Urteil des BVerwG vom 15.11.2006

Vorläufige Dienstenthebung, Soldat, Division, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WDB 5.06
TDG N 6 GL 11/05
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Stabsfeldwebel …,
geboren am …,
…,
- Verteidiger:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 15. November 2006 beschlossen:
Die von der Einleitungsbehörde mit Verfügung vom
8. Dezember 2004 angeordnete vorläufige Dienstenthe-
bung des Soldaten, das Verbot, Uniform zu tragen, sowie
die angeordnete Einbehaltung von einem Drittel seiner je-
weiligen Dienstbezüge werden aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentschei-
dung vorbehalten.
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G r ü n d e :
Der 46 Jahre alte kinderlose Soldat ist Berufssoldat und wird seit dem 1. Mai
2004 im Kommando ... L…division in B. als Informationsfeldwebel verwendet.
Mit Verfügung vom 8. Dezember 2004, die am 22. Dezember 2004 ausgehän-
digt wurde, leitete der Kommandeur der ... L…division das gerichtliche Diszipli-
narverfahren gegen den Soldaten ein. Er legte ihm dabei folgendes Verhalten
als Dienstvergehen zur Last:
„1. Nachdem Sie am 16. September 2004 bei der Trup-
penverwaltung Kommando ... L…division einen Handvor-
schuss in Höhe von € 200,-- für kurzfristige Einkäufe in
Zusammenhang mit der Vorbereitung des mit Stabsbefehl
51/04 befohlenen Bürgerfestes am 18. September 2004
empfangen hatten, gaben Sie Frau Feldwebel K. den Auf-
trag, von diesem Betrag Batterien im Wert von € 8,97 für
den dienstlichen Fotoapparat und als Losvordrucke ver-
wendbare Nummernblöcke im Gesamtwert von € 71,92 zu
kaufen, verwahrten den Ihnen von Frau Feldwebel K. am
17. September 2004 übergebenen Restbetrag in Höhe
von € 119,11 in Ihrer Geldbörse und verwendeten das
Geld in der Folgezeit für eigene Zwecke.
2. Die bei dem Bürgerfest erzielten Einnahmen in Höhe
von € 1.374,--, die von Oberstleutnant L., Dezernatsleiter
…, Ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, am Abend des
18. September 2004 in einem Stahlschrank im Geschäfts-
zimmer A 1 c verwahrt wurden, anstatt sie bei der Zahl-
stelle der Truppenverwaltung einzuzahlen, verwendeten
Sie in der Folgezeit vollständig für sich, indem Sie zwi-
schen dem 27. September und dem 19. Oktober 2004
einzelne ihrer Höhe nach nicht mehr genau feststellbare
Beträge entnahmen und dem Dezernatsleiter … auf des-
sen Nachfrage, ob Sie das Geld bei der Truppenverwal-
tung eingezahlt hätten, der Wahrheit zuwider am
1. Oktober 2004 meldeten, das Geld eingezahlt zu haben,
obwohl Sie genau wussten, dass sich noch ein von Ihnen
bislang nicht verbrauchter Restbetrag in dem Stahlschrank
befand.
3. Ohne dazu förmlich oder ausdrücklich durch Befehl be-
auftragt oder auf Grund Ihrer dienstlichen Stellung berech-
tigt zu sein, haben Sie mit der Firma ‚…, …, B., vertreten
durch deren Geschäftsführer, Herrn E., Anfang September
2004 zunächst Verhandlungen über die Bereitstellung
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einer Bühne für das Bürgerfest geführt, wobei Sie diesem
den Eindruck vermittelten, namens und im Auftrag des
Kommandos ... L…division und damit des Bundes zu
handeln, und schließlich am 17. September 2004, wäh-
rend schon die Bühne für das Bürgerfest aufgebaut wurde,
auf Herrn E. Bitte hin eine ‚Auftragsbestätigung’ erstellt,
wodurch dem Bund in der Kalkulation für das Bürgerfest
nicht berücksichtigte und aus den Einnahmen für das
Bürgerfest nicht gedeckte Kosten und damit ein Schaden
in Höhe von € 3.422,-- entstanden.“
Mit derselben Verfügung enthob der Kommandeur der ... L…division den Sol-
daten gemäß § 126 Abs. 1 WDO vorläufig des Dienstes und verbot ihm, Uni-
form zu tragen. Gemäß § 126 Abs. 2 WDO ordnete er ferner an, dass ab 1. Ja-
nuar 2005 ein Drittel seiner jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird.
Mit Schreiben des Soldaten vom 8. Juli 2005 und Schriftsatz seiner Verteidiger
vom 15. August 2005 beantragte der Soldat die Aufhebung der vorläufigen
Dienstenthebung, des Verbots, Uniform zu tragen, sowie insbesondere der Kür-
zung seiner Bezüge um ein Drittel seit Januar 2005. Die Maßnahmen seien
weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig. Durch die angeordnete Kürzung der
Dienstbezüge, die sich für ihn wie eine Pfändungsmaßnahme darstelle, sei sei-
ne wirtschaftliche Handlungsfreiheit gravierend beeinträchtigt. Zudem sei er vor
der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung nicht gehört worden; ferner
stelle diese sich für ihn als eine außerordentlich psychische und wirtschaftlich
existentielle Belastung dar. Letztlich seien die mit der Einleitungsverfügung er-
hobenen Vorwürfe und die Wahrscheinlichkeit der Verhängung der disziplinaren
Höchstmaßnahme nicht begründet.
Mit Bescheid vom 9. September 2005, den Verteidigern zugestellt am 13. Sep-
tember 2005, wies der Kommandeur der ... L…division den Antrag zurück. Zwar
sei der Soldat nicht vor der Anordnung der Maßnahmen nach § 126 Abs. 1
und 2 WDO gehört worden; jedoch sei dieser Mangel dadurch geheilt worden,
dass er selbst oder durch seine Verteidiger Gelegenheit gehabt habe,
Einwendungen gegenüber der Einleitungsbehörde vorzutragen. Spätestens mit
seinem Antrag vom 8. Juli 2005 habe der Soldat Gelegenheit gehabt, konkret
darzulegen, weshalb die Anordnungen nach § 126 WDO geändert oder aufge-
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hoben werden sollten. In Ermangelung substantiierten Vorbringens des Solda-
ten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sei er durch den Wehrdisziplinar-
anwalt mit Schreiben vom 15. Juli 2005 zur ergänzenden Stellungnahme gera-
de auch hinsichtlich der Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse
aufgefordert worden.
Die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO seien zu treffen gewesen, da das
Dienstvergehen schon bei summarischer Prüfung so schwer wiege, dass das
Verbleiben des Soldaten im Dienst die militärische Ordnung erheblich stören
würde. Dabei sei das Vertrauen des Dienstherrn durch die Handlungen des Sol-
daten derart erschüttert worden, dass sich jede andere Verwendung - auch im
Rahmen einer Kommandierung - verbiete.
Auch die Anordnung über die Einbehaltung eines Drittels der Dienstbezüge des
Soldaten sei zu treffen gewesen, da nach summarischer Prüfung und Prognose
unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung der Wehrdienstgerichte
und der besonderen Umstände dieses Falles mit einer Entfernung aus dem
Dienstverhältnis zu rechnen sei. Die Kürzung der Dienstbezüge um ein Drittel
stelle sich nicht als unverhältnismäßig und als wirtschaftlich existentielle Belas-
tung dar. Sowohl der Soldat als auch sein Verteidiger hätten trotz Aufforderung
zur ergänzenden Stellungnahme keine regelmäßigen finanziellen Verpflichtun-
gen vorgetragen, die eine existentielle wirtschaftliche Belastung begründeten.
Aufgrund der Pfändungen in Höhe von ca. 5 000 €, die vor der Kürzung der
Dienstbezüge mit monatlich 784 € getilgt worden seien und nun nach der Kür-
zung nur noch in Höhe von 392 € bedient würden, verlängere sich deren Ge-
samtlaufzeit; dies stelle aber keine existentielle wirtschaftliche Belastung dar, da
auch nach Abzug dieser monatlichen Pfändungen an den Soldaten 1 073,50 €
ausbezahlt würden, von denen dieser die üblichen Aufwendungen wie Miete,
Versicherung etc. tragen müsse. Dieser Betrag werde als ausreichend und
angemessen zur bescheidenen Lebensführung erachtet.
Gegen diesen am 13. September 2005 zugestellten Bescheid hat der Soldat
durch seine Verteidiger mit Schriftsatz vom 22. September 2005, der am
27. September 2005 bei der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord ein-
ging, die gerichtliche Entscheidung beantragt. Zur Begründung hat er im We-
sentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthe-
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bung des Soldaten seien nicht gegeben. Das disziplinargerichtliche Ermitt-
lungsverfahren sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Es
handele sich hier um pauschale Vorwürfe gegen den Soldaten, die darüber
hinweg täuschen sollen, dass der Dienstherr eklatante Versäumnisse im Zu-
sammenhang mit der Vorbereitung, Durchführung und dem Abschluss der Pro-
jektmaßnahme „Bürgerfest“ zugelassen habe. Soweit sich die Einleitungsbe-
hörde für das Erheben der Vorwürfe auf die Vernehmung des Soldaten vom
4. November 2004 beziehen sollte, werde diese Aussage widerrufen. Im Zu-
sammenhang mit der Organisation des Bürgerfestes, die im Wesentlichen von
dem Soldaten erbracht worden sei, habe sich bei ihm eine akute Überforde-
rungssituation mit entsprechender psychischer Dekompensation und einem
erheblichen Erschöpfungssyndrom eingestellt. Die psychische Situation des
Soldaten habe sich in der Vernehmung von 4. November 2004 verdichtet. Auch
sei ungewöhnlich, dass eine Reihe von dienstlichen Erklärungen, nämlich die
vom 4. November 2004, 5. November 2004, 7. November 2004 und vom
10. November 2004, aufgenommen worden seien. In der dienstlichen Erklärung
vom 4. November 2004 habe der Soldat erklärt, dass er sich derzeit „… phy-
sisch als auch psychisch nicht in der Lage sehe, durch mündliche Aussagen zu
einer umfassenden Klärung des Sachverhalts beitragen zu können“. Darüber
hinaus befinde sich der Soldat in einer äußerst prekären finanziellen Situation.
Entgegen der Auffassung der Einleitungsbehörde stelle sich die Kürzung der
Dienstbezüge um ein Drittel als unverhältnismäßig und als wirtschaftlich exis-
tentielle Belastung des Soldaten dar. Auf die weiteren Einzelheiten dieses
Schriftsatzes wird Bezug genommen.
In ihrer Stellungnahme vom 9. November 2005 führte die Wehrdisziplinaran-
waltschaft im Wesentlichen aus, die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO
seien deshalb zu treffen gewesen, da das Dienstvergehen, dessen der Soldat
hinreichend verdächtig sei, schon bei summarischer Prüfung so schwer wiege,
dass ein Verbleiben des Soldaten im Dienst die militärische Ordnung erheblich
stören würde. Die Anordnung nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO über die Einbe-
haltung eines Drittels der Dienstbezüge sei hinsichtlich ihrer Höhe und Dauer
nach der bisher bekannten finanziellen Situation des Soldaten nicht unverhält-
nismäßig.
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In ihrem Schriftsatz vom 25. November 2005 tragen die Verteidiger vor, der
Soldat bestreite, dass ihm tatsächlich und in entsprechend erforderlicher Form
die Vorwürfe eröffnet und er zur Beantwortung bestimmter Fragen aufgefordert
worden sei.
Die Truppendienstkammer hat mit Beschluss vom 16. Januar 2006 den Antrag
des Soldaten auf gerichtliche Entscheidung vom 22. September 2005 zurück-
gewiesen. Auf die Entscheidungsgründe unter II. des Beschlusses wird Bezug
genommen.
Mit Anklageschrift vom 16. September 2005 - 62 Js 6/05 - hat die Staatsanwalt-
schaft B. den Soldaten wegen Vergehen gemäß § 246 Abs. 1 und Abs. 2, § 53
StGB angeklagt und beantragt, das Hauptverfahren zu eröffnen und die Ankla-
ge zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht T. - Strafrichter - zuzulassen.
Mit der Anklageschrift war dem Soldaten vorgeworfen worden,
„in B.
zwischen dem 16. September 2004 und dem 4. November
2004 durch fünf selbständige Handlungen
fremde bewegliche Sachen sich rechtswidrig zugeeignet
zu haben, wobei die Sachen ihm anvertraut waren.
Dem Angeschuldigten wird Folgendes zur Last gelegt:
1. In der Zeit vom 16. September 2004 bis 4. November
2004 gab er einen Betrag in Höhe von 119,11 EUR für
private Zwecke aus, der aus einem Handvorschuss von
insgesamt 200,-- EUR stammte, den er am 16. September
2004 in seiner Funktion als Angehöriger des Planungs-
und Veranstaltungsbüros von der Truppenverwaltung des
Kommandos ... L…division für etwaige Besorgungen zu
dem am 18. September 2004 geplanten Bürgerfest in der
…-Kaserne in B. erhielt.
2. Am 27. September 2004 entnahm er aus den Einnah-
men des Bürgerfests in der …-Kaserne einen Betrag von
20,-- EUR, um diesen für private Zwecke zu verwenden.
Die Einnahmen des Bürgerfests in Höhe von 1.374,-- EUR
wurden im Stahlschrank des Büros des Angeschuldigten
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im Gebäude 2 der …-Kaserne verwahrt, der in seiner
Funktion als Angehöriger des Planungs- und Veranstal-
tungsbüros vom Zeugen OTL L. den Auftrag bekommen
hatte, das Geld bei der Zahlstelle der Truppenverwaltung
einzuzahlen bzw. an die Aktion ‚C… e.V.’ zu überweisen.
Seinem Tatplan entsprechend verbrauchte der Ange-
schuldigte den entnommenen Betrag.
3. Am 29. September 2004 entnahm er aus den ihm
überantworteten Einnahmen des Bürgerfests einen weite-
ren Betrag in Höhe von 100,-- EUR, um diesen Betrag für
den Kauf von Wandfarbe und diversen Malerutensilien zu
verwenden. Seinem Tatplan entsprechend verbrauchte er
auch dieses entnommene Geld.
4. Am 14. Oktober 2004 entnahm er aus den ihm über-
antworteten Einnahmen des Bürgerfests das komplette
Münzgeld im Wert von 524,-- EUR, um diesen Betrag für
den Kauf von DB-Fahrkarten für eine Hin- und Rückfahrt
zwischen B. und Bo. sowie für sonstige private Zwecke zu
verwenden. Seinem Tatplan entsprechend wurde auch
dieses Geld vom Angeschuldigten verbraucht.
5. In der Zeit vom 7. Oktober 2004 bis 4. November 2004
entnahm er die restlichen Einnahmen des Bürgerfests in
Höhe von 730,-- EUR aus dem Stahlschrank in seinem
Büro, um sie für private Zwecke, wie beispielsweise für
den Kauf einer weiteren DB-Fahrkarte zu verwenden. Sei-
nem Tatplan entsprechend wurde auch dieses Geld vom
Angeschuldigten vollständig verbraucht.
Vergehen,
StGB.“
Nach Zulassung der Anklage hat das Amtsgericht T. - 280 Ds 701/05 (62 Js
6/05) - am 7. November 2005 beschlossen, den Soldaten daraufhin zu untersu-
chen, ob „seine Fähigkeit, das Unrecht der Taten einzusehen oder nach dieser
Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe erheb-
lich vermindert gewesen ist (§ 21 StGB).“
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Die psychiatrische Sachverständige Frau Dr. med. S. kam in ihrem Gutachten
vom 29. Mai 2006 zu dem Ergebnis, dass zwar eine erhebliche Minderung der
Hemmungs- und Steuerungsfähigkeit nicht positiv festzustellen, aber auch nicht
auszuschließen sei. Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Hemmungs- und
Steuerungsfähigkeit lägen nicht vor. Die Unrechtseinsichtsfähigkeit des Solda-
ten sei mit Sicherheit nicht beeinträchtigt gewesen.
Das Amtsgericht T. verurteilte den Soldaten aufgrund der Hauptverhandlung
vom 7. August 2006 wegen veruntreuender Unterschlagung in vier Fällen zu
einer Gesamtgeldstrafe von 125 Tagessätzen zu je 45 € (§ 246 Abs. 1 und 2,
§§ 21, 49, 53 StGB).
Durch Verfügung vom 26. Januar 2006 hat der Kommandeur der ... L…division
gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 WDO das gerichtliche Disziplinarverfahren „wegen
Erhebung der öffentlichen Klage im Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft
Berlin, Az. 62 Js 6/05, wegen Unterschlagung“ ausgesetzt.
Gegen den seinen Verteidigern am 18. Januar 2006 zugegangenen und ihm am
31. Januar 2006 zugestellten Beschluss des Truppendienstgerichts Nord
- 6. Kammer - vom 16. Januar 2006 hat der Soldat durch Schriftsatz seiner Ver-
teidiger vom 31. Januar 2006 Beschwerde eingelegt, die am selben Tag beim
Truppendienstgericht Nord eingegangen ist. Zur Begründung hat er mit Schrift-
satz vom 14. März 2006 im Wesentlichen vorgetragen, die erste Vernehmung
des Soldaten vom 4. November 2004 erfülle nicht die Anforderungen des § 32
WDO. § 32 Abs. 4 WDO gebiete, dass bei Beginn der ersten Vernehmung dem
Betroffenen gegenüber eröffnet werden müsse, welche Pflichtverletzungen ihm
zur Last gelegt würden. Das Bemerken, dass es bei der Veranstaltung
„10 Jahre …-Kaserne“ zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die aufzuklären
gewesen wären, sei nicht ausreichend. Eine ordnungsgemäße Eröffnung der
zur Last gelegten Pflichtverletzungen sei offensichtlich nicht erfolgt. Die psychi-
sche Destabilisierung des Soldaten im Zeitraum September 2004 bis Dezember
2004 habe grundsätzlich einer Vernehmung entgegengestanden, die darüber
hinaus auch in nahezu konfuser Weise erfolgt sei. Hinsichtlich der finanziellen
Belastungen des Soldaten könne der Auffassung des Truppendienstgerichts
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ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Dienstbezüge seien mit der Einleitungsver-
fügung vom 8. Dezember 2004 gekürzt worden. Ein Ende der Ermittlungen bzw.
der Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens sei nicht absehbar.
Deshalb sei zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Prüfung der Verhält-
nismäßigkeit angebracht.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für zulässig, aber unbe-
gründet.
II
Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht er-
hoben und mit Verfügung des Vorsitzenden der Truppendienstkammer vom
15. März 2006 dem Senat ohne Abhilfegewährung ordnungsgemäß zur Ent-
scheidung vorgelegt worden (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3
Satz 2 WDO).
2. Das Begehren des Soldaten, die von der Einleitungsbehörde getroffene An-
ordnung vom 8. Dezember 2004 aufzuheben, ist auch begründet. Die gesetzli-
chen Voraussetzungen für die Anordnungen über (a) die vorläufige Dienstent-
hebung und das Uniformtrageverbot sowie (b) die vorläufige Einbehaltung eines
Drittels der jeweiligen Dienstbezüge liegen nicht vor.
a) Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vor-
läufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen
ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist; mit der vorläufigen Dienstenthe-
bung kann - unter denselben Voraussetzungen - das Verbot, Uniform zu tragen,
verbunden werden. Diese Anordnungen setzen demzufolge die rechtswirksame
Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten und
eine pflichtgemäße Ermessensausübung der zuständigen Einleitungsbehörde
voraus.
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Bei der gerichtlichen Entscheidung darüber, ob diese gesetzlichen Vorausset-
zungen für die Anordnung der Einleitungsbehörde erfüllt sind, muss auf die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt
werden (vgl. Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB 1.02 - Buchholz
235.01 § 126 WDO Nr. 1 = NZWehrr 2003, 79 m.w.N., vom 18. November 2003
- BVerwG 2 WDB 2.03 - BVerwGE 119, 206 = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 5 =
NVwZ-RR 2004, 760 und vom 19. Januar 2006 - BVerwG 2 WDB 6.05 -
NZWehrr 2006, 209). Die Sachprüfung in diesem vorläufigen Verfahren gemäß
§ 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO, das durch einen ohne
mündliche Verhandlung ergehenden Beschluss abgeschlossen wird, muss sich
hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen seinem Wesen nach
auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitser-
wägungen beschränken. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der
gesetzlichen Regelung kein Raum (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 22. Juli
2002 a.a.O. und vom 18. November 2003 a.a.O.).
Im vorliegenden Falle liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die getroffe-
ne Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung zum hier maßgeblichen Zeit-
punkt der Senatsentscheidung nicht vor.
Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ist zwar mit der ihm
am 22. Dezember 2004 ausgehändigten Einleitungsverfügung des Komman-
deurs der ... L…division vom 8. Dezember 2004 rechtswirksam eingeleitet wor-
den. Vor Ergehen der Einleitungsverfügung ist dem Soldaten ausweislich der
Niederschrift vom 26. November 2004 auch Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben worden (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO). Desgleichen ist die Vertrauens-
person nach § 4 Abs. 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG am 29. November 2004
angehört worden.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine rechtsfehlerfreie Ermessensent-
scheidung sind jedoch (bislang) nicht erfüllt.
Allerdings kann die von der Einleitungsbehörde getroffene Ermessensentschei-
dung vom Senat nur darauf überprüft werden, ob diese Stelle die gesetzlichen
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Grenzen des ihr insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von die-
sem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog).
Der gesetzliche Zweck der Ermessensbefugnis der Einleitungsbehörde ergibt
sich daraus, dass die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten im Zusam-
menhang mit einem gegen ihn eingeleiteten (gerichtlichen) Disziplinarverfahren
dazu dient, einen Zustand, der endgültig erst aufgrund eines einen längeren
Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, vorüberge-
hend zu ordnen, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das
gemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern, dass vollendete Tatsachen
geschaffen werden, bevor die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfah-
ren rechtskräftig getroffen (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR
80/77 - BVerfGE 46, 17 ff. = NJW 1978, 152 = DÖV 1977, 274 m.w.N.;
BVerwG, Beschlüsse vom 18. April 1991 - BVerwG 2 WDB 3.91 - BVerwGE 93,
69 m.w.N., vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N. und vom 19. Ja-
nuar 2006 a.a.O. S. 210 m.w.N.; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 126 Rn. 2) und
damit - im Falle einer Verurteilung - die Unschuldsvermutung widerlegt ist (vgl.
Art. 6 Abs. 2 EMRK und Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 -
BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48). Eine solche vorläufige
Maßnahme, die in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Soldaten
eingreift (vgl. u.a. Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 -), be-
darf aus verfassungsrechtlichen Gründen eines besonderen sie rechtfertigen-
den Grundes. Sie muss im Rahmen des gemeinen Wohls geboten sein und
zudem - im Hinblick auf die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung - dem Ver-
fassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen.
Ein rechtfertigender besonderer Grund im dargelegten Sinne ist nur dann ge-
geben, wenn ohne sie der Dienstbetrieb durch den vom gerichtlichen Diszipli-
narverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder in besonderem Maße ge-
fährdet würde (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 a.a.O.; BVerwG, Be-
schlüsse vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N. und vom 19. Ja-
nuar 2006 a.a.O. S. 210 m.w.N.).
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Bei der Beurteilung dessen, ob ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbe-
trieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde, steht der
Einleitungsbehörde allerdings innerhalb des dargelegten rechtlichen Rahmens
ein Beurteilungsspielraum zu. Denn für eine sachgerechte Beurteilung dieser
Folgen sind in aller Regel spezifische militärische Fachkenntnisse und Erfah-
rungen sowie eine genaue Kenntnis und Beurteilung des internen Dienstbetrie-
bes erforderlich, die notwendigerweise mit nicht-rechtlichen Wertungs- und
Zweckmäßigkeitserwägungen verbunden sind. Dieser Beurteilungsspielraum
wird jedoch dann überschritten, wenn dessen rechtliche Grenzen nicht ein-
gehalten werden.
Danach kommt es für die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit
der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung in diesem Zusammenhang da-
rauf an, ob bei einem vorläufigen Verbleiben des Soldaten im Dienst nach der
insoweit maßgeblichen fachlichen Beurteilung der Einleitungsbehörde mit einer
empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des
Dienstbetriebes zu rechnen ist. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn durch
das in Rede stehende Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr so sehr
beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem Verbleiben im Dienst ein
schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte (vgl. dazu
u.a. Beschlüsse vom 18. November 2003 a.a.O. und vom 19. Januar 2006
a.a.O.), oder wenn Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schützen sind
(vgl. u.a. Beschlüsse vom 18. April 1991 a.a.O. und vom 10. April 1992
- BVerwG 2 WDB 2.92 -). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss von der
Einleitungsbehörde konkret und nachvollziehbar dargetan werden und sich aus
der getroffenen Anordnung für den Soldaten und das Gericht erschließen las-
sen. Anderenfalls kann nicht festgestellt werden, ob die Einleitungsbehörde von
ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht hat. Die lediglich formelhafte und nicht näher substantiierte
Erwägung, ohne die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung werde der
Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet, reicht
nicht aus.
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Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlangt neben der (im Hinblick auf den
rechtfertigenden Grund) notwendigen Geeignetheit und Erforderlichkeit der ge-
troffenen Anordnung insbesondere, dass die Einleitungsbehörde dem Betroffe-
nen mit ihrer Ermessensentscheidung keine Nachteile zufügt, die außer Ver-
hältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines
schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgülti-
gen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 a.a.O; BVerwG, Beschlüsse vom
18. November 2003 a.a.O. und vom 19. Januar 2006 a.a.O. m.w.N.). Im Übri-
gen ist die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung - im Gegensatz zur
teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) - nicht
davon abhängig, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf
die höchstzulässige Disziplinarmaßnahme erkannt wird.
Ob im vorliegenden Fall ohne die angeordnete vorläufige Dienstenthebung (und
das Uniformtrageverbot) mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem
Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebes in seiner gegenwärtigen Ver-
wendung zu rechnen ist, ob durch das in Rede stehende Fehlverhalten das An-
sehen der Bundeswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei
einem Verbleiben im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Scha-
den eintreten könnte, oder ob Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schüt-
zen sind, lässt sich der Begründung der vom Soldaten angegriffenen Anord-
nung nicht entnehmen und ist auch sonst (bislang) nicht ersichtlich, so dass von
einem aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlichen rechtfertigenden
Grund gegenwärtig nicht ausgegangen werden kann.
Zwar ergibt sich im vorliegenden Fall ein hinreichend begründeter Verdacht ei-
nes schwerwiegenden disziplinaren Fehlverhaltens des Soldaten insbesondere
daraus, dass er offenbar Gelder aus einem dienstlichen Stahlschrank (Punkt 2
der Einleitungsverfügung vom 8. Dezember 2004) für sich entnahm. In seiner
Vernehmung am 4. November 2004 durch seinen Disziplinarvorgesetzten,
Hauptmann Z., und in seiner dienstlichen Erklärung vom 10. November 2004 in
Gegenwart von Hauptmann Z. räumte der Soldat ausweislich der vorliegenden
Niederschrift dies selbst ein. In einer weiteren Erklärung vom 25. November
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2004 gegenüber Hauptmann Z. erklärte sich der Soldat bereit, den entstande-
nen Schaden zu regulieren; zugleich erklärte er, er habe beim Kommandeur der
... L…division - A 2 - einen Betrag von 1 300 € hinterlegt. Auch wenn sich dieser
hinreichend begründete Verdacht für ein schwerwiegendes Fehlverhalten des
Soldaten des Weiteren aus dem Vorliegen einer Anklageschrift in dem teilweise
sachgleichen Strafverfahren sowie aus der erfolgten Eröffnung des
Hauptverfahrens und dem erstinstanzlichen - noch nicht rechtskräftigen - Urteil
des Amtsgerichts T. vom 7. August 2006 ergibt, hat die Einleitungsbehörde bis-
her nicht durch Tatsachen nachvollziehbar konkret dargetan, dass bei einem
vorläufigen Verbleiben des Soldaten im Dienst mit einer empfindlichen Störung
oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebes sowohl in
seiner gegenwärtigen Verwendung als auch in einer anderen Verwendung zu
rechnen ist, dass durch das in Rede stehende Fehlverhalten das Ansehen der
Bundeswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem
Verbleiben im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden ein-
treten könnte, oder dass Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schützen
sind.
Die Einleitungsbehörde hat in Gestalt der Entscheidung des Kommandeurs der
... L…division vom 9. September 2005 in diesem Zusammenhang lediglich all-
gemein gehaltene Formulierungen verwendet und dabei geltend gemacht, die
Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO seien zu treffen gewesen, weil das
Dienstvergehen schon bei summarischer Prüfung so schwer wiege, dass das
Verbleiben des Soldaten im Dienst „die militärische Ordnung erheblich stören
würde“. Dabei sei das Vertrauen des Dienstherrn durch die Handlungen des
Soldaten derart erschüttert worden, dass sich „jede andere Verwendung, auch
im Rahmen einer Kommandierung, verbietet“. Die Einleitungsbehörde trägt
damit keine konkreten Tatsachen und Umstände vor, aus denen sich bei einer
gegenwärtigen Rückkehr des Soldaten in seine bisherige Einheit oder (nach
einer Kommandierung oder Versetzung) auf einen anderen Dienstposten in-
nerhalb der Streitkräfte die erhebliche Gefahr einer empfindlichen Störung oder
jedenfalls unmittelbaren Gefährdung der militärischen Ordnung und des
Dienstbetriebes ergibt, obgleich der Soldat in seinem Schreiben vom 8. Juli
2005 an die Einleitungsbehörde seine uneingeschränkte Bereitschaft zum Aus-
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druck gebracht hat, zeitnah wieder am Dienst teilzunehmen. Insbesondere un-
terlässt es die Einleitungsbehörde, im Einzelnen durch Vorbringen von Tatsa-
chen zu begründen, weshalb jede andere als die bisherige Verwendung des
Soldaten sich verbiete. Dies ist gleichermaßen dem Bundeswehrdisziplinaran-
walt entgegenzuhalten, wenn er in seiner Stellungnahme vom 27. April 2006
lediglich ausführt: „Eine Eingliederung in den laufenden Dienstbetrieb der Trup-
pe, ohne die Disziplin und Ordnung nachhaltig zu stören, ist ausgeschlossen.
Der Soldat hat sich als dermaßen unzuverlässig gezeigt, dass ein vorbehaltlo-
ses Zusammenarbeiten mit ihm nicht erwartet werden kann.“ Die „Begründung“
der Einleitungsbehörde - wie im Übrigen auch die der Wehrdisziplinaranwalt-
schaft im Schreiben vom 9. November 2005 an die 6. Kammer des Truppen-
dienstgerichts Nord - beschränkt sich im Wesentlichen auf die Betonung der
Schwere der Verfehlung und die Anführung von Zumessungskriterien, die für
eine Maßnahmebemessung im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens
von Bedeutung sein können. In ihr werden jedoch keine der getroffenen Anord-
nung zugrundeliegende Tatsachen oder Umstände substantiiert dargelegt, aus
denen sich nachvollziehbar erschließen lässt, aus welchem Grund die Einlei-
tungsbehörde bei einem einstweiligen Verbleiben des Soldaten im Dienst Fol-
gen der angeführten Art befürchtet. Wenn die Einleitungsbehörde vorliegend
allein aus dem - nicht nur strafrechtlich, sondern auch disziplinarrechtlich
schwerwiegenden - Umstand, dass der Soldat auf ihm anvertraute dienstliche
Gelder zugegriffen hat, jede - bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtli-
chen Disziplinarverfahrens - „andere Verwendung“ ausschließt, so ist dies nicht
hinreichend substantiiert und damit nicht nachvollziehbar.
Im Übrigen ist die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde auch des-
halb fehlerhaft, weil eine Verwendungsmöglichkeit auf einem anderen Dienst-
posten innerhalb der Streitkräfte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
nicht untersucht wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass die Einleitungsbehörde der
Frage nachgegangen ist, ob mit einer weniger belastenden Maßnahme als der
Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Anordnungszweck dennoch in
gleicher Weise erreicht werden könnte. Die Entscheidung lässt namentlich nicht
erkennen, dass hinreichend geprüft worden ist, ob es für den Soldaten als aus-
gebildeten Innendienstbearbeiter im Bereich der Streitkräfte Tätigkeiten und
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Dienstposten gibt, die keinen Bezugspunkt zu Geld des Dienstherrn beinhalten,
und was einer Verwendung des Soldaten in einem solchen - anderen - Bereich
konkret entgegen steht. Insoweit ist von Bedeutung, dass z.B. in der dienstli-
chen Beurteilung des Soldaten vom 28. Juni 2002 durch Hauptmann L. zum
Ausdruck gebracht worden ist, dass der Soldat für „Fachverwendungen“,
„Stabsverwendungen“, „Führungsverwendungen in der Truppe“ und „Verwen-
dungen mit besonderer Außenwirkung“ gut geeignet und für „Allgemeine Füh-
rungsverwendungen“ und „Lehrverwendungen“ sogar besonders geeignet ist.
b) Da die Einleitungsbehörde somit im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung
ihrer Darlegungspflicht bezüglich der nach § 126 Abs. 1 WDO erfolgten vorläu-
figen Dienstenthebung nicht nachgekommen ist, war damit nicht nur diese und
das von den gleichen Voraussetzungen abhängige Uniformtrageverbot, son-
dern auch die nach § 126 Abs. 2 WDO getroffene Anordnung, ein Drittel der
jeweiligen Dienstbezüge einzubehalten, aufzuheben.
3. Da das gerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 114 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 126 Abs. 5 Satz 3 WDO ein Nebenbestandteil des gerichtlichen Disziplinar-
verfahrens ist, bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten
(§ 141 Abs. 1 und 2 WDO).
Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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