthält - ebenso wie nunmehr § 130 TKG 2004 - eine spezial-
gesetzliche Ermächtigung zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte, die sich
auch und gerade auf vorläufige Entgeltgenehmigungen bezieht (s. Hummel, CR
2000, 291 <292>). Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung stellt sich für
das Telekommunikationsrecht die Frage nach einer allgemeinen Befugnis der
Behörden zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte nicht (zutreffend Mayen, in:
Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 130 Rn. 3); daraus folgt aber auch um-
gekehrt, dass die spezialgesetzliche Regelung für einstweilige Anordnungen der
Bundesnetzagentur abschließend ist.
bb) Auf § 78 TKG 1996 kann die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung
der Bundesnetzagentur nicht gestützt werden. Ob dem schon der Umstand
entgegensteht, dass die Norm der Bundesnetzagentur die einstweilige Anord-
nungsbefugnis nur „bis zur endgültigen Entscheidung“ gewährt, die nach der
Intention der Behörde schon mit der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom
27. Oktober 2005 getroffen sein sollte, kann auf sich beruhen. Jedenfalls ver-
langt § 78 TKG 1996 nach einhelliger und zutreffender Ansicht schon um der
Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes willen neben dem Anordnungs-
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anspruch einen Anordnungsgrund, der darin liegt, dass der Erlass der vorläufi-
gen Regelung im besonderen öffentlichen Interesse oder im überwiegenden
Interesse Privater zur Abwendung schwerer Nachteile geboten ist; das Ergebnis
dieser Abwägung ist bestimmend für das der Bundesnetzagentur in § 78 TKG
1996 eingeräumte Ermessen (Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG, 2001, § 78
Rn. 6; Mayen, a.a.O. Rn. 11 ff.; Nübel, in: BeckTK, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 8 f.;
Ruffert, in: BerlKommTKG, 2006, § 130 Rn. 6; Graulich, in: Arndt/
Fetzer/Scherer, TKG, § 130 Rn. 6).
Ein derartiger Anordnungsgrund wurde hier weder vom Verwaltungsgericht im
Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO noch von der Bundesnetzagentur bei Er-
lass des angefochtenen Bescheides geprüft und ist auch nicht ersichtlich. Denn
unter der Geltung des hier übergangsweise noch anwendbaren alten Rechts
droht der Beigeladenen als Entgeltgläubigerin kein Nachteil, da die auf § 25
Abs. 1 TKG 1996 beruhende Entgeltgenehmigung Rückwirkung entfaltet (s. Ur-
teil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <59 ff.> =
Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 46 ff.). Dieses Urteil bezieht sich zwar
unmittelbar nur auf den Fall des vertraglich vereinbarten Netzzugangs (§ 39
Alt. 1 i.V.m. § 35 TKG 1996) und nicht auf den hier vorliegenden Fall der Zu-
sammenschaltungsanordnung (§ 39 Alt. 2 i.V.m. § 37 TKG 1996). Doch gilt die
Erwägung, dass eine ausschließlich in die Zukunft gerichtete Entgeltgenehmi-
gung für Leistungen, die der Wettbewerber in der Vergangenheit bereits erlangt
hat, dem Normzweck widerspräche und in Bezug auf Art. 12 GG unverhältnis-
mäßig wäre (Urteil vom 21. Januar 2004 a.a.O.), ebenso für den Fall der Zu-
sammenschaltungsanordnung, zumal diese einen privatrechtlichen Vertrag zwi-
schen den Zusammenschaltungspartnern zur Entstehung bringt (Urteil vom
31. März 2004 - BVerwG 6 C 11.03 - BVerwG 120, 263 <267> = Buchholz
442.066 § 37 TKG Nr. 1 S. 3). Deshalb ist auch die Bundesnetzagentur in ihrer
nunmehr erlassenen Entgeltgenehmigung vom 10. November 2008 zutreffend
von der Rückwirkung ausgegangen. Aus der fehlenden Prüfung des Anord-
nungsgrundes folgt zugleich, dass der hier angefochtene vorläufige Beschluss
der Bundesnetzagentur, der im Hinblick auf die vorangegangene einstweilige
Anordnung des Verwaltungsgerichts jeglichen „Umsetzungsspielraum“ aus-
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drücklich verneint, an einem Ausfall des von § 78 TKG 1996 geforderten be-
hördlichen Ermessens leidet.
cc) Die von der Bundesnetzagentur als Verwaltungsakt erlassene vorläufige
Entgeltgenehmigung kann auch nicht auf § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. der einst-
weiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2006 gestützt wer-
den.
In § 123 VwGO findet sich eine prozessrechtliche Regelung des vorläufigen
(gerichtlichen) Rechtsschutzes, nicht aber eine Ermächtigungsgrundlage zum
Erlass eines in Grundrechte eingreifenden Verwaltungsakts. Aus Sinn und
Zweck eines effektiven, an Art. 19 Abs. 4 GG ausgerichteten vorläufigen
Rechtsschutzes folgt, dass die gerichtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht wie
Verwaltungsakte dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen; vielmehr hat das
Gericht grundsätzlich losgelöst vom materiellen Recht einen auf den Einzelfall
zugeschnittenen wirksamen Eilrechtsschutz zu gewährleisten (vgl. Finkeln-
burg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfah-
ren, 5. Aufl. 2008, Rn. 232 f.). Diese Gestaltungsfreiheit gründet aber aus-
schließlich im Prozessrecht. Das gilt nicht nur dann, wenn das Gericht selbst
die betreffende Anordnung trifft, sondern grundsätzlich auch dann, wenn es der
Behörde aufgibt, zugunsten des Antragstellers vorläufig bestimmte Maßnahmen
zu ergreifen, beispielsweise ihm ein bestimmtes Verhalten zu gestatten. In dem
zuletzt genannten Fall stellt sich auch der behördliche Umsetzungsakt re-
gelmäßig nur als einstweilige, auf Prozessrecht beruhende Gestattung zuguns-
ten des Antragstellers dar, seine mit dem Antrag verfolgten tatsächlichen Inte-
ressen wahrzunehmen, nicht aber als ein auf einer materiellen Rechtsgrundlage
beruhender Verwaltungsakt (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 7. Dezember 1995
- 1 B 13193/95.OVG - juris Rn. 5; OVG Bremen, Beschluss vom 25. Februar
2005 - 1 B 41/05 - NVwZ-RR 2006, 162). Inwieweit es mit dem Zweck des
§ 123 VwGO und der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung vereinbar ist,
dass das Verwaltungsgericht - wie hier geschehen - der Behörde durch einst-
weilige Anordnung den Erlass eines (echten) Verwaltungsakts aufgibt, der einen
Dritten belastet und daher von diesem mit dem Widerspruch bzw. der Klage
angefochten werden kann (grundsätzlich ablehnend Eyermann/Happ, VwGO,
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12. Aufl. 2006, § 123 Rn. 66d), bedarf aus Anlass des vorliegenden Falls keiner
Vertiefung. Selbst wenn nämlich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde
liegende einstweilige Anordnung vom 4. April 2006 nicht bereits unter diesen
Gesichtspunkten zu beanstanden sein sollte, hätte sie jedenfalls deswegen
nicht ergehen dürfen, weil es an einem sie tragenden Anordnungsgrund (§ 123
Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 ZPO) fehlte, wie sich aus den
vorangegangenen Ausführungen zu § 78 TKG 1996 ergibt.
dd) An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die Sonderregelung, die § 35
Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 nunmehr für den vorläufigen Rechtsschutz in Bezug
auf Entgeltgenehmigungen trifft. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift auf
den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist (1), bildet auch sie keine geeignete
Grundlage für den Erlass einer privatrechtsgestaltenden, in Rechte Dritter ein-
greifenden vorläufigen Entgeltgenehmigung (2).
(1) Die in § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 getroffene Regelung, wonach das Ge-
richt unter den dort genannten Voraussetzungen im Verfahren nach § 123
VwGO ohne Darlegung eines Anordnungsgrundes die vorläufige Zahlung eines
beantragten höheren Entgeltes anordnen kann, findet keine Anwendung auf
Fallkonstellationen wie die hier vorliegende, in denen sich die Entgeltgenehmi-
gungspflicht übergangsweise noch nach § 39 i.V.m. §§ 25, 29 TKG 1996 beur-
teilt. Das folgt zwar nicht unmittelbar daraus, dass zu den gesetzlichen Ver-
pflichtungen im Sinne von § 150 Abs. 1 TKG 2004 auch die Eingriffsbefugnisse
des alten Rechts zählen, auf die im Übergangszeitraum einstweilen weiter zu-
rückgegriffen werden muss; denn bei § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 handelt es
sich nicht um eine verwaltungsrechtliche Eingriffsregelung, sondern um eine
prozessuale Norm. Diese steht allerdings, wie oben bereits erwähnt, in einem
so engen Zusammenhang mit der Neuregelung der Rückwirkung von Entgelt-
genehmigungen, dass sie aus ihm nicht gelöst und deshalb auf noch nach al-
tem Recht zu beurteilende Sachverhalte nicht erstreckt werden kann. So wurde
durch § 35 Abs. 5 TKG 2004 die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung,
nach der die Entgeltgenehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses
zurückwirkt (Urteil vom 21. Januar 2004 a.a.O), zwar einerseits bestätigt, ande-
rerseits aber auch begrenzt. Mit der neu eingeführten Verknüpfung zwischen
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einer vorläufigen Zahlungsanordnung des Gerichts, die nicht von der Darlegung
eines Anordnungsgrundes abhängt, und einer möglichen Rückwirkung der im
Hauptsacheverfahren erstrittenen (höheren) Entgeltgenehmigung bezweckt das
Gesetz eine zwischen dem Entgeltgläubiger und seinen Wettbewerbern aus-
gewogene Verteilung des Risikos unrichtiger, später korrigierter Entgeltgeneh-
migungen (s. BTDrucks 15/2316 vom 9. Januar 2004, S. 69 f.; Groebel/Seifert,
BerlKommTKG, § 35 Rn. 79 ff., 88; Schuster/Ruhle, in: BeckTKG, § 35 Rn. 70
ff.). Dieser besondere Regelungszusammenhang, in den das Gesetz die neu
eingeführte vorläufige gerichtliche Zahlungsanordnung stellt, schließt es aus,
den Rechtsbehelf auf altrechtliche Fälle zu übertragen, für die die genannte
Rückwirkungssperre nicht gilt.
(2) Davon abgesehen kann sich die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmi-
gung aber auch der Sache nach auf § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 nicht stützen.
Als eine prozessrechtliche Norm, die § 123 VwGO ergänzt, ermächtigt sie das
Gericht, die vorläufige Zahlung eines höheren Entgeltes anzuordnen, aber nicht
die Bundesnetzagentur, einen diesbezüglichen Verwaltungsakt zu erlassen.
Das gegenteilige Normverständnis des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht
damit rechtfertigen, dass es Beiladungen vermeidet, die das einstweilige
Anordnungsverfahren verzögern können. Soweit der begehrten Zahlungsan-
ordnung die Genehmigung einzelvertragsbezogener Entgelte zugrunde liegt, ist
die Beiladung der - dem Verwaltungsgericht mit dem Eilantrag zu benennen-
den - Vertragspartner des entgeltberechtigten Unternehmens gemäß § 65
Abs. 2 VwGO notwendig. Denn die gerichtliche Entscheidung kann aufgrund
der privatrechtsgestaltenden Wirkung, die mit der vorläufigen Anordnung der
Zahlung eines höheren als des genehmigten Entgelts verbunden ist, gegenüber
dem Entgeltgläubiger und den Entgeltschuldnern nur einheitlich ergehen. Zwar
trifft es zu, dass der mit der Beiladung verfolgte Zweck, den von der gerichtli-
chen Entscheidung unmittelbar Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren
(Art. 103 Abs. 1 GG), nicht verletzt wird, soweit diese gegen einen etwa noch
nachfolgenden behördlichen Umsetzungsakt gerichtlich vorgehen können (s.
BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. November 2006 - 1 BvR 675/06 u.a. - a.a.O.
S. 428 f.). Abgesehen davon, dass § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 einen derarti-
gen Umsetzungsakt nicht vorsieht, erschöpft sich der Zweck der Beiladung aber
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nicht in der Gewährleistung rechtlichen Gehörs. Dieser geht vielmehr auch da-
hin, die Rechtskraft der Entscheidung auf die Beizuladenden zu erstrecken
(§ 121 Nr. 1 VwGO). Die Beiladung soll vermeiden, dass am streitigen Rechts-
verhältnis beteiligte Dritte, auf die sich ohne ihre Beteiligung am Prozess die
Rechtskraft nicht erstreckt, die zwischen den bisherigen Streitbeteiligten rechts-
kräftig entschiedene Frage erneut zur gerichtlichen Prüfung stellen und ein ab-
weichendes Ergebnis erstreiten können (s. Urteil vom 7. Februar 1986
- BVerwG 4 C 30.84 - BVerwGE 74, 19 <22> = Buchholz 406.11 § 36 BBauG
Nr. 36 S. 16; vgl. auch BVerfG a.a.O. S. 430). Das besondere, mit § 35 Abs. 5
S. 2, 3 TKG 2004 verfolgte Ziel, den entgeltpflichtigen Unternehmen schnellst-
möglich Klarheit über die Rückwirkung einer vom Entgeltgläubiger etwa erstrit-
tenen höheren Entgeltgenehmigung zu verschaffen und sie damit der Notwen-
digkeit, Rückstellungen für denkbare Nachzahlungen zu bilden, möglichst zu
entheben (s. BTDrucks 15/2316 S. 69 f.), rechtfertigt es nicht, den Beiladungs-
zweck der Rechtskrafterstreckung zu vernachlässigen. Zwar könnte eine einst-
weilige Anordnung ohne verfahrensverzögernde Beiladungen im Allgemeinen
früher ergehen; sie stände wegen der dann verfassungsrechtlich gebotenen
Anfechtungsmöglichkeit der Drittbetroffenen (s. BVerfG a.a.O. S. 429) aber
gleichsam unter Vorbehalt und könnte so den ihr zugewiesenen Zweck, die
Rückwirkungsfrage zur Vermeidung von Rückstellungen frühzeitig ein für alle
Mal mit materiell-rechtlicher Wirkung zu klären, nur unzureichend erfüllen.
c) Da sich die hier angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung auf keine trag-
fähige Rechtsgrundlage stützen kann, ist sie rechtswidrig. Im Hinblick auf ihre
privatrechtsgestaltende Wirkung verletzt sie zugleich subjektive Rechte der
Klägerin, die den vorläufigen Eingriff ohne Vorliegen eines zureichenden An-
ordnungsgrundes nicht hinnehmen muss.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 3 VwGO.
Dr. Bardenhewer
Dr. Graulich
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).
Dr. Bardenhewer
Dr. Bier
Dr. Möller
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Telekommunikationsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
TKG 2004 § 35 Abs. 5, § 130, § 150 Abs. 1
TKG 1996 §§ 25, 29, 39, 78
VwGO § 42 Abs. 2, § 65 Abs. 2, § 121 Nr. 1; § 123 Abs. 1
Stichworte:
Entgelt; Entgeltgenehmigung; vorläufige Entgeltgenehmigung; vorläufiger
Verwaltungsakt; privatrechtsgestaltende Wirkung; Rückwirkung; Rechts-
schutzbedürfnis; Rechtsschutzinteresse; einstweilige Anordnung; vorläufi-
ge Zahlungsaufforderung; Beiladung; notwendige Beiladung; Rechtskraft;
Bestandskraft.
Leitsatz:
§ 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 ermächtigt das Gericht zum Erlass einer ei-
genen Anordnung über die vorläufige Zahlung eines höheren Entgelts,
nicht aber dazu, der Bundesnetzagentur den Erlass einer vorläufigen Ent-
geltgenehmigung aufzugeben.
Urteil des 6. Senats vom 25. März 2009 - BVerwG 6 C 3.08
I. VG Köln vom 24.05.2007 - Az.: VG 1 K 3109/06 -