Urteil des BVerwG vom 15.03.2017

BVerwG ()

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 23.07
OVG 15 P 4/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 19. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Entscheidungen nach § 99
Abs. 2 VwGO des Schleswig-Holsteinischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 19. April 2007 in der berichtigten Fas-
sung vom 9. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Kläger wird der vorge-
nannte Beschluss hinsichtlich der Angaben über die Sieb-
größe des verwandten Bruchkaffees auf Blatt 276 und
Blatt 294 der Beiakte B geändert. Es wird festgestellt,
dass die Verweigerung der Aktenvorlage auch hinsichtlich
dieser Angaben rechtswidrig ist.
Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festge-
setzt.
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G r ü n d e :
I
Die Kläger wohnen in der Umgebung des Betriebs der Beigeladenen zu 1, in
dem aus gerösteten Kaffeebohnen Kaffeearomastoffe gewonnen werden. Sie
begehren mit der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Klage unein-
geschränkte Einsicht in die dem beschließenden Senat vorgelegten Betriebsak-
ten. Der Beigeladene zu 2 hat als oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der
vollständigen Akten an das Verwaltungsgericht verweigert.
Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den Antrag der Kläger auf
Überprüfung der Weigerungserklärung mit Beschluss vom 19. April 2007, be-
richtigt durch Beschluss vom 9. Mai 2007, festgestellt, dass der Beklagte aus
Gründen des Geheimnisschutzes hinsichtlich der im Tenor des Beschlusses
bezeichneten Aktenblätter mit den Angaben über das gegenwärtig eingesetzte
Extraktionsmittel, das gegenwärtig verwandte Extraktionsverfahren sowie über
die Siebgröße des verwandten Bruchkaffees zur Verweigerung der Aktenvorla-
ge befugt sei. Hinsichtlich des in der Vergangenheit eingesetzten Lösemittel-
Extraktionsverfahrens, der Prozessparameter und des speziellen Lösemittels
hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verwei-
gerung der Aktenvorlage rechtswidrig sei. Da das Lösemittel in Deutschland
nicht mehr verwendet werden dürfe, sei seine Zusammensetzung kein schüt-
zenswertes Geschäftsgeheimnis mehr. Gegen diesen Beschluss haben die
Beigeladene zu 1 Beschwerde und die Kläger Anschlussbeschwerde eingelegt.
Die Beigeladene zu 1 macht geltend, dass das in der Vergangenheit eingesetz-
te Lösemittel-Extraktionsverfahren, die damaligen Prozessparameter sowie das
spezielle Lösemittel auf einer langjährigen firmeninternen Forschung beruhten
und strikter Geheimhaltung unterlägen. Die Qualität des unter Einsatz dieses
Extraktionsverfahrens hergestellten Produkts sei bis heute mit keinem anderen
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Verfahren erreicht worden. Zwar dürfe das damals verwendete Lösemittel in
Deutschland nicht mehr verwendet werden, doch sei eine Wiederaufnahme der
Produktion im Ausland nicht ausgeschlossen. Die Offenlegung der streitigen
Daten gefährde ihren Wettbewerbsvorteil und führe zu einem nicht unerhebli-
chen wirtschaftlichen Schaden.
Die Kläger machen geltend, die angefochtene Entscheidung enthalte keine zu-
treffende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und
dem Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen zu 1. Soweit es um Angaben
zur Siebgröße bei der Herstellung des Bruchkaffees gehe, diene die Aktenein-
sicht zur Klärung der Frage, ob die Beigeladene zu 1 eine genehmigungsbe-
dürftige Anlage betreibe. Würden die Kaffeebohnen nicht gebrochen, sondern
gemahlen, sei die Anlage genehmigungsbedürftig. Die Größe des Siebes kön-
ne darüber Aufschluss geben.
II
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 bleibt ohne Erfolg, die Anschlussbe-
schwerde der Kläger ist begründet.
1. Beide Beschwerden scheitern nicht schon daran, dass das Gericht der
Hauptsache die Vorlage an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ohne
einen förmlichen Beschluss, aus dem sich ergibt, dass es die Vorlage des Ak-
ten als entscheidungserheblich ansieht, verfügt hat. In der mündlichen Ver-
handlung vom 15. Dezember 2006 hat das Hauptsachegericht zwar die Sach-
und Rechtslage erörtert. Zur Entscheidungserheblichkeit findet sich aber in der
Sitzungsniederschrift keine Erklärung; ein Beweisbeschluss wird (nur) deswe-
gen für entbehrlich gehalten, „ da nicht damit zu rechnen sei, dass eine weitere
Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde eine andere Entscheidung zu Ta-
ge fördern wird“ . Ein Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äuße-
rung des Hauptsachegerichts war vorliegend aber entbehrlich, weil sich die Ent-
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scheidungserheblichkeit des Inhalts der zurückgehaltenen Unterlagen ohne
Weiteres aus dem materiellen Recht ergibt (Beschluss vom 24. November
2003 - BVerwG 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229 <230 f.>). Gegenstand des
Hauptsacheverfahrens ist der Informationsanspruch selbst.
2. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden im Verwaltungsrechtsstreit zur
Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Ist - wie hier -
die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits und hängt nach der
Rechtsauffassung des Gerichts die Entscheidung über das Klagebegehren von
der Kenntnis des Akteninhalts ab, so beschränkt sich die Vorlagepflicht nach
§ 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht auf die Vorlage der Akten, die bei der Behörde
vor dem Rechtsstreit aus Anlass des Streits über die Aktenvorlage entstanden
sind. Vielmehr gehören zu den grundsätzlich vorzulegenden Akten auch die be-
hördlichen Akten, in die Einblick zu nehmen die zuständige Behörde unter Beru-
fung auf etwaige im jeweiligen Fachgesetz normierte Geheimhaltungsgründe
abgelehnt hat (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 -
Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42 und vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F
2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 9). Wenn aber das Bekanntwerden des Inhalts der
Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten
würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach ge-
heim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde
gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der Akten verweigern. § 99 Abs. 1
Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der
mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwal-
tungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Ent-
scheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt
das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Be-
hörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer
Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven
Rechtsschutzes willen absieht (Beschlüsse vom 13. Juni 2006 a.a.O. und vom
21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 18).
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Wie im Senatsbeschluss vom 21. Februar 2008 (a.a.O. Rn. 19) ebenfalls be-
reits entschieden wurde, sind die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unter-
scheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage
angeführt werden, soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits
selbst ist. Diese Gründe können, müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da
die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abge-
stimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in
ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des - je nach
Fachgesetz im Einzelnen normierten - Geheimnisschutzes zu verweisen. Die
oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2
VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechts-
schutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für
den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensaus-
übung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten
Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fach-
gesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt.
Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in
bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in
Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das
grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind
nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der
ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grund-
rechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch ge-
kennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein
privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers
entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und priva-
ten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch
die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden wider-
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streitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2
VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass
die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Inte-
ressen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich
gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchset-
zen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen der Grundrechte sind Fälle
denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so gewichtig ist, dass die Vor-
lage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen
Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen ver-
bleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfin-
dung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein
Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren
einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das
Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2
VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vor-
gaben der Hauptsache annähert (Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O.
Rn. 20).
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beschwerde der Beigeladenen
zu 1 zurückzuweisen. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zu
Recht festgestellt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage hinsichtlich des in
der Vergangenheit eingesetzten Lösemittel-Extraktionsverfahrens, der Pro-
zessparameter und des speziellen Lösemittels rechtswidrig ist. Der Beigelade-
ne zu 2 hätte bei seiner Entscheidung über die Vorlage dieser Aktenbestandtei-
le den öffentlichen und privaten Interessen an einer uneingeschränkten Akten-
vorlage gegenüber den von der Beigeladenen zu 1 geltend gemachten privaten
Interessen am Geheimnisschutz den Vorzug geben müssen.
Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat die Behörde in Bezug auf die
Verhältnisse in der Vergangenheit bereits mangels eines schützenswerten Ge-
schäftsgeheimnisses für verpflichtet gehalten, die Akten uneingeschränkt vor-
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zulegen; dies ergebe sich aus der Unerlaubtheit des früher verwendeten Löse-
mittels. Die Beigeladene zu 1 bestreitet die Unerlaubtheit des Lösemittels und
des darauf beruhenden Extraktionsverfahrens nicht, wendet aber ein, dass das
Verfahren gleichwohl als ein durch Art. 12 und 14 GG geschütztes Geschäfts-
geheimnis angesehen werden müsse, weil die Wiederaufnahme der Produktion
im Ausland oder im Inland nach einer Änderung der einschlägigen Rechtsvor-
schriften nicht auszuschließen sei. Die Berechtigung dieser Einwände ist (zu-
mindest) zweifelhaft. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt neben dem
- hier gegebenen - Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informa-
tionen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung
voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen
geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Markt-
konkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Un-
ternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006
- 1 BvR 2087, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <230 f.>). Das von der Beigelade-
nen zu 1 früher verwendete Produktionsverfahren hat auch bei Zugrundelegung
ihres Vorbringens für die aktuellen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, an
denen die Beigeladene zu 1 beteiligt ist, keinerlei Bedeutung, und eine Ände-
rung dieses Zustands ist zwar denkbar, aber gänzlich ungewiss. Ob unter die-
sen Umständen noch von einem berechtigten Interesse der Beigeladenen zu 1
an der Geheimhaltung des Produktionsverfahrens gesprochen werden kann,
erscheint fragwürdig.
Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es nicht. Sollte ein berech-
tigtes Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen zu 1 noch anzuerkennen
sein, war der Beigeladene zu 2 jedenfalls wegen überwiegender öffentlicher
und privater Offenbarungsinteressen zur uneingeschränkten Aktenvorlage ver-
pflichtet. In diesem Sinne war das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO
geforderten Abwägung vorgezeichnet; für Ermessenerwägungen des Beigela-
denen zu 2 war kein Raum.
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Die Kläger machen Ansprüche auf Zugang zu Informationen nach dem Infor-
mationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 9. Februar 2000
(GVOBl S. 166) oder dem Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-
Holstein vom 2. März 2007 (GVOBl S. 132) geltend. Der Anspruch nach dem
Informationsfreiheitsgesetz besteht, ohne dass hierfür ein Interesse geltend
gemacht werden muss (§§ 4, 6 des Gesetzes). Jede natürliche oder juristische
Person ist mit der Antragstellung anspruchsberechtigt. Der Anspruch dient mit-
hin nicht oder nicht in erster Linie der Befriedigung privater Informationsinteres-
sen. Vielmehr geht es zum einen darum, die Arbeit der Behörden transparenter
zu machen, um deren Akzeptanz und das Vertrauen in ihre Arbeit in der Bevöl-
kerung zu stärken; zum anderen sollen die politischen Mitgestaltungsmöglich-
keiten der Bevölkerung erhöht werden (vgl. LTDrucks 14/2374 S. 10 f.). Ähnli-
ches gilt für den auf Umweltinformationen gerichteten Informationsanspruch
nach dem Umweltinformationsgesetz. Auch dieses Gesetzes setzt kein berech-
tigtes Informationsinteresse der Anspruchsteller voraus (§§ 3, 4), und es zielt
darauf ab, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Mei-
nungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Ent-
scheidungsverfahren zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz
zu verbessern (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 -
BVerwGE 130, 236 Rn. 24).
Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesziele sowie in Anbetracht des Umstands,
dass die Beigeladene zu 1 - wie sie nicht in Abrede stellt - in ihrem Unterneh-
men viele Jahre lang ein unerlaubtes Produktionsverfahren eingesetzt hat, er-
gibt sich in Bezug auf die Verhältnisse bis zur Aufgabe dieses Verfahrens und
der Einführung des gegenwärtigen Verfahrens ein erhebliches Interesse der
Allgemeinheit an uneingeschränkter Aktenkenntnis, welches von den Klägern
mit ihrer Klage geltend gemacht wird. Denn diese Kenntnis ermöglicht ein Urteil
darüber, ob und in welcher Weise die rechtswidrige Tätigkeit der Beigeladenen
zu 1 behördlich überwacht wurde und ob dieser Tätigkeit bereits früher ein En-
de hätte gesetzt werden können und müssen. Nach dem zuvor Gesagten gehö-
ren die Prüfung eines ordnungsgemäßen Gesetzesvollzugs sowie die Aufde-
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ckung etwaiger behördlicher Versäumnisse zu den Zielen, die mit den Informa-
tionsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Umweltinfor-
mationsgesetz erreicht werden sollen. Da das Produktionsverfahren illegal war,
die Beigeladene zu 1 sich also nicht gesetzeskonform verhalten hat, überwiegt
das von den Klägern verfolgte öffentliche (und zugleich private) Interesse an
vollständiger Aktenkenntnis die Geheimhaltungsinteressen der Beigeladenen
zu 1 - sofern sie überhaupt anerkannt werden können - so eindeutig, dass der
Beigeladene zu 2 zur uneingeschränkten Aktenvorlage verpflichtet war. Die
diesbezügliche Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts ist
daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
4. Die gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 567 Abs. 3 ZPO ohne Fristbindung zulässi-
ge Anschlussbeschwerde der Kläger (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl.
2007, § 146 Rn. 46; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/
Pietzner, VwGO, Stand März 2008, § 146 Rn. 18a; Guckelberger, in: Sodan/
Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 146 Rn. 46 f.) ist begründet. Der Beklagte ist
auch hinsichtlich der Angaben über die Siebgröße des Bruchkaffees, auf die
allein sich die Anschlussbeschwerde bezieht, zur Aktenvorlage gegenüber dem
Verwaltungsgericht verpflichtet. Insoweit fehlt es bereits an einem schutzwürdi-
gen Betriebsgeheimnis der Beigeladenen zu 1, das die Verweigerung der Ak-
tenvorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen könnte.
Zwar hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts das gegenwärtige Pro-
duktionsverfahren der Beigeladenen zu 1 - soweit es nicht offenkundig ist -
grundsätzlich zu Recht als ein durch Art. 12 und 14 GG sowie § 99 Abs. 1
Satz 2 VwGO geschütztes Betriebsgeheimnis angesehen, weil durch das Be-
kanntwerden dieses Verfahrens im Prozess und nachfolgend in der Öffentlich-
keit die Wettbewerbsposition der Beigeladenen zu 1 nachteilig beeinflusst wer-
den kann. Anders verhält es sich jedoch ausnahmsweise hinsichtlich der Anga-
ben über die Siebgröße des verwandten Bruchkaffees. Denn diese Angaben
sind bereits auf der Grundlage von gleichlautenden Informationen, die die Klä-
ger von der Beigeladenen zu 1 selbst erlangt haben, in den Prozess eingeführt
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worden. Wie die Kläger mit Schriftsatz vom 28. November 2006 vorgetragen
haben, hat der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 im Zivilprozess auf Un-
terlassung vor dem Landgericht Lübeck (Az.: 5 O 358/04) während der mündli-
chen Verhandlung vom 22. April 2005 zu Protokoll gegeben, dass nach der
Zerkleinerung der Kaffeebohnen deren Größe ca. 3 mm beträgt. Die Beigela-
dene zu 1 ist diesem Vortrag der Kläger nicht entgegengetreten. Da die Beige-
ladene zu 1 schon bei ihrem von den Klägern wiedergegebenen Vortrag vor
dem Landgericht mit einem Bekanntwerden dieses Vortrags in der Öffentlich-
keit rechnen musste, wird die bestehende Lage durch die Offenlegung der ent-
sprechenden Angaben in den Behördenakten („ 75 % > 3 mm“ ), die ebenfalls
von der Beigeladenen zu 1 selbst herrühren, nicht zu ihrem Nachteil verändert.
Dieser Umstand schließt ein nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO beachtliches Inte-
resse der Beigeladenen zu 1 an der Geheimhaltung des betreffenden Aktenin-
halts aus.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung
des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Bardenhewer Prof. Dr. Kugele Dr. Bumke
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