Urteil des BVerwG vom 09.06.2005

Erlöschen, Arzneimittel, Ablauf der Frist, Verschulden

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 22.04
Verkündet
OVG 13 A 3596/01
am 9. Juni 2005
Schöbel
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
für Recht erkannt:
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 27. April 2004 und das Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Juli 2001 werden geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom
27. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
4. Oktober 2000 verpflichtet, über den Verlängerungsantrag der
Klägerin für das Arzneimittel L-Carn (Zulassungs-Nrn.
5493.00.00, 5493.01.00, 5493.00.01) unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten über die Verlängerung der Zulassung für drei Arzneimittel, die
von der Klägerin hergestellt werden.
Die Klägerin stellt u.a. die Arzneimittel carnovis 0,5 g Injektionslösung, carnovis 1 g
Injektionslösung und carnovis Liquidum her. Diese Arzneimittel wurden durch Be-
scheide vom 12./13. Februar 1985, zugestellt am 15. Februar 1985, vom Bundesge-
sundheitsamt zugelassen. Unter dem 16. Oktober 1989 beantragte die damalige Zu-
lassungsinhaberin die Verlängerung der Zulassungen. Mit Schreiben vom 4. Mai
1990 bestätigte das Bundesgesundheitsamt den fristgerechten Eingang der Verlän-
gerungsanträge. Eine Entscheidung erging in der Folgezeit nicht. Unter dem
28. Oktober 1994, beim Bundesgesundheitsamt eingegangen am 1. November 1994,
beantragte die Zulassungsinhaberin erneut die Verlängerung der Zulassungen.
Daraufhin verlängerte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) durch gleichlautende Bescheide vom 14. September 1995 die Zulassung für
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die drei Arzneimittel. Die Bescheide, die im Betreff die Bezeichnungen der Arzneimit-
tel und die Zulassungsnummern enthalten, lauten im Wortlaut:
"Auf Ihre Anträge vom 1.11.1994 auf Verlängerung der mit Bescheid vom
12.02.1985 und 13.02.1985, Ihnen zugestellt am 15.02.1985, erteilten Zulas-
sungen für die o.g. Arzneimittel ergeht folgender
B e s c h e i d :
Die Zulassungen für die o.g. Arzneimittel werden um fünf Jahre verlängert."
Im August 1996 wurde die Klägerin Zulassungsinhaberin. Unter dem 21. Januar 2000
stellte sie Anträge auf weitere Verlängerung der arzneimittelrechtlichen Zulassung,
die am 24. Januar 2000 bei der Beklagten eingingen.
Mit Bescheid vom 27. April 2000, der Klägerin bekannt gegeben am 2. Mai 2000,
lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Verlängerungsan-
träge ab mit der Begründung, die Antragsfrist des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG von drei
Monaten vor Erlöschen der Zulassung sei nicht eingehalten. Diese Frist knüpfe stets
an den Zeitpunkt der ersten Erteilung der Zulassung an, so dass die Verlängerungs-
anträge spätestens am 15. November 1999 hätten vorliegen müssen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Zugleich beantragte sie
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sie ohne Verschulden gehindert gewe-
sen sei, die gesetzliche Antragsfrist einzuhalten. Durch Bescheid vom 4. Oktober
2000 wies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Widerspruch
zurück.
Die Klage der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung der Arz-
neimittelzulassungen, hilfsweise auf Neubescheidung, hat das Verwaltungsgericht
durch Urteil vom 11. Juli 2001 mit der Begründung abgewiesen, der Antrag auf Ver-
längerung der Zulassungsbescheide sei verspätet gewesen und Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand könne wegen Verschuldens nicht gewährt werden.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin vorgetragen, die Frist von drei Monaten vor Erlö-
schen der Zulassung in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG gelte nur für den erstmaligen Antrag
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auf Verlängerung, nicht für weitere Verlängerungsanträge, weil die Vorschrift an die
Erteilung der Zulassung anknüpfe. Erteilung sei im Sprachgebrauch des Gesetzes
nur die erstmalige Erteilung und nicht die Verlängerung. Der Rückgriff auf die Erlö-
schensvorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG für spätere Verlängerungen sei auch
nicht notwendig, weil die Frist von fünf Jahren nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG für jede
Verlängerung verbindlich vorgegeben sei. Anknüpfungspunkt dieser Frist sei der Ver-
längerungsbescheid und nicht das Datum der ursprünglichen Erteilung. Jedenfalls
müsse ihr im Falle der Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-
währt werden. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG sei
ihr zuständiger Mitarbeiter ohne Verschulden davon ausgegangen, dass diese Be-
stimmung nur für die erstmalige Verlängerung der Zulassung gelte.
Durch Beschluss vom 27. April 2004 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausge-
führt, die Verlängerungsanträge für die streitigen Arzneimittel seien verspätet gestellt
worden. Nicht nur der erste, sondern alle Verlängerungsanträge für Arzneimittelzu-
lassungen müssten nach § 31 AMG drei Monate vor Ablauf des Zulassungs-
Rhythmus von jeweils fünf Jahren gestellt werden. Der Begriff "Erteilung" in § 31
Abs. 1 Nr. 3 AMG sei auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Schon der Geset-
zeszweck der Medikamentensicherheit und somit des Gesundheitsschutzes spreche
für eine umfassende Erlöschensregelung. § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG müsse im Blick auf
Abs. 3 des § 31 AMG ausgelegt werden. Die Bestimmung, dass die Zulassung auf
Antrag innerhalb von drei Monaten vor ihrem Erlöschen um jeweils fünf Jahre zu ver-
längern sei, nehme Bezug auf die Erlöschensregelung in § 31 Abs. 1 AMG. Da sich
aus dem Wort "jeweils" in § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG ergebe, dass sich die Erlöschens-
regelung und die Verlängerungsregelung zugleich auf alle Verlängerungen bezögen,
sei nur eine Auslegung des Wortes "Erteilung" passend, die auch Erteilungen der
Arzneimittelzulassung im Wege der mehrfachen Verlängerungen umfasse. Da sich
die Verlängerung jeweils an das Ende der vorhergehenden 5-Jahres-Frist um
24:00 Uhr des letzten Gültigkeitstages anschließe, komme es für die Fristberechnung
auf den Zugang eines Verlängerungsbescheides nicht an. Auch aus Art. 10 der
Richtlinie 65/65/EWG ergebe sich, dass die 3-Monats-Frist für die Stellung des Ver-
längerungsantrages nicht nur für die erstmalige Verlängerung, sondern auch für alle
nachfolgenden Verlängerungen einer Zulassung gelte.
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Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe die Beklagte zu Recht abgelehnt,
weil die Klägerin ein Verschulden treffe.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Be-
gehren auf Neubescheidung weiter. Dazu wiederholt und vertieft sie ihr früheres Vor-
bringen. Sie trägt insbesondere vor, der zuständige Mitarbeiter sei davon ausgegan-
gen, dass die durch die letzte Verlängerung in Gang gesetzte 5-Jahres-Frist an den
Erlass der Verlängerungsbescheide vom 14. September 1995 anknüpfe, das Erlö-
schen der Zulassungen folglich erst zum 15. September 2000 anstehe. Diese Auf-
fassung entspreche § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG, der die Verlängerung um fünf Jahre
vorschreibe, ohne die erste Erteilung zu erwähnen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts,
der Verlängerungsantrag sei zu Recht abgelehnt worden, weil die Antragsfrist des
§ 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG nicht eingehalten worden sei, verletzt Bundesrecht. Die Be-
klagte ist daher zur erneuten Bescheidung des Antrags zu verpflichten.
Grundlage des Verlängerungsbegehrens ist § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG. Danach ist die
Zulassung auf einen entsprechenden Antrag innerhalb von drei Monaten vor ihrem
Erlöschen um jeweils fünf Jahre zu verlängern, wenn keiner der im Einzelnen aufge-
führten Versagungsgründe vorliegt.
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Stellung des Ver-
längerungsantrages der Fristbestimmung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG unterliegt. Da-
nach erlischt die Zulassung nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung, es sei
denn, dass spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist ein Antrag auf Verlängerung
gestellt wird. Zu Unrecht meint die Klägerin, diese Bestimmung sei nicht anwendbar,
weil ihr Anknüpfungspunkt die Erteilung der Zulassung sei und darunter nur die
erstmalige Zulassung, nicht aber die Verlängerung falle.
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Richtig ist allerdings, dass das Arzneimittelgesetz im Allgemeinen unter der Erteilung
der Zulassung die erstmalige Zulassung versteht. So heißt es in § 25 Abs. 1 Satz 1
AMG, die zuständige Bundesoberbehörde erteile die Zulassung schriftlich unter Zu-
teilung einer Zulassungsnummer. Das schließt aber entgegen der Auffassung der
Klägerin begrifflich nicht aus, im Rahmen des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG unter der Ertei-
lung auch die Verlängerung einer Zulassung zu verstehen. Inhaltlich verschafft die
Verlängerung dem pharmazeutischen Unternehmer für den Verlängerungszeitraum
dieselben Rechte, wie sie ihm zuvor durch die Zulassung vermittelt wurden. Zulas-
sung und Verlängerung unterscheiden sich in ihren Rechtsfolgen nicht. Das lässt
vom Wortsinn her die Aussage zu, dass auch in der Verlängerung der Zulassung
eine Erteilung liegt.
Für diese Auslegung spricht zunächst der systematische Zusammenhang mit § 31
Abs. 3 Satz 1 AMG. Wenn es dort heißt, die Zulassung sei auf Antrag vor ihrem Er-
löschen um jeweils fünf Jahre zu verlängern, so bedeutet dies zum einen, dass das
Gesetz von der Möglichkeit mehrfacher Verlängerungen ausgeht. Zum anderen
nimmt die Bestimmung auf das ohne die Verlängerung eintretende Erlöschen der
Zulassung Bezug. Sie setzt mithin voraus, dass auch bei einer bereits verlängerten
Zulassung ein Erlöschen stattfinden kann. Die Erlöschenstatbestände sind aber in
§ 31 Abs. 1 AMG geregelt. In Betracht kommt insoweit nur § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG,
zumal diese Bestimmung sowohl hinsichtlich des 5-Jahres-Zeitraumes als auch hin-
sichtlich der Frist von drei Monaten mit § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG korrespondiert.
Die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG bei weiteren Verlängerungen der Zu-
lassung ergibt sich darüber hinaus aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Das gilt
insbesondere für die Antragsfrist von drei Monaten vor Erlöschen der Zulassung.
Diese Frist soll der Behörde die Möglichkeit geben, das Vorliegen von Versagungs-
gründen zu prüfen, bevor die Gültigkeitsdauer endet. Diese Zielsetzung war beson-
ders einsichtig, als § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG in der ursprünglichen Fassung des Geset-
zes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2445)
das Erlöschen der Zulassung nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung vor-
schrieb, wenn sie nicht vorher verlängert wurde. Zwar hat das Zweite Änderungsge-
setz vom 16. August 1986 (BGBl I S. 1296) das Erfordernis einer Verlängerung vor
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Erlöschen durch die Notwendigkeit eines rechtzeitig gestellten Antrages ersetzt, um
zu vermeiden, dass eine Zulassung durch die nicht rechtzeitige Entscheidung der
Behörde ihre Gültigkeit verliert (vgl. BTDrucks 10/5112, S. 19). Gleichwohl hat § 31
Abs. 3 Satz 1 AMG an der Verlängerung der Zulassung vor ihrem Erlöschen fest-
gehalten.
Legt man diesen Sinn der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG zugrunde, so ist
nicht zu erkennen, warum die Bestimmung nur für die erstmalige Verlängerung, nicht
aber für weitere Verlängerungen der Zulassung Geltung haben sollte. Die Notwen-
digkeit der behördlichen Prüfung besteht im einen wie im anderen Fall. Auch die
ausdrückliche Anordnung des Erlöschens nach fünf Jahren macht bei weiteren Ver-
längerungen Sinn. Zwar schreibt § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG die jeweilige Verlängerung
um fünf Jahre vor. Die nach Ablauf dieser Frist eintretende Rechtsfolge ist aber nicht
in dieser Bestimmung, sondern in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG geregelt. Dies ist beson-
ders bedeutsam, weil nur dadurch auch die Regelung zum Tragen kommt, dass
schon die rechtzeitige Stellung des Verlängerungsantrages die Fortgeltung der Zu-
lassung über den 5-Jahres-Zeitraum hinaus bewirkt.
Die hier vertretene Auslegung findet eine zusätzliche Stütze im Gemeinschaftsrecht.
Art. 24 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimit-
tel (ABl L 311 S. 67) bestimmt, dass die Genehmigung fünf Jahre gültig ist; sie kann
auf mindestens drei Monate vor ihrem Ablaufen zu stellenden Antrag des Inhabers
für jeweils fünf Jahre verlängert werden. Damit schreibt das Gemeinschaftsrecht so-
wohl die fünfjährige Geltungsdauer als auch die Antragsfrist von drei Monaten vor
Ablauf der Geltungsdauer für jede Verlängerung vor, wie die Verwendung des Wor-
tes "jeweils" belegt.
Die Auffassung, dass § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG nicht nur für die erste, sondern auch für
jede weitere Verlängerung einer Arzneimittelzulassung gilt, deckt sich im Übrigen mit
der einhelligen Auffassung der Literatur (vgl. Kloesel/Cyran, AMG, § 31 Bemer-
kung 4; Sander, AMG, § 31 Bemerkung 6; Rehmann, AMG, 2. Aufl. 2003, § 31 An-
hang Nr. 4).
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2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, die Frist des § 31 Abs. 1
Nr. 3 AMG sei bei der Antragstellung der Klägerin bereits abgelaufen gewesen.
Die Vorinstanzen gehen ebenso wie die Beklagte davon aus, unabhängig davon,
wann der Verlängerungsbescheid ergeht, schließe sich die Verlängerung jeweils
nahtlos an den vorherigen 5-Jahres-Zeitraum an, so dass sich ausgehend vom ers-
ten Zulassungsbescheid ein fester 5-Jahres-Rhythmus ergebe. Maßgebend bliebe
danach für alle Verlängerungsanträge stets das Datum der Zustellung des (ersten)
Zulassungsbescheides. Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt (vgl. Kloesel/
Cyran, AMG, § 31 Bemerkung 4; Sander, AMG, § 31 Bemerkung 6; Rehmann, AMG,
§ 31 Rn. 9, vgl. auch BTDrucks 12/1913 S. 26). Sie trifft aber jedenfalls in den Fällen,
in denen die Behörde erst nach Ablauf der ihr in § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG gesetzten
Frist von fünf Jahren nach Erteilung der Zulassung entscheidet, nicht zu. Maßgebend
ist dann vielmehr der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verlängerungsbescheides.
Diese setzt die 5-Jahres-Frist in Gang. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Wenn entsprechend den obigen Ausführungen die Verlängerung der Erlaubnis als
Erteilung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG anzusehen ist, scheidet schon begriff-
lich die Möglichkeit aus, nicht die Verlängerung, sondern die ursprüngliche Erteilung
zum Anknüpfungspunkt für den Fristenlauf zu machen. Die Bestimmung lautet dann
nämlich sinngemäß, dass die Zulassung erlischt nach Ablauf von fünf Jahren seit
ihrer Erteilung oder ihrer Verlängerung. Es geht nicht an, die Verlängerung zwar in
Bezug auf die Dreimonatsfrist in die Vorschrift einzubeziehen, nicht aber im Hinblick
auf die Fünfjahresfrist.
Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für diese Auffassung. Die Befristung
der Zulassung auf fünf Jahre soll der Behörde in periodischen Abständen die Prüfung
ermöglichen, ob die Zulassungsvoraussetzungen noch gegeben sind. Ist die Prüfung
abgeschlossen, so soll es dabei für fünf Jahre sein Bewenden haben. Bei der ersten
Zulassung ist dies offenkundig. Es ist nicht zu erkennen, warum im Falle einer
Verlängerung etwas anderes gelten soll. Mit dem Verlängerungsbescheid attestiert
die Behörde, dass der Fortbestand der Zulassung keinen Bedenken begegnet. Je
nachdem wie lange die Prüfung dauert, hat dieses Testat bei Anwendung der
Auffassung der Vorinstanzen nur eine deutlich geringere Laufzeit als fünf Jahre. Im
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vorliegenden Fall hat etwa die Prüfung des Verlängerungsantrages vom 28. Oktober
1994 nahezu ein Jahr in Anspruch genommen. Der vorhergehende Verlängerungs-
antrag vom 16. Oktober 1989 ist über das Prüfungsstadium überhaupt nicht hinaus-
gekommen und nie beschieden worden. Unter diesen Umständen hätte die Auffas-
sung der Vorinstanzen von der nahtlosen Aufeinanderfolge der Zulassungen die
Konsequenz, dass der Verlängerungsbescheid vom 14. September 1995 nur einen
Geltungszeitraum bis zum 15. Februar 1995 abgedeckt hätte, mithin den sofortigen
Erlass eines Folgebescheides erforderlich gemacht hätte.
Für die Gegenposition wird im Wesentlichen auf § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG Bezug ge-
nommen. Die dort vorgesehene Verlängerung "um jeweils fünf Jahre" zeige, dass der
Gesetzgeber von einer nahtlosen Aufeinanderfolge jeweils für fünf Jahre gültiger
Zulassungen ausgehe. Diese Argumentation überzeugt nicht. Richtig ist lediglich,
dass eine Verlängerung begrifflich das Vorhandensein einer gültigen Zulassung vo-
raussetzt. Die Änderung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG durch das Zweite Änderungsge-
setz hat aber dafür gesorgt, dass die Zulassung nach Ablauf der fünfjährigen Gel-
tungsdauer nicht erlischt, wenn zuvor rechtzeitig ein Verlängerungsantrag gestellt
worden ist. Das bedeutet, dass die Zulassung weiter gültig bleibt. Sie kann folglich
auch verlängert werden. Weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck der Be-
stimmung besteht ein Grund, warum die Verlängerung "um jeweils fünf Jahre" nicht
mit dem Erlass des Verlängerungsbescheides erfolgen, sondern an den infolge der
Änderung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG bei rechtzeitiger Stellung des Verlängerungs-
antrages rechtlich bedeutungslosen Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer an-
knüpfen soll.
Auf dieser Grundlage ist der Verlängerungsantrag nicht verspätet gestellt worden. Da
der vorherige Verlängerungsbescheid am 15. September 1995 der Klägerin zuging,
endete die 5-Jahres-Frist am 15. September 2000 und die 3-Monats-Frist am
15. Juni 2000. Der im Januar 2000 gestellte Verlängerungsantrag war also rechtzei-
tig.
Entsprechend dem Antrag der Klägerin führt dies zur Verpflichtung der Beklagten zur
Neubescheidung. Diese hat zu klären, ob Versagungsgründe nach § 31 Abs. 3
Satz 1 AMG vorliegen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorsitzender Richter am
van Schewick
Dr. Dette
Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Driehaus ist durch
Urlaub an der Unterschrifts-
leistung gehindert.
van Schewick
Liebler
Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 40 000 € fest-
gesetzt.
Vorsitzender Richter am
van Schewick
Dr. Dette
Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Driehaus ist durch
Urlaub an der Unterschrifts-
leistung gehindert.
van Schewick
Liebler
Prof. Dr. Rennert
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Arzneimittelrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquelle:
AMG § 31 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3
Stichworte:
Arzneimittelzulassung; Verlängerung der Arzneimittelzulassung; Antragsfrist für -.
Leitsätze:
1. Die Antragsfrist des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG gilt nicht nur für die erste Verlängerung
einer Arzneimittelzulassung, sondern auch für nachfolgende weitere Verlängerungen.
2. Die Fünfjahresfrist des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG für das Erlöschen der Zulassung
beginnt bei einer Verlängerung der Zulassung mit der Bekanntgabe des Verlänge-
rungsbescheides.
Urteil des 3. Senats vom 9. Juni 2005 - BVerwG 3 C 22.04
I. VG Köln vom 11.07.2001 - Az.: VG 24 K 9140/00 -
II. OVG Münster vom 27.04.2004 - Az.: OVG 13 A 3596/01 -