Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: subjektives recht, bebauungsplan, normenkontrolle, verordnung, landschaft, gemeinde, erlass, rechtsverletzung, ausweisung, unterschutzstellung

Rechtsquellen:
BNatSchG a.F.
§ 1 Abs. 2, §§ 12 ff.
BNatSchG 2002
§ 2 Abs. 1, §§ 22 ff.
VwGO
§ 47 Abs. 2 Satz 1
BauGB
§ 1 Abs. 6
Stichworte:
Normenkontrolle; Antragsbefugnis; Landschaftsschutzverordnung; Aufhebung des
Landschaftsschutzes zwecks Bebauungsplanung; naturschutzrechtliche Abwägung;
Abwägung privater Belange; Rechtsschutz Planbetroffener.
Leitsätze:
Bei der (teilweisen) Aufhebung einer Landschaftsschutzverordnung aus Anlass einer
gemeindlichen Bebauungsplanung erstreckt sich das naturschutzrechtliche Abwä-
gungsgebot in § 2 Abs. 1 BNatSchG nicht auf die Bodennutzungskonflikte, die erst
durch die Bauleitplanung ausgelöst und durch das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6
BauGB gesteuert werden.
Ein Antragsteller, der eine Verordnung, die den Landschaftsschutz aus Anlass einer
Bebauungsplanung (teilweise) aufhebt, im Wege der Normenkontrolle angreift, ist
nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Neufassung von 1996 nicht antragsbefugt,
wenn und soweit er geltend macht, durch den nachfolgenden Bebauungsplan in sei-
nen Rechten verletzt zu werden.
Urteil des 4. Senats vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02
I. VGH Mannheim vom 28.02.2002 - Az.: VGH 5 S 1141/01 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 CN 10.02
Verkündet
VGH 5 S 1141/01
am 11. Dezember 2003
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
- 2 -
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a ,
Prof. Dr. R o j a h n , G a t z und Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. Februar 2002
wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
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Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Verordnung
des Antragsgegners vom 22. Mai 2000 über die Änderung des Landschaftsschutz-
gebiets "Fichtenberger Rot-, Murr- und Fornsbachtal mit angrenzenden Höhenzü-
gen". Das Gebiet wurde durch Landschaftsschutzverordnung vom 17. Dezember
1975 unter Schutz gestellt.
Der Antragsteller ist u.a. Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grund-
stücks im Ortsteil H. der Gemeinde O., das unmittelbar an das Landschaftsschutzge-
biet angrenzt. Er ist ferner Eigentümer bzw. Pächter mehrerer Flurstücke, die sämt-
lich im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung von 1975 liegen. Die an-
gegriffene Änderungsverordnung entlässt mehrere Flächen zwischen H. und dem
nordwestlich davon gelegenen O. aus dem förmlichen Landschaftsschutz. Sie sollen
durch Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen werden, um dem dort ansässigen
Holzverarbeitungsbetrieb die (erneute) Erweiterung seines Betriebsgeländes in Rich-
tung Süd-Südosten zu ermöglichen. Die Verkleinerung des Schutzgebiets und die
nachfolgende Bebauungsplanung hätten zur Folge, dass die Betriebsfläche näher an
das Wohngrundstück des Antragstellers heranrückte. Der Abstand zwischen der
neuen Schutzgebietsgrenze bei O. und dem Wohngrundstück verringert sich von ca.
410 auf 310 m. Die Änderungsverordnung berührt Eigentums- oder Pachtflächen des
Antragstellers im Schutzgebiet nicht; sie erstreckt das Schutzgebiet auch nicht auf
Flächen, die im Eigentum des Antragstellers stehen oder von ihm gepachtet sind.
Gegen den beim Landratsamt ausgelegten Entwurf der Änderungsverordnung erhob
der Antragsteller Einwendungen: Infolge der geplanten Erweiterung des Gewerbege-
biets zu Gunsten des Holzverarbeitungsbetriebs seien erhöhte Immissionen (Geräu-
sche, Gerüche, Dämpfe), klimatische Veränderungen, eine Verringerung des Reten-
tionsraums bei Hochwasser sowie eine weitere Zerstörung des Naturparks und des
Lebensraums bedrohter Tiere, insbesondere des Rotmilans, zu befürchten. Einer
weiteren Verschlechterung der Wohnsituation in Hausen müsse Einhalt geboten
werden, auch wenn der Holzverarbeitungsbetrieb mit ca. 500 Arbeitsplätzen einen
hohen Stellenwert in der Gemeinde besitze. Der Antragsteller rügte ferner Form- und
Verfahrensfehler bei Erlass der Änderungsverordnung.
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Mit seinem Normenkontrollantrag, die Änderungsverordnung vom 22. Mai 2000 für
nichtig zu erklären, hat der Antragsteller ergänzend vorgetragen: Seine Antragsbe-
fugnis ergebe sich aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die partielle Aufhebung des Land-
schaftsschutzes sei im Sinne eines "Zwangspunkts" auf Ergänzung durch gemeindli-
che Bauleitplanung angelegt. Die Änderungsverordnung sei abwägungsfehlerhaft.
Das Landratsamt habe das Interesse an der Erweiterung des Gewerbegebiets stär-
ker gewichtet als sein Interesse, von den erheblichen Immissionen durch die "heran-
rückende industrielle Nutzung" verschont zu bleiben. Der Holzverarbeitungsbetrieb
sei bereits jetzt überdimensioniert und verursache erhebliche Störungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 28. Februar
2002 abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Der Normenkontroll-
antrag sei unzulässig. Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt im Sinne von § 47
Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die partielle Aufhebung des Landschaftsschutzes greife nicht
unmittelbar in Eigentums- oder Pachtrechte des Antragstellers ein. Einen Anspruch
auf Ausweisung oder Fortbestand eines Landschaftsschutzgebiets gebe es nicht. Auf
die Beeinträchtigung eines "Lagevorteils" seines Wohngrundstücks am Rande des
Schutzgebiets habe der Antragsteller sich nicht berufen. Die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Änderungsverordnung den
Weg für die vom Antragsteller befürchtete gemeindliche Bauleitplanung frei machen
solle. Die beabsichtigte Planung sei nur mittelbare Folge der Änderungsverordnung
und ihr nicht zuzurechnen. Zwischen der Verordnung und dem eine Erweiterung des
Holzverarbeitungsbetriebs zulassenden Bebauungsplan der Gemeinde bestehe zwar
ein "handgreiflich-praktischer Zusammenhang", der nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. einen die Antragsbe-
fugnis begründenden "Nachteil" dargestellt habe. Nach der Neufassung des § 47
Abs. 2 Satz 1 VwGO im Jahre 1996 sei ein derartiger "Durchgriff" auf einen - zudem
noch nicht einmal in der Aufstellung befindlichen - Bebauungsplan jedoch nicht mehr
zulässig.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller
seinen Normenkontrollantrag weiter. Er rügt die Verletzung des § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO: Das naturschutzrechtliche Abwägungsgebot verlange bei dem Erlass einer
Landschaftsschutzverordnung auch die Beachtung privater Belange. Das gelte auch
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bei der Aufhebung des Landschaftsschutzes. Zu den abwägungserheblichen Belan-
gen zählten auch die von ihm geltend gemachten negativen Auswirkungen der ge-
planten Erweiterung des Gewerbegebiets, die durch die angegriffene Änderungsver-
ordnung erst ermöglicht werde. Die Verordnung verletze seinen Anspruch auf ge-
rechte Abwägung aller betroffenen Belange. Das Normenkontrollgericht habe ver-
kannt, dass die Möglichkeit dieser Rechtsverletzung ausreiche, um die Antragsbe-
fugnis zu begründen.
II.
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Das Normenkontrollurteil steht in
Einklang mit Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht entschieden,
dass der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGOBadWürtt. statthafte
Normenkontrollantrag unzulässig ist, weil der Antragsteller keine Antragsbefugnis
besitzt.
Die Antragsbefugnis des Antragstellers beurteilt sich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung der VwGO und anderer Ge-
setze - 6. VwGOÄndG - vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626), die am 1. Januar
1997 in Kraft getreten ist. Danach ist ein Normenkontrollantrag nur zulässig, wenn
der Antragsteller geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in
seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Nach
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügt ein Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er
hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erschei-
nen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition
verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2
VwGO (BVerwG, Urteile vom 10. März 1998 - BVerwG 4 CN 6.97 - NVwZ 1998, 732
und vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Unter
Zugrundelegung des Antrags- und Revisionsvorbringens können Rechte des An-
tragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein
(zu diesem Erfordernis vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1994 - BVerwG 1 C
24.92 - BVerwGE 95, 133 <134>).
- 6 -
1. In Eigentums- oder Pachtrechte des Antragstellers greift die Änderungsverordnung
nicht ein. Sie erstreckt den Landschaftsschutz nicht auf Grundstücke des Antragstel-
lers, die bisher außerhalb des Landschaftsschutzgebiets lagen. Eigentums- und
Pachtflächen des Antragstellers, die bereits im Schutzgebiet liegen, werden von der
Änderungsverordnung nicht berührt; ihr Schutzstatus bleibt unangetastet.
Ein individueller Rechtsanspruch auf Ausweisung eines Gebiets als Landschafts-
schutzgebiet besteht ebenso wenig wie ein Rechtsanspruch privater Einzelner auf
Fortbestand des förmlichen Schutzstatus. Aus Bundesrecht ergibt sich eine
- erzwingbare - Pflicht der Naturschutzbehörden weder zur Festsetzung eines Land-
schaftsschutzgebiets noch zur Aufrechterhaltung einer solchen Festsetzung
(BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1997 - BVerwG 4 BN 10.97 - Buchholz 406.401
§ 29 BNatSchG Nr. 14). Die vom Antragsteller in Hinblick auf den beabsichtigten Be-
bauungsplan geltend gemachten wasserwirtschaftlichen und naturschutzrechtlichen
Gefahren (Verringerung des Retentionsraums bei Hochwasser, Zerstörung des "Na-
turparks" und des Lebensraumes des Rotmilans) können seine Antragsbefugnis da-
her ebenfalls nicht begründen. Insoweit macht der Antragsteller öffentliche Belange
und keine eigenen Rechte geltend.
2. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis auch nicht auf die mögliche Verlet-
zung eines Rechtsanspruchs auf gerechte Abwägung des von ihm geltend gemach-
ten privaten Interesses stützen, von den befürchteten Immissionen des infolge der
beabsichtigten Bauleitplanung "heranrückenden" Holzverarbeitungsbetriebes ver-
schont zu bleiben. Ein derartiger Rechtsanspruch steht dem Antragsteller gegenüber
dem Antragsgegner (Landratsamt) als Verordnungsgeber unter keinem denkbaren
rechtlichen Gesichtspunkt zu. Unter der Geltung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (i.d.F.
des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996) kann sich die Antragsbefugnis zur Nor-
menkontrolle nicht (mehr) daraus ergeben, dass die zur Normenkontrolle gestellte
Verordnung den bestehenden Landschaftsschutz für ein dem Grundstück des An-
tragstellers benachbartes Gebiet (ganz oder teilweise) zu dem Zweck aufhebt, dort
eine bisher nicht zulässige, den Antragsteller beeinträchtigende Nutzung durch Be-
bauungsplan zu ermöglichen. Darin ist dem Normenkontrollgericht im Ergebnis zuzu-
stimmen.
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2.1 Der Hinweis der Revision auf das Senatsurteil vom 24. September 1998
- BVerwG 4 CN 2.98 - (BVerwGE 107, 215) zum drittschützenden Charakter des in
§ 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots führt hier nicht weiter. Nach jenem
Urteil ist im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (n.F.) auch antragsbefugt, wer gel-
tend machen kann, durch den Bebauungsplan in seinem Recht auf gerechte Abwä-
gung seiner privaten Belange verletzt zu sein. Das subjektivrechtlich verstandene
Abwägungsgebot bildet die rechtliche "Brücke" zwischen dem Betroffensein eines
Interesses und der Pflicht des Planers, dieses Interesse bei der Entscheidung über
den Erlass und den Inhalt des Planes zu berücksichtigen.
Es ist zweifelhaft und bisher nicht abschließend geklärt, ob und in welchem Umfang
diese Rechtsprechung auf das naturschutzrechtliche Abwägungsgebot in § 1 Abs. 2
BNatSchG a.F. (in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1998,
BGBl I S. 2994), der hier noch anzuwenden wäre und nach § 4 Satz 3 BNatSchG
a.F. für die Bundesländer unmittelbar galt, übertragbar ist. Der Verordnungsgeber
besitzt im Bereich des Naturschutzrechts ein "Normsetzungsermessen" (einen
"Handlungsspielraum"), der von der Sachlage her in erster Linie durch eine dem Ver-
hältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der gegenüberstehenden Inte-
ressen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteres-
sen der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümer auf der ande-
ren Seite geprägt ist. Die dem Verordnungsgeber obliegende "Prüfung", auch wenn
man sie als "Abwägung" bezeichnet, ist mit der auf ein bestimmtes Vorhaben bezo-
genen Abwägung aller in Betracht kommenden Belange vor Feststellung eines Pla-
nes nicht identisch (BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 1988 - BVerwG 4 B 102.88 -
Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 5). Die obergerichtliche Rechtsprechung und
das Schrifttum sind in der Frage, ob und inwieweit § 1 Abs. 2 BNatSchG a.F. (und
nunmehr § 2 Abs. 1 BNatSchG i.d.F. des BNatSchGNeuregG vom 25. März 2002,
BGBl I S. 1193) auf private Belange zu erstrecken und in Fortführung der Rechtspre-
chung zu § 1 Abs. 6 BauGB als Rechtsgrundlage eines subjektiven Rechts auf ge-
rechte Abwägung zu verstehen ist, geteilter Auffassung (vgl. hierzu Louis/Engelke,
BNatSchG, 2. Auflage 2000, Rn. 25 zu § 1, Rn. 77, 152 zu § 12 BNatSchG a.F.;
Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Auflage
2003, Rn. 25 zu § 2 BNatSchG 2002; Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht,
- 8 -
Stand: September 2003, Rn. 29, 30 zu § 2 BNatSchG 2002 - jeweils m.w.N. zur
Rspr).
Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob aus der gesetzlichen Ausprägung des
naturschutzrechtlichen Abwägungsgebots in § 1 Abs. 2 BNatSchG a.F. ein subjekti-
ves Recht auf gerechte Abwägung betroffener privater Belange folgt. Der Senat
braucht auch nicht abschließend zu klären, wie weit der Kreis der privaten Belange
zu ziehen ist, die der Verordnungsgeber bei der förmlichen Unterschutzstellung oder
bei der (teilweisen) Aufhebung des Natur- und Landschaftsschutzes zu berücksichti-
gen hat.
2.2 Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf gerechte Abwägung der von ihm gel-
tend gemachten privaten Belange schon deshalb nicht zur Seite, weil seine durch
den beabsichtigten Bebauungsplan ausgelösten Befürchtungen bei Erlass der Ände-
ob-
jektivrechtlich
de gehörten. Das Normenkontrollgericht geht erkennbar davon aus, dass das Lan-
desnaturschutzrecht in Übereinstimmung mit Bundesrecht einen solchen Anspruch
des Antragstellers ebenfalls nicht begründet.
Der Kreis der relevanten Interessen, die der Verordnungsgeber bei der (teilweisen)
Aufhebung des Natur- oder Landschaftsschutzes zu berücksichtigen hat, wird durch
die Ziel- und Grundsatzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und die
Zwecke seiner Schutzinstrumente näher bestimmt und zugleich eingeschränkt. Die-
ses Gesetz und die seinen Rahmen ausfüllenden Naturschutzgesetze der Länder
dienen als Fachgesetze einer bestimmten öffentlichen Aufgabe, dem Schutz, der
Pflege und der Entwicklung von Natur und Landschaft. Hierzu normiert der Gesetz-
geber Ziele, Grundsätze und Handlungsaufträge (vgl. §§ 1 und 2 BNatSchG), die u.a.
durch die Ermächtigung zur Festlegung von Schutzgebieten konkretisiert werden
(§§ 12 ff. BNatSchG a.F., §§ 22 ff. BNatSchG 2002). Die Unterschutzstellung eines
Gebiets dient der Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft. Das Gesetz stellt
dem Verordnungsgeber daher verschiedene Schutzgebietskategorien zur Verfügung,
die sich nach dem konkreten Zweck unterscheiden, der je nach Eigenart des Gebiets
mit besonderen Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen verfolgt wird. Die
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damit verbundenen Regelungsbefugnisse werden dem Verordnungsgeber zur Lö-
sung spezifischer naturschutzrechtlicher Interessenkonflikte eingeräumt. Diese Kon-
flikte sind durch Interessenkollisionen gekennzeichnet, in denen entweder gegenläu-
fige Naturschutzziele aufeinander treffen (wie Naturschutz und Naturgenuss
- Erholung und Freizeit in der Natur) oder naturschutzexterne Interessen (wie Indust-
rieansiedlung, gewerbliche Nutzung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Verkehrsanla-
gen) im Widerstreit mit naturschutzspezifischen Umweltbelangen stehen.
Auf diesen Interessenkonflikt zielt auch das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 2
BNatSchG a.F. (§ 2 Abs. 1 BNatSchG 2002), das den Zielen des Naturschutzes und
der Landschaftspflege die "Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Land-
schaft" gegenüberstellt. Es kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an,
ob das Gesetz mit den Anforderungen der "Allgemeinheit" nur Gründe des Gemein-
wohls oder auch Nutzungsansprüche einzelner Privater erfasst, die durch eine Un-
terschutzstellung oder deren (teilweise) Aufhebung negativ betroffen sind; grund-
rechtlich geschützte Belange sind in jedem Fall zu berücksichtigen (Art. 14 Abs. 1
GG). Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesnaturschutz-
gesetzes nur bestimmte Interessenkonflikte zum Ausgleich bringen will. Selbst wenn
man zu den "Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft" grundsätz-
lich alle privaten und öffentlichen Nutzungsansprüche zählt, denen die Natur durch
den Menschen ausgesetzt ist (Land- und Forstwirtschaft, Verkehr, Industrie und Ge-
werbe, Wohnen und Erholung), so beschränkt das naturschutzrechtliche Abwä-
gungsgebot den Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen doch auf die Nut-
zungsansprüche, die nachteilige Auswirkungen auf Natur und Landschaft haben
können. Bei der (teilweisen) Aufhebung des Schutzgebietsstatus sind die Auswirkun-
gen der so geschaffenen erweiterten Nutzungsmöglichkeiten auf die zuvor mit dem
förmlichen Schutz von Natur und Landschaft verfolgten Ziele zu berücksichtigen. Das
Entscheidungsprogramm ("Abwägungsmaterial") des Verordnungsgebers wird durch
die fachspezifischen Schutzzwecke des Bundesnaturschutzgesetzes begrenzt.
Zu den Interessenkonflikten, die der Verordnungsgeber bei der (teilweisen) Aufhe-
bung einer Landschaftsschutzverordnung lösen kann und soll, gehören nicht die
Konflikte, die auf der Ebene des Städtebaurechts auftreten und durch das bauleitpla-
nerische Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB gesteuert werden. Das trifft auch
- 10 -
dann zu, wenn die Aufhebung des Schutzgebietsstatus den Erlass eines Bebau-
ungsplans vorbereiten soll, und gilt insbesondere für Bodennutzungskonflikte, die
erst durch eine gemeindliche Bauleitplanung ausgelöst werden und Probleme des
Immissionsschutzes in der Nachbarschaft aufwerfen (im Ergebnis ebenso: VGH
Mannheim, NVwZ-RR 2000, 770 <771>; OVG Schleswig, NuR 2000, 477; Louis/
Engelke, a.a.O., Rn. 153 zu § 12 BNatSchG a.F.). Die Schutzverordnung der Natur-
schutzbehörde ist nicht dazu bestimmt und geeignet, gegenläufige öffentliche und
private Nutzungsinteressen zum Ausgleich zu bringen, die durch die künftige Aus-
weisung eines Industrie- oder Gewerbegebiets in einem früheren Landschafts-
schutzgebiet betroffen sein könnten. Ist die zuständige Behörde zum Schutze be-
stimmter Teile von Natur und Landschaft aus naturschutzfachlicher Sicht nicht ge-
zwungen, ein Schutzgebiet auszuweisen, so ist es ihr naturschutzrechtlich unbe-
nommen, eine Schutzgebietsfestsetzung nachträglich wieder aufzuheben oder zu
beschränken, sofern den besonderen Schutzzwecken entgegenstehende, überwie-
gende sachliche Gründe die Zurückstellung der Naturschutzbelange rechtfertigen
(vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1997 - BVerwG 4 BN 10.97 - UPR 1998,
65 <66>).
Soll der Landschaftsschutz hinter gegenläufigen Planungsabsichten einer Gemeinde
zurückstehen, hat der Verordnungsgeber die Ziele der Bauleitplanung in den Blick zu
nehmen und den betroffenen Belangen von Natur und Landschaft "abwägend" ge-
genüberzustellen. Dabei hat er die Ziele der Gemeinde vorausschauend auch da-
raufhin zu beurteilen, ob der Planung tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entge-
genstehen, die ihre Realisierung auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit unmöglich
machen. Die Aufhebung des Schutzgebietsstatus allein zu dem Zweck, den Weg für
einen Bebauungsplan frei zu machen, der offensichtlich nicht vollzugsfähig und des-
halb mit § 1 Abs. 3 BauGB nicht vereinbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März
2002 - BVerwG 4 CN 14.00 - BVerwGE 116, 144 <146 ff.> m.w.N.), ist naturschutz-
rechtlich nicht erforderlich und rechtswidrig. Den Zweckzusammenhang zwischen der
Entlassung aus dem Natur- oder Landschaftsschutz und den Zielen der gemeindli-
chen Bauleitplanung darf der Verordnungsgeber nicht übersehen. Ob er sich insoweit
mit einer Evidenzprüfung begnügen darf, hängt von den Umständen des Einzelfalls
ab, insbesondere von dem Gewicht der betroffenen naturschutzrechtlichen Belange
und der bauleitplanerischen Eingriffsintensität.
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Eine weitergehende Ermittlung und Bewertung der in der konkreten Planungssituati-
on widerstreitenden städtebaulich relevanten Interessen und deren Gewichtung im
Verhältnis zueinander fällt nicht in den Aufgabenbereich der als Verordnungsgeber
handelnden Naturschutzbehörde und kann von ihr deshalb auch nicht verlangt wer-
den. Die prozessökonomische Funktion der Normenkontrolle nach § 47 VwGO recht-
fertigt kein anderes Ergebnis. Die Antragsbefugnis wird gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO durch das materielle Recht bestimmt. Sie setzt einen Rechtsanspruch (sub-
jektives Recht) voraus, dessen Verletzung durch die Norm oder deren Anwendung
möglich sein muss. Einen solchen Anspruch gibt das materielle Recht in der vorlie-
genden Fallkonstellation wie ausgeführt nicht her. Der Rechtsschutz potentiell plan-
betroffener Anwohner, die sich gegen einen Bebauungsplan in einem ehemaligen
Landschaftsschutzgebiet zur Wehr setzen wollen, wird dadurch sichergestellt, dass
sie - unter dem Vorbehalt ihrer Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
i.V.m. § 1 Abs. 6 BauGB - bei der Normenkontrolle des Bebauungsplans auch eine
inzidente Überprüfung der landschaftsschutzrechtlichen Änderungsverordnung errei-
chen können. Das Normenkontrollgericht ist befugt, die Rechtmäßigkeit des Plans in
diesem Fall auch daran zu messen, ob der förmliche Landschaftsschutz, der einer
Planrealisierung im Wege stehen würde, gemessen an den Zielen und Grundsätzen
des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu Recht aufgehoben worden ist.
3. Die vom Antragsteller angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F., nach der eine Rechtsvorschrift im Wege der Nor-
menkontrolle unter bestimmten Voraussetzungen auch dann angegriffen werden
kann, wenn sie erst im Zusammenwirken mit einem weiteren Rechtsakt private Be-
lange beeinträchtigen konnte, ist angesichts der Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO nicht geeignet, seine Antragsbefugnis zu begründen.
Die Revision verweist auf den Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1987 - BVerwG
4 NB 1.87 - (Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 2 = NVwZ 1988, 728; vgl. auch
Beschluss vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 NB 17.94 - NVwZ 1995, 895). Danach
konnte sich ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. daraus erge-
Verordnung
Landschaftsschutz für ein dem Grundstück des Antragstellers benachbartes Gebiet
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(ganz oder teilweise) gezielt aufgehoben wurde, um dort eine bestimmte, bisher nicht
zulässige Nutzung (in jenem Fall: Golfplatz) durch Bebauungsplan zu ermöglichen.
Diese Rechtsprechung lässt sich unter der Geltung des 1996 neu gefassten § 47
Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht fortführen. Sie stützt die Antragsbefugnis bei der Normen-
kontrolle einer landschaftsschutzrechtlichen Änderungsverordnung auf die Zure-
chenbarkeit von Nachteilen und will dem "handgreiflich-praktischen" Ursachenzu-
sammenhang zwischen Verordnung und Bebauungsplan Rechnung tragen. Nach
geltendem Recht setzt die Antragsbefugnis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung
durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraus. Ein Antragsteller, der
sich gegen die "konzertierte Aktion" von Verordnungsgeber und planender Gemeinde
zur Wehr setzen will, kann eine prinzipale Normenkontrolle der Verordnung daher
nur erreichen, wenn er ein subjektives Recht darauf geltend machen kann, dass der
Verordnungsgeber sein "negatives Betroffensein" in einem privaten Interesse zu be-
rücksichtigen hat. Der "Nachteil", der sich nach der früheren Rechtslage aus einem
qualifizierten Ursachenzusammenhang zwischen Verordnung und Bebauungsplan
ergeben mochte, wäre nach der Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegen-
über dem Verordnungsgeber nur wehrfähig, wenn er Gegenstand eines gegen die-
sen gerichteten Rechtsanspruchs sein könnte. Das ist wie ausgeführt nicht der Fall.
Ergänzend ist klarzustellen, dass die unter Geltung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
Bebauungsplan
anzugreifen, der erst zusammen mit einem weiteren Rechtsakt Belange des An-
tragstellers beeinträchtigen konnte, infolge der Neufassung der Antragsbefugnis in
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entfallen ist. Das zeigt ein Blick auf die entschiede-
nen Fälle. Einen die Antragsbefugnis begründenden Nachteil "durch" einen Bebau-
ungsplan sieht der Senat darin, dass die vom Antragsteller geltend gemachte Beein-
trächtigung privater Interessen zwar "endgültig" erst durch einen nachfolgenden ei-
genständigen Rechtsakt eintritt, dieser Rechtsakt jedoch in dem vom Antragsteller
angegriffenen Bebauungsplan bereits "als vom Normgeber geplante Folgemaßnah-
me" angelegt war. Damit werden Konstellationen erfasst, in denen der Bebauungs-
plan einen Konflikt aufgeworfen, aber nicht ausreichend bewältigt hat, und deshalb
absehbar ist, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass des Bebauungs-
plans weitere Maßnahmen zur Konfliktlösung ergriffen werden (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 14. Februar 1991 - BVerwG 4 NB 25.89 - NVwZ 1991, 980: Interesse
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eines emittierenden Betriebes, vor einschränkenden betrieblichen Anforderungen zu
Gunsten der geplanten heranrückenden Wohnbebauung verschont zu bleiben; Be-
schluss vom 9. Juli 1992 - BVerwG 4 NB 39.91 - NVwZ 1993, 470: Gewerbebetrieb,
der seinen Lagevorteil durch straßenverkehrsbehördliche Beschränkungen seines
Liefer- und Kundenverkehrs als Folge der Festsetzung einer Fußgängerzone gefähr-
det sieht; Beschluss vom 13. Dezember 1996 - BVerwG 4 NB 26.96 - NVwZ 1997,
682: Abwehr einer Befreiung für den Bau einer neuen Werkszufahrt, deren Erteilung
durch die Änderung der Festsetzungen eines Bebauungsplans ermöglicht wird).
Diese Entscheidungen stufen das mit dem Normenkontrollantrag geltend gemachte
Interesse an der Abwehr von Folgemaßnahmen als privaten Belang ein, der in der
bauleitplanerischen Abwägung beachtlich ist und dessen Beeinträchtigung einen die
Antragsbefugnis begründenden "Nachteil" im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
a.F. darstellte. Auf der Grundlage des Senatsurteils vom 24. September 1998
- BVerwG 4 CN 2.98 - (a.a.O.) zum Rechtsanspruch auf gerechte Abwägung öffentli-
cher und privater Belange gemäß § 1 Abs. 6 BauGB wird die Antragsbefugnis in die-
sen oder vergleichbaren Fällen in aller Regel zu bejahen sein. Wenn und soweit das
Interesse des Antragstellers an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen zum
notwendigen Abwägungsmaterial gehört, wird es von dem durch § 1 Abs. 6 BauGB
vermittelten subjektiven Recht auf gerechte Abwägung erfasst, dessen (mögliche)
Verletzung die Antragsbefugnis begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Paetow
Halama
Prof. Dr. Rojahn
Gatz
Dr. Jannasch
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 € fest-
gesetzt.
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Dr. Paetow
Halama
Prof. Dr. Rojahn
Gatz
Dr. Jannasch