Urteil des BVerwG vom 27.09.2012

BVerwG: soldat, ohg, geschäftsführer, geschiedene frau, rechtliches gehör, programm, im bewusstsein, geldstrafe, vertrauensperson, kompetenz

BVerwG 2 WD 22.11
Rechtsquellen:
WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7, § 62 Abs. 1 Satz 1
SG §§ 10, 12, 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1
Stichworte:
Offizierheimgesellschaft; OHG; Geschäftsführer; Kameradendiebstahl; Griff in die
Kameradenkasse; Gelder einer Kameradengemeinschaft; Kameradschaftspflicht; achtungs- und
vertrauenswürdiges Verhalten; Vorsatz; Zugriff; Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen;
Dienstgradherabsetzung.
Leitsatz:
Beim vorsätzlichen Zugriff auf Gelder der Kameradengemeinschaft aus der Position des
Geschäftsführers einer Offizierheimgesellschaft ist die Dienstgradherabsetzung Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 22.11
Truppendienstgericht Süd 3. Kammer - 04.05.2011 - AZ: TDG S 3 VL 15/10
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 27. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Squarr und
ehrenamtlicher Richter Oberleutnant Neuhäuser,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 3. Kammer des
Truppendienstgerichts Süd vom 4. Mai 2011 im Ausspruch über die
Disziplinarmaßnahme geändert.
Der Soldat wird wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Leutnants
herabgesetzt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen
notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der 41 Jahre alte Soldat wurde im Oktober 1988 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf
Zeit berufen. 1998 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Der Soldat wurde
regelmäßig befördert, zuletzt nach dem Wechsel in die Laufbahn der Offiziere des
militärfachlichen Dienstes im April 2000 zum Oberleutnant.
2 Im Februar 1993 erfolgte die Versetzung zur 2./... in N. . Der Soldat war von dort aus mehrfach
zu Auslandseinsätzen kommandiert und zwar von Dezember 1996 bis März 1997 bei der
...abteilung des Deutschen Kontingents IFOR in Z./Kroatien, von Mai bis Juli 2001 bei der
...staffel des Deutschen Kontingents SFOR in R., von Mai bis Juli 2003, von März bis Mai 2005,
von November 2005 bis Dezember 2006 und von November bis Dezember 2007 jeweils bei der
...abteilung des Deutschen Kontingents KFOR in T. .
3 Die letzte planmäßige Beurteilung vom 22. Februar 2007 bewertete die Leistungen im
Beurteilungszeitraum für die Einzelmerkmale „Einsatzbereitschaft“ und „Organisatorisches
Können“ mit der Höchstnote „7“, elfmal mit „6“ , zweimal mit „5“ und einmal („Belastbarkeit“) mit
„4“.
4 Zu den als Spitzenleistung bewerteten Merkmalen hieß es, Oberleutnant ... sei unter Preisgabe
planbarer Freizeit jederzeit bereit, auch ungeplante und unangenehme Aufgaben zu
übernehmen. Er zeige dabei unverändert den gleichen, hohen Einsatzwillen. Hervorzuheben sei
sein nimmermüder Einsatz in der Offizierheimgesellschaft (OHG). Er sei von seiner Aufgabe und
seinen Pflichten als Kamerad zutiefst überzeugt. Oberleutnant ... organisiere komplexe Projekte
mit viel Phantasie und Übersicht zeit- und auftragsgerecht. Seine erfolgreichen Veranstaltungen
in der OHG N. trügen zum guten Ruf des Offizierheims entscheidend bei.
5 Eignung und Befähigung wurden dreimal mit „D“ und einmal mit „C“ bewertet. Zum Punkt
„Verantwortungsbewusstsein“ war u.a. ausgeführt, als Geschäftsführer der OHG N. überzeuge er
durch nimmermüdes Engagement insbesondere bei der Gestaltung von Sonderveranstaltungen
sowie bei der Routinearbeit, wobei er in umfangreichem Maße seine Freizeit einbringe. Der
wirtschaftliche Erfolg der OHG N. in den letzten Jahren sei sein Verdienst. Er habe daher im Jahr
2006 eine Leistungsprämie erhalten. Zum Punkt „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“
war ausgeführt, die Geschäfte der OHG führe er hauptverantwortlich zur vollen Zufriedenheit des
Vorstandes und der Soldaten des Standortes. Seine Phantasie, seine Flexibilität sowie seine
Kreativität kämen ihm dabei zugute. Abschließend charakterisierte ihn der beurteilende
Vorgesetzte als anstrengungsbereiten und verantwortungsbewussten Fachdienstoffizier mit
ausgeprägtem Schwerpunkt im fliegerischen Bereich sowie hoch entwickeltem
Organisationstalent. Er hob Kreativität und Sensibilität im Umgang mit den Mannschaften hervor.
Aufgaben, die sich der Soldat zueigen gemacht habe, verfolge er mit großem Einsatz, ganzer
Kraft und Loyalität. Der Dienst in der militärischen Gemeinschaft sei ihm Verpflichtung, er sei im
Kameradenkreis beliebt und wegen seines außerdienstlichen Engagements angesehen. Das
erweiterte Einsatzspektrum der Streitkräfte sehe er als selbstverständliche Aufgabe, der er sich
im Staffel- und Abteilungsrahmen bereitwillig stelle. Im Einsatz habe er sich mehrfach als
im Staffel- und Abteilungsrahmen bereitwillig stelle. Im Einsatz habe er sich mehrfach als
zuverlässiger Hubschrauberkommandant bewährt. Er habe sich durch seinen Einsatz gerade in
der OHG weiter gefestigt, der Erfolg seiner Arbeit gebe ihm Bestätigung. Psychisch sei er im
Wesentlichen belastbar. Er reagiere allerdings sehr empfindlich und deutlich erkennbar auf
Belastungen in seinem persönlichen Umfeld.
„Besonders geeignet“ sah ihn der beurteilende Vorgesetzte für Fachverwendungen, „gut
geeignet“ für Stabs- und Lehrverwendungen und „geeignet“ für Führungsverwendungen in der
Truppe, allgemeine Führungsverwendungen und Verwendungen mit besonderer Außenwirkung.
6 Der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte sich mit der Beurteilung einverstanden und bewertete
die Förderungswürdigkeit des Soldaten mit „C“.
7 Die Sonderbeurteilung vom 22. Juli 2011 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten dreimal mit „6“, sechsmal mit „4“ und einmal mit „3“, im Durchschnitt mit „4,5“.
Oberleutnant ... sei ein sehr erfahrener HubschrFhrOffz, der über ein gutes Fachwissen verfüge
und dies im Interesse der Staffel erfolgreich zur Anwendung gebracht habe. Seine fachliche
Kompetenz, seine Eigenständigkeit und sein überdurchschnittliches praktisches Können seien
Grundlage für die sichere Durchführung des Flugbetriebes im Sinne der Flugsicherheit. Aufgrund
seiner familiären Situation sei Oberleutnant ... in der Vergangenheit nicht für die Teilnahme an
der Ausbildung zum Fluglehrer vorgesehen gewesen.
Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als „stärker ausgeprägt“ und als
bestimmendes Merkmal gesehen. Gleichfalls „stärker ausgeprägt“ sei die geistige Kompetenz,
„ausgeprägt“ seien die soziale Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung, während
die konzeptionelle Kompetenz „weniger ausgeprägt“ sei.
Es heißt in der zusammenfassenden Beschreibung der Persönlichkeit auszugsweise,
Oberleutnant ... sei ein ruhiger und besonnener Offizier, der seine Aufträge unspektakulär, aber
zuverlässig umsetze. Vielseitigkeit und Geduld kennzeichneten seinen Arbeitsstil. Als
Geschäftsführer der OHG N. habe er diese Fähigkeiten bei verschiedenen
Veranstaltungen/Projekten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wiederholt erfolgreich einbringen
können. Hervorzuheben seien seine Kreativität und seine hilfsbereite Grundhaltung. In der
militärischen Gemeinschaft werde Oberleutnant ... seit seinem Weggang aus der OHG mit
deutlicher Zurückhaltung betrachtet. Hier sei es ihm in den letzten zwei Jahren nicht gelungen,
verlorenes Vertrauen wieder zu erlangen. Seit diesem Zeitpunkt hätten auch seine
krankheitsbedingten Fehlzeiten zugenommen und seine dienstliche Zuverlässigkeit
nachgelassen.
Für Verwendungen mit besonderer Spezialisierung sei er „gut geeignet“, für Führungs- und
Lehrverwendung „geeignet“, „nicht geeignet“ sei er für Stabsverwendungen.
8 Der nächsthöhere Vorgesetzte stützte die Aussagen des Disziplinarvorgesetzten. Er habe
Oberleutnant ... zunächst als professionellen Luftfahrzeugführer kennengelernt. Derzeit könne er
sich leider nicht in der entsprechenden Aufgabenerfüllung auswirken. Die individuelle
Laufbahnperspektive sehe er aktuell als erreicht an.
9 Als Leumundszeuge hatte der frühere Disziplinarvorgesetzte, Oberstleutnant W., in der
Berufungshauptverhandlung ausgeführt, der Soldat habe sich über Jahre hinweg sehr stark für
die OHG engagiert und in diesem Bereich gute Arbeit für die Mitglieder geleistet. Der Soldat sei
ein sehr guter Flieger und zuverlässiger Mitarbeiter gewesen und habe viel Erfahrung in
Einsätzen aufzuweisen. Belastungen durch familiäre Probleme hätte man ihm aber angemerkt.
Dies habe zu Beeinträchtigungen im dienstlichen Bereich geführt. Der Vorfall sei im
Kameradenkreis bekannt geworden. Er habe den Verein über die Ermittlungen informieren
müssen. Nach seinem Eindruck habe es Vorbehalte der Kameraden gegenüber dem Soldaten
gegeben. Dieser habe zwar mit einzelnen Kameraden über den Vorfall gesprochen, es aber
versäumt, sich im größeren Rahmen der Abteilung bzw. Staffel zu erklären. Nach der Rückkehr
in den Dienst nach einer krankheitsbedingten Abwesenheit habe der Soldat weitermachen
wollen, als ob nichts geschehen sei. Während des truppendienstgerichtlichen Verfahrens habe
er die Vertrauensperson der Offiziere beauftragt, die Haltung des Offizierskorps dem Soldaten
gegenüber in Erfahrung zu bringen. Im Ergebnis habe eine deutliche Mehrheit sich gegen eine
weitere Zusammenarbeit mit dem Soldaten ausgesprochen. Während der Ermittlungen habe er
von Schulden des Soldaten in Höhe von ca. 30 000 € erfahren und von Schwierigkeiten bei der
Abzahlung. Auch deshalb habe er ihn nicht aus dem fliegerischen Dienst herauslösen wollen.
Von einer Wegversetzung habe er zunächst absehen wollen, um das weitere Verfahren
abzuwarten. Zu konkreten Problemen sei es währenddessen im täglichen Routinebetrieb nicht
gekommen.
10 Der Soldat ist Träger verschiedener Abzeichen, u.a. der Schützenschnur in Silber, des
Leistungsabzeichens in Silber, des Tätigkeitsabzeichens Command Pilot (Gold), der SFOR-
Einsatzmedaille der Bundeswehr, der KFOR-Einsatzmedaille der Bundeswehr und der KFOR-
Einsatzmedaille der NATO. Er hat 2004 und 2006 Leistungsprämien als Einmalzahlungen
erhalten sowie 2004 zwei förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung.
11 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 22. März 2012 weist die genannten förmlichen
Anerkennungen aus sowie eine durch das Amtsgericht B. am 19. Mai 2009 verhängte Geldstrafe
von 50 Tagessätzen zu je 80 € wegen des Vergehens der Untreue und eine am 21. Februar
2012 ebenfalls durch das Amtsgericht B. verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 €
wegen Betruges.
12 Die Auskunft aus dem Zentralregister und dem Erziehungsregister vom 22. März 2012
verweist auf die seit dem 6. Juni 2009 rechtskräftige Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von
50 Tagessätzen zu je 80 € durch das Amtsgericht B. vom 19. Mai 2009 wegen Untreue in 19
Fällen, in 8 Fällen jeweils mit geringem Schaden, und auf die seit dem 13. März 2012
rechtskräftige Verhängung einer weiteren Geldstrafe durch das Amtsgericht B. vom 23. Februar
2012 wegen Betruges. Die Geldstrafe von 2009 wurde durch Strafbefehl verhängt und betrifft den
Sachverhalt, der Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist, während wegen des
der Verhängung der Geldstrafe 2012 zugrunde liegenden Sachverhaltes erst Vorermittlungen
laufen.
13 Der Soldat ist nach eigenen Angaben in der Berufungshauptverhandlung geschieden. Er hat
zwei 1995 und 2000 geborene Söhne.
14 Der Soldat ist seit dem 10. Mai 2011 vorläufig des Dienstes enthoben. Eine Einbehaltung von
50 % seiner Dienstbezüge wurde angeordnet. Nach der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung
Süd vom 26. März 2012 erhielt er im April 2012 Bezüge in Höhe von 3 733,63 € brutto. Unter
Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge, des Beitrages für das Bundeswehrsozialwerk,
Vermögenswirksamer Leistungen und einer Gehaltskürzung in Höhe von 1 670,22 € wurden ihm
tatsächlich 1 738,96 € netto ausgezahlt.
15 Zu seiner finanziellen Situation hat der Soldat ergänzend erläutert, dass er nach wie vor
Unterhalt für seine Kinder in Höhe von 600 € leiste. An seine geschiedene Frau zahle er keinen
Unterhalt. Zwischenzeitlich befinde sich seine geschiedene Ehefrau in einem
Privatinsolvenzverfahren wegen der Schulden aus der Ehezeit. Auch er habe ein solches
beantragt, da er die Restschulden nicht mehr bedienen könne. Gegenwärtig verdiene er pro
Monat zwischen 200 € und 300 € durch die Tätigkeit für ein Beförderungsunternehmen hinzu.
II
16 1. Im Juli 2009 wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren mit Verfügung des Kommandeurs
der Division Luftbewegliche Operationen eingeleitet. Mit Einverständnis des Soldaten war die
Vertrauensperson am 7. Juli 2009 angehört worden.
17 Nach Gewährung des Schlussgehörs hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit
Anschuldigungsschrift vom 20. Mai 2010 ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit
§§ 12, 17 Abs. 2 Satz 1 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG zur
Last gelegt.
18 2. Auf dieser Grundlage hat die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit Urteil vom 4.
Mai 2011 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienstverhältnis entfernt.
19 Ihrer Entscheidung hat die Kammer folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrundegelegt:
„Der Soldat wurde anlässlich der Mitgliederversammlung der Offizierheimgesellschaft N. (OHG)
am 15. Mai 2007 sowie erneut am 5. Juni 2008 zu deren Geschäftsführer gewählt. Die
Organisation des Betriebes dieser OHG wurde nicht durch einen Heimfeldwebel erledigt,
sondern oblag eben dem Soldaten als Geschäftsführer und dessen Stellvertreter. In dem in der
Anschuldigungsschrift vorgeworfenen Tatzeitraum war es jedoch so, dass der Soldat als
Geschäftsführer mehr oder weniger allein tätig war, da der Stellvertreter seine Aufgaben in
diesem Zeitraum kaum bzw. gar nicht wahrnahm. Zu den Aufgaben des Geschäftsführers
gehörte unter anderem die Überwachung der Lagerhaltung sowie die Preiskalkulation für die
einzelnen Produkte. Darüber hinaus hatte er die Aufsicht über die Ordonnanzen. Die Mitglieder
der OHG konnten ihren Konsum im Offizierheim bargeldlos begleichen und zwar dergestalt, dass
ein elektronisch geführtes Buchungssystem ‚Gastro-Manager-PC Win-Version 2.5a’ zur
Abrechnung genutzt wurde. Dies geschah dergestalt, dass das jeweilige OHG-Mitglied bei
seiner Bestellung seine persönliche Buchungsnummer angab unter der dann der jeweils
durchgeführte Konsum verbucht wurde. Nach Ablauf eines Kalendermonats wurden durch den
Geschäftsführer die in diesem Monat vorgenommenen Buchungen der einzelnen Mitglieder
aufsummiert und der sich jeweils individuell ergebende Gesamtbetrag per Lastschrift unmittelbar
von dem der OHG benannten Girokonto des Mitgliedes abgebucht. Sobald Buchungen
bezüglich des Konsums von Mitgliedern vorgenommen werden, werden diese durch das
Programm automatisch mit dem Lagerbestand synchronisiert, d. h., bei entsprechenden
Buchungen wird der jeweils gebuchte Artikel automatisch vom Lagerbestand abgezogen.
Umgekehrt wird der Lagerbestand bei Löschungen von Buchungen entsprechend wieder erhöht.
Dem Soldaten, als Geschäftsführer der OHG, war das Programm so vertraut, dass er die
Möglichkeit hatte und auch nutzte, für sich und seine persönliche Kennnummer eine eigene,
persönliche Kalkulationsebene einzurichten, anhand derer er für von ihm konsumierte Speisen
und Getränke einen geringeren Preis als bei den übrigen Mitgliedern in der OHG üblich,
bezahlte. Eine solche Kalkulationsebene war mit Zustimmung des OHG-Vorstandes lediglich für
die diensttuenden Ordonnanzen eingerichtet worden, um diesen die Gelegenheit zu
ermöglichen, zu verbilligten Preisen zu essen und zu trinken. Dem Geschäftsführer war jedoch
eine solche persönliche, verbilligte Kalkulationsebene zu keinem Zeitpunkt vom OHG-Vorstand
zugebilligt worden. Der Soldat war auch aufgrund der vertieften Kenntnisse über das Programm
in der Lage, auf seine persönliche Mitgliedsnummer angefallene Buchungen nachträglich in
zurückliegende Monate zurückzubuchen, um so zu erreichen, dass diese Buchungen bei der
aktuellen Monatsabrechnung keine Berücksichtigung fanden. Dies tat er auch, z.B. wie im
Anschuldigungspunkt 2. dargestellt. Des Weiteren bestand für ihn die Möglichkeit auf das
Programm dergestalt zuzugreifen, dass er auf seine persönliche Mitgliedsnummer durchgeführte
Buchungen sämtlich oder auch teilweise löschen konnte. Dies hat er wie im
Anschuldigungspunkt 1. im Einzelnen dargestellt am 10.07., 08.10., 17.10., 24.10 und
29.10.2007 mehrfach in der dargestellten Art und Weise getan sowie ebenfalls am 04.06., 13.06.,
22.06., 15.07., 23.07., 28. und 29.07., 20.10., 24.10, 28.10., 13.11. sowie 08.12.2008.
Da sämtliche Eingabevorgänge am PC durch das Programm in einer sogenannten ‚Logdatei’
festgehalten werden, war es möglich, anhand der entsprechenden Auszüge aus dieser Logdatei
die vorbezeichneten Löschungsvorgänge durch den Soldaten zu dokumentieren.
Der Soldat räumt die im Einzelnen in der Anschuldigungsschrift unter Ziffer 1. vorgeworfenen
Löschvorgänge auch ohne Wenn und Aber ein. Ebenso die Rückbuchung wie unter Ziffer 2. der
Anschuldigungsschrift beschrieben.
Durch die vom Soldaten vorgenommenen Löschungen wurden ihm seitens der OHG 1.125,42
Euro zu wenig vom Konto abgebucht und durch die Rückbuchung ein Betrag in Höhe von 73,26
Euro. Insgesamt hat der Soldat der OHG N. daher einen Schaden in Höhe von 1.198,68 Euro
verursacht.
Bei entsprechender Kenntnis der Programmabläufe ist es auch möglich, die Dokumentation der
Wareneingänge durch das Programm zu manipulieren. Ob das der Soldat jedoch getan hat, ist
nicht erwiesen.
Bei den üblichen Inventurmaßnahmen sowie bei der jährlich stattfindenden Kassenprüfung
wurden die Manipulationen des Soldaten aufgrund seiner buchungstechnischen
Verschleierungen nicht entdeckt.
Die Veruntreuung durch den Soldaten fiel erst auf, als im Rahmen einer Routineüberprüfung das
Mitglied mit der persönlichen Mitgliedsnummer 112 überprüft wurde und der Überprüfende
aufgrund eines Eingabefehlers in die persönliche Mitgliedsnummer des Soldaten (111) geriet
und hierbei feststellte, dass der Soldat offensichtlich seinen Konsum auf einer anderen
Kalkulationsebene mit verbilligten Preisen abrechnete. Dies wurde dann zum Anlass
genommen, die auf die Mitgliedsnummer des Soldaten durchgeführten Buchungen insgesamt zu
überprüfen, wodurch dann eben auch auffiel, dass in erheblichem Umfange, wie in der
Anschuldigungsschrift im Einzelnen dargestellt, Buchungen nachträglich wieder gelöscht bzw.
auf Vormonate umgebucht wurden.
Der Soldat räumte sein Fehlverhalten, was den Tathergang angeht, ohne Wenn und Aber ein,
zeigte jedoch zunächst kein Unrechtsbewusstsein, indem er behauptete, er sei davon
ausgegangen, dass, wenn er seine Schaffenskraft in der von ihm gezeigten Art und Weise für die
OHG zur Verfügung stelle, er sich auch kostenfrei an Speisen und Getränken bedienen dürfte.
Dies sei in anderen Vereinen auch üblich. Nach Angaben seines Disziplinarvorgesetzten, des
Zeugen Oberstleutnant W., habe der Soldat erst im Laufe der Zeit zu der Einstellung gefunden,
dass er sich falsch verhalten und der OHG einen Schaden zugefügt habe.“
20 Der Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen. Er habe die
Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem
Verhalten im Dienst und innerhalb dienstlicher Anlagen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), nicht aber die
Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt.
21 Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer. Der Zugriff auf Eigentum und Vermögen von
Kameraden sei grundsätzlich mit einer Dienstgradherabsetzung bis in einen
Mannschaftsdienstgrad, bei Vorliegen von Erschwerungsgründen mit einer Entfernung aus dem
Dienstverhältnis zu ahnden. Hier sei erschwerend zu berücksichtigen, dass der Soldat als
Geschäftsführer der OHG das Vertrauen der Kameraden über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren in
einer Vielzahl von Einzelfällen wiederholt missbraucht und erheblichen Schaden von rund 1 200
€ verursacht habe. Die durch das ihm entgegengebrachte Vertrauen erhöhte Hemmschwelle sei
wiederholt überschritten und die Kameradschaft und das militärische Zusammenwirken
tiefgreifend gestört. Der Soldat habe sich skrupellos auf Kosten der Kameraden und unter
Ausnutzung ihres Vertrauens finanzielle Vorteile verschafft. Folge seines Handelns sei, dass die
Offiziere in Einheit und Verband die Zusammenarbeit mit ihm ablehnten. Wegen der erheblichen
kriminellen Intensität des Fehlverhaltens sei der Soldat nicht mehr tragbar. Milderungsgründe in
den Umständen der Tat gebe es nicht. Insbesondere begründe die angespannte familiäre
Situation des Soldaten keinen Milderungsgrund. Bei Bekanntwerden der Vorwürfe hätten die
zuvor befriedigenden Leistungen des Soldaten deutlich nachgelassen. Ein Motiv sei nicht
erkennbar. Die Behauptung, er sei davon ausgegangen, wegen seines Engagements für die
OHG gelegentlich kostenlos ein Bier trinken zu dürfen, sei als bloße Schutzbehauptung
widerlegt. Unrechtseinsicht habe der Soldat nicht gezeigt. Als Offizier und Vorgesetzter sei er
nicht mehr tragbar. Die Höchstmaßnahme sei auch generalpräventiv zwingend geboten.
22 3. Gegen das ihm am 27. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Soldat am 24. Juni 2011
beschränkt auf die Maßnahmebemessung Berufung eingelegt. Er räumt die vorgeworfenen
Handlungen in vollem Umfange ein. Die Entfernung aus dem Dienst werde dem Dienstvergehen
aber nicht gerecht. Es habe sich zwar im dienstlichen Nahbereich, aber nicht unmittelbar im
Rahmen der Dienstausübung ereignet. Der Soldat habe sich in einer persönlich nicht einfachen
Situation befunden. Er habe abends und an Wochenenden sehr lange für die OHG gearbeitet
und sei weitgehend allein tätig gewesen. Eine wirksame Kontrolle habe gefehlt. Nach den
Maßstäben der Entscheidung vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - (Buchholz 236.1 §
12 SG Nr. 19) reiche ein Beförderungsverbot aus.
III
23 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht
eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
24 Das Rechtsmittel des Soldaten ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt
eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327
StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des
Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter
Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO)
über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
25 1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der Soldat als Geschäftsführer der OHG bei
achtzehn Gelegenheiten einen in das Abrechnungssystem zu seinen Lasten eingebuchten
Geldbetrag in Höhe von insgesamt 1 125,42 € für den Konsum von Speisen und Getränken
löschte und am 29. Juli 2008 den für die Bewirtung seiner Gäste zu seinen Lasten in Höhe von
73,26 € gebuchten Rechnungsbetrag in einen bereits abgerechneten Vormonat zurück buchte.
Beide Beträge seien daher nicht von seinem Konto abgebucht worden. Er habe bewusst und
gewollt das Vermögen seiner Kameraden geschädigt. Hierdurch habe er vorsätzlich ein
Dienstvergehen begangen, in dem er durch die Löschungen und die Rückbuchung Untreue
zulasten des von Kameraden getragenen eingetragenen Vereins der OHG begangen habe.
Damit habe er die Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) und die Pflicht zu achtungs- und
vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst und innerhalb dienstlicher Anlagen (§ 17 Abs. 2 Satz 1
SG) verletzt.
26 Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit
bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei
getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der
Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der
Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des
angefochtenen Urteils bestimmt.
27 2. Einer Sachentscheidung steht kein Verfahrensmangel entgegen. Verfahrensmängel
werden bei einer beschränkten Berufung zwar regelmäßig gegenstandslos, soweit sie nicht das
gesamte disziplinargerichtliche Verfahren oder den gerichtlichen Verfahrensabschnitt unzulässig
machen (so Urteil vom 4. Mai 1988 - BVerwG 2 WD 64.87 - S. 10 des Urteilsabdrucks).
Beachtlich sind allerdings Aufklärungs- und Verfahrensmängel von solcher Schwere, dass sie
die Grundlage der vom Senat zu treffenden Entscheidung über die Maßnahmebemessung - die
tatsächlichen und disziplinarrechtlichen Feststellungen zur Schuld des Soldaten - erschüttern
(vgl. Beschlüsse vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002
Nr. 1 Rn. 12, 17 und vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 - juris Rn. 12, 15, 17).
28 Ein solcher Fehler liegt hier nicht in einer Verletzung des § 4 Satz 2 WDO, auch wenn dem
Soldaten die Stellungnahme der Vertrauensperson nicht vor seiner Anhörung nach § 93 Abs. 1
Satz 2 WDO eröffnet worden ist. Dass dies erfolgt wäre, ist nicht aktenkundig und konnte in der
Berufungshauptverhandlung weder von dem Disziplinarvorgesetzten, der die Anhörungen
durchführte, noch vom Soldaten bestätigt werden.
29 Die Eröffnung der Stellungnahme, die der Einleitungsbehörde als Teil der Grundlage ihrer
Entscheidung zugeleitet wird, soll dem Soldaten hierzu rechtliches Gehör gewähren und ihm die
Möglichkeit geben, hierzu auf Gesichtspunkte zu verweisen, die für die Einleitungsbehörde bei
der Entscheidung über das weitere Vorgehen maßgeblich sein können. Die Verletzung
rechtlichen Gehörs in diesem Verfahrensstadium ist ein schwerwiegender Verfahrensfehler. § 4
Satz 2 WDO ist keine bloße Ordnungsvorschrift, die ohne Konsequenzen für den Fortgang des
Verfahrens missachtet werden darf.
30 Im vorliegenden Einzelfall gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Soldat zu
der fraglichen Stellungnahme der Vertrauensperson etwas vorgetragen hätte, was die
Einleitungsbehörde zu einer anderen Entscheidung hätte bewegen können. Denn die
Ausführungen der Vertrauensperson zur Person charakterisieren ihn positiv und der Vorschlag,
er solle zur Verantwortung gezogen werden und eine Möglichkeit zur Wiedergutmachung
erhalten, korrespondiert mit dem Vortrag des Soldaten aus seiner Anhörung vom 7. Juli 2009, mit
dem er Unrechtseinsicht, Bedauern und den Willen, den Schaden zu begleichen, äußert. Damit
hat er faktisch auch zu der Stellungnahme der Vertrauensperson umfassend Stellung
genommen. Einer weiteren Möglichkeit zum Vortrag bedarf er darüber hinaus zur Wahrung
seiner Verfahrensrechte nicht. Hinzu kommt, dass die Vertrauensperson schon in der ersten
Vernehmung des Soldaten im Dezember 2008 auf seinen Wunsch hin anwesend war. Dieser
Umstand dokumentiert ein konkret bestehendes Vertrauensverhältnis, das die Notwendigkeit der
Stellungnahme ausführlich entgegenzutreten, fernliegend erscheinen lässt. Vor diesem
Hintergrund hat der Soldat durch das Unterbleiben der Eröffnung keinen Nachteil erlitten.
31 3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein
zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich
darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder
aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der
Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 -
Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind
nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine
Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die
Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
32 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der
Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das
Dienstvergehen schwer.
33 Der dienstliche wie außerdienstliche Zugriff auf Eigentum und Vermögen von Kameraden
oder Kameradengemeinschaften („Griff in Kameradenkasse“) stellt nach ständiger
Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N., vom 10.
September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 18 und vom 8. März 2011 - BVerwG 2 WD 15.09 -
juris Rn. 33) ein so schwerwiegendes Dienstvergehen dar, dass grundsätzlich die
Dienstgradherabsetzung - gegebenenfalls bis in einen Mannschaftsdienstgrad - Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen ist. Ein Eigentums- oder Vermögensdelikt zum Nachteil von
Kameraden lässt nicht nur negative Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Soldaten zu und
berührt die Möglichkeit seiner dienstlichen Verwendungen, sondern ist auch stets geeignet, das
gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu gefährden, sowie die
Kameradschaft und den militärischen Zusammenhalt, auf dem die Bundeswehr nach § 12 Satz 1
SG beruht, zu untergraben. Ein solches Verhalten löst häufig, wie hier, neben Ermittlungen des
Disziplinarvorgesetzten auch solche der Strafverfolgungsorgane aus. All dies führt regelmäßig
zu gegenseitigen Verdächtigungen und Anschuldigungen und kann damit ein Klima der Unruhe
und des Misstrauens schaffen, das dem Dienstbetrieb höchst abträglich ist.
34 Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2
Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des
grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen
Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner
Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben
so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei
kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit
tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war
(stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4.
Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29
WDO 2002 Nr. 5>). Dies war hier der Fall. Dass der Soldat durch sein Verhalten kriminelles
Unrecht verwirklicht hat und deswegen durch den rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe
verurteilt wurde, indiziert das besondere Gewicht der Pflichtverletzung.
35 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt,
dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis
stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr.1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in
Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen.
Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die
ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle
einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und
Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es
der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an
Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung
aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N.
, vom 13. Januar 2011 -
BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30
). Vergreift sich ein Soldat
in Vorgesetztenstellung am Vermögen seiner Kameraden, so disqualifiziert er sich mit diesem
Verhalten grundsätzlich auch für seine weitere Verwendung als Vorgesetzter. Er untergräbt
dadurch regelmäßig seine Autorität, erschüttert sein Ansehen tiefgreifend und beeinträchtigt
nachhaltig das gegenseitige Vertrauen. Damit lockert er zugleich den Zusammenhalt der Truppe.
Ein solcher Vorgesetzter versagt in dieser Eigenschaft und erweist sich grundsätzlich als
ungeeignet zur Führung und Erziehung Untergebener (vgl. Urteile vom 23. September 2008 -
BVerwG 2 WD 18.07 - Rn. 54 m.w.N. und vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn.
20).
36 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens charakterisiert weiter, dass sich der Soldat durch
verschiedene Manipulationsakte über mehr als ein Jahr lang wiederholt zulasten einer
Kameradenkasse in erheblichem Umfang bereicherte und damit ein Vertrauen missbrauchte,
dass ihm durch die Übertragung der Aufgaben des Geschäftsführers erwiesen worden war.
37 b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstbetrieb. Die Verfehlung
ist im Kameradenkreis bekannt geworden. Das Offizierskorps am Standort in N. lehnt
überwiegend die weitere Zusammenarbeit mit dem Soldaten ab. Das beeinträchtigt die
Einsatzmöglichkeiten des Soldaten und damit die Personalführung. Erheblich ist auch der für die
OHG und damit den Kameradenkreis entstandene Gesamtschaden in Höhe von ca. 1 200 €.
38 c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat aus finanziellem Eigennutz
gehandelt.
39 d) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des voll schuldfähigen Soldaten
bestimmt.
40 aa) Einem vermeidbaren Verbotsirrtum, der entsprechend § 17 Satz 2 StGB zu einer
Milderung der Maßnahme führen kann, unterlag der Soldat zur Überzeugung des Senats nicht.
Dass er die faktische Freistellung von einzelnen Forderungen durch nachträgliche
Manipulationen des Abrechnungsprogramms erreichte und nicht offen gegenüber den
servierenden Ordonanzen in Anspruch nahm, dokumentiert, dass er die Pflichtwidrigkeit des
Handelns erkannte und nicht glaubte, von einem ihm durch den Vorstand eingeräumten Recht
Gebrauch zu machen. Dass er die Protokolle seiner Löschungen und Rückbuchungen im
System nicht löschte, macht sein Handeln zwar durch Kontrollen erkennbar. Es ist aber nicht für
jedermann offensichtlich und auch für Personen mit Zugangsberechtigung zum Programm nur
nach einer gezielten Suche erkennbar. Dass wirksame Kontrollen nicht stattfanden, trägt der
Soldat mit der Berufung selbst vor. Es war ihm deshalb auch bekannt. Dann war ihm aber auch
bewusst, dass von seinen nachträglichen Eingriffen in das Programm nach dem üblichen Lauf
der Dinge kein Vereinsmitglied erfahren würde. Ein solches Vorgehen ist heimlich und spricht
damit gegen ein Handeln im Bewusstsein, von einem Recht Gebrauch zu machen. Soweit er
auch in der Berufungshauptverhandlung angab, in anderen Vereinen würden Ehrenamtlichen
kostenlose Verpflegungsleistungen gewährt und er habe sein Vorgehen deswegen nicht für
schlimm gehalten, kann dies vor dem Hintergrund seines heimlichen Vorgehens nur bedeuten,
er habe sein Fehlverhalten als nicht gravierend eingestuft. Damit hat er das Unrecht seines
Handelns aber sehr wohl erkannt, es nur nicht als Hemmschwelle ausreichen lassen.
41 bb) Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor. Sie wären nur dann
gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen
Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten
nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. z.B. Urteil vom 23.
September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.). Dazu hat der Senat in seiner gefestigten
Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, z.B. ein Handeln
unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen, die es als
unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und
im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder
seelischen Ausnahmesituation.
42 (1) Der Milderungsgrund des Handelns in einer seelischen Ausnahmesituation (vgl. dazu z.B.
Urteil vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> =
Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 m.w.N.) greift nicht ein. Zwar mag sich der Soldat, wie in den
Beurteilungen angesprochen, zur Zeit der Taten in einer angespannten familiären Situation
befunden haben. Es ist aber weder feststellbar, dass diese für den Zugriff auf das
Vereinsvermögen kausal war, noch dass sie ein hinreichendes Gewicht hat, um die Annahme
einer Ausnahmesituation begründen zu können. Nach den Angaben des Soldaten in der
Berufungshauptverhandlung bestanden die ihn zum Tatzeitpunkt treffenden familiären
Erschwernisse in seiner scheiternden Ehe und der Trennung von der Frau und den
Schwierigkeiten mit den Söhnen, von denen der eine psychisch erkrankt war, während der
andere besonderer schulischer Förderung bedurfte.
43 (2) Der Milderungsgrund eines Mitverschuldens von Vorgesetzten in der Form einer
mangelhaften Dienstaufsicht steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der
Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des
Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris
Rn. 37). Fehlt es hieran, ist die Schuld des Soldaten nicht allein dadurch gemildert, dass eine
fehlende Kontrolle das Dienstvergehen begünstigte (Urteile vom 10. September 2009 - BVerwG
2 WD 28.08 - Rn. 31 und vom 15. März 2012 - BVerwG 2 WD 9.11 - juris Rn. 23).
44 Eine Überforderungssituation lag hier nicht vor, weil der Soldat ohne hilfreiches Eingreifen
eines Vorgesetzten erkennen konnte, dass ihm für eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht nach freiem
Belieben kostenlose Verpflegung und die Bewirtung bei Familienfeiern zustand und er sich
diese erst recht nicht durch Manipulationen am Abrechnungsprogramm heimlich verschaffen
durfte. Es kann daher dahinstehen, ob sich die Dienstaufsicht auf die ehrenamtliche
Vereinstätigkeit erstreckt oder ein Mitverschulden von Vereinsorganen ebenfalls einen
Milderungsgrund in den Umständen der Tat begründen kann.
45 (3) Auf ein Handeln in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage kann sich der Soldat
nicht berufen. Dieser Milderungsgrund setzt eine Konfliktsituation voraus, in der der Soldat
keinen anderen Ausweg als den Zugriff auf Vermögen des Dienstherrn sieht, um den Notbedarf
der Familie zu decken, und ist daher nur auf zeitlich begrenztes Fehlverhalten anwendbar. Eine
solche Situation liegt dann nicht mehr vor, wenn dies über einen längeren Zeitraum in dem
Sinne geschieht, dass eine weitere Einkunftsquelle verwertet wird (Urteil vom 15. März 2012 -
BVerwG 2 WD 9.11 - juris Rn. 20 m.w.N.). Selbst wenn man den Milderungsgrund auch für
Zugriffe auf eine Kameradenkasse anwenden wollte, sind seine Voraussetzungen nicht erfüllt,
weil eine Vielzahl von Handlungen über einen längeren Zeitraum in Rede steht.
46 Da die „Bagatellgrenze“ für den Zugriff auf geringwertige Vermögenswerte (vgl. Urteile vom
13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3 und vom 16. März
2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.) hier deutlich überschritten wurde, kommt es
nicht darauf an, ob dieser Milderungsgrund auch für Zugriffe auf Kameradengelder gilt.
47 (4) Der Milderungsgrund des freiwilligen Offenbarens des Fehlverhaltens bzw. der freiwilligen
Wiedergutmachung des Schadens (Urteil vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE
103, 217 <218> m.w.N.) greift ebenfalls nicht ein, weil der Soldat die Rückzahlung unter dem
Druck des Verfahrens und damit nicht ohne äußeren oder inneren zwingenden Anlass geleistet
hat.
48 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen
die guten Leistungen der Vergangenheit, die zu Leistungsprämien und förmlichen
Anerkennungen führten, für den Soldaten. Das gilt besonders auch für das in den Beurteilungen
ausgewiesene und vom ehemaligen Disziplinarvorgesetzten des Soldaten ausgeführte
außerordentliche Engagement für die OHG, deren positive Umsatzentwicklung ausweislich der
letzten planmäßigen Beurteilung maßgeblich auf den zeitlich wie qualitativ besonderen Einsatz
des Soldaten zurückzuführen ist. Von einer Nachbewährung hinsichtlich seiner eigentlichen,
fliegerischen Aufgaben kann allerdings angesichts des durch die Sonderbeurteilung
ausgewiesenen Leistungsabfalls keine Rede sein.
49 Für den Soldaten spricht sein Geständnis hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Handlungen.
Von seiner Einsicht in das Unrecht der Pflichtverletzungen ist der Senat dagegen nicht
überzeugt, auch wenn der Soldat vor allem in seinem Schlusswort bekundet hat, einzusehen,
dass er Dienstpflichten verletzt habe, dass ihm dies sehr leid tue und er es gern ungeschehen
machen würde. Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung erneut versucht, seine
Motivation zu dem Fehlverhalten durch den Verweis auf die Praxis in anderen Vereinen und das
Fehlverhalten weiterer Vorstandsmitglieder zu erklären. Der Senat sieht hierin einen Versuch,
das eigene Fehlverhalten zu relativieren. Hieraus wird nämlich deutlich, dass dem Soldaten
zwar klar ist, dass eine Pflichtverletzung vorliegt, dass er deren Gewicht aber noch nicht voll
verstanden hat.
50 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im
Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des
Wehrdisziplinarrechts eine Herabsetzung im Dienstgrad im nach § 62 Abs. 1 Satz 1 WDO
zulässigen Umfang erforderlich und auch - gerade noch - ausreichend.
51 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten
Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von
einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
52 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung
vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und
Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende
Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.
53 Beim vorsätzlichen Zugriff auf Eigentum oder Vermögen von Kameraden oder
Kameradengemeinschaften - „Griff in die Kameradenkasse“ - ist Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Degradierung (vgl. Urteile vom 23. September 2008
- BVerwG 2 WD 18.07 -, vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 41 und vom 8.
März 2011 - BVerwG 2 WD 15.09 - juris Rn. 33). Je nach Erforderlichkeit und - gemäß § 62 Abs.
1 WDO - Zulässigkeit dieser Disziplinarmaßnahme kommt eine Herabstufung um einen oder
mehrere Dienstgrade, gegebenenfalls bis in einen Mannschaftsdienstgrad, in Betracht.
54 Diesen Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen hält der Senat auch für die Fälle des
Zugriffes auf die Gelder einer Kameradengemeinschaft aus der Position des Geschäftsführers
einer OHG für geboten. Die zweithöchste gerichtliche Disziplinarmaßnahme kann grundsätzlich
dem Unrechtsgehalt der in Rede stehenden Pflichtverletzungen Rechnung tragen, der zum
einen durch das hohe Gewicht der Kameradschaftspflicht für die Funktionsfähigkeit der
Streitkräfte, zum anderen aber auch durch den mildernden Gesichtspunkt bestimmt wird, dass
kein Fehlverhalten bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben im engeren Sinne und zulasten
des Dienstherrn, sondern ein Vergehen in engem Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit
zulasten eines privatrechtlichen Vereins in Rede steht.
55 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in
§ 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des
Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der
auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem
angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu
klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren
oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein
höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach
„unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von
Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder
wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen
des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche
Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform
und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den
Tatumständen in Betracht zu ziehen.
56 Hiernach erreichen die vom Truppendienstgericht im Grundsatz zutreffend als erschwerend
betrachteten Gesichtspunkte noch kein ausreichendes Gewicht, um die Verhängung der
Höchstmaßnahme zu verlangen. Sie erlauben es jedoch nicht, eine noch mildere Maßnahme als
die Dienstgradherabsetzung zu verhängen.
57 Die Höhe des verursachten Schadens im unteren vierstelligen Eurobereich verleiht dem
Fehlverhalten noch nicht den für die Entfernung aus dem Dienst notwendigen Schweregrad (vgl.
Urteile vom 31. Januar 1991 - BVerwG 2 WD 48.90 - BVerwGE 93, 34 und vom 28. September
1994 - BVerwG 2 WD 22.94 - BVerwGE 103, 172). Ein besonders hoher Schaden, der im Falle
einer Steuerhinterziehung durch einen den Dienstherrn schädigenden Staatsdiener rechtfertigt,
die Dienstgradherabsetzung als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu betrachten,
liegt bei einer Schadenssumme im fünf- oder sechsstelligen Betragsbereich vor (vgl. Urteile vom
21. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 10.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 41 und vom 11.
Januar 2012 - BVerwG 2 WD 40.10 - juris Rn. 37). Ist durch die Dienstpflichtverletzung eine
Kameradengemeinschaft geschädigt, liegt vor diesem Hintergrund bei einer niedrigen
vierstelligen Schadenssumme noch keine Schadenshöhe vor, die bereits für sich genommen die
Verhängung der Höchstmaßnahme gebietet.
58 Etwas anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus dem zulasten des Soldaten
einzustellenden Umstand, dass dieser wiederholt auf ihm durch die Kameradengemeinschaft zur
Verwaltung anvertraute Gelder zugegriffen hat. Denn zum einen ist durch acht der in Rede
stehenden Taten jeweils nur ein geringer Schaden entstanden, der unterhalb der Grenze von 50
€ liegt. Diesen einzelnen Pflichtverletzungen wohnt - parallel zu der Wertung des § 248a i.V.m. §
266 Abs. 2 StGB - ein geringerer Unrechtsgehalt inne. Zum anderen sind in die
Gesamtabwägung auch die weiteren für den Soldaten sprechenden Aspekte einzustellen.
Hierbei wird der durch die genannten erschwerenden Umstände erhöhte Unrechtsgehalt durch
die für den Soldaten sprechenden Aspekte jedenfalls so weit kompensiert, dass im Ergebnis das
Vertrauen in die Integrität und Zuverlässigkeit des Soldaten noch nicht völlig zerstört ist und eine
pflichtenmahnende Maßnahme dem Unrechtsgehalt unter spezial- wie generalpräventiven
Gesichtspunkten gerade noch angemessen begegnen kann. Die Höchstmaßnahme darf
jedenfalls nicht deshalb verhängt werden, weil eine an sich gebotene, weitergehende
Degradierung an der Sperrregelung des § 62 Abs. 1 Satz 1 WDO scheitern würde (vgl. Urteil
vom 4. März 2009 - BVerwG 2 WD 10.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 27 Rn. 62). Der
Senat hätte vorliegend eine deutlich weitergehende Degradierung ausgesprochen, wenn der
rechtliche Rahmen dies erlaubt hätte.
59 Hier steht dem eingetretenen Vertrauensverlust der Kameradengemeinschaft das durch die
letzte planmäßige Beurteilung und die Angaben des früheren Disziplinarvorgesetzten
ausgewiesene außerordentlich hohe und erfolgreiche sowie langjährige Engagement des
Soldaten für die OHG gegenüber. Zu berücksichtigen ist auch, dass die hohe Zahl der einzelnen
Pflichtverletzungen durch das Fehlen regelmäßiger Kontrollen innerhalb des Vorstandes der
OHG begünstigt wurde. Auch wenn hier von einem Mitverschulden der weiteren
Vorstandsmitglieder der OHG nicht die Rede sein kann, setzt das Fehlen von
Kontrollmechanismen gegenüber denjenigen, die in einem Computersystem Zugriffsrechte auf
Kontenbuchungen haben, die Hemmschwelle zu einer eigennützigen Manipulation zumal bei
kleineren Einzelbeträgen deutlich herunter. Weiter heruntergesetzt wird die Hemmschwelle
dann, wenn, wie vom Soldaten glaubhaft berichtet, in Einzelfällen mit Billigung des Vorstandes
an Ehrenamtliche Verpflegungsleistungen kostenlos gegeben werden, ohne dass klare
Vorschriften über Anlass und Ausmaß zulässiger, kostenloser Bewirtungen geschaffen werden.
Dies glaubt der Senat schon deshalb, weil ein solches Verhalten nach der Lebenserfahrung dem
in privaten Vereinen häufig Vorkommenden entspricht. Das Unterbleiben klarer und
transparenter Grenzziehungen und die Duldung von „Grauzonen“ in wenig gewichtigen
Einzelfällen sind geeignet, Wertmaßstäbe zu verwirren und einen Anreiz für Fehlverhalten zu
schaffen, von dem - zutreffend oder unzutreffend - der Eindruck entsteht, dies würden doch Viele
tun. Eine solcherart herabgesetzte Hemmschwelle zu überschreiten, setzt ein geringeres
Ausmaß an krimineller Energie voraus. Dem damit gezeigten Fehlverhalten kann deshalb durch
eine nach außen sichtbare, pflichtenmahnende Maßnahme noch ausreichend Rechnung
getragen werden. Durch die Sichtbarkeit der Maßnahme nach außen wird auch den hier
besonders bedeutsamen generalpräventiven Aspekten noch angemessen Rechnung getragen.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Soldat den angerichteten Schaden im Wege einer
Ratenzahlung ausgeglichen hat, auch wenn dies angesichts seiner finanziellen Lage für ihn
nicht leicht war. Da es sich um ein Fehlverhalten außerhalb der eigentlichen dienstlichen
Aufgaben des Soldaten handelt, ist das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und persönliche
Integrität sowie in seine Eignung als Vorgesetzter damit noch nicht völlig zerstört.
60 Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen einer Degradierung entgegen.
Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die
sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - §
16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art
oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des
sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe
unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme.
Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für
begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische
Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen
geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie
denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine
erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem
Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom
13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10
- juris Rn. 51 ).
61 Für eine Verkürzung der Wiederbeförderungsfrist nach § 62 Abs. 3 Satz 3 WDO gibt es schon
wegen des Leistungsabfalls des Soldaten im Laufe des Verfahrens keinen hinreichenden Grund.
62 Da das Rechtsmittel des Soldaten Erfolg hatte, sind die Kosten des Berufungsverfahrens
gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO und die dem Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen
notwendigen Auslagen gemäß § 140 Abs. 4 WDO dem Bund aufzuerlegen.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Eppelt