Urteil des BVerwG vom 20.11.2012

BVerwG: Teilnahme an der Personalversammlung, Dienststellenzugehörigkeit, Beschäftigte der Bundesagentur, Zuweisung von Tätigkeiten beim Job-Center.;

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 14.12
OVG 62 PV 8.11
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. November 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Dr. Graulich
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberver-
waltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Per-
sonalvertretungssachen des Bundes - vom 19. Juli 2012
wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrü-
ge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92a Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die
in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine
grundsätzliche Bedeutung.
1. Der Antragsteller will zunächst sinngemäß geklärt wissen, ob das Recht auf
Teilnahme an der Personalversammlung die Eingliederung in die Dienststelle
voraussetzt. Diese Frage ist anhand vorliegender Senatsrechtsprechung mit
dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu bejahen, sodass es ihrer Klärung im
Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
a) Nach § 48 Satz 1 BPersVG besteht die Personalversammlung aus den Be-
schäftigten der Dienststelle. Bereits dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich ein-
deutig entnehmen, dass für das Teilnahmerecht neben der Beschäftigteneigen-
schaft nach § 4 BPersVG die Dienststellenzugehörigkeit erforderlich ist. Dienst-
stellenzugehörig ist der Beschäftigte, der in die Dienststelle eingegliedert ist.
Dies ist der Fall, wenn er dort nach Weisungen des Dienststellenleiters an der
Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirkt (vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember
2009 - BVerwG 6 P 16.08 - BVerwGE 135, 384 = Buchholz 250 § 13 BPersVG
Nr. 4 Rn. 11 und vom 3. November 2011 - BVerwG 6 P 14.10 - Buchholz
251.91 § 68 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 13).
b) Zutreffend weist der Antragsteller darauf hin, dass das Recht der Beschäftig-
ten auf Teilnahme an der Personalversammlung ohne Rücksicht auf ihre Wahl-
berechtigung zur Personalvertretung besteht (vgl. Lorenzen, in: Lorenzen/
Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, § 48 Rn. 5a; Kröll, in: Altvater/Baden/
Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 48
Rn. 3; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 12. Aufl. 2012, § 48
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Rn. 2 und 13; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Band V, K § 48 Rn. 9; We-
ber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 48
Rn. 14). Demgemäß sind jugendliche Beschäftigte der Dienststelle, die wegen
ihrer Minderjährigkeit noch nicht über das Wahlrecht zum Personalrat verfügen
(§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 57 BPersVG), zur Teilnahme an der Personalversamm-
lung berechtigt. Eine abweichende Auffassung hat das Oberverwaltungsgericht
im angefochtenen Beschluss nicht vertreten.
c) Freilich ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung, dass die Fristenregelun-
gen in § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG zum Verlust des
Wahlrechts in der alten Dienststelle im Falle der Beurlaubung ohne Bezüge, der
Abordnung und der Zuweisung zugleich präzise bestimmen, wann die Ausglie-
derung aus der alten Dienststelle stattfindet (vgl. Beschlüsse vom 15. Mai 2002
- BVerwG 6 P 8.01 - BVerwGE 116, 242 <249> = Buchholz 250 § 29 BPersVG
Nr. 4 S. 6 sowie vom 3. November 2011 a.a.O. Rn. 14). Demgemäß scheidet
ein Beschäftigter aus der alten Dienststelle aus, wenn seine Zuweisung länger
als drei Monate gedauert hat und nicht feststeht, dass er binnen weiterer sechs
Monate in die alte Dienststelle zurückkehren wird (§ 13 Abs. 1 Satz 1, 3 und 4
BPersVG). Folgerichtig verliert er in diesem Zeitpunkt das Recht, an der Perso-
nalversammlung seiner alten Dienststelle teilzunehmen.
d) Zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung kann sich der Antragsteller
nicht auf die Senatsrechtsprechung zur Mitbestimmung in Angelegenheiten frü-
herer Dienststellenangehöriger berufen. Danach kann die Beteiligung des Per-
sonalrats in Personalangelegenheiten auch dann eingreifen, wenn von perso-
nellen Maßnahmen „ehemalige“ Dienststellenangehörige betroffen sind. Sol-
ches ist anzunehmen, wenn die Bindungen zur Dienststelle fortbestehen und
der Schutzzweck der Beteiligung das Tätigwerden des Personalrats erfordert
(vgl. Beschlüsse vom 15. November 2006 - BVerwG 6 P 1.06 - BVerwGE 127,
142 = Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 40 Rn. 24 und vom 10. Januar 2008 -
BVerwG 6 P 5.07 - Buchholz 252.4 § 88 HmbPersVG Nr. 3 Rn. 13). In der vor-
liegenden Fallgestaltung geht es jedoch nicht um das Beteiligungsrecht des
Personalrats, sondern um das aktive Teilhaberecht der Beschäftigten selbst in
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Gestalt des Rechts auf Teilnahme an der Personalversammlung. Dafür aber ist
nach § 48 Satz 1 BPersVG die Dienststellenzugehörigkeit erforderlich.
2. Der Antragsteller will ferner sinngemäß geklärt wissen, ob Beschäftigte der
Bundesagentur, denen Tätigkeiten bei der gemeinsamen Einrichtung (Job-
Center; §§ 6d, 44b SGB II) zugewiesen werden, ihre Zugehörigkeit zur bisheri-
gen Dienststelle behalten, weil die einschlägigen Bestimmungen des SGB II
eine § 13 Abs. 2 BPersVG vergleichbare Vorschrift nicht enthalten. Diese Frage
ist bereits anhand der gesetzlichen Bestimmungen eindeutig zu verneinen.
a) Nach § 44d Abs. 4 SGB II übt der Geschäftsführer des Job-Centers über die
Beamten und Arbeitnehmer, denen dort Tätigkeiten zugewiesen worden sind (§
44g Abs. 1 und 2 SGB II), die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befug-
nisse der Bundesagentur und die Dienstvorgesetzten- und Vorgesetztenfunk-
tion aus; davon ausgenommen sind lediglich die Befugnisse zur Begründung
und Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse. Der Geschäftsführer ist
Dienststellenleiter im Sinne von § 7 Satz 1 BPersVG (§ 44d Abs. 5 SGB II). Mit
dem Wirksamwerden der Zuweisung wirkt der Beschäftigte beim Job-Center
nach Weisung ihres Geschäftsführers an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in
Gestalt der Durchführung der Grundsicherung der Arbeitssuchenden mit (§ 44b
Abs. 1 Satz 1 SGB II). Damit sind die grundlegenden Voraussetzungen für die
Eingliederung des Beschäftigten ins Job-Center und für die Ausgliederung aus
der bisherigen Dienststelle der Bundesagentur gegeben. Demgemäß erhalten
die Beschäftigten mit diesem Zeitpunkt das aktive und passive Wahlrecht zum
Personalrat des Job-Centers (§ 44h Abs. 2 SGB II).
b) Nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung ist allerdings noch nicht
hinreichend geklärt, ob die Beschäftigten der Bundesagentur mit dem Wirk-
samwerden der Zuweisung zugleich aus ihrer bisherigen Dienststelle ausschei-
den - so das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (ebenso
zum Wahlrecht: OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. März 2011 - 17 MP 1/11 -
juris Rn. 4) - oder ob dies erst nach Maßgabe der Fristenregelung in § 13 Abs.
2 BPersVG geschieht (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 20. Juni 2011 - 16 B
271/11.PVB - juris Rn. 48, vom 5. September 2012 - 20 A 1903/11.PVB - juris
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Rn. 61 ff. und vom 27. September 2012 - 20 A 510/12.PVB - juris Rn. 36 ff.).
Die Frage ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch wenn man § 13 Abs. 2
BPersVG anwendet, so steht doch fest, dass die Zuweisung jedenfalls nach
Maßgabe der dort vorgesehenen Fristenregelungen zum Ausscheiden aus den
Dienststellen der Bundesagentur führt und damit zugleich das Teilnahmerecht
für die Personalversammlung erlischt. Damit war der streitige Antrag nach den
Grundsätzen zum Globalantrag insgesamt abzulehnen (vgl. Beschlüsse vom
12. November 2009 - BVerwG 6 PB 17.09 - Buchholz 251.92 § 42 SAPersVG
Nr. 1 Rn. 21 und vom 16. April 2012 - BVerwG 6 P 1.11 - juris Rn. 20 m.w.N.).
c) Der Annahme, dass Beschäftigte der Bundesagentur mit der Zuweisung von
Tätigkeiten beim Job-Center aus ihrer bisherigen Dienststelle mit Wirkung auch
für ihr Teilnahmerecht an der Personalversammlung ausgegliedert werden,
steht nicht entgegen, dass die Befugnisse zur Begründung und Beendigung der
Beschäftigungsverhältnisse bei der Bundesagentur verblieben sind (§ 44d Abs.
4 SGB II) und dass die Beschäftigten damit zusammenhängende Fragen in
Personalversammlungen thematisieren können müssen. Das Oberverwaltungs-
gericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 51 Satz 2 BPersVG es er-
laubt, diese Fragen in der Personalversammlung des Job-Centers zu behan-
deln. Der dortige Personalrat kann den Geschäftsführer zur Personalversamm-
lung einladen mit der Folge, dass dieser den Beschäftigten zu personalrechtli-
chen Entscheidungen in der Kompetenz der Bundesagentur als Gesprächs-
partner zur Verfügung steht (§ 52 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 44 Abs. 6 SGB II).
Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht auf die Teilnahmemöglichkeit von
Mitgliedern der Personalräte bei der Bundesagentur hingewiesen, die bei Ent-
scheidungen zur Begründung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnis-
sen zur Beteiligung berufen sind (§ 44h Abs. 5 SGB II). Eine solche Teilnah-
memöglichkeit steht mit der vom Oberverwaltungsgericht zitierten Senatsrecht-
sprechung zur Einladung von dienststellenfremden Auskunftspersonen sowie
mit dem Sinn und Zweck der Teilnahme von Mitgliedern der Stufenvertretung
und des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG im Einklang.
Die analoge Anwendung der letztgenannten Bestimmung, welche die Teilnah-
me kompetenter Gesprächspartner aus dem Bereich zuständiger Personalver-
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tretungen sicherstellen will, drängt sich auf (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2010 -
BVerwG 6 P 11.09 - Buchholz 250 § 52 BPersVG Nr. 1 Rn. 16 f.).
Neumann
Büge
Dr. Graulich
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BPersVG
§ 48
SGB II
§§ 44b, 44d, 44g, 44h
Stichworte:
Teilnahme an der Personalversammlung; Dienststellenzugehörigkeit; Beschäf-
tigte der Bundesagentur; Zuweisung von Tätigkeiten beim Job-Center.
Leitsätze:
1. Für das Recht auf Teilnahme an der Personalversammlung ist neben der
Beschäftigteneigenschaft nach § 4 BPersVG die Dienststellenzugehörigkeit er-
forderlich.
2. Beschäftigte der Bundesagentur, denen Tätigkeiten beim Job-Center zuge-
wiesen werden, verlieren ihr Recht auf Teilnahme an der Personalversammlung
ihrer bisherigen Dienststelle spätestens nach Maßgabe der Fristenregelung in §
13 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG.
Beschluss des 6. Senats vom 20. November 2012 - BVerwG 6 PB 14.12
I. VG Berlin
vom 24.08.2011 - Az.: VG 70 K 9.11 PVB -
II. OVG Berlin-Brandenburg
vom 19.07.2012 - Az.: OVG 62 PV 8.11 -