Urteil des BVerwG vom 06.02.2003

Unterhaltsbeitrag, Soldat, Rechtskraft, Gesetzeslücke

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
BVerwG 2 WDB 1.03
TDG S 3 GL 31/02
In der Antragssache
des … … ,
geboren am … … … ,
…, … …,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …, … & …,
…, … -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
am 6. Februar 2003
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde des ehemaligen Soldaten gegen den Beschluss
der
... Kammer des Truppendienstgerichts …
vom
28. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem ehemaligen
Soldaten auferlegt.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Die …. Kammer des Truppendienstgerichts … fand den ehemaligen Soldaten am
14. November 2000 eines Dienstvergehens schuldig, verurteilte ihn zur Aberken-
nung des Ruhegehalts und bewilligte ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75
v.H. seines erdienten Ruhegehalts für die Dauer von acht Monaten. Seine hierge-
gen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Bundes-verwaltungsgerichts
- ... Wehrdienstsenat - vom 27. Februar 2002 – BVerwG … WD ….01 - zurückge-
wiesen. Von März bis Oktober 2002 wurde dem ehemaligen Soldaten der bewillig-
te Unterhaltsbeitrag ausbezahlt. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
25. Oktober 2002 beantragte der ehemalige Soldat, ihm über den Monat Oktober
2002 hinaus einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines Ruhegehalts für
die Dauer von weiteren sechs Monaten zu bewilligen und begründete den Antrag
im Wesentlichen damit, er und seine Ehefrau hätten derzeit monatlich lediglich
ca. 700 € netto aus Entlohnung und aus der geringfügigen Beschäftigung seiner
Ehefrau 325 € sowie eine Versorgungsrente von 203 € zur Verfügung. Dem stün-
den Festausgaben in Höhe von 500 € für Miete, ca. 150 € für Versicherungen, ca.
127 € Abtrag laufender Gerichtskosten und ca. 200 € Abtrag laufender Anwalts-
kosten gegenüber, sodass das Existenzminimum unterschritten sei.
Die …. Kammer des Truppendienstgerichts Süd wies den Antrag mit Beschluss
vom 28. November 2002 - S … GL …/02 - zurück, der dem ehemaligen Soldaten
durch Postzustellungsurkunde am 6. Dezember 2002 und seinen Bevollmächtigten
durch Empfangsbekenntnis am 5. Dezember 2002 zugestellt wurde. Sie hielt den
Antrag für unzulässig, weil nach der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung der
Wehrdisziplinarordnung ein Antrag auf Abänderung der Entscheidung über einen
Unterhaltsbeitrag nicht mehr statthaft sei.
- 3 -
Gegen den Beschluss legte der ehemalige Soldat mit Schriftsatz seiner Bevoll-
mächtigten vom 19. Dezember 2002 - am selben Tag bei der …. Kammer des
Truppendienstgerichts Süd eingegangen - ordnungsgemäß Beschwerde ein mit
dem Antrag, ihm, dem ehemaligen Soldaten, über den Monat Oktober 2002 hin-
aus einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines Ruhegehalts für die Dauer
von weiteren sechs Monaten zu bewilligen.
Der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts … hielt eine
Abhilfeentscheidung durch die Kammer aus den Gründen des Beschlusses vom
28. November 2002 nicht für angebracht, da die Kammer sich bereits mit den
Gründen des Beschwerdeschriftsatzes erkennbar auseinandergesetzt habe.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für zulässig, jedoch für
unbegründet.
II
Die Beschwerde ist zulässig (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WDO). Da der Vor-
sitzende der Truppendienstkammer der Beschwerde nicht abgeholfen hat, hat
das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss zu entscheiden (§ 114 Abs. 3
WDO).
Die Beschwerde ist nicht begründet. Der ehemalige Soldat hat keinen Anspruch
auf Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrages über den 31. Oktober 2002 hinaus.
Die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Neufassung der Wehrdisziplinarordnung
sieht eine Neu- bzw. Weiterbewilligung nicht mehr vor. Sie enthält keine dem
§ 105 Abs. 4 WDO a.F. i.V.m. § 110 Abs. 2 BDO entsprechende Bestimmung mehr.
Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 WDO ist die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages für die
Dauer von sechs Monaten eine unmittelbare, d.h. nicht mehr durch das Truppen-
- 4 -
dienstgericht eigens auszusprechende Rechtsfolge der Entfernung aus dem
Dienstverhältnis, und nach § 63 Abs. 3 Satz 2 WDO, der an die Stelle des § 105
Abs. 3 und 4 WDO a.F. getreten ist, kann der Unterhaltsbeitrag über die grund-
sätzliche Dauer von sechs Monaten hinaus nur durch das Urteil des Truppen-
dienstgerichts gewährt werden, dessen Entscheidung - nach Unanfechtbarkeit -
endgültig ist (Beschluss vom 22. Juli 2002 - BVerwG … WDB ….02 -). Die Gewäh-
rung des Unterhaltsbeitrages ist mit Rechtskraft des Urteils endgültig (siehe auch
Bachmann, NZWehrr 2001, 177 [197]). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung
der …. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 14. November 2000 durch das
Berufungsurteil des …. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom
27. Februar 2002 endgültig geworden. Das hat zur Folge, dass eine dem § 105
Abs. 4 WDO a.F. entsprechende nachträgliche Verlängerung nicht mehr zulässig
ist. Einen Antrag des Verurteilten, den Unterhaltsbeitrag im gesetzlichen Rah-
men zu erhöhen oder den Bewilligungszeitraum zu verlängern, wenn sich die
wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Soldaten verschlechtert haben,
sieht das Gesetz nicht mehr vor (vgl. auch Dau, WDO, 4. Aufl., § 63 RdNr. 10).
Da der Gesetzgeber eindeutig geregelt hat, das bisherige Verfahren zur Änderung
bzw. Neubewilligung gemäß § 105 Abs. 3 und 4 WDO a.F. nicht in die Neufassung
der Wehrdisziplinarordnung aufzunehmen, kann auch nicht da-raus, dass die
Überleitungsbestimmung des § 147 WDO zur Frage der Weiterbewilligung von
nach altem Recht bewilligten Unterhaltsbeiträgen keine Regelung trifft, auf eine
Gesetzeslücke für Altfälle geschlossen werden (Beschluss vom 22. Juli 2002
- BVerwG … WDB ….02 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 139. Abs. 2 WDO.
Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth