Urteil des BVerwG vom 14.11.2003

Berufliche Tätigkeit, Ausgleichsabgabe, Begriff, Erhaltung

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 13.02
VGH 2 S 1565/00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t , Dr. R o t h k e g e l ,
Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
vom 29. März 2001 wird aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts Stuttgart vom 25. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisi-
onsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen
Kosten selbst. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist wegen Blindheit schwer behindert mit einem Grad der Behinderung
von 100. Sie begehrt Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeits- und
Berufsleben (§ 31 Abs. 3 SchwbG).
Seit 1981 ist die Klägerin Pfarrvikarin und Kirchenmusikerin bei der Evangelischen
Landeskirche in W. (Beigeladene). Dabei handelt es sich seit 1992 um eine Vollbe-
schäftigung, bei der die Klägerin zu etwa 70 % theologische und zu 30 % musikali-
sche Aufgaben erfüllt. Zu ihren Tätigkeiten gehört das Abhalten von Gottesdiensten,
die Durchführung von Hausbesuchen, Beerdigungen sowie die Mitwirkung an ande-
ren Veranstaltungen.
Mit Schreiben vom 18. November 1996 beantragte sie die Übernahme der Kosten für
die technische Modernisierung ihrer bereits 1987 mit Mitteln des Beklagten geförder-
ten blindengeeigneten PC-Anlage und legte hierzu einen Kostenvoranschlag in Höhe
von rund 73 000 DM vor. Der Technische Dienst des Beklagten bestätigte aufgrund
einer Arbeitsplatzbegehung, dass die in dem Kostenvoranschlag dargestellte Anlage
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notwendig sei, damit die Klägerin ihren Beruf weiterhin ausüben könne. Mit weiterem
Schreiben vom 1. April 1997 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die
bereits durchgeführte Reparatur des Brailledruckers und legte hierzu eine Rechnung
über 539 DM vor. Am 23. Juni 1997 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die
Teilnahme an einem Seminar zum Thema "Chorleitung".
Die Beklagte lehnte die Anträge ab, weil die Klägerin als Geistliche keinen "Arbeits-
platz" im Sinne des Schwerbehindertengesetzes innehabe; daher könnten auch kei-
ne Leistungen an sie erfolgen (Bescheid vom 15. September 1997).
Auf die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember
1997) erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide
aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Anträge der Klägerin unter Be-
achtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom
14. Juni 1999). Die Klägerin gehöre zu den Schwerbehinderten im Sinne von § 1
SchwbG. Ein Leistungsausschluss sei nicht damit begründet, dass sie als Geistliche
beschäftigt sei. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gehe es um die
Eingliederung von Schwerbehinderten durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maß-
nahmen. Diese Zielsetzung werde auch dort erreicht, wo Schwerbehinderte auf Stel-
len beschäftigt seien, die im Sinne des § 7 Abs. 2 SchwbG nicht als "Arbeitsplätze"
gelten würden. Beschäftige etwa die Religionsgemeinschaft schwer behinderte Geist-
liche, so trage dies dem Schutz- und Integrationsanliegen des Schwerbehinderten-
rechts unbeschadet der Privilegierung solcher Arbeitgeber genauso Rechnung, wie
dies bei bestehender Beschäftigungspflicht der Fall wäre. Gründe, die eine sachliche
Differenzierung der beiden Sachverhalte zum Nachteil des Schwerbehinderten recht-
fertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hingegen hat
auf die Berufung des Beklagten die Klage in entsprechender Abänderung des erstin-
stanzlichen Urteils abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Die von der Klägerin begehrte begleitende Hilfe nach § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchwbG sei
typischerweise arbeitsplatzgebunden. Konkrete technische Arbeitsmittel könnten nur
dann in den Blick genommen werden, wenn es um die Ausgestaltung eines konkre-
ten Arbeitsplatzes gehe. Erforderlich sei daher, dass der Betroffene auf einem Ar-
beitsplatz beschäftigt sei und dass dieser Arbeitsplatz von der Geltung des Schwer-
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behindertengesetzes umfasst sei. In § 7 Abs. 2 Nr. 2 SchwbG sei jedoch geregelt,
dass Stellen, auf denen Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften be-
schäftigt würden, nicht als "Arbeitsplätze" im Sinne des Schwerbehindertengesetzes
gelten. Dies treffe für die Klägerin zu. Ihr Beschäftigungsverhältnis werde aufgrund
ihrer Tätigkeit als Pfarrvikarin im Wesentlichen von ihrer Pflichtenstellung als Geistli-
che bestimmt. Soweit sie daneben Aufgaben im Rahmen der Kirchenmusik wahr-
nehme, nehme sie dies nicht von ihrem geistlichen Amt aus. Die verfassungsrechtlich
begründete Sonderstellung der Kirchen, die durch die Trennung vom Staat, ihr
Selbstbestimmungsrecht und ihre im Bereich des Kirchenamtes bestehende Auto-
nomie gekennzeichnet werde, sei der sachlich tragende Grund für die Nichtberück-
sichtigung der Geistlichen bei der Frage, ob sie auf einem "Arbeitsplatz" im Sinne
des Schwerbehindertengesetzes beschäftigt seien.
Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung
des § 31 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und f SchwbG. Der Beklagte verteidigt das angefoch-
tene Urteil. Die Beigeladene unterstützt die Auffassung der Klägerin.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein-
verstanden erklärt.
II.
Die Revision der Klägerin, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141
Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhand-
lung entscheiden kann, ist begründet. Es verstößt gegen Bundesrecht, dass das Be-
rufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf begleitende Hilfe im Arbeits- und Be-
rufsleben nach § 31 SchwbG mit der Begründung verneint hat, die von der Klägerin
begehrte Hilfe setze die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des Schwer-
behindertengesetzes voraus, was bei der Klägerin gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 SchwbG
nicht der Fall sei. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen und damit zur Wie-
derherstellung des erstinstanzlichen Urteils, in welchem der Beklagte verpflichtet
worden ist, erneut über die Anträge der Klägerin zu entscheiden.
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Als Schwerbehinderte gemäß § 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung
Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz
- SchwbG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986, BGBl I
S. 1421, 1550, zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 20. Dezember 2000,
BGBl I S. 1827) gehört die Klägerin zum geschützten Personenkreis des Gesetzes,
dessen volle Bezeichnung bereits auf einen umfassenden Anwendungsbereich hin-
deutet.
Der geltend gemachte Förderungsanspruch der Klägerin beurteilt sich nach § 31
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und f SchwbG. Für die Anwendung dieser
Vorschrift kommt es nicht darauf an, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin
nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz im Wesentlichen von ihrer
Pflichtenstellung als Geistliche bestimmt wird, so dass ihre Stelle nach § 7 Abs. 2
Nr. 2 SchwbG nicht als Arbeitsplatz gilt. Zur Umschreibung der Voraussetzungen der
begehrten Hilfe verwenden § 31 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und f
SchwbG nicht den Begriff des "Arbeitsplatzes", sondern - entsprechend den Worten
"Arbeit, Beruf" in der Gesetzesüberschrift - den weiten Begriff des "Arbeits- und Be-
rufslebens". Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SchwbG obliegt der Hauptfürsorgestelle "die be-
gleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben"; nach Abs. 3 Satz 1 dieser Bestimmung
kann sie "im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeits- und
Berufsleben aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen
erbringen", und zwar "insbesondere" u.a. gemäß Nr. 1 "an Schwerbehinderte a) für
technische Arbeitshilfen" sowie f) "zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und
Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten ...". Der Wortlaut der genannten
Bestimmungen setzt das Vorliegen eines "Arbeitsplatzes" im Sinne des § 7 Abs. 1
SchwbG nicht voraus; den Einzelregelungen, insbesondere auch Nr. 1 Buchst. c (Hil-
fen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz), ist nicht
zu entnehmen, dass das Vorliegen eines Arbeitsplatzes im Sinne des § 7 Abs. 1
SchwbG bzw. die Versorgung mit einem solchen generell rechtliche Voraussetzung
oder Ziel einer Hilfe durch Geldleistungen wäre; in den Fällen gemäß Buchst. c liefe
dies dem ausdrücklichen Hilfeziel der beruflichen Verselbständigung zuwider.
Auch in der Systematik der Bestimmung der "Aufgaben der Hauptfürsorgestelle"
(§ 31 SchwbG) kommt eine Begrenzung der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Be-
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rufsleben auf die Versorgung Schwerbehinderter mit "Arbeitsplätzen" nicht zum Aus-
druck. Soweit nach Abs. 2 Satz 2 dieser Bestimmung darauf hingewirkt werden soll,
dass Schwerbehinderte auf "Arbeitsplätzen" beschäftigt werden, auf denen sie ihre
Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie befä-
higt werden, "sich am Arbeitsplatz … zu behaupten", und soweit der durch Gesetz
vom 29. September 2000 (BGBl I S. 1394) eingefügte § 31 Abs. 2 Satz 3 SchwbG
die Zuständigkeit der Hauptfürsorgestelle auch für befristete Voll- und für Teilzeitbe-
schäftigungsverhältnisse von mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit gerade
unabhängig von den nach § 7 Abs. 3 SchwbG engeren Voraussetzungen für einen
Arbeitsplatz bestimmt, lässt dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den
Schluss zu, dass damit generell für alle in Abs. 3 unter Nr. 1 ausdrücklich genannten
Formen der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben vom Arbeitsplatzbegriff
des § 7 SchwbG auszugehen wäre.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist Derartiges auch dem Urteil des Senats
vom 8. März 1999 - BVerwG 5 C 5.98 - (Buchholz 436.61 § 7 SchwbG Nr. 4) betref-
fend Geldleistungen an Arbeitgeber zur behinderungsgerechten Einrichtung von Ar-
beitsplätzen für Schwerbehinderte nicht zu entnehmen. Dieses Urteil befasst sich mit
Blick auf Leistungen an Arbeitgeber gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
SchwbG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SchwbAV "für die behinderungsgerechte
Einrichtung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte" mit der Stellung von Personen,
die als Organmitglieder juristischer Personen selbst Arbeitgeberfunktionen ausüben,
enthält aber keine auf die Hilfen an Schwerbehinderte übertragbaren generellen Aus-
sagen unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 SchwbG auch im
Rahmen des § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SchwbG.
Die Tätigkeit der Klägerin als Pfarrvikarin und Kirchenmusikerin bei der Beigeladenen
ist auch nicht von Verfassungs wegen von dem in § 31 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 SchwbG angesprochenen Rechtsbereich des "Arbeits- und Berufslebens" aus-
zunehmen. Zwar ist für Geistlichenämter streitig, ob sie dem Schutzbereich des
Art. 12 GG oder dem der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) zuzurechnen sind
(zur dogmatischen Einordnung der Geistlichenberufe vgl. Scholz in: Maunz-Dürig,
Kommentar zum Grundgesetz, Art. 12, Rn. 157 - 159) und wird insbesondere für ka-
tholische Geistliche die Auffassung vertreten, auf diese sei das Schwerbehinderten-
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gesetz nicht anwendbar, denn es gebe keinen staatlich regulierbaren "Arbeitsmarkt"
für katholische Geistliche und hier würden nicht "Stellen besetzt", sondern es werde
"ein Sakrament gespendet" (vgl. Rüthers in Festschrift für Wilhelm Herschel, 1982,
S. 351 ff. <365>). Nach dem gegebenen sozialen Schutzzweck des Schwerbehinder-
tengesetzes, dessen § 1 Geistliche nicht vom personalen Anwendungsbereich des
Gesetzes ausnimmt, ist für die Förderansprüche einzelner Schwerbehinderter indes
vorrangig darauf abzustellen, dass eine Tätigkeit dem Arbeits- und Berufsleben zuzu-
rechnen ist. Dies ergibt sich rechtlich daraus, dass § 7 Abs. 2 SchwbG Geistliche nur
für den Begriff des Arbeitsplatzes ausnimmt, nicht aber für die Einordnung ihrer Tä-
tigkeit in das Berufs- und Arbeitsleben. Jedenfalls für die Stelle der Klägerin bei der
Beigeladenen sind rechtliche Zweifel daran, dass es sich um eine berufliche Tätigkeit
und damit um eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeits- und Berufslebens handelt,
weder kirchlicherseits (von der Beigeladenen) vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Eine den Wortlaut einengende Auslegung des Begriffs des "Arbeits- und Berufsle-
bens" gebietet auch nicht der verfassungsrechtliche Status der Religionsgesellschaf-
ten, der gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 und 5 WRV die kirchliche Ämter-
autonomie im Sinne einer Freistellung von staatlicher Einflussnahme auf die Beset-
zung und Ausgestaltung kirchlicher Ämter gewährleistet und - wie die Vorinstanz zu-
treffend feststellt - den tragenden Grund für die Freistellung der Kirchen von der Be-
schäftigungspflicht (§ 5 SchwbG) und der Ausgleichsabgabe (§ 11 SchwbG) für ihre
geistlichen Ämter bildet. Einen unzulässigen staatlichen Eingriff in den innerkirchli-
chen Autonomiebereich durch die begehrte Förderung vermag der Senat nicht zu
erkennen. Eine Hilfegewährung berührte nicht Bereiche, die staatlicher Beeinflus-
sung - auch durch Hilfeleistungen - von vorneherein verschlossen wären. Eine Förde-
rung unter Verstoß gegen innerkirchliches Recht oder dem kirchlichen Selbstver-
ständnis zuwider vermag der Senat um so weniger zu erkennen, als die Beigeladene
das Begehren der Klägerin befürwortet. Da es sich bei der Modernisierung der blin-
dengeeigneten PC-Anlage der Klägerin und der Reparatur des Brailledruckers nach
den Feststellungen des Beklagten um förderungsfähige technische Hilfen im Sinne
des § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SchwbG und bei der Teilnahme an dem Se-
minar "Chorleitung" um eine Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweite-
rung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne der Nr. 1 Buchst. f handelt und
die Klägerin mit ihrer Tätigkeit "im Arbeits- und Berufsleben" steht, sind die gesetzli-
chen Voraussetzungen der Hilfegewährung gegeben.
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Auch aus dem Wesen der Schwerbehindertenabgabe als einer Sonderabgabe, der
die beigeladene Landeskirche für ihre Geistlichenstellen nicht unterliegt, folgt nicht,
dass die Ausstattung des Arbeitsplatzes (im funktionalen Sinne) der Klägerin und die
Förderung ihrer beruflichen Tätigkeit aus Mitteln der Ausgleichsabgabe unter abga-
berechtlichen Gesichtspunkten wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleich-
heitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unzulässig wäre. Die im Urteil zur Berufsausbildungsab-
gabe (BVerfGE 55, 274) verlangte gruppennützige Verwendung des Aufkommens
einer Sonderabgabe im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, die hier wegen
der Ausnahme der Geistlichenstellen von der Ausgleichsabgabe zweifelhaft sein
könnte, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Verfassungsmäßig-
keit der Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes über die Pflichtplatzquote
sowie über die Ausgestaltung und Verwendung der Ausgleichsabgabe (BVerfGE 57,
139) modifiziert: Diese Anforderungen beträfen "ersichtlich nur solche Abgaben, bei
denen ... das Aufkommen zumindest primär zur Finanzierung vom Gesetz bestimm-
ter Zwecke dient", was bei solchen Abgaben nicht uneingeschränkt gelte, "bei denen
nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlass zu ihrer Einführung gab"
(a.a.O. S. 167), sondern die Finanzierungsfunktion hinter anderen Funktionen zu-
rücktrete. Dies sei bei der Ausgleichsabgabe der Fall, bei der es primär auf Antriebs-
und Ausgleichsfunktion ankomme (a.a.O. S. 168 f.).
Die Frage, ob und inwieweit der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung über
die Verwendung der ihm nur in begrenztem Ausmaß zur Verfügung stehenden Mittel
auch berücksichtigen kann, in welchem Ausmaß die Beigeladene sich bei der Be-
schäftigung Schwerbehinderter auf Geistlichenstellen mit eigenen Mitteln an der Rea-
lisierung der Ziele des Schwerbehindertengesetzes beteiligt, hat der Senat nicht zu
entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3, die Gerichtskos-
tenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Dr. Säcker Schmidt Dr. Rothkegel
Dr. Franke Prof. Dr. Berlit
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Schwerbehindertenrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
SchwbG
§ 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und f ,
§ 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2
Stichworte:
- Arbeitsplatz im Sinne des Schwerbehindertengesetzes und begleitende Hilfe im
Berufsleben;
- Ausgleichsabgabe, Leistungen aus Mitteln der - zur Hilfe für Schwerbehinderte auf
Geistlichenstellen;
- begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben, Gewährung an schwer behinderte
Geistliche;
- Geistliche, Förderung von schwer behinderten - aus Mitteln der Ausgleichsabgabe.
Leitsätze:
Geldleistungen an Schwerbehinderte für technische Hilfen und zur Teilnahme an
Maßnahmen zur Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten nach § 31
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und f SchwbG im Rahmen der begleitenden Hilfe im
Arbeits- und Berufsleben setzen die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne
des § 7 SchwbG nicht voraus und können daher grundsätzlich auch Geistlichen öf-
fentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 SchwbG) bewilligt wer-
den.
Urteil des 5. Senats vom 14. November 2003 - BVerwG 5 C 13.02
I. VG Stuttgart vom 25.06.1999 - Az.: VG 8 K 244/98 -
II. VGH Mannheim vom 29.03.2001 - Az.: VGH 2 S 1565/00 -