Urteil des BVerwG vom 25.04.2007

Grundsatz der Fairness, Luftwaffe, Slv, Absicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 27.06
Az: 1 WB 27.06
Datum: 25.04.2007
DGradGrp: UmP
DGrad: Oberfähnrich
Status: B
Fundstelle:
TXT
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberfähnrich Michael Bewerunge,
3./Fachschule der Luftwaffe, Munster,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Major Neubauer
als ehrenamtlichen Richter und
Hauptfeldwebel van Overbeke
als ehrenamtliche Richterin
am 25. April 2007 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der 1976 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; er wendet sich gegen eine
Entscheidung des Personalamtes der Bundeswehr, mit der sein Antrag auf Zu-
lassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Aus-
wahljahr 2005 abgelehnt worden ist. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit
Ablauf des 30. Juni 2030 enden. Zum Hauptfeldwebel wurde er am 28. Oktober
2003 ernannt. Er gehört der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 85903 (Assis-
tenzpersonal Sanitätsdienst allgemein) an.
Seit seiner Zulassung als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militär-
fachlichen Dienstes zum 1. Oktober 2006 ist der Antragsteller berechtigt, den
Dienstgrad Oberfähnrich zu führen. Zurzeit wird er im Rahmen der militärfachli-
chen Ausbildung an der Fachschule der Luftwaffe in Munster verwendet.
Die „Allgemeine Eignungsfeststellung für Unteroffiziere der Luftwaffe“ schloss
der Antragsteller am 18. Juli 2000 mit der Eignungsstufe „SaZ/maximale Ver-
pflichtungszeit“ ab. Mit Schreiben vom 8. Januar 2004 teilte ihm die Stamm-
dienststelle des Heeres mit, er habe die psychologische Eignungsprüfung für
Bewerber gemäß § 40 SLV mit dem Empfehlungsgrad „besonders empfohlen
(24 bis 27 Indexpunkte)“ abgeschlossen.
Nach erfolgloser Bewerbung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen
Dienstes für das Auswahlverfahren 2004 beantragte der Antragsteller am
11. Mai 2004 erneut seine Zulassung zu dieser Laufbahn. Diesen Antrag lehnte
das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid vom 24. März 2005 ab.
Die dagegen als „Einspruch“ eingelegte Beschwerde des Antragstellers vom
6. April 2005 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid
vom 27. September 2005 zurück.
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Gegen diese ihm am 30. September 2005 eröffnete Entscheidung richtet sich
der Antrag des Antragstellers vom 14. Oktober 2005 auf gerichtliche Entschei-
dung, den der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellung-
nahme vom 24. Mai 2006 dem Senat vorgelegt hat.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militär-
fachlichen Dienstes des Sanitätsdienstes sei fehlerhaft und widerspreche dem
Grundsatz der Fairness und Chancengleichheit. Für die Auswahlkonferenz
2005 für Offiziere des militärfachlichen Dienstes im allgemeinen Sanitätsdienst
sei die Übernahmequote auf sieben Übernahmen in der jahrgangsübergreifen-
den Betrachtung der Jahrgänge 1975 bis 1979 innerhalb des Uniformträgerbe-
reichs Luftwaffe festgelegt worden; diese jahrgangsübergreifende Betrachtung
von fünf Jahrgängen berge eine Benachteiligung im Eignungs- und Leistungs-
vergleich. Es seien Bewerber miteinander verglichen worden, die bei „normalem
Laufbahnaufstieg“ allein durch ihren Geburtsjahrgang zu ganz unterschied-
lichen Zeiten ihre „Allgemeine Eignungsfeststellung für Unteroffiziere der Luft-
waffe“ absolviert hätten und damit nicht unter gleichen Bedingungen konkur-
renzfähig seien. Nach seiner Auffassung müsse für jeden Geburtsjahrgang eine
eigene Übernahmequote festgelegt werden, um innerhalb eines jeden Jahr-
gangs ein gerechteres Bild zu erhalten. Zu Unrecht sei im Übrigen das Kriterium
der „Allgemeinen Eignungsfeststellung für Unteroffiziere der Luftwaffe“ der
speziellen psychologischen Eignungsprüfung für Bewerber nach § 40 SLV
übergeordnet worden, die in seinem Fall mit dem Ergebnis „besonders empfoh-
len“ abgeschlossen worden sei. Eine Auswahlentscheidung dürfe nur mit dem
aktuellsten Ergebnis aller Auswahlkriterien innerhalb des eigenen Geburtsjahr-
ganges und des Uniformträgerbereichs bei gleichen Bedingungen zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt erfolgen. Der Umstand, dass er inzwischen aufgrund des
Bescheides des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. März 2006 und der
anschließenden Personalverfügung vom 29. August 2006 zum 1. Oktober 2006
zu der angestrebten Laufbahn zugelassen worden sei, ändere nichts an seinem
Rechtsschutzziel, welches er mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ver-
folge. In diesem gerichtlichen Verfahren gehe es nach seiner Auffassung „um
eine Grundsatzangelegenheit und um die Überprüfung angewandter Verfahren
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und Kriterien, welche überprüfungsbedürftig“ seien. Die Fehlerhaftigkeit im
Auswahlverfahren müsse nachgewiesen werden. Die Formulierung des Bun-
desministers der Verteidigung, dass seiner Beschwer abgeholfen worden sei,
könne den „Beigeschmack“ hervorrufen, dass er letztendlich aufgrund seines
Rechtsbehelfs zu der angestrebten Laufbahn zugelassen worden sei.
Er sei bereit, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuziehen, sofern
eine Änderung der Auswahlverfahren entsprechend seiner Beanstandung
rechtsverbindlich vor der Entscheidung des Senats innerhalb der Bundeswehr
in Kraft treten werde.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
Mit der erfolgten Zulassung sei der Beschwer des Antragstellers abgeholfen
worden. Sollte der Antragsteller jetzt noch die Feststellung begehren, dass der
Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 24. März 2005 in der Ge-
stalt des Beschwerdebescheides vom 27. September 2005 rechtswidrig sei,
habe er das dafür erforderliche Feststellungsinteresse nicht dargelegt. Eine
nachträgliche Einsteuerung des Antragstellers in den Ausbildungsgang der Of-
fiziere des militärfachlichen Dienstes in der Ausbildungs- und Verwendungsrei-
he 85903 des Auswahljahres 2005 sei nicht mehr möglich.
Im Übrigen tritt der Bundesminister der Verteidigung dem Vorbringen des An-
tragstellers in der Sache entgegen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 798/05 - sowie
die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat
bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
Der Antragsteller hat - trotz gerichtlichen Hinweises - keinen konkreten Sachan-
trag gestellt.
Soweit er - generell - seine Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militär-
fachlichen Dienstes beantragt hat, ist dieses Rechtsschutzziel durch den Be-
scheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. März 2006 in der Fassung
der 1. Änderung vom 20. März 2006 erledigt. Die in diesem Bescheid (unter der
Bedingung fehlender sonstiger Hinderungsgründe) zum 1. Oktober 2006 zuge-
sicherte Zulassung des Antragstellers zu der angestrebten Laufbahn ist durch
die Personalverfügung vom 29. August 2006 endgültig angeordnet worden. Der
Antragsteller befindet sich im Rahmen der Laufbahnausbildung in der zweijäh-
rigen Fachschulausbildung.
Sein ursprünglich mit der Beschwerde angestrebtes spezifisches Ziel, noch im
Rahmen des Auswahlverfahrens 2005 die Laufbahnzulassung zu erreichen,
verfolgt der Antragsteller ersichtlich nicht mehr. In seinem Schreiben an den
Senat vom 26. Februar 2007 hat er betont, dass es ihm in diesem Verfahren um
eine Grundsatzangelegenheit und um die Überprüfung angewandter Verfahren
und Kriterien gehe; es sei sein „Kernziel“, hier „die Fehlerhaftigkeit im
Auswahlverfahren“ nachzuweisen und „in der Folge eine Änderung des Aus-
wahlverfahrens aufgrund gerichtlicher Entscheidung“ zu erreichen, weil ande-
renfalls „auch zukünftig mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen“ werde.
Dieses Vorbringen des Antragstellers ist sinngemäß dahin auszulegen, dass er
nicht mehr die Zulassung zu der angestrebten Laufbahn noch für das Auswahl-
jahr 2005 verfolgt, sondern vielmehr die gerichtliche Feststellung beantragt,
dass der Ablehnungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom
24. März 2005 rechtswidrig sei.
Dieser Feststellungsantrag ist unzulässig.
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Ein derartiger Antrag setzt ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse
voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich dieses Fortset-
zungsfeststellungsinteresse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer
Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadenersatzan-
spruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos
erscheint. Zusätzlich kommt auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechts-
schutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Be-
tracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechts-
beeinträchtigung nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003
- BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 = NZWehrr 2004, 163 und
- BVerwG 1 WB 24.03 - Buchholz 236.110 § 6 SLV 2002 Nr. 1, vom 22. Januar
2004 - BVerwG 1 WB 34.03 - jeweils m.w.N., vom 4. November 2004 - BVerwG
1 WB 29.04 - und vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 19.04 -). Ein Feststel-
lungsinteresse in diesem Sinne muss der Antragsteller spezifiziert darlegen und
geltend machen.
Eine Wiederholungsgefahr besteht schon deshalb nicht, weil der Antragsteller
zum 1. Oktober 2006 zu der angestrebten Laufbahn zugelassen worden ist.
Anhaltspunkte für die Absicht, einen Schadenersatzanspruch geltend zu ma-
chen, oder für eine durch die erledigte Maßnahme fortdauernde faktische
Grundrechtsbeeinträchtigung hat der Antragsteller nicht geltend gemacht; sie
sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
Soweit der Antragsteller der Formulierung des Bundesministers der Verteidi-
gung (in dessen Schreiben vom 30. Januar 2007), der Beschwer des Antrag-
stellers sei abgeholfen worden, einen „Beigeschmack“ entnimmt, ergibt sich
hieraus nicht ein Rehabilitierungsinteresse. Das Rehabilitierungsinteresse setzt
voraus, dass der angefochtenen Entscheidung oder Maßnahme selbst eine
diskriminierende Wirkung zuzuschreiben ist. Eine derartige diskriminierende
Wirkung kann dem streitbefangenen Bescheid des Personalamtes der Bun-
deswehr vom 24. März 2005 jedoch nicht beigemessen werden. Mit seiner
Formulierung im Schreiben vom 30. Januar 2007 hat der Bundesminister der
Verteidigung lediglich eine Rechtsauffassung geäußert, der bei der erforderli-
chen objektiven Betrachtung weder ein Bezug zum Bescheid des Personalam-
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tes der Bundeswehr vom 24. März 2005 noch eine rehabilitierungswürdige
Komponente zu entnehmen ist. Erkennbar erschöpft sich das jetzt noch verfolg-
te Rechtsschutzziel des Antragstellers darin, vom Senat ein abstraktes Rechts-
gutachten zu den Kriterien des Auswahlverfahrens sowie zu deren Gewichtung
zu erhalten, zumal er angekündigt hat, seinen Antrag zurückzunehmen, wenn
das von ihm beanstandete Auswahlverfahren für die Zukunft geändert werde.
Eine derartige - von der individuellen Rechtsposition losgelöste - Zielsetzung
rechtfertigt nicht die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses.
Von einer Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten hat der Senat
abgesehen, weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WBO nicht als gege-
ben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Deiseroth
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