Urteil des BVerwG vom 21.01.2004

BVerwG (höhe, betrag, unterhaltsbeitrag, entfernung, geld, bbg, quittung, bundesverwaltungsgericht, verfügung, dauer)

Rechtsquellen:
BBG § 54 Satz 2 und 3; § 55 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1
BDO § 110, § 77
Stichworte:
Vollziehungsbeamter in der Zollverwaltung; Veruntreuung dienstlich anvertrauter
Gelder in Höhe von ca. 29 400 DM; Zugriffsdelikt; keine anerkannten Milderungs-
gründe; Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst; Maßnahme nicht unverhältnis-
mäßig; auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Krankenversicherung (s. auch BGH,
VersR 2004, 58); kein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag zum gesetzlichen Höchstsatz.
Urteil des Disziplinarsenats vom 21. Januar 2004 - BVerwG 1 D 24.03
I. BDiG, Kammer III - ... -, vom 18.06.2003 - Az.: BDiG III VL 10/02 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 24.03
BDiG III VL 10/02
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Zollbetriebsinspektor ... ,
...,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 21. Januar 2004,
an der teilgenommen haben:
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Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Zollbetriebsinspektor G r i e b l i n g und
Polizeimeister im Bundesgrenzschutz v o n B o d e
als ehrenamtliche Richter
sowie
Oberregierungsrat ... ,
...,
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
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und
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Zollbetriebsinspektors ... gegen das Urteil
des Bundesdiziplinargerichts, Kammer III - ... -, vom 18. Juni
2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 18. Juni 2003 entschieden,
dass der ... in ... (...) ... zuletzt als Vollziehungsbeamter beim Hauptzollamt H.,
Dienstort B., beschäftigte Beamte unter Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags auf die
Dauer von acht Monaten in Höhe von 65 v.H. seines erdienten Ruhegehalts aus dem
Dienst entfernt wird. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Am 26. November 1993 kassierte der Beamte in seiner Eigenschaft als Voll-
ziehungsbeamter bei der Z. GmbH in Si. einen Betrag in Höhe von
3 035,20 DM. Auf der für diese Firma als Zahlungspflichtige bestimmten Erst-
schrift des Quittungsblocks mit der Nr. 08021 Bl. 12 bestätigte der Beamte der
Z. GmbH die Zahlung mit seiner Unterschrift. Nach der zu diesem Zeitpunkt
maßgeblichen Vorschrift der Vollziehungsanweisung Abschnitt 58 und der
Verfügung des Vorstehers des Hauptzollamtes S. vom 21. Oktober 1993 hätte
der Beamte das vereinnahmte Geld unverzüglich an die zuständige Zollzahl-
stelle abführen müssen. Dies tat er jedoch nicht, sondern behielt das Geld für
sich ein. Er verschleierte dies dadurch, dass er am 29. November 1993 einen
Betrag von 400 DM an die Zollzahlstelle abführte, den er von dem Vollstre-
ckungsschuldner ... Y. eingezogen hatte, worüber er diesem Vollstreckungs-
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schuldner auf der Durchschrift des oben genannten Quittungsblockblattes
Nr. 08021 Bl. 12 eine Quittung erteilt hatte.
Der Beamte hatte diese Manipulation durchführen können, indem er es beim
Ausfüllen der Erstschrift des in Rede stehenden Quittungsblockblattes unter-
lassen hatte, Blaupapier unterzulegen, so dass die Durchschrift nicht beschrif-
tet wurde und daher von ihm für die Quittungserteilung an den Vollstre-
ckungsschuldner ... Y. noch genutzt werden konnte.
Zu Anschuldigungspunkt 2:
Am 12. Februar 1997 kassierte der Beamte in seiner Eigenschaft als Vollzie-
hungsbeamter bei der Firma A. GmbH & Co. einen Einfuhrumsatzsteuerbe-
trag in Höhe von 10 814,64 DM. Dies quittierte er dieser Firma auf der Erst-
schrift des Quittungsblockes mit der Nr. 61291 Bl. 27 mit seiner Unterschrift.
Obwohl der Beamte nach der an ihn ergangenen Verfügung des Vorstehers
des Hauptzollamtes S. vom 21. Mai 1996 und nach Nr. 20.1 der Zollzahlstel-
lenbestimmungen verpflichtet war, das eingezogene Geld spätestens am fol-
genden Arbeitstag vollständig an die zuständige Zollzahlstelle abzuführen
bzw. auf das Girokonto der Zollzahlstelle bei der Landesgirokasse S. einzu-
zahlen, behielt der Beamte dieses Geld für sich ein. Er lieferte allerdings am
13. Februar 1997 bei der Zollzahlstelle S. einen Betrag in Höhe von 200 DM
ab, den er ebenfalls am 12. Februar 1997 bei dem Vollstreckungsschuldner ...
H. in M. eingezogen und diesem Vollstreckungsschuldner hierüber auf der
Durchschrift des oben genannten Quittungsblockblattes Nr. 61291 Bl. 27 eine
Quittung erteilt hatte. Auch hierbei war der Beamte wieder so vorgegangen,
dass er es bei der Ausstellung der Quittung über den Betrag von
10 814,64 DM unterlassen hatte, Blaupapier unter die Erstschrift des Quit-
tungsblockblattes unterzulegen, so dass die Durchschrift unbeschrieben blieb
und von ihm für die Quittungserteilung an den Vollstreckungsschuldner ... H.
genutzt werden konnte.
Der Beamte hat in der Untersuchung hierzu angegeben, er habe den von ihm
in diesem Fall einbehaltenen Geldbetrag dazu verwendet, um ein gerade ge-
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kauftes Auto des Typs Skoda Octavia zu bezahlen. Er habe auf diese Weise
das zu dieser Zeit auf seinem Konto vorhandene Guthaben nicht anzurühren
brauchen.
Zu Anschuldigungspunkt 3:
Am 30. Oktober 1998 kassierte der Beamte bei dem Vollstreckungsschuldner
... G. in Si. einen Betrag in Höhe von 1 900 DM. Die von Herrn G. geleistete
Zahlung quittierte der Beamte auf der Erstschrift des Quittungsblockblattes mit
der Nr. 68778 Bl. 42. Auch in diesem Fall unterließ er es, beim Ausfüllen der
Erstschrift der Quittung Blaupapier unterzulegen. Er wies dann auf der für die
Zollzahlstelle bestimmten Durchschrift dieses Quittungsblockblattes nur eine
Vollstreckung über einen Betrag in Höhe von 1 000 DM aus und führte auch
nur diesen Betrag aus dem Vollstreckungsfall tatsächlich an die zuständige
Zollzahlstelle ab. Den Differenzbetrag in Höhe von 900 DM behielt er für sich
ein.
In derselben Weise verfuhr der Beamte bei demselben Vollstreckungsschuld-
ner am 21. Dezember 1998. An diesem Tag kassierte er bei diesem einen Be-
trag in Höhe von 1 700 DM und bestätigte dies auf der für den Vollstreckungs-
schuldner bestimmten Erstschrift des Quittungsblocks mit der Nr. 96072
Bl. 24. Auf der Durchschrift dieses Quittungsblockblattes wies er jedoch wie-
derum nur einen Betrag in Höhe von 1 000 DM aus, den er an die Zollzahlstel-
le des Hauptzollamtes H. abführte. Den Differenzbetrag von 700 DM behielt er
wieder für sich ein.
Der Beamte verletzte hierdurch wiederum die Vorschrift der Nr. 20.1 der Zoll-
zahlstellenbestimmungen sowie die an ihn ergangene Verfügung des Haupt-
zollamtes H. vom 16. Oktober 1997, wonach er verpflichtet war, das eingezo-
gene Geld spätestens am folgenden Arbeitstag an die zuständige Zollzahlstel-
le abzuführen.
Zu Anschuldigungspunkt 4:
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Am 11. Januar 1999 löste der Beamte zu seinen Gunsten einen Barscheck
des Vollstreckungsschuldners ... Z., S., über einen Betrag von 7 500 DM, der
am 28. Dezember 1998 auf ein Konto des Vollstreckungsschuldners ausge-
stellt war und den dieser mit der Post an die Dienststelle des Beamten beim
Zollamt B. gesandt hatte, an der Kasse der Landesgirokasse S., Filiale Si.,
ein. Die entsprechende Belastung des Kontos des Vollstreckungsschuldners
erfolgte noch am selben Tag. Das Geld behielt der Beamte für sich ein.
Am 8. Juli 1999 löste der Beamte zu seinen Gunsten auch einen weiteren
Barscheck desselben Vollstreckungsschuldners über 3 500 DM bei der Lan-
desgirokassenfiliale Si. ein. Dieser Scheck war von Herrn Z. am 5. Juli 1999
ausgestellt worden und nach seinen Angaben in den Amtsbriefkasten des
Zollamtes B. eingeworfen worden. Auch in diesem Fall erfolgte die Belastung
des Kontos des Vollstreckungsschuldners noch am selben Tag.
In beiden Fällen unterließ es der Beamte, Quittungen über die Entgegennah-
me der Schecks auszustellen.
Die Zollzahlstelle war auf den Barschecks vom Vollstreckungsschuldner nicht
als Zahlungsempfänger besonders bezeichnet worden.
Auch in diesen beiden Fällen handelte der Beamte der Nr. 20.1 der Zollzah-
lungsbestimmungen zuwider, wonach angenommene Zahlungsmittel spätes-
tens am folgenden Arbeitstag vollständig an die zuständige Zollzahlstelle ab-
geführt werden müssen. Dies war nach einer Weisung der Zollzahlstelle S.
vom 27. August 1997 seit dem 21. Oktober 1997 die Zollzahlstelle H. Im Übri-
gen hätte der Beamte dem Vollstreckungsschuldner nach Abschnitt 13 der
"Sonstigen Kassenvorschriften" über die mit den Schecks erfolgten Zahlungen
jeweils eine Quittung erteilen müssen.
Zu Anschuldigungspunkt 5:
Am 12. Dezember 1999 kassierte der Beamte bei dem Vollstreckungsschuld-
ner ... K., He., einen Betrag in Höhe von 3 000 DM, den Herr K. der
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...krankenkasse schuldete. Der Beamte quittierte diese Zahlung auf der Erst-
schrift des Quittungsblocks mit der Nr. 69072 Bl. 41. Den Betrag von
3 000 DM führte der Beamte nicht ab, sondern behielt ihn für sich ein. Die
Durchschrift dieses Quittungsblockblattes verwendete der Beamte dazu, um
unter dem Datum vom 2. Februar 1999 die Einziehung eines Betrages in Hö-
he von 40 DM bei der Vollstreckungsschuldnerin ... E., S., zugunsten der Be-
rufsgenossenschaft M. zu quittieren. Den Betrag von 40 DM führte der Beam-
te an die Zollzahlstelle H. ab.
Auch in diesem Fall wäre der Beamte verpflichtet gewesen, nach Nr. 20.1 der
Zollzahlstellenbestimmungen und der Verfügung des Hauptzollamtes H. vom
16. Oktober 1997 den Betrag von 3 000 DM spätestens an dem auf die Ent-
gegennahme folgenden Arbeitstag vollständig an die zuständige Zollzahlstelle
abzuführen.
Der Beamte hat die dargestellten Fälle in der Untersuchung nicht bestritten
und selbst als Unterschlagungen bezeichnet. Er habe aus "reiner Dummheit"
gehandelt. In der Hauptverhandlung hat er erklärt, dass er die ganze Angele-
genheit bedauere und ihm alles sehr Leid tue.
Das Bundesdisziplinargericht hat die festgestellte Handlungsweise des Beamten als
jeweils vorsätzliche Verstöße gegen seine Dienstpflichten zu uneigennütziger Amts-
führung (§ 54 Satz 2 BBG), zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 54
Satz 3 BBG) und zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 55 Satz 2 BBG) i.V.m.
den vorgenannten Dienstvorschriften und Verfügungen gewürdigt. Das Dienstverge-
hen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) sei so schwerwiegend, dass die disziplinarische
Höchstmaßnahme verhängt werden müsse. Ein Vollziehungsbeamter, der ihm
dienstlich anvertraute Zahlungsmittel (Bargeld, Schecks) nicht abliefere, sondern für
sich behalte, versage im Kernbereich seiner Pflichten und zerstöre in der Regel das
zwischen ihm und dem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis. Anerkannte
Milderungsgründe lägen nicht vor und würden auch nicht geltend gemacht.
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2. Hiergegen hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt und begehrt "Wiederein-
stellung in den Dienst" bzw. Erhöhung des Unterhaltsbeitrags. Zur Begründung bringt
er im Wesentlichen vor:
Die Entlassung aus dem Dienst stelle eine unzumutbare Härte dar. Mit fast 59 Jah-
ren und ohne entsprechende Berufserfahrung sei es für ihn bei derzeitiger wirtschaft-
licher Lage so gut wie unmöglich, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Hinzu kom-
me, dass er aufgrund seiner körperlichen Leiden (Autounfall, Dienstunfall) und einer
anerkannten Behinderung von 10 % körperlich nicht belastbar sei (Bewegungsein-
schränkungen, Seh- und Schlafstörungen). Im Übrigen müsse ihm zur Deckung
seiner laufenden Ausgaben ein Unterhaltsbeitrag von mindestens 75 v.H. seines
erdienten Ruhegehalts bewilligt werden.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und
-grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht
z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Antrag auf "Wie-
dereinstellung in den Dienst" zielt erkennbar auf den Ausspruch einer milderen Maß-
nahme, die von Gesetzes wegen zur Folge hätte, dass der Beamte im (aktiven) Be-
amtenverhältnis verbliebe. Das Begehren einer milderen Maßnahme ist regelmäßig
der sachgerechte Inhalt eines Rechtsmittelantrags, der mit Aussicht auf Erfolg bei
einer maßnahmebeschränkten Berufung gestellt wird. Der Inhalt der Rechtsmittelbe-
gründung spricht ebenfalls für ein auf das Disziplinarmaß beschränktes Rechtsmittel.
Der Beamte macht lediglich geltend, die Verhängung der disziplinarischen Höchst-
maßnahme sei unverhältnismäßig; hilfsweise müsse ihm ein höherer Unterhaltsbei-
trag bewilligt werden. Der im angefochtenen Urteil festgestellte objektive und subjek-
tive Tatbestand des Dienstvergehens wird nicht in Zweifel gezogen.
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Der Senat ist demnach an die Tat- und Schuldfeststellungen des Bundesdisziplinar-
gerichts sowie an die vorgenommene disziplinarrechtliche Würdigung der festgestell-
ten Pflichtverletzungen als innerdienstliches Dienstvergehen gebunden. Er hat nur
noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme - und ggf. den Unterhaltsbeitrag -
zu befinden.
1. Die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme durch die Vorinstanz ist
nicht zu beanstanden.
Wie im angefochtenen Urteil unter Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung
zutreffend ausgeführt ist, stellt die dem Beamten zur Last gelegte Veruntreuung
dienstlich anvertrauter Gelder (Bargeld, Schecks) ein so schwerwiegendes Dienst-
vergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Satz 2 und 3, § 55 Satz 2 BBG) dar, dass
der Beamte grundsätzlich mit der einseitigen Auflösung seines Dienstverhältnisses
rechnen muss. Anerkannte Milderungsgründe sind nicht ersichtlich und werden vom
Beamten nicht geltend gemacht; er hat im Gegenteil vor dem Bundesdisziplinarge-
richt sogar noch mehr als die fünf angeschuldigten und jetzt festgestellten Zugriffsfäl-
le eingeräumt.
Der Ausspruch der Entfernung des Beamten aus dem Dienst ist auch nicht unver-
hältnismäßig.
Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht
auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung (vgl. BVerfGE 46, 17,
29). Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet
und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf
der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache
und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung
eines Beamten aus dem Dienst als disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben
der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öf-
fentliche Verwaltung den Zweck der Generalprävention. Ist durch das Gewicht des
Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann
deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine
Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen - wie im vorliegenden Fall -, so
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erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als geeignete und erforderliche Maß-
nahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaf-
fen. Sie ist auch angemessen. Insoweit sind abzuwägen das Gewicht des Dienstver-
gehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der
Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastungen andererseits. Ist
das Vertrauensverhältnis gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem
Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen, auch im Hinblick auf die
Tatsache, dass der Beamte bereits im 59. Lebensjahr steht, nur über eine auf den
Zolldienst ausgerichtete Ausbildung verfügt und nach eigenen Angaben mit einem
Grad von 10 v.H. behindert ist (vgl. dazu u.a. Senatsurteile vom 2. April 1998
- BVerwG 1 D 4.98 - und vom 14. September 1999 - BVerwG 1 D 54.98 -). Die Auf-
lösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung
durch den Beamten und ist diesem als vorhersehbare Rechtsfolge vergleichbarer
Pflichtverletzungen zuzurechnen (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 28. November 2001
- BVerwG 1 D 52.00 -; vgl. auch BVerfG - 3. Kammer -, Beschluss vom 21. Dezem-
ber 1988 - 2 BvR 1522/88 -). Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass der Beam-
te mit der Entfernung aus dem Dienst keineswegs auf Dauer ohne Versorgung da-
steht; denn er ist in der Rentenversicherung nachzuversichern (§ 8 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI).
Die Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus den Folgen der Disziplinarent-
scheidung für den gesundheitlich angeschlagenen Beamten. Insbesondere ist die
Maßnahme nicht dann unverhältnismäßig, wenn der Beamte als Folge der Diszipli-
narmaßnahme künftig erhebliche finanzielle Mittel für seine Krankenversicherung
einsetzen muss, um im gleichen Umfang wie bisher von Krankheitsaufwendungen
freigestellt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein sich auf die
Disziplinarmaßnahme auswirkender Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot
regelmäßig selbst dann nicht vor, wenn der Beamte aufgrund der Verhängung der
Höchstmaßnahme den bestehenden Krankenversicherungsschutz gänzlich verliert
und er keine Aufnahme in eine andere Krankenkasse findet. In einem solchen Fall ist
der Beamte darauf zu verweisen, dass ihm unter den Voraussetzungen des § 27
Abs. 1 Nr. 2 und § 37 BSHG ein Anspruch auf Krankenhilfe zusteht (vgl. Urteil vom
12. April 1995 - BVerwG 1 D 71.94 - Buchholz 235 § 12 BDO Nr. 1; Urteil vom
17. April 1996 - BVerwG 1 D 54.95 -). Für einen solchen Fall bestehen hier aber kei-
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ne Anhaltspunkte. Jedenfalls können die durch höhere Beiträge zu einer Kranken-
versicherung entstehenden höheren finanziellen Belastungen eine Unverhältnismä-
ßigkeit nicht begründen. Davon abgesehen würde es sich um eine mittelbare Folge
der Verhängung der Höchstmaßnahme handeln. Sollten sich in der einen oder ande-
ren Hinsicht ausnahmsweise besondere Schwierigkeiten und daran anknüpfende
rechtliche Bedenken ergeben, beträfen diese die einschlägigen krankenversiche-
rungsrechtlichen Regelungen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003
- IV ZR 38/03 - VersR 2004, 58). Die Disziplinarmaßnahme selbst wäre davon nicht
berührt (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2000 - BVerwG 1 D 46.98 - Buchholz 235 § 82
BDO Nr. 6 und BVerfG, NVwZ 2002, 467).
2. Mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag auf die Dauer von acht Monaten in Höhe von
65 v.H. des erdienten Ruhegehalts hat es sein Bewenden. Nach den gegenwärtigen
wirtschaftlichen Verhältnissen des Beamten kommt eine Anhebung des Unterhalts-
beitragssatzes auf den gesetzlichen Höchstsatz von 75 v.H. (§ 77 Abs. 1 Satz 2
BDO) nicht in Betracht. Gemessen an den in B. derzeit geltenden Regelsätzen für
Sozialhilfe, die der Senat in ständiger Rechtsprechung als ungefähre Richtlinie für
den notwendigen Lebensunterhalt anwendet, bemisst sich der monatliche Bedarf
des Beamten und seiner Ehefrau auf insgesamt 535 € (297 € zzgl. 238 €). Hinzu
kommen pro Monat ca. 1 325 € Wohnungskosten für das Wohneigentum (Zins- und
Tilgungsraten, Nebenkosten und Abgaben) sowie Beitragskosten für die Kranken-
und Pflegeversicherung in Höhe von ca. 224 €. Dem sich so errechnenden Monats-
gesamtbedarf des Beamten in Höhe von 2 084 € stehen Einkünfte seiner Ehefrau in
Höhe von 1 038 € (Nettoeinkommen als kaufmännische Angestellte in Höhe von ca.
1 138 € abzüglich 100 € Werbungskosten) gegenüber. Unter Berücksichtigung des
erdienten monatlichen Netto-Ruhegehalts von ca. 2 118 € ergibt sich danach ein zu
bewilligender Unterhaltsbeitragssatz von nur etwa 50 v.H. des erdienten Ruhege-
halts. Dieser Beitragssatz liegt nicht nur deutlich unter dem erstrebten gesetzlichen
Höchstsatz, sondern auch unter dem erstinstanzlich bewilligten Beitragssatz von
65 v.H.
Weist der Beamte nach, dass er sich während des gesamten Bewilligungszeitraums
nachdrücklich, wenn auch erfolglos, um andere laufende Einkünfte bemüht hat, kann
ihm das für die in K. ansässige Einleitungsbehörde ab 1. Januar 2004 zuständige
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Verwaltungsgericht K. (vgl. § 85 Abs. 7 i.V.m. § 45 Satz 4 BDG, § 42 Abs. 1 Satz 1
LDO BW, § 1 Abs. 2 AGVwGO BW, § 9 LVG BW) auf seinen Antrag bei fortbeste-
hender Bedürftigkeit gemäß § 110 Abs. 2 BDO einen Unterhaltsbeitrag neu bewilli-
gen (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - DÖD 2002, 97
= ZBR 2002, 436). Der Senat macht vorsorglich darauf aufmerksam, dass sich die
Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht auf die Meldung beim Arbeitsamt
(Agentur für Arbeit) als arbeitssuchend beschränken dürfen. Der Beamte ist gehal-
ten, sich fortwährend z.B. auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im
Internet zu bewerben, und auch selbst, beispielsweise durch eigene Stellengesuche,
initiativ zu werden. Im Übrigen wird auf die Hinweise im erstinstanzlichen Urteil (UA
S. 11) Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Heeren Müller