Urteil des BVerwG vom 14.05.2003

BVerwG (tgv, rechtliches gehör, verlängerung der frist, dienstort, versetzung, politische gemeinde, öffentliche gewalt, bemühen, ort, sache)

Rechtsquellen:
BUKG
§ 3 Abs. 1, § 12 Abs. 1 F. 1990
BRKG
§ 11 Abs. 2
TGV
§ 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 7 Abs. 1
Stichworte:
Versetzung unmittelbar im Anschluss an eine Abordnung; Trennungsreisegeld nach
Ablauf von 14 Tagen ab Dienstantrittsreise; "besonderer Fall" und "Einzelfall" im
trennungsgeldrechtlichen Sprachgebrauch.
Leitsätze:
1. § 7 Abs. 1 TGV begründet keinen eigenständigen Anspruch auf Trennungsgeld,
sondern setzt voraus, dass ein solcher Anspruch nach materiellem Recht weiterhin
besteht.
2. Trennungsreisegeld ist nach Ablauf von 14 Tagen ab der Dienstantrittsreise nur in
Ausnahmefällen zu gewähren, nämlich wenn der Beamte aus beruflichen oder pri-
vaten Gründen gehindert ist, sich fortlaufend um preisgünstigeren Wohnraum zu
bemühen, oder weil nach der Lage auf dem Wohnungsmarkt oder der allgemeinen
Beherbergungssituation am Ort der Verwendung eine kostensparende Unterkunft
nicht erreichbar ist.
Urteil des 2. Senats vom 3. März 2005 - BVerwG 2 C 2.04
I. VG Köln vom 23.03.2000 - Az.: VG 15 K 2951/97 -
II. OVG Münster vom 14.05.2003 - Az.: OVG 1 A 2465/00 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 2.04
Verkündet
OVG 1 A 2465/00
am 3. März 2005
Hardtmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
- 2 -
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e , G r o e p p e r ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
für Recht erkannt:
- 3 -
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2003 wird aufgehoben, so-
weit die Klage abgewiesen worden ist. Die Sache wird zur er-
neuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwal-
tungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwie-
sen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vor-
behalten.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Regierungsamtmann. Für die Zeit vom 10. Juni bis zum 9. September
1996 wurde er von seiner früheren Beschäftigungsbehörde, dem Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in N., zum Grenzschutzpräsidium W. in B.
mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet und durch Verfügung vom 2. September
1996 mit Wirkung vom 10. September 1996 dorthin versetzt. Zugleich wurde ihm
Umzugskostenvergütung für einen Umzug an den neuen Dienstort zugesagt.
Im August 1996 ließ sich der Kläger in die Liste der Wohnungssuchenden eintragen
und zog am 21./22. Oktober 1996 nach S. um. Für die Zeit vom 10. September bis
zum 20. Oktober 1996 bewilligte die Beklagte Trennungstagegeld in Höhe von
12,38 DM täglich; dabei ging sie davon aus, dem Kläger habe eine unentgeltliche
Unterkunft zur Verfügung gestanden und lehnte deshalb die Erstattung weiterer Ho-
telkosten ab.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht ab-
gewiesen. Der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht teilweise stattgegeben und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Mit der Versetzung des Klägers zum Grenzschutzpräsidium W. liege ein die Gewäh-
rung von Trennungsgeld begründender Anlass vor. Eines Dienstortwechsels im Zu-
sammenhang mit der Versetzung habe es nicht bedurft. Allerdings löse § 7 Abs. 1
- 4 -
TGV keinen neuen Anspruch auf Trennungsgeld aus. Der Gewährungszeitraum von
14 Tagen für das Trennungsreisegeld nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 TGV sei
zum Zeitpunkt der Versetzung längst abgelaufen. Einen "besonderen Fall", der die
Gewährung von Trennungsreisegeld über die Frist von 14 Tagen hinaus rechtferti-
gen könnte, habe der Kläger weder hinreichend substantiiert dargelegt noch nach-
gewiesen. An die Unvermeidbarkeit der durch die Übernachtungen in einem Hotel
verursachten Mehraufwendungen seien grundsätzlich strenge Anforderungen zu
stellen. Der zuständigen Behörde und dem Gericht müsse aufgrund schlüssiger An-
gaben und/oder Unterlagen die Prüfung möglich sein, ob ein Wechsel aus einer
nach der Dienstantrittsreise zunächst bezogenen Hotelunterkunft in eine preiswerte-
re Unterkunft möglich und zumutbar gewesen wäre bzw. aus welchen besonderen
Gründen diese grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten nach den Um-
ständen des Einzelfalles ausgeschlossen gewesen seien. Diesen Anforderungen
genüge das Vorbringen des Klägers nicht. Allerdings habe der Kläger für die Zeit
vom 12. September bis zum 20. Oktober 1996 einen Anspruch auf Gewährung wei-
teren Trennungstagegeldes in Höhe von insgesamt 46,34 €, da eine Kürzung nur
wegen der angeblichen Möglichkeit der Inanspruchnahme amtlich unentgeltlicher
Unterkunft nicht erfolgen dürfe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen
und materiellen Rechts. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 14. Mai 2003, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und des Verwal-
tungsgerichts Köln vom 23. März 2000 sowie die Bescheide der Beklagten
vom 14. November 1996, soweit das Trennungsgeld auf 272,36 DM be-
schränkt worden ist, und vom 11. März 1997 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom 12. September 1996 bis
20. Oktober 1996 weiteres Trennungsgeld für Hotelübernachtungen in Höhe
von 742,40 € (entspricht 1 452,00 DM) zu gewähren.
- 5 -
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision hat Erfolg mit dem Ergebnis, dass die Sache an die Vorinstanz zurück-
verwiesen wird. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht verletzt den An-
spruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Dies ist nach § 138
Nr. 3 VwGO ein absoluter Revisionsgrund, der zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht zwingt. Ob der vom Kläger noch geltend gemachte Anspruch
auf Trennungsreisegeld für die Zeit ab dem 10. September 1996 besteht, kann erst
auf der Grundlage weiterer Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ab-
schließend beurteilt werden.
Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger auch
nach dem 10. September 1996 zum Bezug von Trennungsgeld berechtigt war. Die
Versetzung des Klägers aus dienstlichen Gründen an das Grenzschutzpräsidium W.
begründete gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG in der für den An-
spruchszeitraum September/Oktober 1996 geltenden Fassung vom 11. Dezember
1990 (BGBl I S. 2682), § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 TGV, anzu-
wenden in der für den Anspruchszeitraum maßgeblichen Fassung vom
28. Dezember 1994 (BGBl 1995 I S. 2), einen Anspruch auf Trennungsgeld, nach-
dem Umzugskostenvergütung zugesagt worden war. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts war der Kläger im September/Oktober 1996 auch uneinge-
schränkt umzugswillig und konnte bis zum 20. Oktober 1996 nachweislich wegen
Wohnungsmangels am neuen Dienstort einschließlich des Einzugsgebietes nicht
umziehen (vgl. § 12 Abs. 2 BUKG).
Der Anspruch auf Trennungsgeld war nicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 TGV ausge-
schlossen. Danach wird Trennungsgeld bei einer Versetzung nur gewährt, wenn der
neue Dienstort ein anderer als der bisherige Dienstort ist und die Wohnung nicht im
Einzugsgebiet liegt. Ziel der Trennungsgeldgewährung ist, in Wahrnehmung der Für-
sorgepflicht die Mehraufwendungen auszugleichen, die dem Beamten in seiner pri-
- 6 -
vaten Lebensführung dadurch entstehen, dass sich aufgrund einer dienstrechtlichen
Maßnahme der Ort der tatsächlichen Dienstleistung ändert (vgl. Urteil vom 16. Juni
1982 - BVerwG 6 C 70.79 - BVerwGE 66, 1 <2>). "Dienstort" im Sinne des Tren-
nungsgeldrechts ist grundsätzlich die politische Gemeinde, in der die Behörde oder
Dienststelle ihren Sitz hat, der der Beamte als Inhaber einer Planstelle oder aufgrund
einer Abordnung zugewiesen ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 1989 - BVerwG 6 C 4.87 -
BVerwGE 82, 148 <149>; Urteil vom 15. Dezember 1993 - BVerwG 10 C 11.91 -
BVerwGE 94, 364 <365>; Beschluss vom 21. Dezember 1999 - BVerwG 10 B 7.98 -
Buchholz 262 § 1 TGV Nr. 3). Maßgeblich ist der Ort der tatsächlichen Dienstleis-
tung. Deshalb ändert sich der Dienstort nicht, wenn der Beamte an eine Behörde
versetzt wird, an die er unmittelbar zuvor bereits abgeordnet war.
Allerdings ist die Versetzung des Klägers unmittelbar im Anschluss an die Abord-
nung trennungsgeldrechtlich ohne Bedeutung. Gemäß § 7 Abs. 1 TGV in der hier
maßgeblichen Fassung ist die trennungsgeldrechtlich relevante Situation, die durch
den Dienstortwechsel aufgrund der Abordnung des Klägers an das Grenzschutzprä-
sidium W. ab dem 10. Juni 1996 eingetreten war, nicht dadurch aufgehoben worden,
dass der Kläger am 10. September 1996 an diese Behörde versetzt worden ist. Nach
§ 7 Abs. 1 TGV besteht der Anspruch auf Trennungsgeld weiter, falls sich aus An-
lass einer neuen Maßnahme nach § 1 Abs. 2 TGV der neue Dienstort nicht ändert.
Diese Regelung berücksichtigt, dass die durch den früheren Dienstortwechsel ge-
prägte Lebensführung nicht beeinflusst wird, wenn eine weitere Verfügung getroffen
worden ist, aufgrund derer der Beamte an dem bisherigen Dienstort weiterhin Dienst
zu verrichten hat. Für diese Fälle "korrigiert" § 7 Abs. 1 TGV die Regelung des § 1
Abs. 3 TGV.
§ 7 Abs. 1 TGV begründet jedoch keinen eigenständigen Anspruch auf Trennungs-
geld. Vielmehr lässt die Vorschrift diesen Anspruch "weiter bestehen". Sie setzt vo-
raus, dass nach materiellem Recht ein solcher Anspruch bestanden hat und dass die
materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen fortlaufend gegeben sind. Der Be-
zug des Trennungsgeldes wird ohne Rücksicht auf den Charakter der Personalmaß-
nahme fortgesetzt. Aus der Sicht des Trennungsgeldrechts ist die weitere Dienstort-
zuweisung nur insoweit von Belang, als der Beamte weiterhin dem Grunde nach be-
rechtigt sein muss, Trennungsgeld zu beziehen. Die Verklammerung zweier eigen-
- 7 -
ständiger dienstlicher Maßnahmen durch das Trennungsgeldrecht zieht die rechtli-
chen Konsequenzen daraus, dass sich der Beamte aufgrund der neuen Maßnahme
nach § 1 Abs. 2 TGV nicht in wechselnde örtliche Situationen einfinden muss, son-
dern dass er an dem Ort seiner bisherigen dienstlichen Tätigkeit verbleibt. Dies
schließt es zugleich aus, dass nach der zuletzt getroffenen dienstrechtlichen Maß-
nahme die Frist des § 3 Abs. 1 TGV wiederum eröffnet wird und erneut ein Anspruch
auf Trennungsreisegeld für die ersten 14 Tage nach Wirksamwerden der Versetzung
entsteht. Das folgt auch aus dem Wortlaut der Vorschrift, die eine "Dienstantrittsrei-
se" voraussetzt; eine solche entfällt, wenn der Beamte an dem bisherigen Dienstort
verbleibt.
Die danach vorgesehene Befristung des Trennungsreisegeldes auf die ersten
14 Tage nach beendeter Dienstantrittsreise war bereits im Juni 1996 zu Beginn der
Abordnung des Klägers an das Grenzschutzpräsidium W. abgelaufen.
Allerdings kann der Zeitraum von 14 Tagen für den Bezug von Trennungsreisegeld
verlängert werden. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 BRKG, auf den der im Jahre
1996 noch geltende § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 TGV verwies. Danach konnte die
oberste Dienstbehörde oder die von ihr ermächtigte unmittelbar nachgeordnete Be-
hörde abweichend von Abs. 1 das Tage- und Übernachtungsgeld (§§ 9, 10 BRKG) in
besonderen Fällen bis zu weiteren 28 Tagen bewilligen; mit Zustimmung des Bun-
desministeriums des Innern durfte in Einzelfällen die Frist von insgesamt 42 Tagen
verlängert werden. Danach besteht die Möglichkeit, dass das - höhere - Tage- und
Übernachtungsgeld auch nach Ablauf eines Zeitraumes von zwei Wochen wie bei
einer Dienstreise gezahlt wird.
Die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch auf Trennungsreisegeld für den
längeren Zeitraum besteht, sind dem Wortlaut der Vorschrift kaum zu entnehmen.
Sie ergeben sich erst aus dem Sinn der Abstufung von Trennungsreisegeld und
Trennungstagegeld sowie aus den zeitabschnittsweise unterschiedlichen verfahrens-
rechtlichen Anforderungen. Der Begrenzung des Trennungsreisegeldes auf die Dau-
er von 14 Tagen nach der Dienstantrittsreise liegt die Erwägung zugrunde, dass es
demjenigen, der länger als zwei Wochen an demselben Ort verweilt, möglich und
zumutbar ist, die durch den weiteren Verbleib entstehenden Verpflegungs- und Un-
- 8 -
terkunftskosten mit den in § 3 Abs. 2 TGV a.F. vorgesehenen Tagessätzen zu de-
cken. Zum einen hat der Beamte wegen seiner Anwesenheit am neuen Dienstort
deutlich bessere Informations- und Kontaktmöglichkeiten als ein Beamter, der seine
Unterbringung aus der Ferne arrangieren muss. Zum anderen lassen sich die Unter-
kunftskosten regelmäßig erheblich senken, wenn eine Bleibe für einen längeren Zeit-
raum gesucht wird. Der das Umzugs- und Reisekostenrecht beherrschende Grund-
satz der Sparsamkeit (vgl. z.B. Urteil vom 18. Februar 1980 - BVerwG 6 C
108.78 - BVerwGE 60, 56 <58 f.>) begründet die Verpflichtung des Beamten, spätes-
tens nach Ablauf von zwei Wochen alles ihm Mögliche zu unternehmen, die Kosten
der auswärtigen Unterbringung zu minimieren.
Dem entsprechen die gesteigerten verfahrensmäßigen Anforderungen gemäß § 11
Abs. 2 BRKG: Nach Ablauf von 14 Tagen darf nur die oberste Dienstbehörde oder
die von ihr ermächtigte unmittelbar nachgeordnete Behörde "in besonderen Fällen"
Trennungsreisegeld für weitere vier Wochen bewilligen und nach Ablauf auch dieses
Zeitraumes ist "in Einzelfällen" die Weiterbewilligung von dem Einvernehmen des
Bundesministeriums des Innern abhängig.
Nach Ablauf von 14 Tagen ab der Dienstantrittsreise ist nur in Ausnahmefällen
Trennungsreisegeld für einen längeren Zeitraum zu gewähren, nämlich wenn sich
die Erwartung, dass der Beamte spätestens nach 14 Tagen eine Unterkunft zu güns-
tigeren Konditionen erlangen kann, nicht erfüllt. Dies kann auf einer Vielzahl von
Faktoren beruhen; die Gründe können aus den örtlichen Verhältnissen, insbesonde-
re dem Wohnungsmarkt und der allgemeinen Beherbergungssituation, aus den
dienstlichen Anforderungen oder aus dem privaten Bereich des Beamten herrühren.
In Betracht kommt auch, dass sich die Beschaffung einer längerfristigen Unterkunft
für den Beamten als wirtschaftlich unvernünftig darstellen kann, wenn nämlich die
dafür anfallenden Kosten in dem zu bilanzierenden Zeitraum z.B. im Falle von Urlaub
oder von Dienstreisen höher wären als die tageweise entstehenden Kosten für Ho-
telübernachtungen. Die Wahl der Unterkunft soll der Beamte nicht von der Erwägung
abhängig machen, dass ein Anderer die Kosten vorbehaltlos übernimmt; vielmehr
soll er sich so verhalten, als müsste er die Kosten endgültig "aus eigener Tasche"
tragen.
- 9 -
Ob ein "besonderer Fall" oder ein "Einzelfall" im Sinne des § 11 Abs. 2 BRKG gege-
ben ist, wird von den Verwaltungsgerichten uneingeschränkt überprüft. Das Gebot
effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verleiht dem Bürger einen An-
spruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle, wenn er durch die öffent-
liche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Eine Bindung an die von der Behörde
getroffenen Feststellungen und Wertungen ist damit im Grundsatz nicht zu vereinba-
ren (vgl. BVerfGE 84, 34 <49>; BVerfGE 84, 59 <77>) unabhängig davon, ob der
gesetzliche Tatbestand durch unbestimmte Rechtsbegriffe formuliert wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein "Einzelfall" nicht schon deshalb vor,
weil das Bundesministerium des Innern durch Runderlass vom 22. April 1992 (GMBl
S. 408) erklärt hat, dass seine Zustimmung zur Verlängerung der Frist von 42 Tagen
bei Kürzung des Trennungstagegeldes um 25 v.H. für den Unterkunftsanteil und um
15 v.H. für den Frühstücksanteil und bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen
als erteilt gilt. Der Tatbestand des § 11 Abs. 2 BRKG wird dadurch weder modifiziert
noch fingiert. Im Übrigen hat der - intern gebotene - Zustimmungsakt keine Bedeu-
tung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren: Liegen die materiellrechtlichen Vor-
aussetzungen für die Weitergewährung des Trennungsreisegeldes vor, kann der An-
spruch im Rechtsweg auch dann durchgesetzt werden, wenn das Bundesministerium
des Innern die Zustimmung verweigert hat. Dagegen besteht kein Anspruch auf er-
höhtes Trennungsgeld, wenn zwar das Bundesministerium des Innern die Zustim-
mung erteilt hat, die normativen Anforderungen jedoch nicht erfüllt sind.
Ein "Einzelfall" ist auch nicht deshalb gegeben, weil dem Kläger während der ersten
drei Monate der Abordnung von seiner früheren Planstellenbehörde Trennungsrei-
segeld bewilligt worden war. Selbst wenn diese Zahlung rechtmäßig gewesen sein
sollte, war der Kläger gehalten, sich für die Zeit ab dem 10. September 1996 um eine
preisgünstigere Unterkunft zu bemühen. Ein Vertrauen des Klägers darauf, dass das
Trennungsreisegeld ohne weiteres fortgezahlt werde, war allein wegen der Bewilli-
gung für frühere Zeitabschnitte nicht schutzwürdig.
Im Verwaltungsverfahren wie auch im Verwaltungsprozess obliegt es dem Beamten,
die Gründe darzustellen, derentwegen es ihm nicht gelungen ist, spätestens ab dem
15. Tag nach der Dienstantrittsreise eine preisgünstigere Unterkunft zu finden. Er hat
- 10 -
entweder die Umstände aufzuzeigen, die die fortwährende Suche nach einer Unter-
kunft ausgeschlossen haben, oder im Einzelnen die andauernden Aktivitäten bei der
Suche nach einer geeigneten Unterkunft offen zu legen, auch wenn sie im Ergebnis
vergeblich waren. Die Darlegung der der Initiative des Beamten überlassenen An-
strengungen gehört zu seinen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten. Erst auf
der Grundlage dieser Angaben kann beurteilt werden, ob die Bemühungen des Be-
amten intensiv genug waren, um einen Ausnahmefall im Sinne des § 11 Abs. 2
BRKG zu begründen. Allerdings braucht der Beamte nicht den strengen Beweis zu
führen, dass er nicht die Möglichkeit hatte, sich um preisgünstigeren Wohnraum zu
bemühen, oder dass am Dienstort während des maßgeblichen Zeitraums preisgüns-
tigerer Wohnraum nicht zur Verfügung gestanden hat. Vielmehr reicht es aus, wenn
die Bemühungen um eine kostengünstigere Unterkunft glaubhaft dargestellt werden.
Verbleiben insoweit - gegebenenfalls trotz weiterer Aufklärung von Amts wegen -
Zweifel, hat nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der Leistungen beansprucht,
die materielle Beweislast zu tragen: Die nachteiligen Folgen der Unaufklärbarkeit
treffen somit den Beamten, der erhöhtes Trennungsgeld verlangt.
Ob die strengen Anforderungen gegeben sind, unter denen der Kläger auch noch ab
dem vierten Monat nach seiner Dienstantrittsreise das Trennungsreisegeld verlangen
kann, ist auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei
getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Der Kläger hat im Ver-
fahren vor dem Verwaltungsgericht eine Aufstellung über seine dienstlichen Belas-
tungen in der Zeit ab Juni 1996 vorgelegt, die das Oberverwaltungsgericht nicht
auswerten konnte, weil sie nicht zu den Akten gelangt ist. Hierauf ist der Kläger vom
Oberverwaltungsgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht hinge-
wiesen worden. Dies verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Ge-
mäß Art. 103 Abs. 1 GG haben die Verfahrensbeteiligten das Recht, alles vorzutra-
gen, was sie für wesentlich halten, sowie darauf, dass das Gericht ihre Ausführun-
gen zur Kenntnis nimmt und sie bei der Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. z.B.
BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Die Verfahrensbeteiligten dürfen prinzipiell davon aus-
gehen, dass das im erstinstanzlichen Verfahren Vorgebrachte auch im Rechtsmittel-
verfahren berücksichtigt wird. Stellt das Rechtsmittelgericht fest, dass sich einge-
reichte schriftliche Unterlagen nicht in den Gerichtsakten befinden, hat es sich um
- 11 -
Vervollständigung zu bemühen. Gegebenenfalls ist den Parteien Gelegenheit zu ge-
ben, ihr Vorbringen zu ergänzen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts anders
ausgefallen wäre, wenn es die Aufstellungen des Klägers über die berufliche Belas-
tung ab dem 10. Juni 1996 zur Kenntnis genommen hätte. Es hätte möglicherweise
zu dem Schluss kommen können, der Kläger sei während der drei Monate ab dem
10. Juni 1996 aus beruflichen Gründen vollständig oder weitgehend gehindert gewe-
sen, sich intensiv um eine preiswertere Unterkunft zu bemühen. Dies zwingt dazu,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Albers Dr. Kugele Groepper
Dr. Bayer Dr. Heitz
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 742,40 € fest-
gesetzt (§ 72 GKG i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG a.F.).
Albers Groepper Dr. Bayer