Urteil des BVerwG vom 18.07.2013

BVerwG: gemeinde, öffentliche bekanntmachung, stand der technik, öffentlichkeit, bebauungsplan, konvention, fahrbahn, zugang, begriff, eag

BVerwG 4 CN 3.12
Rechtsquellen:
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 3 Abs. 2 Satz 2, § 214 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2
BImSchG § 41 Abs. 1, § 43
16. BImSchV § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Aarhus-Konvention Art. 6 Abs. 2 Buchst. d
Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie Art. 3 Nr. 4 Buchst. e
UVP-Richtlinie Art. 6 Abs. 2 und 3
Stichworte:
Bebauungsplan; öffentliche Auslegung; ortsübliche Bekanntmachung; Arten verfügbarer
umweltbezogener Informationen; Anstoßwirkung; Zugang zu Informationen;
Öffentlichkeitsbeteiligung; Entscheidungsqualität; Vermeidung von Vollzugsdefiziten;
„Überinformation“; stichwortartige Benennung der Umweltbelange; Auflistung der
Stellungnahmen; Hinweis auf Umweltbericht; Gliederung des Umweltberichts; Planerhaltung;
Fehlen einzelner Angaben; Antragsbefugnis; planungsbedingte Verkehrslärmzunahme;
Abwägungsrelevanz; Geringfügigkeit; Verkehrslärmschutzverordnung; Immissionsgrenzwerte;
Aktionsschwelle; Einzelfallbetrachtung; DIN 18005.
Leitsatz:
§ 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB verpflichtet die Gemeinden, die in den vorhandenen Stellungnahmen
und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und
diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das
Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich auch auf solche Arten verfügbarer
Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich
hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 CN 3.12
VGH Baden-Württemberg - 12.06.2012 - AZ: VGH 8 S 1337/10
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
für Recht erkannt:
für Recht erkannt:
Die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans D.
– R. Teil 1.
2 Im Ortsbauplan der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1937 war die R. als Allee mit zwei durch
einen Grünstreifen getrennte Fahrbahnen geplant. Von den geplanten Fahrbahnen wurde nur
die westliche gebaut. Die östliche, unmittelbar vor den Grundstücken der Antragstellerinnen
vorgesehene Fahrbahn wurde nie verwirklicht, die betreffende Fläche blieb Grünfläche mit
Zufahrten zu den Grundstücken der Antragstellerinnen.
3 Mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan überplante die Antragsgegnerin sowohl die
bestehende (westliche) Fahrbahn der R. als auch die bestehende Grünfläche. Vorgesehen ist
nur noch eine Fahrbahn, die mehrmals verspringt und teils auf der westlichen, teils auf der
östlichen Seite des überplanten Gebiets verläuft. Am Grundstück der Antragstellerinnen zu 1 und
2 (R. 5) ist die Fahrbahn unmittelbar an der straßenseitigen Grundstücksgrenze vorgesehen; auf
der Höhe der südlichen Grundstücksgrenze - der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der
Antragstellerin zu 3 (R. 7) - verspringt die Fahrbahn auf die westliche Seite des Plangebiets. Auf
den für die Fahrbahn nicht benötigten Flächen des Plangebiets ist Wohnbebauung (WR 1 und
WR 2) vorgesehen.
4 Nach Aufteilung des ursprünglich vorgesehenen Plangebiets in zwei Planbereiche beschloss
der Ausschuss für Umwelt und Technik der Antragsgegnerin, den streitgegenständlichen Teil 1
des Bebauungsplans öffentlich auszulegen. Der Beschluss wurde im Amtsblatt der
Antragsgegnerin vom 2. Mai 2008 mit folgendem Text öffentlich bekanntgemacht:
„Der Entwurf des Bebauungsplans mit Satzung über örtliche Bauvorschriften und die
Begründung mit Umweltbericht sowie die wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen
Stellungnahmen liegen vom 13. Mai bis zum 13. Juni 2008 - je einschließlich - beim Amt für
Stadtplanung ... während der Öffnungszeiten öffentlich aus.
Folgende Arten umweltbezogener Informationen sind darüber hinaus verfügbar: Untersuchungen
zu geschützten Arten im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan ‚R.’ in Stuttgart-D..“
5 Die genannten Unterlagen wurden ausgelegt. Die Antragstellerinnen erhoben Einwendungen.
6 Nach einer weiteren Änderung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und inhaltlichen
Korrekturen wurde der Bebauungsplan erneut ausgelegt. Der Text der Bekanntmachung der
zweiten Auslegung entsprach - soweit hier von Interesse - wörtlich der bereits zuvor bekannt
gemachten Fassung. Die Antragstellerinnen äußerten sich erneut.
7 Der Rat der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan als Satzung, der Beschluss
wurde ortsüblich bekannt gemacht.
8 Auf die Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen hat der Verwaltungsgerichtshof den
Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Die Antragstellerinnen seien antragsbefugt. Ihre
Antragsbefugnis ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass die geplante Fahrbahn deutlich
näher an die Grundstücke der Antragstellerinnen heranrücke, zu einer Zunahme des
Verkehrsaufkommens um maximal 40 % und zu einer Erhöhung der verkehrsbedingten
Lärmimmissionen um 1,5 dB(A) führen werde; zudem könne auch vor den Grundstücken der
Antragstellerinnen auf die zukünftigen Baugrundstücke zu- und von diesen abgefahren werden,
was bislang nicht der Fall gewesen sei. Abwägungsrelevant sei zum anderen auch das
Interesse der Antragstellerinnen am Fortbestand der bisherigen planungsrechtlichen bzw.
tatsächlichen Situation. Der Bebauungsplan sei wegen einer beachtlichen Verletzung des § 3
Abs. 2 Satz 2 BauGB unwirksam. Es fehle in der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung
an einem ausreichenden Hinweis darauf, welche „Arten umweltbezogener Informationen
verfügbar“ seien. In dem veröffentlichten Bekanntmachungstext seien lediglich der
Umweltbericht und das Artenschutzgutachten ausdrücklich genannt. Der Text bezeichne damit
nur die vorliegenden Stellungnahmen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Er erfülle aber
nicht die Informationspflicht aus § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB, die eine Kurzcharakterisierung der
vorhandenen Informationen verlange. Über die im Umweltbericht enthaltenen Informationen und
Aussagen zu den Schutzgütern Mensch, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima,
Landschaft und Kultur und Sachgüter, die jeweils nach „Bestandsaufnahme“ und „Bewertung“
gegliedert seien, werde der Leser nicht in Kenntnis gesetzt. Der Gemeinde stehe, anders als
nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB bei der Auslegung, auch kein Wahlrecht zu. Der Verfahrensfehler
sei nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB unbeachtlich. Vorliegend sei mit
dem Artenschutzgutachten nur eine einzige Art umweltbezogener Informationen genannt
worden. Bei dieser Sachlage erscheine es ausgeschlossen, vom Fehlen „einzelner“ Angaben
auszugehen.
9 Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Antragsgegnerin
geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass die Antragstellerinnen
antragsbefugt seien; diese seien insbesondere keinem mehr als unerheblichen planbedingten
Lärmzuwachs ausgesetzt, weil nicht mit einer Verkehrslärmerhöhung von mehr als 3 dB(A) zu
rechnen sei und auch die Grenzwerte der 16. BImSchV nicht überschritten würden. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs seien auch die Auslegungsbekanntmachungen den
Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB gerecht geworden. Die Verpflichtung zur Angabe,
welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, beziehe sich nur auf die nach
Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen
Stellungnahmen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Der Sinn der Vorschrift könne nicht
darin liegen, dass die Gemeinde in der Bekanntmachung auf Stellungnahmen hinzuweisen
habe, die sie zu Recht als unwesentlich eingestuft und daher nicht ausgelegt habe. Schließlich
habe der Verwaltungsgerichtshof auch § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB fehlerhaft
angewandt.
10 Die Antragstellerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.
II
11 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angegriffene Normenkontrollurteil beruht nicht
auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
12 1. Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof von einer beachtlichen Verletzung des § 3 Abs. 2
Satz 2 BauGB ausgegangen.
13 a) Im Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die
gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht eingehalten wurden, weil es in der
Auslegungsbekanntmachung an einem ausreichenden Hinweis darauf fehlt, welche „Arten
umweltbezogener Informationen verfügbar“ sind.
14 Nach dieser Vorschrift sind Ort und Dauer der Auslegung sowie „Angaben dazu, welche
Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind“, mindestens eine Woche vor der
öffentlichen Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs ortsüblich bekannt zu machen. Nach
Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs verlange § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zwar keine
Auflistung sämtlicher Stellungnahmen oder gar deren inhaltliche Wiedergabe. Da nur Angaben
zu den Arten umweltbezogener Informationen gefordert würden, reiche es aus, die vorhandenen
(umweltbezogenen) Unterlagen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in einer
schlagwortartigen Kurzcharakterisierung zu bezeichnen. Daran fehle es hier. Dagegen gibt es
aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
15 Die vom Verwaltungsgerichtshof formulierten rechtlichen Anforderungen entsprechen dem
erklärten Willen des Gesetzgebers. Das Bekanntmachungserfordernis des § 3 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 1 BauGB wurde durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-
Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359,
in Kraft getreten am 20. Juli 2004) auf „Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener
Informationen verfügbar sind“, erweitert. Der Gesetzgeber wollte damit die Vorgaben des Art. 6
Abs. 2 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung
an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-
Konvention) vom 25. Juni 1998 (Zustimmungsgesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251)
sowie des Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter
umweltbezogener Pläne und Programme (sog. Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie, ABl EU Nr.
L 156 S. 17) umsetzen (Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 15/2250 S. 44). Art. 6
Abs. 2 Buchst. d, vi der Aarhus-Konvention bestimmt, dass die betroffene Öffentlichkeit im
Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren je nach Zweckmäßigkeit durch öffentliche
Bekanntmachung oder Einzelnen gegenüber in sachgerechter, rechtzeitiger und effektiver Weise
frühzeitig unter anderem über ... „das vorgesehene Verfahren, einschließlich der ... Angaben
darüber, welche für die geplante Tätigkeit relevanten Informationen über die Umwelt verfügbar
sind“, informiert wird, falls und sobald diese zur Verfügung gestellt werden können. Gemäß Art. 3
Nr. 4 Buchst. e der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie wird Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie
85/337/EWG (UVP-Richtlinie; jetzt: Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten
öffentlichen und privaten Projekten, ABl EU Nr. L 26 S. 1) dahin geändert, dass die Öffentlichkeit
„durch öffentliche Bekanntmachung ... frühzeitig im Rahmen umweltbezogener
Entscheidungsverfahren ... über ... die Angaben über die Verfügbarkeit der Informationen, die
gemäß Art. 5 eingeholt wurden“, informiert wird. Hiernach müsse die öffentliche
Auslegungsbekanntmachung auch Angaben darüber enthalten, „welche relevanten
Informationen über die Umwelt verfügbar sind“ (BTDrucks 15/2250 a.a.O.). Das erfordere keine
ausnahmslose Auflistung aller eingegangenen Stellungnahmen in der öffentlichen
Bekanntmachung; es genüge, „die vorhandenen Unterlagen nach Themenblöcken
zusammenzufassen und diese bekannt zu machen.“ An diesen gesetzgeberischen
Vorstellungen hat sich der Verwaltungsgerichtshof orientiert.
16 Der gesetzgeberische Wille ist im Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinreichend deutlich
zum Ausdruck gekommen. Was „umweltbezogene Informationen“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB sind, ist im Gesetzestext zwar nicht ausdrücklich erläutert. Dass es - anders als die
Antragsgegnerin meint - nicht mit einer bloßen namentlichen Auflistung der vorliegenden
umweltbezogenen Stellungnahmen getan ist, lässt jedoch bereits ein Vergleich mit § 3 Abs. 2
Satz 1 BauGB erkennen, wonach die Entwürfe der Bauleitpläne „mit ... den nach Einschätzung
der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen“ öffentlich
auszulegen sind. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass nur die „vorliegenden umweltbezogenen
Stellungnahmen“ zum Gegenstand der Auslegungsbekanntmachung zu machen sind, hätte es
nahe gelegen, die in Satz 1 BauGB verwendete Formulierung in Satz 2 zu wiederholen oder
darauf Bezug zu nehmen. Das hat der Gesetzgeber nicht getan. Auch von der Wortbedeutung
geht der Begriff der „Information“ über denjenigen der „Stellungnahme“ hinaus. Er bringt zum
Ausdruck, dass eine Unterweisung über die Inhalte der vorliegenden umweltbezogenen
Stellungnahmen erwartet wird.
17 Andererseits ist das Bekanntmachungserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB auf die
Angabe der „Arten“ verfügbarer Umweltinformationen beschränkt. Wie dieser Begriff nahelegt, ist
es nicht erforderlich, den Inhalt der Umweltinformationen im Detail wiederzugeben. Es genügt
die Angabe von Gattungsbegriffen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf
eine Entscheidung seines 5. Senats (VGH Mannheim, Urteil vom 17. Juni 2010 - 5 S 884/09 -
ZfBR 2011, 281 = BauR 2011, 80 = BRS 76 Nr. 14 = juris Rn. 26 f.) zutreffend dargelegt.
18 Bekanntzumachen sind die „verfügbaren“ umweltbezogenen Informationen. Eine Befugnis
der Gemeinde zur Selektion der bekanntzumachenden Umweltinformationen, der die
Antragsgegnerin das Wort redet, lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht
entnehmen (ebenso VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 15 N 08.1561 - DVBl 2013,
314 und Beschluss vom 18. Juni 2010 - 1 NE 09.3166 - juris Rn. 16; a.A. VGH München,
Beschluss vom 23. Juli 2007 - 15 NE 07.1226 - juris Rn. 21, allerdings die Entscheidung nicht
tragend). Anders als § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB, der für die öffentliche Auslegung ausdrücklich
regelt, dass nur die „nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen ... umweltbezogenen
Stellungnahmen“ der Auslegungspflicht unterfallen, enthält § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB eine
entsprechende Einschränkung der Bekanntmachungspflicht nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch
nicht aus dem Hinweis der Antragsgegnerin, nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. d, vi der Aarhus-
Konvention seien nur Angaben darüber geboten, welche für die geplante Tätigkeit „relevanten“
Informationen über die Umwelt verfügbar sind. Der Begriff „relevant“ wird hier ersichtlich im
Sinne von „einschlägig“ bzw. für die geplante Tätigkeit „bedeutsam“ verwendet. Eine Befugnis
der planenden Gemeinde zur Beschränkung der Bekanntmachung auf diejenigen Informationen,
die sie für wesentlich hält, kommt auch hierin nicht zum Ausdruck.
19 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs wird schließlich auch durch Sinn und
Zweck des Bekanntmachungserfordernisses bestätigt. Zweck des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist
die Anstoßwirkung, die der Bekanntmachung nach dem Willen des Gesetzgebers zukommen
soll (Beschluss vom 17. September 2008 - BVerwG 4 BN 22.08 - ZfBR 2008, 806 = BRS 73 Nr.
38 m.w.N.). Soweit es um die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Alt. 1 BauGB geforderte
Bekanntmachung des Ortes und der Dauer der Auslegung der Planentwürfe geht, ist in der
Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69,
344 <345>) geklärt, dass die Bekanntmachung in einer Weise zu geschehen hat, die geeignet
ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information
und Beteiligung durch Abgabe von Stellungnahmen bewusst zu machen und dadurch eine
gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Die Bekanntmachung soll interessierte Bürger dazu
ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls
mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen (Beschluss vom 17. September 2008
a.a.O.).
20 Die Anstoßwirkung, die der Bundesgesetzgeber der Bekanntmachung der Arten verfügbarer
Umweltinformationen beimisst, geht darüber hinaus. Der Aarhus-Konvention liegt die Erkenntnis
zugrunde, dass im Umweltbereich ein verbesserter Zugang zu Informationen und eine
verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren die Qualität und die
Umsetzung von Entscheidungen verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in
Umweltangelegenheiten beitragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, ihre Anliegen zum
Ausdruck zu bringen, und es den Behörden ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu
berücksichtigen (Erwägungsgründe, 9. Absatz). Den Vertragsparteien ging es also ausdrücklich
nicht nur darum, der betroffenen oder bereits interessierten Öffentlichkeit eine effektive
Vorbereitung auf ihre Beteiligung zu ermöglichen (vgl. hierzu Art. 6 Abs. 3 der Aarhus-
Konvention). Zielsetzung der Konvention ist es darüber hinaus, eine breitere Öffentlichkeit für
Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu
fördern (vgl. auch Dusch, NuR 2012, 765 m.w.N.), um hierdurch Vollzugsdefiziten zu Lasten der
Umwelt entgegenzuwirken (vgl. auch Urteil vom 10. April 2013 - BVerwG 4 C 3.12 - juris Rn. 24
m.w.N. speziell zur „Sachverstandspartizipation“ durch Mitwirkung anerkannter
Naturschutzverbände an einer naturschutzrechtlichen Abweichungsentscheidung gemäß § 34
Abs. 3 bis 5 BNatSchG). Entscheidend ist, dass der veröffentlichte Bekanntmachungstext gerade
auch vor dem Hintergrund dieser speziellen Zielsetzung seiner Anstoßfunktion gerecht werden
kann (ebenso VGH Mannheim a.a.O. Rn. 27). Der gesetzlich gewollte „Anstoß“ würde einerseits
geschmälert oder gar verfehlt, wenn die Auslegungsbekanntmachung mit einer
„Überinformation“, etwa in Gestalt detaillierter Umweltinformationen überfrachtet würde
(Berkemann, in: Berkemann/Halama, BauGB 2004, § 3 Rn. 56; ihm folgend Kersten, in:
Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2009, § 3 Rn. 88). Andererseits ist es für den gewollten Anstoß
unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste
inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden
Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden (ebenso Dusch, a.a.O. S. 767:
konkrete stichwortartige Benennung der in den vorliegenden Stellungnahmen enthaltenen
Informationen). Nur auf dieser Grundlage kann die informierte Öffentlichkeit entscheiden, ob die
Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte
Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will (vgl.
auch VGH Mannheim a.a.O. Rn. 27 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 17.
September 2008 a.a.O.).
21 Eine bloße Auflistung der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen, wie sie die
Antragsgegnerin für ausreichend hält, wird der Anstoßfunktion regelmäßig nicht gerecht. Soweit
die Antragsgegnerin meint, der Sinn des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB könne nicht darin liegen, dass
die Gemeinde in der Bekanntmachung auch auf Stellungnahmen hinzuweisen habe, die sie zu
Recht als unwesentlich eingestuft habe und daher nicht auslege, verkennt sie - wie dargelegt -
bereits, dass das Bekanntmachungserfordernis gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht
Stellungnahmen, sondern Arten umweltbezogener Informationen zum Gegenstand hat. Im
Übrigen entspricht es der gesetzlich gewollten Anstoßfunktion in der
Auslegungsbekanntmachung auch über die Inhalte derjenigen umweltbezogenen
Stellungnahmen zu informieren, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht
auslegt. Auf der Grundlage solcher Informationen kann die interessierte Öffentlichkeit etwa
entscheiden, ob diejenigen Umweltbelange, die in den aus Sicht der Gemeinde unwesentlichen
Stellungnahmen angesprochen werden, der Gemeinde durch ergänzende Stellungnahmen noch
einmal deutlicher vor Augen geführt werden sollen. Umgekehrt gibt das
Bekanntmachungserfordernis der planenden Gemeinde Gelegenheit, ihre Entscheidung, welche
Stellungnahmen sie für wesentlich hält, noch einmal zu überdenken. Das
Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich auch auf solche Arten verfügbarer
Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich
hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Der Hinweis in Ziffer 3.4.2.3 des Muster-
Einführungserlasses zum EAG Bau, demzufolge im Rahmen der Bekanntmachung anzugeben
sei, welche Arten umweltbezogener Informationen „verfügbar sind und ausgelegt werden“, ist
zumindest missverständlich.
22 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin genügt auch ein pauschaler Hinweis auf den
Umweltbericht nicht (a.A. OVG Koblenz, Urteil vom 17. April 2013 - 8 C 11067/12 - juris Rn. 24,
25). Der Hinweis auf den Umweltbericht, dessen Auslegung als gesonderter Teil der
Begründung ohnehin für jede Planung obligatorisch ist (§ 2 Abs. 4 Satz 1, § 2a BauGB),
ermöglicht keine inhaltliche Einschätzung darüber, welche Umweltbelange in einer konkreten
Planung bisher thematisiert worden sind. Interessierte Bürger müssten vielmehr erst den
Umweltbericht bei der Gemeinde einsehen, um beurteilen zu können, ob aus ihrer Sicht weitere
umweltbezogene Stellungnahmen erforderlich sind. Das wird der Anstoßfunktion, die der
Gesetzgeber der Auslegungsbekanntmachung zumisst, nicht gerecht. Zu Unrecht beruft sich die
Antragsgegnerin als Beleg für ihre gegenteilige Auffassung auf das Urteil des 5. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 17. Juni 2010 (a.a.O.). In dieser Entscheidung hatte der
Verwaltungsgerichtshof zwar den Hinweis auf den Umweltbericht „als verfügbare
Umweltinformationen“ gebilligt. Dieser Hinweis war aber im konkreten Fall mit dem Zusatz
versehen, dass der Umweltbericht „Untersuchungen zu den Schutzgütern Mensch, Tiere,
Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Stadt- und Landschaftsbild“ enthalte. Damit waren die vom
5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs für erforderlich gehaltenen, nach Themenblöcken
zusammengefassten schlagwortartigen Kurzcharakterisierungen im Text der dort
streitgegenständlichen Bekanntmachung gerade enthalten.
23 Nach alledem hat es der Verwaltungsgerichtshof zu Recht für erforderlich gehalten, die in den
vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach
Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der ortsüblichen Bekanntmachung
schlagwortartig zu charakterisieren. Wie diese schlagwortartige Charakterisierung im Einzelnen
auszusehen hat, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt wesentlich von den
jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. bereits Urteil vom 6. Juli 1984 a.a.O. S. 346).
Entscheidend ist stets, ob die bekannt gemachten Umweltinformationen ihrer gesetzlich
gewollten Anstoßfunktion gerecht werden. Das kann im Einzelfall bereits bei schlagwortartiger
Bezeichnung der behandelten Umweltthemen der Fall sein. Abstrakte Bezeichnungen reichen
aber regelmäßig dann nicht aus, wenn sich darunter mehrere konkrete Umweltbelange
subsumieren lassen; in diesem Fall bedarf es einer stichwortartigen Beschreibung der
betroffenen Belange und unter Umständen sogar einer Kennzeichnung der Art ihrer Betroffenheit
(vgl. auch Dusch, a.a.O. S. 768). Die in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB enthaltene Liste von
Umweltbelangen, die der Muster-Einführungserlass zum EAG Bau in Ziffer 3.4.2.3 als
Orientierungshilfe empfiehlt (vgl. auch Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
BauGB, Stand Januar 2013, § 3 Rn. 36), kann hierbei grundsätzlich nicht mehr sein als eine
Gliederungshilfe, weil die bekanntzumachenden Umweltinformationen stets nur den konkret
vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen entnommen werden können (vgl. OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 A 13.08 - NuR 2010, 48 Rn. 6 f.). Auf der
„sicheren Seite“ ist die planende Gemeinde, wenn der Bekanntmachungstext einen zwar
stichwortartigen, aber vollständigen Überblick über diejenigen Umweltbelange ermöglicht, die
aus der Sicht der im Zeitpunkt der Auslegung vorliegenden Stellungnahmen und Unterlagen in
der betreffenden Planung eine Rolle spielen, wie er etwa einer vollständigen und ausreichend
differenzierten Gliederung eines sachgerecht verfassten Umweltberichts zu entnehmen sein
kann.
24 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass der festgestellte Verstoß gegen § 3
Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB unbeachtlich
geworden ist. Auch diese Annahme lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
25 Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB unbeachtlich, wenn bei Anwendung dieser Vorschrift einzelne Angaben dazu, welche
Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben. Der
Verwaltungsgerichtshof hat diese Voraussetzung verneint. Er hat festgestellt, dass mit dem
Artenschutzgutachten nur eine einzige Art umweltbezogener Informationen genannt worden sei,
während im Umweltbericht zu zahlreichen weiteren Themen umweltbezogene Informationen zur
Verfügung gestanden hätten, was zu einem klaren Übergewicht der nicht bekannt gemachten
Arten verfügbarer Umweltinformationen führe. Auf dieser Grundlage ist es bundesrechtlich
ausgeschlossen, von einem bloßen Fehlen einzelner Angaben auszugehen. Indem die
Antragsgegnerin - wie dargestellt zu Unrecht - meint, dass lediglich die auszulegenden
Stellungnahmen bekanntzumachen seien, verstellt sie sich auch hierauf den Blick.
26 2. Das angegriffene Normenkontrollurteil verletzt auch nicht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Dass
die Antragstellerinnen antragsbefugt sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht bejaht.
27 Die Grundstücke der Antragstellerinnen liegen nicht im Geltungsbereich des
streitgegenständlichen Bebauungsplans. Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb im Einklang
mit der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 4 CN 1.10 -
BVerwGE 140, 41 Rn. 15 m.w.N.) auf eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots
abgestellt. Zutreffend ist ferner die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass sich die Frage,
ob die seitens der Antragstellerinnen geltend gemachte planungsbedingte Zunahme des
Verkehrslärms mehr als geringfügig und deshalb als Abwägungsbelang beachtlich ist, nicht
anhand fester Maßstäbe beurteilen lässt (Beschluss vom 19. August 2003 - BVerwG 4 BN 51.03
- BauR 2004, 1132 = BRS 66 Nr. 59 = juris Rn. 7). Demgegenüber ist die Auffassung der
Antragsgegnerin als unzutreffend zurückzuweisen, dass von einer abwägungsrelevanten
Belästigung erst bei einer planbedingten Erhöhung des Verkehrslärms um mehr als 3 dB(A)
auszugehen sei. Im Falle einer Erhöhung des Beurteilungspegels um mindestens 3 dB(A) ist
nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV von einer wesentlichen Änderung einer
öffentlichen Straße auszugehen mit der Folge, dass die nach Baugebietstypen differenzierten
Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen,
sofern dies nach dem Stand der Technik vermeidbar ist (§ 41 Abs. 1 i.V.m. § 43 BImSchG). Eine
Erhöhung des Beurteilungspegels um mindestens 3 dB(A) kennzeichnet damit gegebenenfalls
bereits eine zwingende, der Abwägung nicht mehr zugängliche Aktionsschwelle.
Abwägungsrelevant kann eine Verkehrslärmzunahme auch unterhalb des 3-dB(A)-Kriteriums
sein (Beschluss vom 19. August 2003 a.a.O.). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls
(Beschluss vom 18. März 1994 - BVerwG 4 NB 24.93 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 88).
Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin hat der Verwaltungsgerichtshof seiner
Annahme, dass die zwischen den Beteiligten unstreitige Erhöhung der verkehrsbedingten
Lärmimmissionen um 1,5 dB(A) abwägungsrelevant sei, auch die gebotene
Einzelfallbetrachtung zugrunde gelegt. Er hat sich insbesondere auf den von ihm festgestellten
Umstand gestützt, dass der Fahrstreifen um 15,5 m näher an die Grundstücke der
Antragstellerinnen heranrücke. Hinzu kommt der seitens der Antragstellerinnen geltend
gemachte - und im Übrigen unbestrittene - Umstand, dass auch die Orientierungswerte nach DIN
18005 - Schallschutz im Städtebau - nicht eingehalten würden. Bereits auf dieser Grundlage hat
der Verwaltungsgerichtshof die Antragsbefugnis in bundesrechtskonformer Weise bejaht. Den
Ortsbauplan von 1937 kann die Antragsgegnerin nicht entgegenhalten, weil die jetzige Planung
nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs über seine Festsetzungen hinausgeht.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Bumke
Petz
Dr. Decker