Urteil des BVerwG vom 03.05.2001

BVerwG (beschwerde, aufschiebende wirkung, bestellung, versetzung, verhalten, widerruf, verletzung, verfahrensmangel, antrag, bewertung)

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BESCHLUSS
BVerwG 6 B 2.03
VGH 14 S 1429/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des Ver-
waltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
19. September 2002 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 19 338 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I. Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann
die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vor-
liegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird
wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzli-
che Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Be-
rufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschlie-
ßenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte
Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Diese rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Der Kläger stützt die Beschwerde darauf, dass das angefoch-
tene Urteil auf Verfahrensmängeln beruhe. Diese werden jedoch
nicht in der gebotenen Weise dargelegt.
a) Er macht als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO zunächst geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei
von einer unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen, indem er
als Verletzung einer Berufspflicht im Sinne des § 11 Abs. 2
Nr. 2 SchfG ein für die ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbe-
zirks erhebliches Verhalten für ausreichend erachtet habe,
nicht jedoch die Bedeutsamkeit dieses Verhaltens für die Feu-
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ersicherheit gewürdigt habe, was nach seiner, des Klägers,
Auffassung Voraussetzung für eine Verletzung einer Berufs-
pflicht sei. Damit kann ein Verfahrensfehler nicht dargetan
werden. Verfahrensfehler sind Verstöße gegen prozessuale Ver-
fahrensnormen, also Fehler, die den Weg zur gerichtlichen Ent-
scheidung betreffen, nicht jedoch solche, die dem Inhalt der
Entscheidung anhaften. Eine, wie hier zu unterstellen ist,
fehlerhafte Auslegung eines Tatbestandsmerkmals kann allen-
falls dann auf einen Verfahrensfehler führen, wenn sie darauf
beruht, dass das Gericht das diesbezügliche Vorbringen der Be-
teiligten nicht genügend zur Kenntnis genommen hat. Das zeigt
die Beschwerde indessen nicht auf.
b) Das Berufungsgericht hat unter Verweisung auf die entspre-
chenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die auf einer
Anhörung eines Herrn H. von der Schornsteinfegerinnung beru-
hen, eine Verletzung der Berufspflichten bei der so genannten
Feinabstimmung, auf deren Grundlage die Kehrbezirksgrenzen im
Einzelnen festgelegt werden, darin gesehen, dass der Kläger
das Landratsamt nicht mit zutreffenden Angaben unterstützt,
sondern eine Abgrenzung angeregt habe, die das ihm bekannte
anzustrebende Ergebnis deutlich verfehlt habe (UA S. 11). Der
Kläger führt aus, er habe in der zur Feinabstimmung anberaum-
ten Sitzung am 18. Dezember 2000 über keine genauen Daten ver-
fügt; es sei allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich nur
um grobe Schätzungen gehandelt habe. Genaue Daten habe er erst
bei der Abgabe der Arbeitswerte am 3. Februar 2001 gehabt und
dabei bewusst - aus seiner Sicht aus nachvollziehbaren Grün-
den - unrichtige Werte abgegeben. Am 18. Dezember 2000 habe er
sich danach nicht falsch verhalten. Die Auffassung des Beru-
fungsgerichts, er habe sich an diesem Tag fahrlässig falsch
verhalten, sei fehlerhaft. Bei umfassender Aufklärung des
Sachverhalts (Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang
mit der "Feinabstimmung") hätte der Verwaltungsgerichtshof zu
dem Schluss kommen müssen, dass er seine Berufspflichten nicht
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verletzt habe. Auch mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrens-
fehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt.
Die Darlegung des Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklä-
rung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Erklä-
rung, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungs-
bedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich ge-
haltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wä-
ren und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung
der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich ge-
troffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass
bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in
der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachver-
haltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hin-
gewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten
Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hät-
ten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 6. März
1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 265). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht ge-
recht.
c) Hinsichtlich der Bewertung seines Verhaltens als "gröbli-
che" Verletzung der Berufspflichten hält der Kläger dem Ver-
waltungsgerichtshof lediglich eine andere Bewertung entgegen.
Damit kann ein Verfahrensfehler nicht dargelegt werden.
2. Die Beschwerde wird ferner auf den Revisionszulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer
Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentschei-
dung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im
Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisi-
onsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer kon-
kreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheb-
lich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre An-
erkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die
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Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revi-
sionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgericht-
lich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen
kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der
Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Der Kläger wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem
Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister ge-
mäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG und der Versetzung in den Ruhe-
stand gemäß § 10 SchfG auf. Diese Frage wird vor dem Hinter-
grund der Überlegung gestellt, die Versetzung in den Ruhestand
könne für den Bezirksschornsteinfeger weniger belastend sein
als der Widerruf der Bestellung. Unter den Umständen des Fal-
les kann ein Revisionsverfahren jedoch nicht zu einer Klärung
des Verhältnisses der beiden Instrumentarien beitragen. Denn
der Widerruf der Bestellung ist bereits mit Verfügung vom
29. März 2001 ausgesprochen worden, die dem Kläger am 4. April
2001 zugestellt worden ist. Widerspruch und Klage gegen diesen
Bescheid hatten gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 11 Abs. 4
SchfG keine aufschiebende Wirkung. Damit lagen seit dem 4. Ap-
ril 2001 die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verset-
zung in den Ruhestand nach § 10 SchfG nicht vor. Denn diese
Vorschrift setzt voraus, dass ein Bezirksschornsteinfeger aus
bestimmten Gründen dauernd unfähig ist, die Arbeit der Gesel-
len und Lehrlinge zu überwachen. Ist der Betreffende nicht
mehr Bezirksschornsteinfegermeister, weil seine Bestellung so-
fort vollziehbar widerrufen ist, so kann er nicht in den Ruhe-
stand versetzt werden. Die Behörde hatte nicht, wie der Kläger
meint, beim Erlass des Bescheids vom 29. März 2001 die Wahl
zwischen dem Widerruf der Bestellung und der Versetzung in den
Ruhestand. Denn der Kläger hatte, wie sich aus den vom Ver-
waltungsgerichtshof in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen
ergibt, unmittelbar vor Wirksamwerden des Widerrufs seiner Be-
stellung lediglich beantragt, "in ca. max. 3 Jahren" den Vor-
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ruhestand anzutreten. Anhaltspunkte dafür, dass er zum damali-
gen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Versetzung in den
Ruhestand gemäß § 10 SchfG erfüllte, ergaben sich aus diesem
Antrag nicht. Einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand hat
er erst mit Schriftsatz vom 3. Mai 2001 gestellt. Der im Be-
schwerdeverfahren vorgetragene Tatsachenstoff hinsichtlich ei-
ner länger zurückliegenden und auf eine Dienstunfähigkeit im
Sinne des § 10 SchfG deutenden Erkrankung ist vom Berufungsge-
richt nicht festgestellt und lässt sich auch nicht den vom
Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Akten entnehmen.
II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2
VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht
auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Bardenhewer Hahn Graulich