Urteil des BVerwG vom 24.09.2009

Juristische Person, Privatisierung, Abtretung, Verfügungsbefugnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 9.09
VG 30 A 941.05
Verkündet
am 24. September 2009
Jesert
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette, Liebler,
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und Buchheister
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. August
2008 wird geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Klä-
gerin gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Zahlung
eines Geldbetrages in Höhe des Erlöses aus dem Verkauf
des Flurstücks … der Flur … der Gemarkung M. hat. In-
soweit wird der Bescheid des Bundesamts zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 31. August 2005 aufgeho-
ben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Aus-
nahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst trägt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr der Erlös aus dem Verkauf des
Flurstücks … der Flur … der Gemarkung Magdeburg durch die Beigeladene zu-
steht.
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Das 1 349 m
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große Grundstück stand im Eigentum der Stadtgemeinde M., be-
vor es in Volkseigentum umgeschrieben wurde. Letzter Rechtsträger war der
VEB Straßen- und Tiefbaukombinat, der nach § 11 Abs. 2 des Treuhandgeset-
zes - TreuhG - in die Straßen- und Tiefbau GmbH M. umgewandelt wurde.
Durch notariellen Vertrag vom 12. November 1991 verkaufte diese GmbH das
Grundstück zusammen mit drei weiteren Flurstücken an die GbR …; gleichzei-
tig wurde die Auflassung erklärt. Am 21. November 1991 veräußerte die Beige-
ladene - seinerzeit noch unter dem Namen Treuhandanstalt - ihre Anteile an der
GmbH an eine private Erwerberin. Die Abtretung der Anteile war aufschiebend
bedingt durch die Zahlung eines Teilkaufpreises, der am 2. Januar 1992 bei der
Beigeladenen einging. Ausweislich des Vertrages wurde bei der Bemessung
des Kaufpreises berücksichtigt, dass vor dem Verkauf einige Grundstücke,
darunter das hier betroffene, „aus dem Vermögen der Gesellschaft
herausgenommen worden“ waren. Diese Grundstücke waren mit einem
weiteren, ebenfalls am 21. November 1991 geschlossenen „Übergabevertrag“
zuvor von der GmbH an die Beigeladene aufgelassen worden. Mit Vertrag vom
29. September 1992 veräußerte die Beigeladene unter „Abtretung ihres Auflas-
sungsanspruchs“ vier von diesen Grundstücken, als deren Eigentümer nach wie
vor die GmbH eingetragen war, an die GbR ... Dabei handelte es sich um
dieselben Grundstücke, darunter auch das hier betroffene, welche die GbR be-
reits am 12. November 1991 schon einmal von der noch nicht privatisier-
ten GmbH gekauft hatte. Der Umschreibungsantrag ging am 18. Januar 1993
beim Grundbuchamt ein; die Erwerberin wurde am 12. Oktober 1993 im Grund-
buch eingetragen.
Im März 1993 beantragte die Klägerin die Restitution des Flurstücks … und
stellte diesen Antrag unter dem 15. Februar 2000 auf Erlösauskehr um.
Mit Bescheid vom 31. August 2005 stellte das Bundesamt zur Regelung offener
Vermögensfragen fest, dass die Rückübertragung des Grundstücks ausge-
schlossen sei und die Klägerin keinen Anspruch auf Erlösauskehr nach § 13
Abs. 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - habe. Zur Begründung
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verwies es darauf, dass das Grundstück durch den Verkauf der Anteile der
GmbH aus dem öffentlichen Vermögen ausgeschieden und § 13 Abs. 2 VZOG
auf Anteilsverkäufe nicht anwendbar sei.
Dagegen hat die Klägerin Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststel-
lung ihrer Erlösauskehrberechtigung erhoben. Sie hat sich darauf berufen, dass
das Grundstück erst durch seine spätere Veräußerung aus dem öffentlichen
Vermögen ausgeschieden sei, weil es vom Anteilsverkauf ausdrücklich ausge-
nommen worden sei. Diesen Standpunkt habe auch das Bundesamt hinsichtlich
zweier anderer, auf dieselbe Weise verkaufter Grundstücke vertreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Erlösauskehr
nach § 13 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VZOG nicht vorlägen, weil der Ausschluss der
Rückübertragung des Grundstücks bereits vor dessen rechtsgeschäftlicher
Veräußerung durch die Abtretung der Geschäftsanteile an der GmbH bewirkt
worden sei. Maßgeblich sei allein die dingliche Rechtslage. Eine rechtsge-
schäftliche Veräußerung begründe daher nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG
erst mit Eingang des Eigentumsumschreibungsantrages beim Grundbuchamt
einen Restitutionsausschlussgrund. Dies sei hier zu einem Zeitpunkt gesche-
hen, als das Flurstück wegen der Anteilsübertragung schon nicht mehr zum
restituierbaren öffentlichen Vermögen gehört habe. Die schuldrechtlichen Ver-
einbarungen im Geschäftsanteilskaufvertrag über den Umfang des Gesell-
schaftsvermögens hätten keine Auswirkungen auf an diesem Vertrag nicht be-
teiligte Dritte wie die Klägerin. Ein Vorbehalt nach § 1c VZOG, der eine Rück-
übertragung des begehrten Grundstücks trotz der Abtretung der Geschäftsan-
teile ermöglicht hätte, sei weder vereinbart worden, noch ergebe er sich aus der
Bewertung des Grundstücks bei der Privatisierung der GmbH; denn bei der
Kaufpreisbemessung sei das Grundstück nicht aus rückgabebedingten Grün-
den unberücksichtigt geblieben, sondern um der schuldrechtlichen Vereinba-
rung Rechnung zu tragen, dass das Flurstück vor der Abtretung der Geschäfts-
anteile aus dem Gesellschaftsvermögen herausgenommen worden sei.
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Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt eine fehler-
hafte Anwendung des § 1c Abs. 1 Satz 1 VZOG. Das Verwaltungsgericht sei
von dem Normalfall eines ausgegangen, bei dem das komplette Un-
ternehmen auf den Erwerber der Gesellschaftsanteile übergehe. Ein solcher
Normalfall sei hier aber nicht gegeben, weil die Gesellschaft sich zuvor zur
Übertragung des umstrittenen Grundstücks an die Treuhandanstalt verpflichtet
habe, alle Beteiligten des Anteilsverkaufs Kenntnis von der eingegangenen
Verpflichtung gehabt hätten und das Grundstück im Vertrag als vor dem Ver-
kauf der Geschäftsanteile aus dem Vermögen der Gesellschaft herausgenom-
men bezeichnet worden sei. Deshalb sei das Grundstück im Zeitpunkt der Ge-
schäftsanteilsübertragung vermögenszuordnungsrechtlich bereits der Treu-
handanstalt selbst zuzurechnen gewesen, und dies ungeachtet der Tatsache,
dass noch kein Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt ge-
stellt gewesen sei. Aus dem öffentlichen Vermögen ausgeschieden sei es erst
durch die (Weiter-)Veräußerung an die Grundstücksgesellschaft.
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen die Ausführungen des angegrif-
fenen Urteils. Die Beigeladene weist darauf hin, dass der Restitutionsantrag der
Klägerin erst nach der Anteilsveräußerung gestellt worden sei, so dass eine
zuordnungswidrige Veräußerung, deren Rückabwicklung § 1c VZOG regele,
von vornherein ausscheide. Es sei auch irrelevant, dass das umstrittene
Grundstück später dinglich auf sie - die Beigeladene - übertragen worden sei;
denn dadurch sei der einmal erloschene Restitutionsanspruch nicht erneut be-
gründet worden.
II
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundes-
recht. Ausgehend von den tatrichterlichen Feststellungen hat die Klägerin einen
Anspruch auf die begehrte Erlösauskehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 VZOG. Der
Klage muss daher unter Aufhebung des angegriffenen Urteils stattgegeben
werden.
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Nach § 13 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VZOG besteht ein Anspruch des Restitutions-
berechtigten auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Erlöses aus dem
Verkauf des Vermögenswerts, wenn dieser im Zeitpunkt der Entscheidung über
den Restitutionsantrag bereits rechtsgeschäftlich veräußert war. Da diese Re-
gelung im Gefolge von § 13 Abs. 1 VZOG an den Ausschluss eines sonst be-
stehenden Restitutionsanspruchs anknüpft, muss dieser durch das Veräuße-
rungsgeschäft untergegangen sein, also bis dahin bestanden haben. Kern des
Streits zwischen den Beteiligten ist, ob der im Übrigen nicht in Frage gestellte
Restitutionsanspruch der Klägerin bereits durch die - nicht erlösauskehrpflichti-
ge (vgl. Beschluss des Senats vom 4. Juni 1997 - BVerwG 3 B 76.97 - Buch-
holz 428.2 § 13 VZOG Nr. 1) - Abtretung der Geschäftsanteile der Straßen- und
Tiefbau GmbH an eine private Erwerberin erloschen war mit der Folge, dass die
spätere Veräußerung des umstrittenen Grundstücks an die GbR … keinen
Einfluss mehr auf den Restitutionsanspruch haben konnte. Dies hat das Ver-
waltungsgericht zu Unrecht bejaht.
Zwar war das umstrittene Grundstück ungeachtet der vereinbarten Heraus-
nahme aus dem Gesellschaftsvermögen mit der Wirksamkeit der Anteilsüber-
tragung aus dem öffentlichen Finanzvermögen ausgeschieden. Seine Zuord-
nungsfähigkeit hatte es dennoch behalten. Dies ergibt sich allerdings nicht aus
dem von der Klägerin für einschlägig gehaltenen § 1c Abs. 1 Satz 1 VZOG,
sondern ist Folge der vor der Anteilsübertragung erklärten Auflassung zuguns-
ten der Beigeladenen.
1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG wird die Rückübertragung eines Vermö-
genswerts nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass dieser gemäß § 11 Abs. 2
TreuhG in das Eigentum einer Kapitalgesellschaft übergegangen ist, deren
sämtliche Aktien oder Geschäftsanteile sich noch in der Hand der Beigeladenen
befinden. Der sich aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Satz 7 des Eini-
gungsvertrages - EV - ergebende Restitutionsanspruch der Klägerin bestand
daher trotz der Umwandlung des letzten Rechtsträgers des Grundstücks in die
Straßen- und Tiefbau GmbH M. zunächst fort. Aus der genannten Vorschrift
ergibt sich aber zugleich im Gegenschluss, dass die Übertragung von Anteilen
einer solchen Treuhandkapitalgesellschaft an einen Privaten einen bis dahin
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noch bestehenden Restitutionsanspruch regelmäßig zum Erlöschen bringt, weil
der Restitutionsgegenstand mit der Privatisierung aus dem zuordnungsfähigen
öffentlichen Vermögen ausscheidet. Demgemäß gehörte auch hier das bean-
spruchte Grundstück mit der Abtretung der Geschäftsanteile der GmbH an die
private Erwerberin, die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts am
2. Januar 1992 wirksam geworden ist, nicht mehr zum öffentlichen Vermögen.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Grundstück - wie die Klägerin
meint - auf Grund der vertraglichen Abreden von der Abtretung nicht erfasst
gewesen wäre. Dies verkennt die Wirkungen der Anteilsübertragung. Diese hat
lediglich zur Folge, dass der oder die Gesellschafter wechseln. Handelt es sich
um eine Privatisierung im Wege eines solchen , tritt ein privater Er-
werber als Gesellschafter an die Stelle der Treuhandanstalt. Die Gesellschaft
als solche, die juristische Person, bleibt unverändert. Das gilt auch für die Ver-
mögenswerte, die ihr gehören. Sie bleiben ihr so lange als Eigentum zugeord-
net, wie sie nicht auf eine andere natürliche oder juristische Person übertragen
werden. Eine solche Eigentumsübertragung hat bei der Veräußerung der Ge-
schäftsanteile hinsichtlich des hier betroffenen Grundstücks nicht stattgefunden.
Eine solche kann in dem bloßen Übergabevertrag nicht gesehen werden; auch
die zugunsten der Treuhandanstalt erklärte Auflassung konnte vor der
Eintragung im Grundbuch keinen Eigentumswechsel bewirken.
2. Trotz der Privatisierung der Gesellschaft und der damit verbundenen Ab-
wanderung des Grundstücks aus dem öffentlichen Finanzvermögen hatte es
seine Zuordnungsfähigkeit aber behalten.
a) Dies folgt allerdings nicht aus § 1c Abs. 1 Satz 1 VZOG. Diese Vorschrift
lässt die Zuordnung von Vermögenswerten eines Unternehmens trotz bereits
durchgeführter Privatisierung im Wege des Anteilsverkaufs zu, wenn sie im
Zeitpunkt der Anteilsveräußerung der Restitution nach § 11 Abs. 1 Satz 1
VZOG unterlagen (§ 1c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VZOG) und im Privatisierungsver-
trag ein entsprechender Vorbehalt aufgenommen wurde (§ 1c Abs. 2 VZOG)
oder der Vermögenswert aus rückgabebedingten Gründen im Vertrag oder ei-
ner zum Gegenstand des Vertrages gemachten Bilanz des Unternehmens
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nicht, nur mit einem Erinnerungswert oder in Form einer Rückstellung erwähnt
worden ist (§ 1c Abs. 3 VZOG). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Ein entsprechender Rückübertragungsvorbehalt fehlt. Zwar ist das Grundstück
nicht bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt worden. Dies geschah jedoch
- wie das Verwaltungsgericht bindend, aber auch im Übrigen zutreffend festge-
stellt hat - nicht aus rückgabebedingten Gründen, sondern um der schuldrecht-
lichen Abrede Rechnung zu tragen, dass es der Treuhandanstalt übertragen
werden sollte. Dass das Grundstück von der Anteilsveräußerung nicht zur Si-
cherstellung einer Restitution ausgenommen worden ist, legt auch der Umstand
nahe, dass der Restitutionsantrag der Klägerin erst viel später gestellt worden
ist und die Vertragsbeteiligten darüber hinaus die gemeinsame Abwehr von
Restitutionsansprüchen verabredet haben.
b) Die Zuordnungsfähigkeit des Grundstücks ist aber deswegen erhalten geblie-
ben, weil es vor der Anteilsübertragung an die Beigeladene aufgelassen worden
und damit in ihrer Verfügungsgewalt geblieben war.
Die von den Beteiligten abgeschlossenen Verträge verdeutlichen, dass unge-
achtet der Folgen der Anteilsübertragung geplant war, die Verfügungsbefugnis
der Beigeladenen über das Eigentum an der Fläche zu erhalten. Offenbar sollte
sie in die Lage versetzt werden, das Grundstück in der Weise zu privatisieren,
wie sie es von vornherein beabsichtigt hatte, nämlich durch eine Eigentums-
übertragung an die GbR … Dass die Beigeladene ausschließlich dieses Privati-
sierungsziel verfolgte, wird schon dadurch erkennbar, dass bereits die Treu-
handkapitalgesellschaft vor ihrer Privatisierung einen entsprechenden Grund-
stücksverkauf mit dieser Gesellschaft abgeschlossen hatte. Aus welchen Grün-
den dieser Vertrag nicht umgesetzt, sondern anschließend der (Um)Weg über
die Beigeladene beschritten wurde, ergibt sich weder aus den Feststellungen
der Vorinstanz noch aus den Akten. Sicher ist allerdings, dass nach den Pla-
nungen der gesetzlich mit der Aufgabe der Privatisierung betrauten Beigelade-
nen die Grundstücksgesellschaft als künftige Eigentümerin der Fläche vorge-
sehen war und die nach ihrer Privatisierung noch als Eigentümerin eingetrage-
ne GmbH keine über diese formale Position hinausgehende Rechtsstellung
einnehmen, also nicht auch das wirtschaftliche Eigentum behalten sollte.
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Unter solchen Voraussetzungen entfällt die Zuordnungsfähigkeit des Vermö-
genswerts endgültig erst mit dem Abschluss des Gesamtvorgangs der Privati-
sierung, also erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Umschreibungsantrag zuguns-
ten des rechtsgeschäftlichen Erwerbers, dem das Grundstück von vornherein
zugedacht war, beim Grundbuchamt eingegangen ist, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 VZOG i.V.m. § 878 BGB. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass
sich das Grundstück bereits mit der Anteilsprivatisierung in der Hand eines Pri-
vaten befand und aus dem öffentlichen Vermögen ausgeschieden war. Wegen
der zuvor erklärten Auflassung an die Beigeladene gehörte es aber nach wie
vor zum zuordnungsfähigen Vermögen; denn damit stand es in ihrer Macht,
durch weitere Auflassung (Kettenauflassung) über das Eigentum an dem Ver-
mögenswert zu verfügen und auch etwaige Restitutionsansprüche zu befriedi-
gen. Im Ergebnis ebenso hätte es sich verhalten, wenn mit der Anteilsübertra-
gung zwar von vornherein die Verpflichtung der Gesellschaft verbunden gewe-
sen wäre, das Grundstück der Beigeladenen zu übertragen, die Auflassung
aber erst im Nachhinein erklärt worden wäre. In einem solchen Fall hätte das
Grundstück jedenfalls mit der Auflassung an die Beigeladene und ihrer dadurch
begründeten Verfügungsmacht wieder zum zuordnungsfähigen Vermögen ge-
hört.
Nur ein solches Gesetzesverständnis führt zu sachgerechten Ergebnissen;
denn anderenfalls hätte es die Beigeladene in der Hand, durch die Vertrags-
gestaltung bei der Privatisierung Restitutionsansprüche oder - wie hier - Erlös-
auskehransprüche des Restitutionsberechtigten zu vereiteln. Beabsichtigte die
Beigeladene von vornherein eine von der Privatisierung des Unternehmens un-
abhängige Privatisierung eines einzelnen Unternehmensgegenstandes und hat
sie sich zu diesem Zweck die Verfügungsbefugnis über den Vermögenswert
gesichert, können die weitere Zuordnungsfähigkeit und die Pflicht zur Erlös-
auskehr nicht davon abhängen, in welcher Reihenfolge die Rechtsgeschäfte
vorgenommen wurden. Maßgeblich ist allein, ob die Beigeladene auf Grund ei-
ner bereits bei der Unternehmensprivatisierung vereinbarten Herauslösung des
Unternehmensgegenstandes aus dem Unternehmensvermögen die Verfü-
gungsbefugnis über den Vermögenswert behalten oder wiedergewonnen hat.
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Eine erst nachträglich vereinbarte Herauslösung des Vermögenswerts aus dem
Vermögen einer bereits privatisierten Gesellschaft begründet demgegenüber
dessen Zuordnungsfähigkeit nicht erneut, selbst wenn es wieder in die Verfü-
gungsbefugnis der Beigeladenen gelangt.
Der Restitutionsanspruch der Klägerin nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG ist
demnach erst mit Eingang des Antrages auf Umschreibung des Eigentums auf
die Grundstücksgesellschaft untergegangen. Die Klägerin hat daher nach § 13
Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VZOG einen Anspruch gegen die Beigeladene auf Zah-
lung eines Geldbetrages in Höhe des Erlöses. Dies muss die Beklagte antrags-
gemäß feststellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Kley
Dr. Dette
Liebler
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Vermögenszuordnungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
EV
Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7
VZOG
§ 1c Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 5,
§ 13 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt.
TreuhG
§ 11 Abs. 2
BGB
§ 878
Stichworte:
Öffentliche Restitution; Grundstücksrestitution; Erlösauskehr; Treuhandkapital-
gesellschaft; Treuhandanstalt; Privatisierung; Anteilsübertragung; share deal;
öffentliches Finanzvermögen; Zuordnungsfähigkeit; Restitutionsvorbehalt; Ver-
fügungsmacht; Auflassung; Kettenauflassung.
Leitsatz:
Ein Grundstück, das im Eigentum einer Treuhandkapitalgesellschaft stand, war
trotz der Privatisierung der Gesellschaft im Wege der Anteilsübertragung zu-
ordnungsfähig, wenn es vereinbarungsgemäß von dem von der Anteilsprivati-
sierung erfassten Vermögen ausgenommen sein sollte und die Treuhandanstalt
die Verfügungsmacht über das Eigentum an dem Grundstück behalten oder
wiedererlangt hatte.
Urteil des 3. Senats vom 24. September 2009 - BVerwG 3 C 9.09
I. VG Berlin vom 27.08.2008 - Az.: VG 30 A 941.05 -