Urteil des BVerwG vom 28.10.2009

BVerwG (bemessung der beiträge, beitragspflicht, höhe, arbeitgeber, stichtag, beitragspflicht des arbeitgebers, beitrag, juristische person, vag, gesetzliche grundlage)

Rechtsquellen:
BetrAVG
§§ 10, 14 Abs. 1
VAG
§ 25 Abs. 1
Stichworte:
Beitragspflicht zur Insolvenzsicherung für ein privates Versicherungsunterneh-
mer als Rechtsnachfolger einer öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalt; Bei-
tragsbemessungsgrundlage; Stichtag.
Leitsatz:
Arbeitgeber, die im laufenden Kalenderjahr erstmals zur Insolvenzsicherung
beitragspflichtig werden, sind nicht von der Beitragspflicht ausgenommen, wenn
sie am Stichtag des Schlusses des Wirtschaftsjahres, das im abgelaufenen
Kalenderjahr geendet hat, noch keine Arbeitgeber gewesen sind.
Urteil des 8. Senats vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 8 C 11.09
I. VG Münster vom 20.12.2006 - Az.: VG 7 K 1287/05 -
II. OVG Münster vom 25.11.2008 - Az.: OVG 12 A 303/07 –
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 8 C 11.09
OVG 12 A 303/07
Verkündet
am 28. Oktober 2009
Salli-Jarosch
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Dr. Hauser und Dr. Held-Daab
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 25. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
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G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, ein Versicherungsunterneh-
men in Form einer Aktiengesellschaft, einen Beitrag zur Insolvenzsicherung für
das Beitragsjahr 2002 zu entrichten hat.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Westfälische Provinzial Lebensversi-
cherung AG, übernahm durch einen notariellen Betriebseinbringungs- und Be-
standsübertragungsvertrag vom 5. Dezember 2001 zum 1. Januar 2002 (§ 8
des Vertrages) den vollständigen Geschäftsbetrieb der öffentlich-rechtlichen
Körperschaft „Westfälische Provinzial-Lebensversicherungsanstalt“, im Folgen-
den: WPLA.
In § 12 des Vertrages ist der Übergang der Arbeitsverhältnisse wie folgt gere-
gelt: „Die Westfälische Provinzial Lebensversicherung AG übernimmt gemäß
§ 613a BGB mit Wirkung zum Übertragungsstichtag (§ 8 dieses Vertrages) die
zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse mit den bei der WPL be-
schäftigten Arbeitnehmern, sofern diese dem Übergang der Arbeitsverhältnisse
nicht widersprechen. … Die Westfälische Provinzial Lebensversicherung AG
übernimmt die Arbeitsverhältnisse mit dem aktuellen Besitzstand.“
Die jeweiligen Wirtschaftsjahre der ursprünglichen Klägerin und der früheren
Westfälischen Provinzial Lebensversicherungsanstalt - WPLA - liefen vom
1. Januar bis zum 31. Dezember eines jeweiligen Jahres und sind damit mit
dem Kalenderjahr identisch. Die WPLA hatte ihren Arbeitnehmern eine betrieb-
liche Altersversorgung in Form von unmittelbaren Versorgungszusagen ge-
währt.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 setzte der Beklagte nach vorausgegangener
Korrespondenz, die sich vor allem mit der Frage der Beitragspflicht für das Jahr
2002 befasste, den Insolvenzsicherungsbeitrag der Klägerin für das Kalender-
jahr 2002 auf insgesamt 77 084,33 € fest. Für die Bemessung der Beitragshöhe
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im Jahr 2002 legte der Beklagte die von der Klägerin für das Jahr 2003 gemel-
dete Beitragsbemessungsgrundlage zugrunde, die die Zahlen für das abgelau-
fene Wirtschaftsjahr 2002 zum Stichtag des 31. Dezember 2002 wiedergaben.
Gegen den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 legte die
Rechtsvorgängerin der Klägerin Widerspruch ein und verwies zu dessen Be-
gründung auf bereits vorliegende Stellungnahmen des von ihr eingeschalteten
versicherungsmathematischen Gutachters.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2005 wies der Beklagte den Wider-
spruch zurück.
Ihre am 12. Juli 2005 erhobene Klage hat die Klägerin im Wesentlichen damit
begründet, dass § 10 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG in der vorliegenden Fallgestaltung
nicht als Ermächtigungsgrundlage für die sich auf das Jahr 2002 beziehende
Beitragsfestsetzung in Betracht komme. Die Klägerin sei zwar dem Grunde
nach auch für das Jahr 2002 erstmals beitragspflichtig gewesen. Die Höhe des
Beitrages habe jedoch Null betragen. Denn die Höhe des Beitragsanspruchs
des Beklagten bestimme sich nach § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG nach den
Verhältnissen am Schluss des Wirtschaftsjahres, das im abgelaufenen Kalen-
derjahr geendet habe, also dem 31. Dezember 2001. Zu diesem maßgeblichen
Stichtag sei sie im Vorgriff auf den Betriebsübergang zum 1. Januar 2002 zwar
bereits rechtlich existent gewesen, sie habe aber noch keine Arbeitnehmer ge-
habt und dementsprechend auch noch keine betrieblichen Versorgungsver-
pflichtungen. Insoweit bestehe auch keine Gesetzeslücke bezüglich der wäh-
rend eines laufenden Kalenderjahres neu eintretenden Mitglieder in der Insol-
venzsicherung. Denn der Gesetzgeber habe das Einsetzen der Beitragspflicht
mit einem Jahr Verzögerung aus Vereinfachungsgründen ausdrücklich gewollt.
Daher sei auch ein Rückgriff auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen
für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung (AIB) oder § 25
Abs. 2 VAG unzulässig.
Die Klägerin hat beantragt, den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli
2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 aufzuhe-
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ben und den Beklagten zur Rückzahlung des Beitrages für das Jahr 2002 in
Höhe von 77 084,33 € zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2003 zu verpflichten.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag im Wesentlichen darauf ge-
stützt, dass die Beitragspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich erst mit der Erfül-
lung des gesetzlichen Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 BetrAVG entstehe. Mit
dem Betriebsübergang von der WPLA auf die Klägerin zum 1. Januar 2002
seien gemäß § 613a BGB mit den Arbeitsverhältnissen auch die unverfallbaren
Versorgungsanwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
auf die Klägerin übergegangen. Von diesem Zeitpunkt an habe damit die Bei-
tragspflicht der Klägerin bestanden.
Das Verwaltungsgericht hat den Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben, als darin ein Betrag festge-
setzt wurde, der über 70 167,54 € hinausging, und den Beklagten darüber hin-
aus verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6 916,79 € nebst Zin-
sen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2005
zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht
hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin mit der Übernahme des Ge-
schäftsbetriebes der WPLA zum 1. Januar 2002 gemäß § 613a BGB auch be-
züglich der Versorgungsverpflichtungen in die Rechte und Pflichten der WPLA
eingetreten sei und damit zu diesem Zeitpunkt auch den gesetzlichen Tatbe-
stand des § 10 Abs. 1 BetrAVG erfüllt habe, wodurch die Beitragspflicht ent-
standen sei. Für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage der Klägerin
sei der in § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG genannte Stichtag maßgeblich, wo-
nach die Beitragsbemessungsgrundlage für ein bestimmtes Kalenderjahr auf
den Schluss des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres festzustellen sei. Diese
Feststellung sei im vorliegenden Fall bis Betriebsübergang möglich, auch wenn
zum Schluss des Jahres 2001 Arbeitgeberin noch die WPLA gewesen sei, nicht
aber die Klägerin. Bei der genannten Regelung handele es sich lediglich um
eine Stichtagsregelung für die Bemessung der Beiträge, die ihrerseits das Be-
stehen der öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht voraussetze. Es müsse eine
Bemessung des Beitrages am Stichtag überhaupt möglich sein, nicht aber die
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Beitragspflicht eines bestimmten Unternehmens schon am Stichtag bestanden
haben.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung haben sowohl die Klägerin
als auch der Beklagte eingelegt und zu ihrer Begründung im Wesentlichen ihr
bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Klägerin hat vor dem Oberverwaltungsgericht sinngemäß beantragt, das
Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. Dezember 2006 insoweit auf-
zuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und den Beitragsbescheid des Be-
klagten vom 29. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
13. Juni 2005 auch im Hinblick auf den darin festgestellten Beitrag für das Jahr
2002 in Höhe von 70 167,54 € aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
ihr auch den Beitrag für das Jahr 2002 in Höhe von 70 167,54 € zuzüglich Zin-
sen in Höhe von 0,5 % monatlich ab dem 1. August 2005 zu erstatten.
Der Beklagte hat sinngemäß beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuwei-
sen und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Beklagte darin
verurteilt worden sei, der Klägerin auf den zurückzuerstattenden Betrag in Höhe
von 6 916,79 € für den Zeitraum vom 12. Juli 2005 bis zum 31. Juli 2005 über-
haupt Zinsen zu zahlen und für den Zeitraum ab dem 1. August 2005 höhere
Zinsen als 0,5 % pro Monat zu zahlen.
Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen auf die Vorschrift des § 10a
Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrAVG hingewiesen, wonach zu erstattende Beiträge mit
einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat ab Rechtshängigkeit zu verzinsen seien,
wobei angefangene Monate außer Betracht blieben.
Das Oberverwaltungsgericht hat mit auf § 130a VwGO gestütztem Beschluss
vom 25. November 2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die
Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil teilweise geändert. Es hat das
verwaltungsgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben, als der Beklagte darin ver-
urteilt worden ist, der Klägerin auf den zurückzuerstattenden Betrag in Höhe
von 6 916,79 € für den Zeitraum vom 12. Juli 2005 bis zum 31. Juli 2005 über-
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haupt Zinsen zu zahlen und für den Zeitraum ab dem 1. August 2005 höhere
Zinsen als 0,5 % pro Monat zu zahlen. Zudem hat es die Revision mit Hinweis
auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt,
die Berufung der Klägerin sei unbegründet, da der angefochtene Bescheid des
Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides jedenfalls im Hinblick
auf den noch im Streit stehenden Beitrag in Höhe von 70 167,54 € rechtmäßig
sei und die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt sei mit der Folge,
dass auch der behauptete Anspruch auf Rückzahlung dieser Summe nicht be-
stehe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beitragserhebung gemäß
§ 10 BetrAVG lägen vor. Die Klägerin sei dem Grunde nach ab 1. Januar 2002
beitragspflichtig.
Die nach § 10 Abs. 1 BetrAVG bestehende Beitragspflicht entstehe mit der Er-
füllung des gesetzlichen Tatbestandes, d.h. mit dem Eintritt der ersten gesetz-
lich unverfallbaren Anwartschaft oder der Aufnahme einer laufenden Versor-
gungsleistung. Diese Voraussetzungen seien zum 1. Januar 2002 erfüllt. Der
Beitrag sei auch in der noch streitigen Höhe geschuldet. Der Umstand, dass die
Klägerin zu dem in § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG genannten Stichtag für die in
Ziffern 1 bis 4 genannten Beträge noch keine beitragspflichtige Arbeitgeberin im
Sinne des § 10 BetrAVG gewesen sei, da sie noch keine Arbeitnehmer be-
schäftigt habe, führe dabei nicht dazu, dass die Klägerin in dem ersten Jahr
ihrer Mitgliedschaft in der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversor-
gung keinen Beitrag schulde. Unerheblich sei, dass die Klägerin zum Stichtag
des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, das mit dem abgelaufenen Kalenderjahr
identisch sei, bereits als juristische Person existiert habe, auch wenn sie zu
diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitnehmer beschäftigt habe. § 10 BetrAVG
stelle für die Beitragspflicht allein auf die Eigenschaft als Arbeitgeber ab. § 10
Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG beziehe sich mit dem dort genannten Bilanzstichtag
aus Praktikabilitätsgründen für die Bemessung der Beiträge des laufenden Ka-
lenderjahres auf die im abgelaufenen Kalenderjahr festgestellten Beträge. Da
ein im laufenden Kalenderjahr neu beitragspflichtig gewordener Arbeitgeber
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grundsätzlich nicht über solche Zahlen zu dem maßgeblichen (früheren) Stich-
tag verfüge, sei dieser Fall in der Vorschrift nicht geregelt.
Auch § 25 VAG enthalte keine Regelung dieser Frage. Es sei deshalb eine Re-
gelungslücke anzunehmen, allerdings allein im Hinblick auf den maßgeblichen
Stichtag für die Bemessungsgrundlage. Diese Regelungslücke sei planwidrig
und im Wege der Auslegung zu schließen. Dass der Gesetzgeber die Arbeitge-
ber, die im laufenden Kalenderjahr erstmals beitragspflichtig würden, generell
für das erste Beitragsjahr von der Beitragspflicht freistellen wollte, lasse sich
dem Gesetz unter keinem Gesichtspunkt entnehmen. Eine Herausnahme der
im laufenden Kalenderjahr neu in die Insolvenzsicherung der betrieblichen Al-
tersversorgung eingetretenen Arbeitgeber würde dem vorrangig mit der Bei-
tragserhebung nach § 10 BetrAVG verfolgten Ziel zuwiderlaufen, im Sinne einer
Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen
Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen. Außerdem würde eine sol-
che Freistellung zu einer gleichheitswidrigen Privilegierung dieser Arbeitgeber
führen.
Dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass sich alle beitragspflichti-
gen Arbeitgeber nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in einer bestimmten
Höhe an der Bedarfsdeckung zu beteiligen hätten, ergebe sich darüber hinaus
auch aus § 25 Abs. 1 VAG, der über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG anwendbar
sei und zu einer anteiligen Beitragspflicht von im Laufe des Geschäftsjahres
eingetretenen oder ausgeschiedenen Mitgliedern führe. Enthalte das BetrAVG
mithin keine Bilanzstichtagsregelung im Hinblick auf im laufenden Kalenderjahr
neu eintretende Mitglieder, so sei diese planwidrige Regelungslücke im Wege
der Auslegung zu schließen. Es entspreche Sinn und Zweck der Regelung,
aber auch dem System der Beitragsberechnung nach § 10 BetrAVG, diese Lü-
cke zu schließen, in dem anstatt auf die in diesem Fall grundsätzlich nicht vor-
handenen Werte des abgelaufenen Kalenderjahres auf die Werte des laufen-
den Jahres zurückgegriffen werde, wie es der Beklagte unter Hinweis auf seine
Allgemeinen Versicherungsbedingungen getan habe.
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Die Beitragsbemessung auf der Basis des laufenden Kalenderjahres im Falle
neu eingetretener Mitglieder entspreche Sinn und Zweck der den Arbeitgebern
nach § 10 BetrAVG auferlegten Beitragspflicht, der darin bestehe, im Sinne
einer Solidarhaftung die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersver-
sorgung erforderlichen Mittel aufzubringen, was eine Befreiung von der Bei-
tragspflicht im ersten Jahr der Mitgliedschaft verbiete. Es erscheine auch sys-
temgerecht im Hinblick auf § 10 Abs. 2 und 3 BetrAVG, dass der Beklagte die
Werte des laufenden Kalenderjahres 2002 für die Berechnung der Beitrags-
pflicht im Jahr 2002 zugrunde gelegt habe. Denn der Gesetzgeber sei bestrebt,
durch die konkrete Verteilung des nach § 10 Abs. 2 BetrAVG bestehenden Be-
darfs auf die einzelnen beitragspflichtigen Mitglieder nach der Regelung des
§ 10 Abs. 3 BetrAVG eine möglichst zeitnahe Deckung zu erzielen und das Bei-
tragsberechnungsverfahren möglichst einfach zu handhaben. Bei den Zahlen
handele es sich um Informationen für das laufende Jahr, die der neu eingetre-
tene Arbeitgeber nach § 11 Abs. 2 BetrAVG dem Beklagten zur Ermittlung des
Beitrages im Folgejahr spätestens bis zum 30. September des ersten Kalender-
jahres der Mitgliedschaft ohnehin zu melden habe.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt die Klägerin die Ver-
letzung materiellen Rechts. Sie meint, für den streitbefangenen Beitragsan-
spruch des Beklagten fehle eine gesetzliche Grundlage. Das in § 10 Abs. 3
BetrAVG vorgesehene Stichtagsprinzip müsse ernst genommen werden. Es
dürfe nicht bei Gefallen oder dann aufgebrochen werden, wenn man meine, es
vernachlässige einmal die Interessen des Beklagten. Es sei für den Beklagten
auch ohne Weiteres zumutbar, dass er im vorliegenden Fall durch die besonde-
ren Umstände von der Stichtagsregelung nicht profitiere, sondern benachteiligt
werde. Es fehle für die seltenen Fälle, in denen der Betriebsveräußerer als
Körperschaft des öffentlichen Rechts im Beitragsjahr des Betriebsüberganges
wegen § 17 Abs. 2 BetrAVG nicht in Anspruch genommen werden könne, an
einer Rechtfertigung des Beklagten für eine ersatzweise Inanspruchnahme des
Betriebserwerbers, so dass auch ein Beitragsanspruch für das Jahr 2002 ge-
gen die Klägerin entfalle.
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Die Klägerin beantragt,
1. den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 25. November 2008
abzuändern und den Beitragsbescheid des Beklagten
vom 29. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-
scheides vom 13. Juni 2004 (gemeint wohl: 2005) ins-
gesamt aufzuheben,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen wei-
teren Teilbetrag in Höhe von 70 167,54 € nebst Zinsen
in Höhe von 0,5 % pro Monat für die Zeit ab dem
1. August 2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt im Wesentlichen den ergangenen Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts. Eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG
sei im vorliegenden Fall nicht möglich, da die Klägerin am vom Gesetz vorge-
sehenen Stichtag noch keine Arbeitnehmer beschäftigt habe. Es liege ein Fall
eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613a BGB vor. Die Klägerin verken-
ne aber, dass es sich bei der Regelung des § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG um
eine reine Stichtagsregelung für die Bemessung der geschuldeten Beiträge zur
Insolvenzsicherung handele, die nichts über das Entstehen oder Fortbestehen
der Beitragspflicht aussage. Die Klägerin schulde dem Grunde nach für das
gesamte Kalenderjahr 2002, in dem sie Mitglied des Beklagten war, den Insol-
venzsicherungsbeitrag. Eine Herausnahme der neu insolvenzsicherungspflich-
tigen Arbeitgeber würde dem mit der Beitragserhebung verfolgten Ziel des
BetrAVG zuwiderlaufen, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für
die Insolvenzsicherung notwendigen Mittel aufzubringen.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwal-
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tungsgericht hat die Regelung des § 10 BetrAVG zutreffend ausgelegt und an-
gewandt.
Nach § 10 Abs. 1 BetrAVG sind die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsi-
cherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Ar-
beitgeber aufzubringen, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung un-
mittelbar zugesagt haben, oder eine betriebliche Altersvorsorgung über eine
Unterstützungskasse, eine Direktversicherung der im § 7 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG bezeichneten Art oder einen Pensionsfonds
durchführen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1994 - BVerwG 1 C 41.92 - Buchholz
437.1 BetrAVG Nr. 11). Der Beklagte ist ein privater Versicherungsverein auf
Gegenseitigkeit, der insoweit als Beliehener auftritt.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die öffentlich-rechtliche Körperschaft
WPLA, unterlag keiner Beitragspflicht nach dem BetrAVG. Denn nach § 17
Abs. 2 BetrAVG gilt § 10 Abs. 1 BetrAVG nicht für solche Körperschaften und
Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen die Insolvenz nicht zulässig ist
oder bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die
Zahlungsfähigkeit sichert. Die WPLA unterstand als Körperschaft des öffentli-
chen Rechts der Landesaufsicht, wie aus § 17 Abs. 1 der Satzung von 1969
hervorgeht. Deshalb konnte ihr gegenüber gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2
VwVG NRW kein Insolvenzverfahren stattfinden.
Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht anhand der bisherigen Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, dass der Beitragsanspruch
des Beklagten mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes des § 10 BetrAVG
dem Grunde nach entstanden war und dass er zum Ende des jeweiligen Bei-
tragsjahres fällig wurde.
Ein Beitragsbescheid, der die Beitragspflicht konstitutiv festsetzt, ist im Gesetz
nicht vorgesehen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Ein solcher ist damit
nur rechtmäßig, wenn der Beitragsanspruch besteht und auch fällig ist. § 10
Abs. 2 Satz 4 BetrAVG regelt hierzu, dass „auf die am Ende des Kalenderjah-
res fälligen Beiträge“ Vorschüsse erhoben werden können. Diese Bestimmung
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ist so zu verstehen, dass die Beitragspflicht nicht erst am Ende des Kalender-
jahres entsteht, sondern es sich um eine Fälligkeitsregelung handelt (vgl. Urteil
vom 14. März 1991 - BVerwG 3 C 24.90 - Buchholz 437.1 Nr. 8 S. 17 =
BVerwGE 88, 79 <82>).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 10
Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG, wonach die Beträge auf den Schluss des Wirtschafts-
jahres des Arbeitgebers, das im abgelaufenen Kalenderjahr geendet hat, fest-
zustellen sind, eine reine Stichtagsregelung für die Bemessung der Beiträge ist,
aber keine Aussage über das Entstehen der Beitragspflicht enthält (vgl. Urteil
vom 14. März 1991 a.a.O.; auch Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Denn
schon aus der Fälligkeitsregelung in § 10 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG geht hervor,
dass der Beitragsanspruch mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes ent-
steht und nicht etwa einen Beitragsbescheid des Beklagten voraussetzt. Wenn
am Ende des Kalenderjahres Beiträge fällig sind, muss der Beitragsanspruch
bereits vorher entstanden sein (Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Zudem er-
gibt sich aus § 30 Satz 2 BetrAVG, dass die Beitragspflicht ausschließlich von
der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes abhängt. Denn diese Norm
bestimmt hinsichtlich des Entstehens der erstmaligen Beitragspflicht, dass die-
se „mit dem Inkrafttreten der §§ 7 bis 15 BetrAVG“ beginnt. Danach setzt die
Beitragspflicht keinen Beitragsbescheid voraus. Gilt dies aber für die erstmalige
Beitragspflicht, so ist für Beiträge für die nachfolgenden Jahre nichts anderes
anzunehmen (Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.).
Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht die Aussage des
Berufungsgerichts im Einklang, dass § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG nicht regelt,
wie der Beitrag zu bemessen ist, wenn ein im laufenden Kalenderjahr neu bei-
tragspflichtig gewordener Arbeitgeber nicht über Zahlen zu dem maßgeblichen
Stichtag des Vorjahres verfügt.
Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verletzung von Bundesrecht § 25
Abs. 1 VAG für nicht einschlägig gehalten. Diese Norm ist nach ständiger
Rechtsprechung über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG im Hinblick auf während des
Wirtschaftsjahres neu eintretende oder ausscheidende Mitglieder anzuwenden
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(Urteile vom 23. Januar 2008 - BVerwG 6 C 19.07 - Buchholz 437.1 BetrAVG
Nr. 18 sowie vom 14. März 1991 a.a.O.). Zutreffend hat das Oberverwaltungs-
gericht angenommen, dass § 25 Abs. 1 VAG zwar festlegt, dass auch solche
Mitglieder zu der Umlage beizutragen haben, die während des Wirtschaftsjah-
res neu eintreten oder ausscheiden. Die Beitragspflicht bemisst sich dann da-
nach, wie lange das jeweilige Mitglied in dem Geschäftsjahr dem Verein ange-
hört hat („pro rata temporis“). Das besagt für die Klägerin, die das gesamte Jahr
2002 über Mitglied des Beklagten war, dass sie auch einen gesamten Jahres-
beitrag schuldet. Nicht geregelt in § 25 Abs. 1 VAG ist jedoch, nach welchen
Berechnungsgrundlagen dieser Beitrag festzusetzen ist (vgl. Urteil vom
23. Januar 2008 a.a.O.).
Das Oberverwaltungsgericht folgert rechtsfehlerfrei aus dem Fehlen einer Re-
gelung im BetrAVG, aber auch in dem zumindest subsidiär anzuwendenden
VAG, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die im Wege der Ausle-
gung zu schließen sei.
Die Annahme der Klägerin, dass eine Beitragspflicht auf Null reduziert sei,
wenn die Beachtung des Stichtages des Vorjahres für die Bemessungsgrund-
lage nicht möglich ist, ist mit dem gesetzgeberischen Anliegen der Einführung
eines Betriebsrentengesetzes, vgl. BTDrucks 7/1281, nicht vereinbar.
Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine He-
rausnahme der im laufenden Kalenderjahr neu in die Insolvenzsicherung der
betrieblichen Altersversorgung eingetretenen Arbeitgeber dem vorrangig mit
einer Beitragserhebung nach § 10 BetrAVG verfolgten Ziel zuwiderlaufen wür-
de, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsiche-
rung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen. Den
Gesichtspunkt der Solidarhaftung aller Arbeitgeber hat bereits der 6. Senat in
seinem Urteil vom 22. Januar 2008 - BVerwG 6 C 19.07 - (Buchholz a.a.O.
Nr. 18) herausgearbeitet. Wie bereits dargelegt, folgt aus der bloßen Stichtags-
regelung, also einer mehr technischen Regelung über den Verwaltungsablauf,
nicht, dass etwa die Beitragspflicht hinausgeschoben wird, bis für das neu in
die öffentlich-rechtliche Versicherungspflicht eintretende Unternehmen ein Jahr
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verstrichen ist und vom Ende des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres ge-
sprochen werden kann.
Der Senat kann offen lassen, ob der vom Oberverwaltungsgericht gewählte
Weg zur Lückenschließung, nämlich auf die Werte des laufenden Wirtschafts-
jahres - bezogen auf den Stichtag vom 31. Dezember 2002 - abzustellen, oder
ob der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg, auf die Stichtagswerte
des Vorjahres - dem 31. Dezember 2001 - abzustellen, zu bevorzugen ist.
Denn es ist nicht entscheidungserheblich, ob hier der Stichtag des Vorjahres
oder des Folgejahres in Betracht kommt, dass nur noch der niedrigere Beitrag
im Streit ist, der sich aufgrund der Berechnung anhand des Stichtages des vo-
rausgegangenen Jahres ergibt.
Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht den seitens der Klägerin erhobenen
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Ergebnis verneint, denn es sind
keine Beiträge zur Insolvenzsicherung rechtsgrundlos erbracht worden.
Der seitens der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch gemäß § 10a Abs. 3
Satz 1 und 2 BetrAVG, wonach für vom Träger der Insolvenzsicherung zu er-
stattende Beiträge vom Tage der Fälligkeit oder bei Feststellung des Erstat-
tungsanspruchs durch gerichtliche Entscheidung vom Tage der Rechtshängig-
keit an, für jeden Monat eine Verzinsung in Höhe von 0,5 v.H. vorgesehen ist,
greift mangels Bestehens eines Hauptanspruchs nicht ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Gödel Dr. Pagenkopf Dr. von Heimburg
Ri’inBVerwG Dr. Hauser Dr. Held-Daab
ist infolge Erkrankung verhindert
zu unterschreiben.
Gödel
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf
70 167,54 € festgesetzt.
Gödel Dr. Pagenkopf Dr. von Heimburg
Ri’inBVerwG Dr. Hauser Dr. Held-Daab
ist infolge Erkrankung verhindert
zu unterschreiben.
Gödel