Urteil des BVerwG vom 30.01.2001

BVerwG: künftige nutzung, eidesstattliche erklärung, rüge, versicherung, leiter, reitsport, konzentration, anzeichen, enteignung, landesplanung

Rechtsquellen:
GG
Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1
BauGB §
165
Stichworte:
Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme; Gemeinbedarfseinrichtung; Allgemeinwohl;
Landschaftspark.
Leitsatz:
Zu den Anforderungen an eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme zur Schaf-
fung eines Wohngebiets für Einfamilienhäuser und eines Landschaftsparks für die
Naherholung (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2001 - BVerwG
4 BN 72.00 - NVwZ 2001, 558 = BauR 2001, 931 und BVerfG, Beschluss vom 4. Juli
2002 - 1 BvR 390/01 - NVwZ 2003, 71 = BauR 2003, 70).
Beschluss des 4. Senats vom 17. Dezember 2003 - BVerwG 4 BN 54.03
I. OVG Bremen vom 21.03.2003 - Az.: OVG 1 D 273/02 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 54.03
OVG 1 D 273/02
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. R o j a h n und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der
Freien Hansestadt Bremen vom 21. März 2003 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 178 952 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Be-
schwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich
noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des
revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).
1.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob steuerliche Einnahmeverluste, die die
wirtschaftliche Lebensfähigkeit eines Stadtstaates beeinträchtigen, einen Gemein-
wohlbelang i.S. des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB und damit zugleich i.S. des
Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG darstellen. Zur Begründung verweist die Beschwerde auf
den bevorstehenden Wegfall der Sonder-Bundesergänzungszuweisungen (vgl. hier-
zu das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 - 2 BvF 2/98
u.a. - BVerfGE 101, 158 <235>) und die damit zusammenhängenden Fragen des
Länderfinanzausgleichs.
Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser Form jedoch nicht
stellen. Der Revision ist zuzubilligen, dass die Frage, ob eine städtebauliche Ent-
wicklungsmaßnahme allein damit begründet werden kann, den Erhalt eines Bundes-
landes zu gewährleisten und sich der Notwendigkeit einer andernfalls unvermeidli-
chen Neugliederung nach Art. 29 GG zu entziehen (vgl. hierzu den Hinweis des
Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -
BVerfGE 86, 148 <270>), grundsätzlicher Prüfung und Klärung wert wäre. Ein derar-
tiger Sachverhalt stellt sich vorliegend jedoch nicht. Denn das Normenkontrollgericht
benennt vorrangig andere Gründe, die in seinen Augen das Gemeinwohl begründen.
Hierzu gehört das Ziel, dem Trend zur Abwanderung in das Umland entgegenzuwir-
ken. Die mit der Abwanderung einhergehende Änderung der Bevölkerungsstruktur
führe u.a. zu Nachteilen hinsichtlich der von der Gemeinde vorzuhaltenden Dienst-
leistungen, verändere die soziale Schichtung (insbesondere Familien mit kleinen
Kindern gingen verloren) und erhöhe die Trennung von Wohn- und Arbeitsort mit
erheblichen Nachteilen für das großstädtische Oberzentrum nicht nur in verkehrlicher
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Hinsicht (UA S. 26). Damit beschreibt es Gründe des Gemeinwohls, die - bei Hinzu-
treten der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. hierzu das Urteil des Senats
vom 12. Dezember 2002 - BVerwG 4 CN 7.01 - BVerwGE 117, 248) - für großstädti-
sche Oberzentren städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen rechtfertigen können,
ohne dass es insoweit auf die Landesgrenzen und die Besonderheiten eines Stadt-
staats ankäme. Der Senat hat im genannten Urteil ferner hervorgehoben, dass die
Entwicklungsmaßnahme auch im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der
Raumordnung und Landesplanung einschließlich der Regionalplanung zu stehen hat
(wobei für Bremen § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG Besonderheiten vorsieht). Das Bemühen
eines großstädtischen Oberzentrums, mit der Schaffung von Wohnraum bestimmter
Kategorie (hier Einfamilienhäuser) den Trend zur Abwanderung näher umschriebe-
ner Bevölkerungskreise (hier Familien mit Kindern) zu vermindern und den Bevölke-
rungsstand zu stabilisieren, stellt in diesem Sinne ein typisches Bestreben der
Raumordnung und Landesplanung dar. Das Oberverwaltungsgericht sieht die ge-
nannten Belange lediglich als noch verstärkt an, wenn es sich wie vorliegend um ei-
nen Stadtstaat handelt. Das von ihm genannte finanzwirtschaftliche Interesse an ei-
ner Verminderung der Abwanderung steht in seinen Augen im Zusammenhang mit
Fragen der Landesentwicklung. Soweit das Oberverwaltungsgericht dabei den Zu-
sammenhang zwischen dem Recht der städtebauliche Entwicklungsmaßnahme und
der Raumordnung und Landesplanung hervorhebt, steht seine Würdigung im Ein-
klang mit dem genannten Urteil des Senats. Eine erhebliche Zunahme von Pendler-
strömen kann zu landesplanerisch unerwünschten Folgen führen und auch das fi-
nanzwirtschaftliche Gleichgewicht zwischen einer Großstadt und ihrem - häufig we-
niger dicht besiedelten - Umland beeinträchtigten. Dies sind jedoch Entwicklungen,
die sich zunächst und in erster Linie unabhängig von Ländergrenzen stellen. Dage-
gen stützt sich das Oberverwaltungsgericht nicht auf Fragen des Länderfinanzaus-
gleichs oder gar den Erhalt des Landes Bremen in der Zukunft. Somit geht die von
der Beschwerde gestellte Frage an dem Sachverhalt vorbei, den das Normenkon-
trollgericht seiner rechtlichen Würdigung zu Grunde legt.
1.2 Die Beschwerde wirft ferner die Frage auf, ob eine Entwicklungsmaßnahme
rechtmäßig ist, wenn Flächen für Gemeinbedarfseinrichtungen i.S. des § 165 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 BauGB festgesetzt werden, obwohl Zweifel daran bestehen, ob das
Wohl der Allgemeinheit diese erfordert, weil ein Bedarf für die Nutzungsarten dieser
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Flächen nicht plausibel dargelegt wurde. Zur Begründung verweist sie auf eine in
ihren Augen unzureichende Wohnungsbedarfsprognose.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sowohl hinsichtlich
des rechtlichen Ausgangspunkts als auch der tatsächlichen Feststellungen von unzu-
treffenden Voraussetzungen ausgeht.
Die Festlegung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ist unter anderem
zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, insbesondere zur Deckung
eines erhöhten Bedarfs an Wohnstätten. Der Senat hat diese gesetzliche Vorausset-
zung in seinem Urteil vom 12. Dezember 2002 - BVerwG 4 CN 7.01 - (BVerwGE
117, 248) näher umschrieben.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage geht demgegenüber von der irrigen
Vorstellung aus, es handele sich bei Wohnhäusern um Gemeinbedarfseinrichtungen.
Davon abgesehen ist das Normenkontrollgericht nicht zu dem von der Beschwerde
unterstellten Ergebnis gelangt, es bestünden Zweifel insbesondere an einer plausib-
len Darlegung des Bedarfs. Vielmehr ist es auf der Grundlage einer ausführlichen
Beweisaufnahme zu der Schlussfolgerung gekommen, dass ein erhöhter Bedarf an
Wohnstätten vorliegt. Dabei orientiert es sich hinsichtlich der rechtlichen Maßstäbe
an der Rechtsprechung des Senats. Weiterführende Fragestellungen wirft die Be-
schwerde nicht auf.
1.3 Auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht von einer weiteren Aufklärung abse-
hen dürfe, obwohl ein zu diesem Zweck anberaumter weiterer Termin zur mündli-
chen Verhandlung keine Gewissheit über das Vorliegen aller Rechtmäßigkeitsvo-
raussetzungen einer Entwicklungsmaßnahme erbracht hat, führt nicht zur Zulassung
der Revision. Denn das Normenkontrollgericht hat sich nicht etwa der Befugnis be-
rühmt, trotz fehlender Gewissheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
von einer weiteren Aufklärung abzusehen. Vielmehr hat es die Rechtmäßigkeit be-
jaht, weil in seinen Augen die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Gericht ist
nur gehalten, diejenigen (weiteren) Beweise zu erheben, auf die es nach seiner
Rechtsauffassung ankommt (stRspr).
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1.4 Die Beschwerde wirft schließlich die Frage auf, ob eine Entwicklungssatzung
gleichwohl rechtmäßig sein kann, wenn ein Ortsgesetzgeber eine Korrektur der in
der Entwicklungssatzung festgelegten Entwicklungsziele vornimmt, ohne zugleich die
Entwicklungssatzung selbst durch einen Rechtsakt mit gleicher Rechtsqualität im
Hinblick auf die veränderten Entwicklungsziele anzugleichen.
Hintergrund dieser Fragestellung ist, dass in der Vorlage an die Bürgerschaft für ei-
nen kleinen Teilbereich der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (entlang einer
Bahnlinie) gewerbliche Nutzung vorgesehen war, in der Sitzung der Bürgerschaft
insoweit jedoch eine Zielkorrektur vorgenommen worden ist.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Nach § 165 Abs. 6 Satz 2
BauGB ist in der Entwicklungssatzung der Entwicklungsbereich zu bezeichnen. Dies
ist vorliegend geschehen und wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Im
Übrigen legt das Normenkontrollgericht den Beschluss der Bürgerschaft dahinge-
hend aus, dass sie eine veränderte Formulierung der Ziele beschlossen hat und der
Inhalt der Satzung nach § 165 Abs. 6 Satz 1 BauGB damit eindeutig sei. Darin liegt
eine vom Beschwerdegericht hinzunehmende und im Übrigen durchaus nachvoll-
ziehbare Auslegung des vom Normenkontrollgericht zu überprüfenden Landesrechts.
Einer weiteren grundsätzlichen Klärung von Fragen des Bundesrechts bedarf es
nicht; ohnehin käme es auf die vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls an. Im
Übrigen ist die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme auf weitere Konkretisierung
angelegt, die als nachfolgender Schritt durch die Aufstellung von Bebauungsplänen
erfolgt (§ 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Daher ist eine Gemeinde nicht verpflichtet,
schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Entwicklungssatzung hinsichtlich jedes
Grundstücks gleichsam parzellenscharf ein Konzept über die künftige Nutzung vor-
zulegen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 a.a.O. S. 260).
2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abwei-
chung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Beru-
fungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entschei-
dung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten
ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre.
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2.1 Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht sei hinsichtlich der Flächen
für Dauerkleingärten von einem im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
4. Juli 2002 - 1 BvR 390/01 - (NVwZ 2003, 71 = BauR 2003, 70) aufgestellten
Rechtsgrundsatz abgewichen. Sie legt jedoch keinen Rechtssatz dar, mit dem das
Normenkontrollgericht von einem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten
Rechtssatz abgewichen wäre. Insoweit erfüllt sie schon nicht die Darlegungserfor-
dernisse, ist also unzulässig (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Davon abgesehen ver-
steht sie den rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts falsch. Dieses führt
aus, es könne dahinstehen, ob die soziale Zielsetzung, der Unterversorgung mit
Kleingärten im Bremer Osten entgegenzuwirken, für sich genommen derartiges Ge-
wicht habe, dass sie eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme rechtfertigen kön-
ne. Es verweist in diesem Zusammenhang auf die geringe für Kleingärten in An-
spruch genommene Fläche. Dabei bezieht es sich auf Ausführungen des beschlie-
ßenden Senats in seinem Urteil vom 12. Dezember 2002. Danach ist es unbedenk-
lich, wenn sich eine als solche zulässige städtebauliche Entwicklungsmaßnahme
auch auf weitere Flächen erstreckt, auf denen Ziele verfolgt werden sollen, denen
isoliert betrachtet möglicherweise nicht das für eine städtebauliche Entwicklungs-
maßnahme gebotene Gewicht zukommen würde (a.a.O. S. 258). Denn eine städte-
bauliche Entwicklungsmaßnahme ist nur zulässig, wenn sie für die städtebauliche
Entwicklung einer Gemeinde von besonderer Bedeutung ist; insoweit ist auch ein
entsprechendes Gewicht erforderlich (a.a.O. S. 250). Diese Voraussetzung besteht
jedoch unabhängig von der weiteren Voraussetzung, wonach das Wohl der Allge-
meinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordert
(§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Beides ist somit unabhängig voneinander zu prü-
fen. Dieser Aufgabe hat sich das Normenkontrollgericht im Übrigen auch nicht ent-
zogen. Vielmehr legt es in seinem Urteil näher dar, dass das Ziel der Realisierung
von 400 Kleingärten dem Wohl der Allgemeinheit dient (UA S. 41 ff.). Auch insoweit
legt die Beschwerde keinen Rechtssatz dar, mit dem das Normenkontrollgericht von
einem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz abgewichen wäre.
Denn es stellt nicht in Frage, dass auch die Errichtung von Kleingärten im Rahmen
einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nur dann zulässig ist, wenn die Ver-
folgung dieses Ziels im konkreten Fall durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit
gedeckt ist. Hierzu legt es dar, dass im Bremer Osten eine deutliche Unterversor-
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gung mit Kleingärten bestehe. Ferner erfüllen die Kleingärten nach den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz auch eine Naherholungsfunktion. Das Normenkon-
trollgericht hat somit keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern sich an
den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssätzen ausgerichtet.
2.2 Auch hinsichtlich der Flächen für den Reitsport genügt die Beschwerde nicht den
Anforderungen an die Darlegung einer Divergenzrüge. Das Bundesverfassungsge-
richt hat im angeführten, die vorliegende städtebauliche Entwicklungsmaßnahme
betreffenden Beschluss hervorgehoben, dass Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hoheitliche
Eigentumsverschiebungen im allein privaten Interesse nicht zulässt. Dem liegt er-
sichtlich die Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde, dass in dem
Entwicklungsbereich bisher nicht vorhandene Betriebe für den Reitsport angesiedelt
werden und für diesen Zweck eine Enteignung zu erfolgen hat. Den darin zu erbli-
ckenden Grundsatz stellt das Normenkontrollgericht jedoch nicht durch Aufstellung
eines abweichenden Grundsatzes in Frage. Vielmehr erkennt es vorliegend eine an-
dere Fallkonstellation, die in seinen Augen auch unter dem Blickwinkel des Art. 14
Abs. 3 GG andere Rechtsfolgen erlaubt. Nach seinen Feststellungen sind nämlich
bereits Betriebe für den Reitsport vorhanden. Ihnen soll auch künftig Grund und Bo-
den zur Verfügung stehen. Es hebt ausdrücklich hervor, von einer Verdrängung von
Grundeigentümern und Landwirten zu Gunsten privater Reitbetriebe könne keine
Rede sein. Im Übrigen legt es näher dar, dass die für die landwirtschaftliche Nutzung
vorgesehenen Flächen nach Möglichkeit gar nicht von der Antragsgegnerin erworben
werden sollen, dass eine Enteignung nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen
zulässig sein kann und dass die Eigentümer die Enteignung durch betriebliche Um-
stellung abwenden können. Dies macht deutlich, dass sich das Normenkontrollge-
richt nicht von Rechtsgrundsätzen leiten lässt, die von denjenigen des Bundesver-
fassungsgerichts abweichen. Davon abgesehen stellen sich die vom Normenkon-
trollgericht angesprochenen Rechtsfragen zumindest teilweise noch nicht im Stadium
der städtebaulichen Entwicklungssatzung, da zunächst weitere Entscheidungen
hierüber zu ergehen haben (Aufstellung von Bebauungsplänen, Vorgehen nach
§ 166 Abs. 3 BauGB).
3. Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.
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3.1 Die Antragsteller rügen zunächst, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt
gewesen (§ 138 Nr. 1 VwGO), da ein beisitzender Richter am OVG wegen längerer
Schlafpausen während der mündlichen Verhandlung am 20. März 2003 gehindert
gewesen sei, den wesentlichen Vortrag der Beteiligten wahrzunehmen. Diese Rüge
bleibt erfolglos.
Insoweit genügt der Vortrag nicht den formellen Erfordernissen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss derjenige,
der sich darauf beruft, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung
eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsa-
chen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf die wesentlichen Vor-
gänge in der Verhandlung ausschließen. Dabei sind der Zeitpunkt, die Dauer und die
Einzelheiten des Verhaltens des Richters genau anzugeben. Weiterhin hat die Be-
setzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung
geschehen ist und welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter wäh-
rend seines "Einnickens" nicht habe erfassen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom
13. Juni 2001 - BVerwG 5 B 105.00 - NJW 2001, 2898 = Buchholz 310 § 138 Ziffer 1
VwGO Nr. 38 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Wird die entspre-
chende Rüge erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erhoben und holt
das Gericht zu den angesprochenen Vorgängen dienstliche Erklärungen der Richter,
die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, ein, erstreckt sich die
Darlegungslast auch auf eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieser Erklärun-
gen.
Die Antragsteller tragen vor, das immer häufigere Wegknicken des Kopfes des
betreffenden Richters mit geschlossenen Augen habe längere Phasen der Abwe-
senheit offenbart. Dies sei insbesondere nach der Mittagspause der Fall gewesen. In
dieser Zeit sei kontrovers über die Prognose zum behaupteten Wohnbedarf gestrit-
ten worden. In einem Fall habe der Kopf des Richters über längere Zeit (5 - 7 Minu-
ten) nach vorn gelehnt. Sie berufen sich insoweit auf eine eidesstattliche Erklärung
einer Person, deren Personalien benannt werden, und von der die Beschwerde
sinngemäß behauptet, sie habe sich zu der fraglichen Zeit im Gerichtssaal befunden.
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Der betroffene Richter hat sich in seiner ausführlichen dienstlichen Erklärung
(AS 970) dahingehend geäußert, die erwähnten Behauptungen seien frei erfunden.
Er habe während der gesamten Verhandlung die Augen offen gehalten, den Vortrag
der Beteiligten aufmerksam verfolgt und sich Notizen gemacht. Dies gelte auch für
die Diskussion der Wohnungsbedarfsprognose. Diese habe überwiegend vor der
Mittagspause stattgefunden. Nach der Mittagspause sei die Erörterung der
Wohnungsbedarfsprognose mit der Befragung von Frau T. von der Antragsgegnerin
und Ausführungen der Bevollmächtigten der Antragsteller fortgesetzt worden. Der
Senatsvorsitzende hat unter Darstellung zahlreicher Einzelheiten erklärt, dass der
betreffende beisitzende Richter gerade bei den Fragen der Wohnungsbedarfsprog-
nose die Verhandlung sehr konzentriert verfolgt habe und auch intensiv gegenüber
dem Prozessbevollmächtigten interveniert habe, als er selbst bei Aufnahme der Er-
klärungen in das Protokoll unterbrochen worden sei (AS 973). Auch der weitere bei-
sitzende Richter hat erklärt, die eidesstattliche Versicherung sei unrichtig (AS 972).
Der beschließende Senat hat dem Prozessbevollmächtigen der Antragsteller die
dienstlichen Erklärungen zur Stellungnahme übermittelt. Die Antragsteller haben
vorgetragen, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung bestehe für sie kein
Zweifel. Der Sitzungssaal sei am Verhandlungstag überwiegend vollständig gefüllt
gewesen. Auch viele Pressevertreter seien anwesend gewesen. Sicherlich wäre es
möglich, weitere Zeugen ausfindig zu machen. Die Richter des zuständigen Senats
des Oberverwaltungsgerichts hätten selbst Indizien dafür geliefert, die die Glaubhaf-
tigkeit ihrer Aussagen erschütterten. Denn sie seien sich darüber uneinig, ob die
Fragen der Wohnungsbedarfsprognose nur vor oder aber auch nach der Mittags-
pause behandelt worden seien.
Mit ihren im Gesamtzusammenhang zu würdigenden Ausführungen genügen die
Antragsteller nicht den oben näher dargestellten Darlegungsanforderungen. Der Se-
nat ist somit nicht veranlasst, eine eigene Beweisaufnahme durchzuführen.
Hierzu ist zunächst hervorzuheben, dass der Hinweis der Antragsteller auf unter-
schiedliche Darstellungen in den dienstlichen Erklärungen der beteiligten Richter
keine Zweifel an deren inhaltlicher Richtigkeit begründet. Denn der behauptete Wi-
derspruch besteht nicht. Der unmittelbar betroffene Richter hat eine ausführliche
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Darstellung gegeben. Danach wurden die Fragen der Wohnungsbedarfsprognose
überwiegend am Vormittag behandelt, insbesondere der Leiter des Statistischen
Landesamts D. vernommen. Seine weitere Darstellung, nach der Mittagspause sei
die Erörterung der Wohnungsbedarfsprognose mit der Befragung von Frau T. von
der Antragsgegnerin und Ausführungen der Bevollmächtigten der Antragsteller fort-
gesetzt worden, stimmt mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung über-
ein. Danach wurde die mündliche Verhandlung um 13:35 Uhr fortgesetzt. Frau T.
äußerte sich zum Leerstand von Wohnungen (AS 779 f.); anschließend gab der Pro-
zessbevollmächtige der Antragsteller verschiedene Erklärungen ab (AS 780). So-
dann wandte man sich dem Bereich "Pferdehaltung" zu. Auf diese Niederschrift
nimmt die dienstliche Erklärung des anderen Beisitzers ausdrücklich Bezug. Sie
steht daher nicht im Widerspruch zu den Erklärungen der anderen Richter, sondern
stellt den Ablauf der Verhandlung nur stärker zusammengefasst dar. Somit ist der
Vortrag der Antragsteller nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der dienstlichen
Erklärungen zu wecken.
Der Vortrag der Antragsteller ist auch im Übrigen nicht geeignet, darzulegen, dass
der eidesstattlichen Versicherung der namentlich genannten Person eher zu folgen
wäre, als den dienstlichen Erklärungen der beteiligten Richter. Die Beschwerde lässt
es an jeglicher Darstellung vermissen, warum diese Person den betreffenden Richter
beispielsweise besonders genau hätte beobachten können oder aus welchen ande-
ren Gründen ihrer Darstellung der Vorzug zu geben sein könnte. Es wird in keiner
Weise dargestellt, in welcher Rolle der Verfasser der eidesstattlichen Versicherung
am Verfahren teilgenommen hat und an welcher Stelle des offenbar gut gefüllten
Sitzungssaals er sich befunden hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Pro-
zessbevollmächtigte selbst nicht vorträgt, das behauptete Verhalten des Richters
beobachtet zu haben. Demgegenüber trägt der Vertreter der Antragsgegnerin unwi-
dersprochen vor, die Verfahrensbeteiligten säßen sich beim Oberverwaltungsgericht
Bremen an einem nur 1,50 m breiten Tisch gegenüber. Somit hatten alle Verfah-
rensbeteiligten ersichtlich eine gute Möglichkeit, das Verhalten der Richter zu be-
obachten. Außerdem fügt der Vertreter der Antragsgegnerin an, er selbst habe den
behaupteten Geschehensablauf nicht beobachten können. Der beisitzende Richter
habe sich durchweg aktiv in die mündliche Verhandlung eingebracht. Gegen den
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behaupteten Vorgang spreche auch, dass dieser von den - insoweit unstreitig - meh-
reren anwesenden Pressevertretern nicht aufgegriffen worden sei.
Unabhängig von der mangelnden Darlegung des Verfahrensfehlers ist der Vortrag
der Antragsteller auch in seinem sachlichen Gehalt nicht geeignet, diesen Erforder-
nissen Rechnung zu tragen. Denn er belegt, auch wenn man ihn als richtig unter-
stellt, nicht, dass der betreffende Richter nicht in der Lage gewesen ist, den wesent-
lichen Vorgängen in der mündlichen Verhandlung zu folgen. Das Schließen der Au-
gen beweist allein nicht, dass der Richter schläft. Denn diese Haltung kann auch zur
geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen wer-
den. Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft
oder in anderer Weise "abwesend" ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukom-
men, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnar-
chen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung (vgl. hier-
zu BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2001 - BVerwG 5 B 105.00 - NJW 2001, 2898
= Buchholz 310 § 138 Ziffer 1 VwGO Nr. 38 mit weiteren Nachweisen aus der Recht-
sprechung). Dagegen können das "Wegknicken" des Kopfes oder das Nach-Vorn-
Lehnen in einem Zeitraum von bis zu 7 Minuten nicht als ausreichende Anzeichen
für ein die erforderliche Konzentration ausschließendes Verhalten gewertet werden.
3.2 Auch die weitere Rüge der Antragsteller, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig
besetzt gewesen (§ 138 Nr. 1 VwGO) und verletze daher das Recht auf den gesetz-
lichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), greift nicht durch. Sie meinen, es bestün-
den Bedenken, ob das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen über-
haupt eine unabhängige Position in dem Verfahren einnehmen könne. Dabei verwei-
sen sie auf eine Äußerung des Justizsenators, der eine Zusammenlegung des Ober-
verwaltungsgerichts mit dem Oberverwaltungsgericht des Landes Niedersachsen
unter Hinweis auf die besondere Bedeutung der Entscheidungen für das Bundesland
Bremen abgelehnt habe.
Die Gerichte haben zuweilen auch Entscheidungen zu treffen, die für das Gemein-
wesen oder für die Gebietskörperschaft, der sie angehören, von überragender Be-
deutung sind. Dies ändert aber nichts daran, dass die nach Gesetz und Geschäfts-
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verteilungsplan zuständigen Richter dennoch die gesetzlichen Richter bleiben. Dies
wäre auch dann der Fall, wenn eine Gerichtsfusion unmittelbar bevorstünde - wofür
vorliegend nichts vorgetragen oder ersichtlich ist.
3.3 Auch die Rüge, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, bleibt ohne
Erfolg.
3.3.1 Die Beschwerde rügt zunächst, der Leiter des Statistischen Landesamts D. sei
für das Beweisthema ungeeignet gewesen; denn er habe zu bestimmten, ihm in der
mündlichen Verhandlung gestellten Fragen betont, er sei kein Fachmann für Fragen
der Wohnungsprognosen. Damit wird ein Aufklärungsmangel indes nicht aufgezeigt.
Das Normenkontrollgericht hat in der ersten mündlichen Verhandlung am 4. März
2003 weiteren Aufklärungsbedarf insbesondere zu der Frage der statistischen Ab-
grenzung der Zahl der Haushalte gesehen und den genannten Leiter des Statisti-
schen Landesamts in der weiteren mündlichen Verhandlung am 20. März 2003 hier-
zu vernommen. Es stellt keinen Mangel dar, wenn ein sachverständiger Zeuge bei
der Beantwortung ergänzender Fragen die Grenzen seiner spezifischen Fachkennt-
nis aufzeigt und damit seiner Wahrheitspflicht genügt. Für Leiter von Landesbehör-
den gilt nichts anderes.
3.3.2 Die Beschwerde rügt ferner, dass das Normenkontrollgericht seinen Beweisan-
trägen nicht stattgegeben habe. Auch insoweit genügt die Beschwerde nicht ihrer
Darlegungslast. Denn das Normenkontrollgericht hat die Ablehnung der Beweisan-
träge jeweils eingehend begründet und seine hierfür maßgebliche Rechtsauffassung
im angegriffenen Urteil eingehend dargestellt. Dabei legt es auch unter Bezugnahme
auf frühere Entscheidungen dar, dass sich am Abwanderungstrend nichts geändert
habe und dass dieser als Zeichen für ein strukturelles Unterangebot an Wohnungen
zu werten sei. Dem setzt die Beschwerde unter Wiederholung ihrer bereits im Nor-
menkontrollverfahren geäußerten Einzelkritik an der von der Antragsgegnerin vorge-
nommenen Prognose eine eigene abweichende Einschätzung entgegen. Damit wird
jedoch nicht dargelegt, dass sich dem Normenkontrollgericht unter Zugrundelegung
seiner Rechtsauffassung eine weitere Beweisaufnahme aufgedrängt hätte und aus
welchen - wiederum darzulegenden - Gründen dies zu einem anderen Ergebnis des
Rechtsstreits geführt hätte. Hinzu tritt, dass Prognosen naturgemäß immer mit einer
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gewissen Unsicherheit verbunden sind, so dass sie nur unter engen Voraussetzun-
gen rechtlich zu beanstanden sind. Die Bildung des richtigen Maßstabs für die Über-
prüfung einer Prognose ist im Übrigen dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. u.a.
Senatsbeschluss vom 16. Februar 2001 - BVerwG 4 BN 56.00 - NVwZ 2001, 1053
= BRS 64 Nr. 224); bei der Würdigung einer Aufklärungsrüge ist insoweit von der
materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwert-
festsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Dr. Jannasch