Urteil des BVerwG vom 15.03.2017

BVerwG (gesetzliche vermutung, kenntnis, vermutung, bundesverwaltungsgericht, erkrankung, beschwerde, vorschrift, fiktion, versorgung, ehefrau)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 14.08
OVG 2 A 10800/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2007 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 42 848,28 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die 1957 geborene Klägerin, eine selbständige Unternehmerin, heiratete am
28. Januar 2006 einen 1953 geborenen Landesbeamten, der 24 Tage später,
am 20. Februar 2006, an einem Bronchialkarzinom verstarb. Der Beklagte
lehnte die Gewährung von Witwengeld mit der Argumentation ab, es handele
sich um eine sogenannte Versorgungsehe. Auf die Berufung des Beklagten hat
das Oberverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen und
zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BeamtVG lägen vor, so dass es sich um eine sogenannte Versorgungsehe
handele. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsabsicht sei auch nicht
durch besondere, objektiv erkennbare Umstände, die einen anderen Zweck der
Ehe mindestens wahrscheinlich machten, widerlegt.
2. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche
Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden all-
gemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Recht-
sprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren
bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer,
diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG
8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Hieran fehlt es.
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a) Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die erfolgte Ände-
rung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG mit höherrangigem Recht verein-
bar ist. Die Vorschrift sei durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 (BGBl I
S. 3926) dahingehend geändert worden, dass gegenüber ihrer vorherigen Fas-
sung, nach der eine Ehedauer von weniger als drei Monaten die gesetzliche
Vermutung ausgelöst habe, nun eine Ehedauer von nicht mindestens einem
Jahr dies bewirke. Diese Änderung begegne Bedenken in Bezug auf Art. 3
Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG.
Diese von der Klägerin aufgeworfene Frage würde sich in einem Revisionsver-
fahren schon nicht stellen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Denn auch
nach der vorherigen Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG wäre die
gesetzliche Vermutung der Eheschließung in Versorgungsabsicht ausgelöst
worden, weil die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann nur
24 Tage bestand.
b) Die Klägerin will außerdem geklärt wissen, ob die von § 19 Abs. 1 Satz 2
BeamtVG unterstellte Versorgungsabsicht ein Versorgungsbedürfnis voraus-
setzt.
Auch diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn
der die Berufungsentscheidung tragende Rechtssatz lautet: Die Kenntnis des
grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters der Erkrankung des Beamten im
Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermu-
tung einer Versorgungsehe i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG regelmä-
ßig aus, es sei denn, dass sich die Eheschließung als konsequente Verwirkli-
chung eines bereits vor Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsent-
schlusses darstellt. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
Im Urteil vom 18. April 1991 - BVerwG 2 C 7.90 - (Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 230) ist der Senat davon ausgegangen, dass die Kenntnis einer le-
bensbedrohlichen Erkrankung des künftigen Ehepartners von entscheidender
Bedeutung für die Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung ist, die Ehe-
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schließung diene hauptsächlich der Versorgung (vgl. auch Beschluss vom
2. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 7.08 - juris Rn. 3).
In dem damaligen Rechtsstreit war das Berufungsgericht zu dem Schluss ge-
kommen, die gesetzliche Fiktion einer Versorgungsehe sei widerlegt, ohne hin-
reichend aufgeklärt zu haben, ob die Ehefrau des später verstorbenen Beam-
ten von dessen lebensbedrohlicher Krankheit schon vor der Eheschließung
Kenntnis hatte. Wegen dieses Aufklärungsmangels wurde das Berufungsurteil
aufgehoben und an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Sei nämlich,
so der Senat in der damaligen Entscheidung, davon auszugehen, dass der
Ehegatte des verstorbenen Beamten von dessen lebensbedrohlicher Erkran-
kung Kenntnis gehabt habe, sei die Annahme des Berufungsgerichts hinfällig,
die damalige Klägerin habe den Beamten nicht in Versorgungsabsicht geheira-
tet.
Im Übrigen stellt § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für seine Anwendung of-
fensichtlich nicht auf das Bestehen eines Versorgungsbedürfnisses ab. Die ge-
genteilige Rechtsansicht der Klägerin findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze
und widerspricht dem Normzweck der Vorschrift. Sie hätte zur Folge, dass Ver-
sorgungsansprüche im Falle eines Versorgungsbedürfnisses ausgeschlossen
wären, bei dessen Fehlen aber bestünden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertent-
scheidung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Herbert Dr. Heitz Thomsen
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