Urteil des BVerwG vom 13.03.2003

Raumordnung, Regionalplanung, Vorrang, Ausweisung

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 4.02
Verkündet
OVG 1 A 11625/01
am 13. März 2003
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
H a l a m a , Prof. Dr. R o j a h n , G a t z und
Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 28. Februar 2002 wird
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht
zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller begehrt von der beklagten Verbandsgemeinde
die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer
Windenergieanlage (Nabenhöhe 70,5 m; Rotordurchmesser 54 m;
Leistung 1 000 KW) auf zwei Parzellen im Außenbereich der bei-
geladenen Ortsgemeinde.
Die Bauparzellen liegen im Geltungsbereich des Regionalen
Raumordnungsplans Mittelrhein-Westerwald 1988. In den Jahren
1998 bis 2000 beschloss die Planungsgemeinschaft Mittelrhein-
Westerwald drei Teilfortschreibungen des Regionalplans zu
"Standortbereichen für Windenergienutzung", die von der obers-
ten Landesplanungsbehörde genehmigt wurden. Die Teilfort-
schreibungen weisen Vorrang- und Vorbehaltsflächen für die Er-
richtung von Windenergieanlagen aus und enthalten die Zielaus-
sage, dass außerhalb der Vorrang- und Vorbehaltsbereiche die
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Errichtung von Windparks und raumbedeutsamen Windenergieanla-
gen in der Regel nicht zulässig ist. Es werden 18 Vorrangge-
biete mit insgesamt ca. 300 ha und 11 Vorbehaltsgebiete mit
insgesamt ca. 200 ha ausgewiesen. Die Bauparzellen des Klägers
liegen nicht in diesen Gebieten.
Die Beklagte lehnte den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom
19. Juni 2000 ab, weil das Vorhaben raumbedeutsam sei und ihm
öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ent-
gegenstünden: Durch die Ziele der Regionalplanung sei eine
Ausweisung für Windenergieanlagen an anderen Standorten er-
Mit seiner nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Verpflich-
tungsklage hat der Kläger u.a. geltend gemacht: Die Teilfort-
schreibungen des Regionalplans seien abwägungsfehlerhaft. Sie
liefen dem Willen des Gesetzgebers zuwider, regenerative Ener-
giequellen zu fördern. Viele der Vorrang- und Vorbehaltsgebie-
te lägen weitab von verfügbaren Stromnetzen oder könnten aus
sonstigen Gründen keiner Windenergienutzung zugeführt werden.
Die Standorte seien so klein bemessen, dass die Errichtung von
modernen 1,5 MW-Windenergieanlagen nicht möglich sei. Die
Teilfortschreibungen stellten daher eine unzulässige Verhinde-
rungsplanung dar.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach einer Ortsbesichti-
gung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung
des Klägers mit Urteil vom 28. Februar 2002 zurückgewiesen, im
Wesentlichen mit folgender Begründung:
Der geplanten Windenergieanlage stünden öffentliche Belange
gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, da der Regionalplan
Mittelrhein-Westerwald in der Fassung des letzten Genehmi-
gungsbescheides der obersten Landesplanungsbehörde für den vom
Kläger vorgesehenen Standort kein Vorrang- oder Vorbehaltsge-
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biet für die Windenergienutzung ausweise. Die geplante Anlage
sei aufgrund ihrer Dimension und ihres Standortes raumbedeut-
sam. Sie sei nach Osten und Westen weithin sichtbar und wirke
erheblich auf Raum und Landschaft ein. Hinzu komme ihre Vor-
bildwirkung für weitere Windenergieanlagen. Die Fortschreibung
des Regionalplans leide nicht an Verfahrens- oder Abwägungs-
fehlern. Die Fortschreibung in drei Stufen sei nicht zu bean-
standen. Die Windhöffigkeit potentieller Standorte, die priva-
ten Interessen der Eigentümer geeigneter Grundstücke, die
Siedlungsbereiche und die Belange des Natur- und Landschafts-
schutzes seien fehlerfrei ermittelt und abgewogen worden. Der
Einwand des Klägers, die ausgewiesenen Standorte machten unter
wirtschaftlichen Aspekten keinen Sinn, greife nicht durch. Der
Vorwurf der Verhinderungsplanung sei unbegründet. Angesichts
des großen Raums und des großen Windpotentials seien nicht zu
wenig Flächen ausgewiesen. Eine Verhinderungsplanung liege an-
gesichts der ausgewiesenen 18 Vorrangbereiche und 11 Vorbe-
haltsgebiete nicht vor. Das Planungsergebnis halte sich noch
im Rahmen des dem Plangeber zustehenden Planungsermessens, zu-
mal ein grobes Missverhältnis nicht zu Tage trete. Die Voraus-
setzungen für eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelvermu-
tung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB seien nicht erfüllt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger sein Verpflichtungsbegehren weiter. Er rügt die
Verletzung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB: Die Vorschrift greife
nicht ein, da sein Vorhaben nicht raumbedeutsam sei. Das Beru-
fungsgericht stelle auf die isolierte Wahrnehmbarkeit der ge-
planten Anlage ab und nicht auf den landschaftsästhetischen
Gesamteindruck. Bei der 1. Teilfortschreibung des Regional-
plans habe noch kein schlüssiges Planungskonzept für die Wind-
energienutzung im Plangebiet vorgelegen. Sie sei daher nichtig
und könne nicht Grundlage der 2. und 3. Teilfortschreibung
sein. Es fehle daher ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die fest-
gelegten Vorrang- und Vorbehaltsflächen für Windenergieanlagen
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seien im Verhältnis zur Gesamtfläche des Regionalplans "extrem
niedrig" bemessen. Das beruhe auf einer nur "schematischen"
Würdigung der gemeindlichen Stellungnahmen und werde der
Pflicht zur Förderung erneuerbarer Energiequellen im Elektri-
zitätsbinnenmarkt - auch vor dem Hintergrund europa- und völ-
kerrechtlicher Richtziele - nicht gerecht. Eine strikte
Rechtsbindung Privater an Zielaussagen des (fortgeschriebenen)
Regionalplans entfalle auch, weil private Rechtsträger im Pla-
nungsverfahren nicht beteiligt worden seien. Jedenfalls die
Flächen der Beigeladenen hätten nicht mit einer Ausschlusswir-
kung belegt werden dürfen.
II.
Die Revision ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil
verletzt Bundesrecht. Dem Berufungsgericht ist in der Frage,
ob den Teilfortschreibungen des Regionalplans zur Windenergie-
nutzung ein schlüssiges und ausgewogenes gesamträumliches Pla-
nungskonzept zugrunde liegt, ein Beurteilungsfehler unterlau-
fen, der zur Zurückverweisung nötigt. Ob die umstrittene Wind-
energieanlage an dem vorgesehenen Standort gemäß § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB unzulässig ist, kann mangels erforderlicher Tat-
sachenfeststellungen der Vorinstanz im Revisionsverfahren
nicht abschließend beurteilt werden und ist der tatrichterli-
chen Würdigung vorzubehalten.
Die Windenergieanlage, die der Kläger im Außenbereich der Bei-
geladenen plant, ist ein privilegiertes Außenbereichsvorhaben
im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Es ist nur zulässig,
wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Be-
lange stehen einem (raumbedeutsamen) Vorhaben nach § 35 Abs. 1
Nr. 2 bis 6 BauGB in der Regel auch dann entgegen, soweit
hierfür als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer
Stelle erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Auf diese Aus-
schlusswirkung zielen die Fortschreibungen des Regionalen
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Raumordnungsplans Mittelrhein-Westerwald zu Standorten der
Windenergienutzung.
1. Die Ausschlusswirkung, die § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an be-
stimmte Ziele der Raumordnung knüpft, gilt nur für raumbedeut-
same Vorhaben. Das ergibt sich nicht nur aus dem gesetzessys-
tematischen Zusammenhang mit der vorangehenden Regelung in
Satz 2, sondern auch aus der Eigenart raumordnerischer Ziele,
die nach der Definition in § 3 Nr. 2 ROG (1998) verbindliche
Vorgaben "zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums"
sind.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die streitbefangene Wind-
energieanlage sei raumbedeutsam, ist revisionsgerichtlich
nicht zu beanstanden. Raumbedeutsam ist u.a. ein Vorhaben,
durch das die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebie-
tes beeinflusst wird (vgl. § 3 Nr. 6 ROG). Ob eine einzelne
Windenergieanlage in diesem Sinne raumbedeutsam ist, beurteilt
sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls. Die
Raumbedeutsamkeit einer Einzelanlage kann sich insbesondere
aus ihren Dimensionen (Höhe, Rotordurchmesser), aus ihrem
Standort oder aus ihren Auswirkungen auf bestimmte Ziele der
Raumordnung (Schutz von Natur und Landschaft, Erholung und
Fremdenverkehr) ergeben. Das Berufungsgericht hat sich die
nach einer Ortsbesichtigung gewonnene Einschätzung des Verwal-
tungsgerichts zu Eigen gemacht, dass die vom Kläger geplante
Anlage wegen ihrer Größe und wegen der vom Standort aus beste-
henden Fernsicht erheblich auf den Raum und seine Landschaft
einwirke und deshalb raumbedeutsam sei. An diese tatsächliche
Würdigung ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2
VwGO). Zulässige und begründete Verfahrensrügen hat der Kläger
insoweit nicht erhoben.
Das Berufungsgericht hat die Raumbedeutsamkeit der Anlage
selbständig entscheidungstragend auch darauf gestützt, dass
- 7 -
der vorgesehene Standort die Möglichkeit zur Aufstellung wei-
terer Windenergieanlagen biete und deshalb (negative) Vorbild-
wirkung besitze. Die Begründung weckt rechtliche Zweifel. Die
Frage, ob ein Vorhaben wegen negativer Vorbildwirkung raumbe-
deutsam ist, ist nur entscheidungserheblich, wenn das Vorhaben
isoliert betrachtet dieses Kriterium nicht erfüllt und Grund
für die Annahme besteht, in der Umgebung könnten weitere Anla-
gen zur Genehmigung gestellt werden. Feststellungen der Vorin-
stanz hierzu fehlen. Eine raumordnungsrechtliche Gesamtbe-
trachtung für sich genommen nicht raumbedeutsamer Windenergie-
anlagen kann gerechtfertigt sein, wenn mehrere Anlagen in ei-
nem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang errichtet
werden sollen. Sie können zu einer raumbedeutsamen Einheit zu-
sammenwachsen. Bestehen diese Voraussetzungen nicht, bietet
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keine Handhabe, die Genehmigung einer
nicht raumbedeutsamen Anlage allein wegen einer "Vorbildwir-
kung" für weitere Anlagen zu versagen. Es bleibt die Möglich-
keit, die Anträge auf Genehmigung weiterer Anlagen mit der Be-
gründung abzulehnen, dass sie zusammen mit der bereits geneh-
migten Anlage die Schwelle zur Raumbedeutsamkeit überschreiten
und deshalb nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unzulässig sind.
2. Bei der Frage, ob die windenergiebezogenen Teilfortschrei-
bungen des Regionalplans Mittelrhein-Westerwald die rechtli-
chen Anforderungen an Ziele der Raumordnung im Sinne von § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB erfüllen, ist in Anknüpfung an das Urteil
des erkennenden Senats vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C
15.01 - (zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) von fol-
genden Grundsätzen auszugehen:
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt die Errichtung von Windener-
gieanlagen (sowie anderer Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2
bis 6 BauGB) im gemeindlichen Außenbereich unter einen Pla-
nungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flä-
chennutzungsplanung und an die Träger der Raumordnungsplanung,
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insbesondere der Regionalplanung, richtet. Der Planungsvorbe-
halt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über
die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Stand-
orten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an
anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben
wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegun-
gen rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit
der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen in
der Regel unzulässig sind.
Die negative und die positive Komponente der festgelegten Kon-
zentrationszonen bedingen einander. Der Ausschluss der Anlagen
auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Ge-
setzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass
sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber kon-
kurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein
schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen,
das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Ab-
wägungsgebots gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen
Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausge-
schlossenen Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungs-
vorgabe, der zufolge ein Planungsträger der Windenergienutzung
im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rech-
nung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu
entnehmen. Eine gezielte (rein negative) "Verhinderungspla-
nung" ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die Entschei-
dung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu
privilegieren (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), beachten und für die
Windenergienutzung im Plangebiet in substantieller Weise Raum
schaffen. Eine "Verhinderungsplanung" liegt allerdings nicht
schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen
im Ergebnis zu einer Art Kontingentierung der Anlagenstandorte
führt.
- 9 -
3. Die Überprüfung der windenergiebezogenen Fortschreibungen
des Regionalplans durch das Berufungsgericht steht in weiten
Teilen im Einklang mit diesen Grundsätzen.
3.1 Die drei Fortschreibungen des Regionalplans legen jeweils
Vorranggebiete für die Windenergienutzung fest, in denen ande-
re Nutzungen ausgeschlossen sind, soweit diese mit der Wind-
energienutzung nicht vereinbar sind. Sie enthalten ferner Vor-
behaltsbereiche, in denen bei der Abwägung mit konkurrierenden
Nutzungsansprüchen der langfristigen, vorsorglichen Sicherung
der Windenergienutzung ein besonderes Gewicht beigemessen wer-
den soll. Hierzu wird bestimmt, dass außerhalb der Vorrang-
und Vorbehaltsbereiche die Errichtung von Windparks und raum-
bedeutsamen Windenergieanlagen in der Regel unzulässig ist.
Der Träger der Regionalplanung ist bei diesen Gebietsumschrei-
bungen begrifflich und inhaltlich den Vorgaben in § 7 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 und 2 ROG 1998 gefolgt und hat zugleich von der
im nachfolgenden Satz 2 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch ge-
macht, Vorranggebiete mit einer gebietsexternen Ausschlusswir-
kung zu verbinden; die festgelegten Vorbehaltsgebiete werden
von dieser Ausschlusswirkung räumlich ausgenommen. Bei Fort-
schreibung des Regionalplans waren die rahmenrechtlichen Vor-
schriften des Raumordnungsgesetzes 1998 zwar noch nicht in das
Landesplanungsrecht umgesetzt. Das Landesplanungsgesetz
- LPlG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung planungs-
rechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1994 (GVBl Rh-Pf
S. 461) enthält keine vergleichbaren Regelungen. Die boden-
rechtliche Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vermag die
erforderliche raumordnungsrechtliche Ermächtigung zur Festle-
gung von Konzentrationsflächen auch nicht zu ersetzen. Eine
spezielle landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist jedoch
nicht erforderlich, wenn sich aus dem übrigen Landesplanungs-
recht hinreichend bestimmt ableiten lässt, dass der Landesge-
setzgeber auch Konzentrationsentscheidungen im Sinne von § 35
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Abs. 3 Satz 3 BauGB hat zulassen wollen. Das Berufungsgericht
sieht die Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung von "Zie-
len mit negativ-planerischer Funktion" in § 12 Abs. 1 und 3
LPlG in Verbindung mit den §§ 2 und 10 LPlG. An diese Ausle-
gung des irrevisiblen Landesrechts ist das Revisionsgericht
gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).
3.2 Nach Ansicht des Berufungsgerichts fügen sich die drei
Teilfortschreibungen des Regionalplans zur Windenergienutzung
mit ihren positiven und negativen Aussagen zu einem abschlie-
ßenden gesamträumlichen Planungskonzept zusammen. Prüfungsge-
genstand der (inzidenten) Normenkontrolle ist nicht allein die
3. Teilfortschreibung. Das zeigt die in den Urteilsgründen ge-
genüber den Ausschlussflächen positiv herausgestellte Gesamt-
bilanz aller in den drei Teilfortschreibungen festgelegten
Vorrang- und Vorbehaltsgebiete.
Die rechtliche Gesamtbetrachtung rechtfertigt sich nach An-
sicht der Vorinstanz aus dem zeitlichen und inhaltlichen Zu-
sammenhang der Teilfortschreibungen, die aufeinander aufbauen.
Das Berufungsgericht wertet die drei Fortschreibungen offen-
sichtlich als Zwischenschritte in einem übergreifenden Abwä-
gungsvorgang und fasst sie als Gesamtergebnis zusammen. Dieser
rechtliche Ansatz betrifft wiederum die Auslegung irrevisiblen
Landesrechts und beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung
des gesamten Planungsverfahrens. Er ist für das Revisionsge-
richt bindend.
Dahinstehen kann daher, ob die Ansicht der Revision zutrifft,
die im Dezember 1998 genehmigte 1. Teilfortschreibung sei ohne
schlüssiges Planungskonzept erfolgt und nichtig; sie habe da-
her weder für sich betrachtet noch gemeinsam mit den weiteren
Teilfortschreibungen den vom Kläger vorgesehenen Anlagenstand-
ort ausschließen können. Die Frage ist nicht entscheidungser-
heblich, weil nach Ansicht des Berufungsgerichts jedenfalls
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die drei Teilfortschreibungen zusammen betrachtet eine schlüs-
sige Gesamtkonzeption erkennen lassen. Prozessrechtlich stellt
die Vorinstanz damit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ab. Das ist
auch im Hinblick auf den vom Kläger verfolgten Verpflichtungs-
antrag gerechtfertigt.
Der Revision ist allerdings einzuräumen, dass einzelne Teil-
fortschreibungen eines Regionalplans, die jeweils Vorrangge-
biete für Windenergieanlagen festlegen, erst dann die ange-
strebte Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erlan-
gen können, wenn sie für sich oder im Zusammenhang betrachtet
Ausdruck einer schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzeption
sind. Dem Träger der Regionalplanung steht es zwar frei, ein
so umfangreiches Abwägungsprogramm wie die erstmalige gesamt-
räumliche Auswahl und Zuordnung der Standortbereiche für die
Windenergienutzung in mehreren Planungsschritten zu bewälti-
gen. Teilfortschreibungen, die (noch) kein vollständiges aus-
gewogenes Gesamtkonzept der Konzentrationsflächen ("Positiv-
und Negativflächen") im Plangebiet erkennen lassen, weil die-
ses noch in der Entwicklung begriffen ist, können die Aus-
schlusswirkung von Vorranggebieten jedoch nicht für sich in
Anspruch nehmen; in diesem Fall bleiben festgelegte Vorrangge-
biete bis zur Erstellung einer gesamträumlichen Konzeption auf
den innergebietlichen Vorrang der Windenergienutzung be-
schränkt.
3.3 Die Revision hält dem Berufungsgericht vor, es habe über-
sehen, dass die Teilfortschreibungen des Regionalplans insge-
samt rechtswidrig und unwirksam seien, weil Anzahl und Größe
der festgelegten Vorrangflächen für die Windenergienutzung un-
ter Außerachtlassung der "europarechtlichen und völkerrechtli-
chen Hintergründe der Privilegierung von Windenergievorhaben"
zu gering ausgefallen seien:
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In der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeu-
gung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnen-
markt (ABl. EG Nr. L 283 vom 27. Oktober 2001 S. 33) seien
konkrete Handlungsschritte aufgezeigt, um auf nationaler Ebene
das Richtziel von 12 v.H. für den Anteil erneuerbarer Ener-
giequellen am Bruttoinlandsenergieverbrauch in der Gemein-
schaft als Ganzes bis zum Jahr 2010 zu erreichen. Eine ent-
sprechende Verpflichtung der Bundesrepublik bestehe ferner
nach der Unterzeichnung des Protokolls von Kyoto vom 11. De-
zember 1997 (BGBl 2002 II S. 967) zum Rahmenübereinkommen der
Vereinten Nationen vom 9. Mai 1992 über Klimaänderungen
(BGBl 1993 II S. 1783). Daraus folge ein "faktischer Zwang"
zur Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung. Die
Bundesländer seien aufgerufen, sich bundestreu zu verhalten.
Wenn sie so restriktiv planten wie die Planungsgemeinschaft
Mittelrhein-Westerwald, könne der Bund seine europa- und völ-
kerrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllen. Der Ausbau der
Windenergie in Rheinland-Pfalz müsse daher noch erheblich über
die Vorrangflächen im Regionalplan Mittelrhein–Westerwald und
in den anderen Regionalplänen des Landes hinausgehen.
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg.
Mit der Annahme des Protokolls von Kyoto hat die Dritte Konfe-
renz der Vertragsstaaten des Klimarahmenabkommens von 1992
zwar erstmals verbindliche, quantitative Zielvorgaben und Um-
setzungsinstrumente für die Reduktion von klimaschädlichen
Treibhausgasen beschlossen. Die in Anhang I genannten In-
dustriestaaten verpflichten sich, die für sie festgelegten
Emissionsreduktionsziele zu erfüllen. Der Deutsche Bundestag
hat dem Kyoto-Protokoll mit Vertragsgesetz vom 27. April 2002
(BGBl II S. 966) zugestimmt. Das Protokoll ist jedoch bisher
völkerrechtlich nicht in Kraft getreten. Die Privilegierung
der Windenergieanlagen in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verfolgt
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zwar den Zweck, den Anteil erneuerbarer Energien an der Ener-
gieversorgung aus klimaschutz-, energie- und umweltpolitischen
Gründen zu steigern und den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken
(vgl. BTDrucks 13/4978, S. 1, 6) und dient insoweit auch den
Reduzierungszielen des Protokolls von Kyoto. Das Protokoll
schreibt jedoch weder die bestmögliche Förderung der Windener-
gie vor noch legt es konkrete innerstaatliche Umsetzungsstra-
tegien fest. Die Handlungskonzepte und Prioritäten nationaler
Klimaschutzpolitik umfassen sehr vielfältige Maßnahmen und In-
strumente (vgl. H.-J. Koch/J. Caspar , Klimaschutz im
Recht, 1997; H.-J. Koch/R. Verheyen, NuR 1999, 1 - m.w.N.).
Quantitative Zielvorgaben in Gestalt vertraglich vereinbarter
Richtwerte können zwar - auch im Vorgriff auf ihr völkerrecht-
liches In-Kraft-Treten - als Abwägungskriterien in der Planung
richtungsweisende Bedeutung erlangen. Den Trägern der Landes-
und Regionalplanung bleibt es ebenso wie den Gemeinden unbe-
nommen, im Rahmen der gesamträumlichen und der städtebaulichen
Entwicklung und Ordnung mit ihrem planungsrechtlichen Instru-
mentarium Klimaschutzpolitik zu betreiben. Eine Planung ist
aber nicht schon deshalb abwägungsfehlerhaft, weil bei einer
großzügigeren Ausweisung von Standorten für die Windenergie-
nutzung die im Klimaschutzabkommen festgelegten nationalen Re-
duktionsziele schneller erreichbar wären. Der Planungsvorbe-
halt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB trägt dem Klimaschutz Rech-
nung, indem er Windenergieanlagen im Außenbereich zulässt, oh-
ne auf den gebotenen Schutz des Außenbereichs zu verzichten
(vgl. BTDrucks 13/4978, S. 7).
Auf die Richtlinie 2001/77/EG kann die Unwirksamkeit der um-
strittenen Fortschreibungen des Regionalplans ebenfalls nicht
gestützt werden. Abgesehen davon, dass die Standortbereiche
für die Windenergienutzung vor dem Erlass der Richtlinie be-
schlossen und genehmigt worden sind und die Frist für ihre Um-
setzung bis zum 27. Oktober 2003 läuft (Art. 9 Abs. 1 der
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Richtlinie), überlässt die Richtlinie es den Mitgliedstaaten,
"geeignete Maßnahmen" zu ergreifen, um die Steigerung des
Verbrauchs von Strom aus erneuerbaren Energiequellen entspre-
chend den festgelegten nationalen Richtzielen zu fördern
(Art. 1 und 3 Abs. 1; vgl. hierzu V. Oschmann, Strom aus er-
neuerbaren Energien im Europarecht, 2002, S. 65 ff., 90 ff.).
Die Richtlinie soll das ungestörte Funktionieren der unter-
schiedlichen nationalen Förderungssysteme (z.B. Investitions-
beihilfen, Steuererleichterungen, direkte Preisstützung) ge-
währleisten, damit das Vertrauen der Investoren erhalten
bleibt, bis ein gemeinschaftsrechtlicher Rahmen für den Markt
für erneuerbare Energiequellen geschaffen worden ist (Erwä-
gungsgrund 14). Zu den erneuerbaren nichtfossilen Energiequel-
len zählen neben Wind auch Sonne, Erdwärme, Wellen- und Gezei-
tenenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und
Biogas (Art. 2 Buchst. a).
Der Revision mag darin zuzustimmen sein, dass die Substitution
der Windenergie durch andere nichtfossile Energiequellen in
Deutschland nur begrenzt möglich ist. Es mag auch zutreffen,
dass die Förderung der Windenergie auf die planungsrechtliche
Festlegung von Konzentrationsflächen im Sinne von § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB angewiesen ist, um einen erheblichen Beitrag zur
Verwirklichung des deutschen Richtziels (12,5 v.H. für den An-
teil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen am Bruttostrom-
verbrauch bis zum Jahre 2010, vgl. den Referenzwert im Anhang
der Richtlinie) leisten zu können. Es fehlt jedoch an einer
verbindlichen prozentualen Aufteilung des nationalen Richt-
ziels auf die einzelnen Bundesländer, wie sie der Revision
vorschwebt. Auf der Grundlage der vorinstanzlichen Feststel-
lungen muss der Senat auch davon ausgehen, dass es auf der
Ebene der Landesplanung keine verbindlichen Bedarfsprognosen
oder andere Vorgaben zur Anzahl und zum Umfang von Konzentra-
tionsflächen in den regionalen Planungsräumen gibt, an denen
die Standortbereiche für Windenergieanlagen im Regionalplan
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Mittelrhein-Westerwald gemessen werden könnten.
3.4 Die Revision macht schließlich geltend, dass die Ziele der
Raumordnung die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angeordnete Aus-
schlusswirkung gegenüber privaten Grundstückseigentümern nur
dann entfalten könnten, wenn diese an der Zielaufstellung be-
teiligt worden seien. Die Festlegung von Ausschlussgebieten
berühre die privaten Rechtsträger, die auf windhöffigen Flä-
chen im Geltungsbereich des Regionalplans die Errichtung und
den Betrieb von Windenergieanlagen beabsichtigten, in ihren
Grundrechten aus Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG. Das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2001 - BVerwG 4 C
4.00 - (BVerwGE 115, 17 - Gipsabbau in einem Gebiet mit Vor-
rang für den Landschaftsschutz) bestätige die Grundrechtsrele-
vanz der Raumordnung. Da Private an den Teilfortschreibungen
des Regionalplans Mittelrhein-Westerwald nicht beteiligt wor-
den seien, könne § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB das Vorhaben des
Klägers nicht ausschließen.
Das Berufungsgericht stellt hierzu fest, dass das Landespla-
nungsgesetz 1994 die Beteiligung betroffener Grundeigentümer
oder Anlagenbetreiber an der Aufstellung und Fortschreibung
von Raumordnungsplänen nicht vorsieht. Zwischen den Beteilig-
ten besteht Einigkeit darüber, dass eine derartige Beteiligung
auch nicht erfolgt ist. Die Folgerungen, welche die Revision
daraus ableitet, überzeugen jedoch nicht. Das ergibt sich aus
den folgenden Erwägungen:
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB macht die Zulässigkeit privilegierter
Außenbereichsvorhaben (u.a.) ausdrücklich von den positiven
und negativen Zielaussagen raumordnerischer Konzentrationsent-
scheidungen abhängig. Ziele der Raumordnung besitzen zwar
grundsätzlich keine rechtliche Außenwirkung gegenüber dem pri-
vaten Einzelnen; ihr Geltungsanspruch richtet sich an öffent-
liche Planungsträger und Personen des Privatrechts, die raum-
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bedeutsame Planungen und Maßnahmen in Wahrnehmung öffentlicher
Aufgaben vornehmen (vgl. § 4 Abs. 1 und 2 ROG 1998). Der Ge-
setzgeber verleiht den raumordnerischen Konzentrationsent-
scheidungen jedoch mit der Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB über ihren raumordnungsrechtlichen Wirkungsbereich hi-
naus die Bindungskraft von Vorschriften, die Inhalt und
Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG
näher bestimmen. Das steht im Einklang mit § 4 Abs. 5 ROG
1998, nach dem weitergehende Bindungswirkungen der Erforder-
nisse der Raumordnung aufgrund von Fachgesetzen unberührt
bleiben, und wirkt sich auf das raumordnerische Abwägungspro-
gramm aus.
In die Abwägung sind alle öffentlichen und privaten Belange
einzustellen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene
(Landes- oder Regionalplanung) erkennbar und von Bedeutung
sind (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 2 ROG 1998). Bei der Festlegung von
Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung für die Windenergienut-
zung gehören zum Abwägungsmaterial auch die privaten Belange
der Eigentümer zur Windenergienutzung geeigneter Flächen. Die
Aufgaben der Raumordnung als einer zusammenfassenden, überge-
ordneten Planung, ihre weiträumige Sichtweise und ihr Rahmen-
charakter berechtigen den Planungsträger allerdings dazu, das
Privatinteresse an der Nutzung der Windenergie auf geeigneten
Flächen im Planungsraum verallgemeinernd zu unterstellen und
als typisierte Größe in die Abwägung einzustellen. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist bei den windenergie-
bezogenen Fortschreibungen des Regionalplans so verfahren wor-
den. Dabei durfte der Träger der Regionalplanung auch berück-
sichtigen, dass die Privatnützigkeit der Flächen, die von der
Ausschlusswirkung der Konzentrationsentscheidung erfasst wer-
den, zwar eingeschränkt, aber nicht beseitigt wird. Ein Eigen-
tümer muss es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm eine mögli-
cherweise rentablere Nutzung seines Grundstücks verwehrt wird.
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Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des
Eigentums (BVerfGE 100, 226 <242 f.>).
Die Ausschlusswirkung der in einem Regionalplan festgelegten
Vorranggebiete steht einem gebietsexternen Windenergievorhaben
überdies nicht strikt und unabdingbar, sondern nach § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB (nur) "in der Regel" entgegen. Der Pla-
nungsvorbehalt steht also unter einem gesetzlichen "Ausnahme-
vorbehalt", der die Möglichkeit zur Abweichung in atypischen
Einzelfällen eröffnet (vgl. auch Senatsurteil vom 17. Dezember
2002 - BVerwG 4 C 15.01 - a.a.O.). Dieser "Ausnahmevorbehalt"
stellt ein Korrektiv dar, das unverhältnismäßigen (unzumutba-
ren) Beschränkungen des Grundeigentümers in Sonderfällen vor-
beugt, ohne dass die Grundzüge der Planung in Frage gestellt
werden. Damit ist den grundrechtlichen Bedenken der Revision
ausreichend Rechnung getragen. Im Streitfall bestehen keine
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Sondersituation, die ei-
ne Abweichung von den Steuerungszielen des Regionalplans
rechtfertigen könnte.
Das Senatsurteil vom 19. Juli 2001 - BVerwG 4 C 4.00 - a.a.O.
hilft der Revision nicht weiter. Es betrifft § 35 Abs. 3
Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 (= § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1
BauGB 1998), der bestimmte, dass raumbedeutsame Vorhaben den
Zielen der Raumordnung und Landesplanung nicht widersprechen
dürfen. Der Senat hat entschieden, dass diese Vorschrift den
Zielen der Raumordnung und Landesplanung bei der Entscheidung
über die Zulässigkeit eines raumbedeutsamen Außenbereichsvor-
habens keinen strikten und unabdingbaren Geltungsanspruch ver-
lieh. Ob ein Vorhaben einem Raumordnungsziel im Sinne dieser
Norm widerspreche, sei von der Genehmigungsbehörde aufgrund
einer "nachvollziehenden" (gerichtlich uneingeschränkt über-
prüfbaren) Abwägung zu entscheiden, in der das konkrete Vorha-
ben den berührten raumordnerischen Zielen gegenüberzustellen
sei. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass auf
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andere Weise unverhältnismäßige Beschränkungen des Eigentums
aufgrund besonderer (atypischer) Umstände des Einzelfalls, die
auf der Ebene der Landes- oder Regionalplanung nicht erkennbar
oder nicht bedeutsam waren, nicht abzuwenden wären. Eine Über-
tragung dieser Entscheidung auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB be-
darf es nicht, weil diese Vorschrift einen "Ausnahmevorbehalt"
enthält, der eine strikte und unabdingbare Durchgriffswirkung
der Ziele der Raumordnung auf die Ebene der Vorhabenzulassung
von vornherein ausschließt.
4. Mit Bundesrecht nicht in jeder Hinsicht vereinbar sind die
Erwägungen, die das Berufungsgericht zu dem Ergebnis führen,
der Träger der Regionalplanung habe der Windenergienutzung
Raum geschaffen, ohne sich dem Vorwurf einer unzulässigen
"Verhinderungsplanung" auszusetzen.
4.1 Der Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht habe in ak-
tenwidriger Weise verkannt, dass der Planungsträger die ge-
meindlichen Stellungnahmen zu seinem Plankonzept "nur schema-
tisch gewürdigt" und zahlreiche Flächen infolge eines "ge-
meindlichen Wunschkonzerts" ohne Überprüfung ihrer grundsätz-
lichen Geeignetheit aus sachfremden Gründen als Vorrang- bzw.
Vorbehaltsflächen ausgeschlossen habe, ist allerdings auf der
Grundlage der tatsächlichen und für das Revisionsgericht bin-
denden Feststellungen der Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Teilfortschreibungen des Regionalplans selbst enthalten
freilich keine Begründung, auf deren Grundlage sich die Ausge-
wogenheit der Planung von Anlagenstandorten und Ausschlussflä-
chen beurteilen ließe. Sie beschränken sich auf die schlichte
Aussage, die Ausschlussflächen ergäben sich "aus dem Kon-
zentrationsgebot von Windenergieanlagen auf geeignete Stand-
ortbereiche und der erfolgten flächendeckenden Prüfung aller
aufgrund der Windhöffigkeit in Betracht kommenden Standorte".
Angesichts dieses Begründungsdefizits hat das Berufungsgericht
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die Verfahrensakten der Planungsgemeinschaft Mittelrhein–
Westerwald überprüft und festgestellt, im Rahmen der "Potenti-
alflächenfindung" in der gesamten Region seien geeignete
Standortbereiche unter Berücksichtigung einer ausreichenden
Windhöffigkeit sowie der Abstandserfordernisse bei Siedlungs-
bereichen und Naturschutzgebieten ermittelt worden. Die Ver-
fahrensakten belegten, dass potentiell geeignete Bereiche nur
aus sachlichen Aspekten (z.B. aus Landschafts- und Natur-
schutzgründen) ausgeklammert worden seien. Die oberste Pla-
nungsbehörde habe darauf geachtet, dass geeignete Flächen
nicht grundlos ausgeschieden würden, in Zweifelsfällen nachge-
fragt und nur eine nachvollziehbare Begründung für die Ableh-
nung von Flächenausweisungen akzeptiert. Die Revision ist an-
derer Ansicht, erhebt aber keine zulässigen und begründeten
Aufklärungsrügen. Der Vorwurf aktenwidriger Feststellungen
bleibt unsubstantiiert.
4.2 Den vom Kläger erhobenen Vorwurf der "Verhinderungspla-
nung" weist die Vorinstanz zunächst mit der Erwägung zurück,
dieses Argument greife nur, wenn das gesamte Plangebiet im We-
ge einer bloßen "Negativplanung" für alle Windenergieanlagen
gesperrt worden wäre. Damit wird jedoch nur ein (hier nicht
gegebener) Extremfall bezeichnet, der den planungsrechtlichen
Schranken bei der Ausweisung von Konzentrationsflächen im Sin-
ne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht vollständig gerecht
wird. Das sieht das Berufungsgericht im Ansatz ebenso. Es
tritt daher dem Einwand des Klägers, angesichts der Größe des
Planungsraums und seines großen Windpotentials weise der Regi-
onalplan zu wenig Flächen für die Windenergienutzung aus, mit
der Begründung entgegen, mit der Ausweisung von 18 Vorrangge-
bieten und 11 Vorbehaltsgebieten halte sich das Planungsergeb-
nis noch im Rahmen des dem Plangebers zustehenden Planungser-
messens, zumal ein "grobes Missverhältnis" nicht zu Tage tre-
te.
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Das Berufungsgericht legt dabei eine Flächenbilanz zugrunde,
die den Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an ein aus-
gewogenes Verhältnis von Positiv- und Negativflächen im Pla-
nungsraum nicht genügt. Der Gesetzgeber knüpft die Ausschluss-
wirkung an das Erfordernis einer Ausweisung durch Ziele der
Raumordnung an anderer Stelle. Damit trägt er seiner Privile-
gierungsentscheidung in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB Rech-
nung. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002
ausgeführt hat, lässt sich das Zurücktreten der Privilegierung
in Teilen des Plangebiets nach der Wertung des Gesetzgebers
nur rechtfertigen, wenn der Planungsträger sicherstellt, dass
sich die privilegierten Vorhaben an anderer Stelle gegenüber
konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Der Planungsträger muss
der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tra-
gen, indem er der privilegierten Nutzung in substantieller
Weise Raum schafft. Nur auf diese Weise kann er den Vorwurf
einer unzulässigen "Negativplanung" entkräften.
Wo die Grenze zur unzulässigen "Negativplanung" verläuft,
lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Ob diese Grenze über-
schritten ist, kann nur angesichts der tatsächlichen Verhält-
nisse im jeweiligen Planungsraum entschieden werden. Entgegen
der Revision ist allein der Umstand, dass der Träger der Regi-
onalplanung den gesamten Außenbereich einzelner Gemeinden zur
Ausschlussfläche erklärt hat, noch kein Indiz für eine "Ver-
hinderungsplanung". Die Sperrung eines oder mehrerer Außenbe-
reiche für die Windenergienutzung kann aus Sicht der Regional-
planung, die großräumigen und übergreifenden Leitvorstellungen
der Raumentwicklung verpflichtet ist und wirtschaftliche An-
sprüche mit den sozialen und ökologischen Erfordernissen der
Siedlungs- und Freiraumstruktur in Einklang zu bringen hat
(vgl. §§ 1 und 2 ROG), gerechtfertigt sein, um die Errichtung
von Windkraftanlagen im Planungsraum so zu steuern, dass das
übergemeindliche Konzept zum Tragen kommt.
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Die gesetzgeberische Konzeption verbietet es jedoch, in der
Bilanz der Positiv- und Negativflächen Vorbehaltsgebiete im
Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ROG als Positivausweisung zu
werten. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setzt insoweit Erfordernisse
der Raumordnung voraus, die Zielcharakter besitzen. Nur so ist
sichergestellt, dass sich die privilegierte Nutzung an dem ihr
zugewiesenen Standort gegenüber konkurrierenden Nutzungen
durchsetzt. Vorbehaltsgebiete bieten diese Gewähr nicht. Sie
entfalten typischerweise eine geringere Steuerungskraft. Sie
wirken als Gewichtungsvorgaben auf nachfolgende Abwägungs-
oder Ermessensentscheidungen ein und dürfen durch öffentliche
oder private Belange von höherem Gewicht überwunden werden.
§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ROG ordnet sie daher den Grundsätzen
und nicht den Zielen der Raumordnung zu. Das Raumordnungsge-
setz sieht folgerichtig auch nicht vor, dass Vorbehaltsgebiete
mit einer Ausschlusswirkung auf anderen Flächen verbunden wer-
den können. Dieses Privileg genießen nach der Konzeption des
Bundesgesetzgebers nur Vorrang- und Eignungsgebiete. Den Lan-
desgesetzgebern steht es allerdings frei, in Ausfüllung des
Rahmenrechts Gebietstypen mit Zielcharakter einzuführen oder
zuzulassen, die in ihrer gebietsinternen Durchsetzungskraft
und Steuerungswirkung Vorrang- oder Eignungsgebieten gleich-
kommen und deshalb in der Flächenbilanz bei der Anwendung von
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als Positivausweisung berücksichtigt
werden können.
Im vorliegenden Fall ist die Gesamtfläche der Vorbehaltsgebie-
te im Vergleich zur Gesamtfläche der Vorranggebiete nicht un-
erheblich. Den Erwägungen des Berufungsgerichts ist nicht zu
entnehmen, dass es einen Abwägungsfehler auch dann verneint
hätte, wenn es die Vorbehaltsgebiete aus der Vergleichsbe-
trachtung ausgeklammert hätte. Seine Angaben zur Größe einzel-
ner Vorranggebiete und zu ihrem Gesamtumfang sind für sich be-
trachtet, aber auch in Relation zur Gesamtfläche des für die
Windenergienutzung grundsätzlich geeigneten Planungsraumes
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(2 576 Standorte mit einer Gesamtfläche von 276,5 qkm) nicht
hinreichend aussagekräftig, um dem erkennenden Senat die Ent-
scheidung darüber zu ermöglichen, ob die ausgewiesenen
18 Vorranggebiete mit etwa 300 ha das für die Positivauswei-
sung im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erforderliche Ei-
gengewicht in der Planungsregion besitzen oder in einem "gro-
ben Missverhältnis" zum Umfang der Ausschlussflächen stehen.
Auf die Anzahl der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang
erwähnten bereits genehmigten oder errichteten Windenergiean-
lagen in der Planungsregion kommt es bei der Gegenüberstellung
von Positivausweisungen und Ausschlussflächen nicht an. Das
nötigt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Paetow Halama Rojahn
Richter am Bundes- Jannasch
verwaltungsgericht Gatz
ist wegen Urlaubs gehindert
zu unterschreiben.
Paetow
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfah-
ren auf 37 500 € festgesetzt.
Paetow Halama Rojahn
Richter am Bundes- Jannasch
verwaltungsgericht Gatz
ist wegen Urlaubs gehindert
zu unterschreiben.
Paetow
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Bauplanungsrecht
Fachpresse:
ja
Raumordnungsrecht
Rechtsquellen:
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
ROG § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2
Stichworte:
Regionalplanung; Windenergienutzung; Vorrang- und Vorbehalts-
gebiete; Ausschluss von Windenergieanlagen; Klimaschutzziele;
Eigentumsschutz.
Leitsätze:
1. Mehrere Teilfortschreibungen eines Regionalplans, die je-
weils Vorranggebiete für Windenergieanlagen festlegen, können
die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erst ent-
falten, wenn sie sich zu einer schlüssigen gesamträumlichen
Planungskonzeption zusammenfügen.
2. Die Standortplanung von Windenergieanlagen ist nicht schon
deshalb abwägungsfehlerhaft, weil bei einer großzügigeren Aus-
weisung von Standorten völker- oder europarechtliche Klima-
schutzziele schneller zu erreichen wären.
3. Die Ausschlusswirkung des Planungsvorbehalts in § 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar (im Anschluss
an BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 -).
4. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verbietet es, in der Bilanz der
Positiv- und Negativflächen Vorbehaltsgebiete im Sinne von § 7
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ROG als Positivausweisung zu werten.
5. Dem Träger der Regionalplanung ist es nicht verwehrt, die
Windenergienutzung im gesamten Außenbereich einzelner Gemein-
den auszuschließen.
Urteil des 4. Senats vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02
I. VG Koblenz vom 24.07.2001 - Az.: VG 1 K 626/01.KO -
II. OVG Koblenz vom 28.02.2002 - Az.: OVG 1 A 11625/01 -