Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

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Rechtsquellen:
AEG § 20 Abs. 2 Satz 1
BImSchG §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 2
16. BImSchV § 2 Abs. 1, § 3
Stichworte:
Abwägungsspielraum; Alternativenvergleich; Auswahlentscheidung; besonders über-
wachtes Gleis; Betriebserschwernisse; Einwendungsausschluss; Erschütterungs-
schutz; Gesundheitsgefährdung; Grobprüfung; Holzschwellen; Kosten-Nutzen-Analy-
se; Lärmschutzkonzept; Lärmschutzmaßnahme; Nahverkehrsstrecke; Planfeststel-
lung; Schallschutz-Mittelwand; Verhältnismäßigkeitsprüfung; Vorbelastung; Vorrang
aktiven Schallschutzes.
Leitsätze:
1. Die Darlegungsanforderungen an Einwendungen im Planfeststellungsverfahren
müssen sich an den Möglichkeiten betroffener Laien orientieren. Ausführungen, die
wissenschaftlich-technischen Sachverstand voraussetzen, können von einem Ein-
wender regelmäßig nicht erwartet werden.
2. Die Auswahl zwischen verschiedenen Schallschutzmaßnahmen ist Bestandteil der
nach § 41 Abs. 2 BImSchG gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der die
Planfeststellungsbehörde über einen begrenzten Abwägungsspielraum verfügt.
3. Ein Vergleich alternativer Lärmschutzkonzepte hat sich primär an der jeweiligen
Schutzwirkung für die durch unzumutbare Lärmeinwirkungen Betroffenen und allen-
falls sekundär an dem jeweiligen Schutz der gesamten Umgebungsbebauung zu
orientieren.
4. Der Einbau von Holzschwellen in eine Bahnstrecke ist keine Lärmschutzmaßnah-
me, die im Rahmen der Auswahl zwischen verschiedenen Lärmschutzkonzepten be-
rücksichtigt werden müsste.
Urteil des 9. Senats vom 3. März 2004 - BVerwG 9 A 15.03
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
- 2 -
BVerwG 9 A 15.03
Verkündet
am 3. März 2004
Ott
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 3 -
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t , Prof. Dr. R u b e l ,
Dr. E i c h b e r g e r und Dr. N o l t e
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu gleichen Tei-
len.
- 4 -
G r ü n d e :
I.
Die Kläger wenden sich mit dem Verlangen nach verbessertem Lärmschutz und
nach Erschütterungsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-
Bundesamtes vom 9. Dezember 2002 für die Grunderneuerung eines Abschnitts der
S-Bahn Berlin "S 3". Die Kläger zu 2 bis 5 und 10 sind Eigentümer selbst genutzter
Wohnungen, die übrigen Kläger Mieter von Wohnungen, die sich überwiegend in den
oberen Geschossen von Gebäuden der ersten Bebauungsreihe beiderseits der ge-
nannten Bahnstrecke befinden.
Im Planfeststellungsabschnitt verläuft die S-Bahn in Ost-West-Richtung. Vom Ab-
schnittsbeginn östlich der Wielandstraße wird sie zusammen mit der Fernbahn bis
westlich der Eisenbahnüberführung Holtzendorffstraße auf einem Damm geführt, an-
schließend verläuft sie von der Fernbahn abzweigend bis zum Abschnittsende hinter
dem Bahnhof Westkreuz in Einschnittslage. Die geplante Grunderneuerung umfasst
die Erneuerung bahntechnischer Anlagen sowie deren Anpassung an das heutige
technische Regelwerk. Darüber hinaus ist vorgesehen, den S-Bahnhof Charlotten-
burg nach Osten bis dicht an die Station der benachbarten U-Bahn zu verschieben,
um das Umsteigen zwischen S- und U-Bahn zu erleichtern. Dazu ist es notwendig,
die Lage der Gleise zu verändern.
Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens veranlasste die Anhörungsbehörde die öf-
fentliche Auslegung der Planunterlagen in der Zeit vom 6. November bis zum 6. De-
zember 2000; zuvor war in der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung auf den
Ausschluss verspätet erhobener Einwendungen hingewiesen worden. Alle Kläger
machten fristgerecht von der Möglichkeit Gebrauch, zu dem Vorhaben Stellung zu
nehmen. Die Kläger zu 1 bis 5, 7, 8, 10 und 11 wandten sich u.a. gegen das vorge-
sehene Lärmschutzkonzept und rügten fehlenden Schutz vor Erschütterungen. Infol-
ge des Vorhabens würden auf ihre Wohnungen Lärmimmissionen einwirken, die
nach dem aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung die Grenze zur Gesundheits-
gefährdung überschritten. Die geplanten Lärmschutzwände verschandelten das
Stadtbild. Statt ihrer müssten alternative Schutzvorkehrungen wie das besonders
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überwachte Gleis (büG), eine schallabsorbierende Lagerung oder Einkleidung der
Gleise und die Errichtung von Schallschutzwänden zwischen den Gleisen in Betracht
gezogen werden. Die durchgeführte erschütterungstechnische Untersuchung sei in
ihren Einzelschritten nicht nachvollziehbar und in ihren Bewertungen unhaltbar. Die
Kläger zu 6 und 9 wandten sich gegen die Errichtung von Lärmschutzwänden und
forderten stattdessen den Einbau von Lärmschutzfenstern. Der Kläger zu 6 wies zu-
sätzlich darauf hin, dass es in seiner Wohnung schon bisher zu Vibrationen durch
den Bahnbetrieb komme.
Zu einer im Erörterungstermin seitens der Beigeladenen in Aussicht gestellten Ände-
rung des Lärmschutzkonzepts kam es nicht; die Beigeladenen vertraten vielmehr
unter Berufung auf eine vergleichende Untersuchung des von ihnen beauftragten
Gutachterbüros die Auffassung, dass die vorgesehenen Lärmschutzwände wirkungs-
voller und kostengünstiger seien als der zwischenzeitlich erwogene Einsatz des büG.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2002 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für
das Vorhaben fest.
Der festgestellte Plan sieht beiderseits des Streckenteils, an dem die Kläger wohnen,
2 m hohe Lärmschutzwände vor. Durch Nebenbestimmung A.3.5.2 i.V.m. Anhang III
der schalltechnischen Untersuchung werden unter anderem den Klägern zu 1 bis 6,
8 und 11 für ihre Wohnungen Ansprüche auf passiven Schallschutz nach Maßgabe
der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) eingeräumt.
Durch Nebenbestimmung A.3.6 wird den Beigeladenen aufgegeben, ihre Erschütte-
rungsprognose innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach Inbetriebnahme des
Streckenabschnitts durch Messungen zu überprüfen und im Fall rechtlich relevanter
Abweichungen zum Nachteil der Anlieger eine ergänzende Planung zwecks Festset-
zung von Schutzvorkehrungen bzw. Entschädigung vorzulegen.
Die Einwendungen der Kläger wies der Planfeststellungsbeschluss im Wesentlichen
zurück. Das Vorhaben führe beiderseits der Bahntrasse zu Lärmpegelerhöhungen
von bis zu 1,8 dB(A) am Tag und 1,2 dB(A) in der Nacht. Während bezogen auf die
Tagesstunden für keinen Immissionsort ein Anspruch auf Lärmvorsorge ermittelt
worden sei, ergäben sich nachts an vielen Orten Immissionswerte von 60 dB(A) und
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mehr, so dass Lärmvorsorge geboten sei. Mit dem Einsatz 2 m hoher Schutzwände
beiderseits der Trasse würden in den unteren Stockwerken an allen Immissionsorten
deutliche Pegelminderungen von 3 bis 14 dB(A) erzielt. In den oberen Stockwerken
liege die Minderung immer noch zwischen 1 und 5 dB(A). Für 577 Wohneinheiten
bestehe Anspruch auf ergänzenden passiven Schallschutz dem Grunde nach. Der
Einsatz anderer lärmmindernder Maßnahmen sei im Vergleich zu dem planfestge-
stellten Lärmschutzkonzept nicht vorzugswürdig. Das gelte zum einen für das büG.
Werde es allein auf den Fernbahngleisen angewandt, so verbessere sich der Schutz
der Anwohner nicht. Die Kosten lägen hingegen mit 6,1 Mio. € über den Kosten von
5,74 Mio. € für das planfestgestellte Schutzkonzept. Der Einsatz des büG auf den
Fern- und den S-Bahngleisen würde im Vergleich zur Errichtung der Wände zu ge-
ringfügigen Verbesserungen der Schutzwirkung führen, die den Kostenmehraufwand
von 14,84 Mio. € jedoch nicht rechtfertigten. Die Errichtung von Schallschutzwänden
zwischen den Gleisen sei gleichfalls keine günstigere Alternative. So genannte nied-
rige Schallschutzwände mit einer Höhe von max. 0,7 m müssten unmittelbar neben
jedem Gleis errichtet werden, um eine den planfestgestellten Wänden vergleichbare
Wirkung zu entfalten. Dies würde nicht nur zu technischen Problemen, sondern auch
zu erheblichen Kosten führen, ohne dass die Wirkung sicher vorhersehbar sei. Für
höhere Mittelwände fehle der nötige Abstand zwischen den Gleisen. Unter anderem
im Bahnhofsbereich müssten zudem erhebliche Lücken offen gelassen werden. Der
Einbau von Holz- statt Betonschwellen als lärmmindernde Maßnahme komme nicht
in Betracht. Es handele sich dabei nicht um eine Maßnahme aktiven Lärmschutzes,
sondern um eine Fahrbahnart. Ein Anspruch auf Maßnahmen des Erschütterungs-
schutzes bestehe nicht. Soweit nach der durchgeführten erschütterungstechnischen
Untersuchung mit rechtserheblichen Erschütterungen zu rechnen sei, werde die Zu-
nahme weit unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegen mit der Folge, dass das
Maß zumutbarer Belastungen nicht überschritten werde.
Der Planfeststellungsbeschluss ist durch öffentliche Bekanntmachung, die am
24. Februar 2003 abgeschlossen wurde, zugestellt worden.
Mit ihrer am 24. März 2003 erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen
geltend: Der Planfeststellungsbeschluss trage ihren Lärmschutzbelangen nicht aus-
reichend Rechnung. Eine substantielle Anhörung zu dem planfestgestellten Schutz-
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konzept sei unterblieben. Mit Rücksicht auf die Zusage des Vorhabenträgers im Erör-
terungstermin, ein neues Lärmschutzkonzept unter Berücksichtigung des büG aus-
zuarbeiten, sei das bis dahin zugrunde gelegte und später planfestgestellte Schutz-
konzept nicht mehr erörtert worden. Deshalb wäre eine Nacherörterung notwendig
gewesen. Das planfestgestellte Schutzkonzept habe alternative Lärmschutzmaß-
nahmen, die auch die oberen Geschosse der lärmbetroffenen Wohnhäuser effektiv
schützen würden, nicht ausreichend berücksichtigt. Für Schallschutz-Mittelwände sei
auf Teilstücken des Planfeststellungsabschnitts durchaus genügend Platz vorhan-
den. Dass insoweit Sicherheitsbedenken gegen den Einbau von Mittelwänden be-
stünden, sei nicht nachvollziehbar belegt. Der Einbau von Holzschwellen als lärm-
mindernde Fahrbahnart sei ungeprüft abgelehnt worden. Bezogen auf das büG habe
die Planfeststellungsbehörde verkannt, dass dieses Schutzverfahren in Kombination
mit Mittelwänden, eventuell ergänzt durch niedrigere Außenwände, einen besseren
Schutz biete als die planfestgestellten Außenwände. Es schütze vor allem die be-
sonders lärmbelasteten Wohnungen in den höheren Geschossen effektiver als die
vorgesehenen Lärmschutzwände. Zudem sei vernachlässigt worden, dass die auf
Spundwände aufgesetzten Schutzwände das Stadtbild stark beeinträchtigten. Die
dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Annahmen zum Kostenver-
gleich zwischen Lärmschutzwänden und büG seien unschlüssig. Insbesondere sei
nicht nachvollziehbar begründet worden, warum entgegen früheren Angaben wäh-
rend einer Arbeitsschicht lediglich eine Gleislänge von max. 400 m geschliffen wer-
den könne. Die Schleifarbeiten müssten sich nicht auf die nächtliche Bahnbetriebs-
pause von zwei Stunden beschränken; auf der Bahntrasse stünden bis zu acht paral-
lel verlaufende und teilweise durch Weichen miteinander verbundene Gleise zur
Verfügung, die es ermöglichten, den Bahnverkehr durch betriebliche Vorkehrungen
auch während des Schleifens aufrechtzuerhalten. Bezogen auf die vorhabenbeding-
ten Erschütterungen sei zu beanstanden, dass die Planfeststellungsbehörde das
Schutzsystem der einschlägigen DIN 4150-2 nicht konsequent angewandt habe.
Nach dieser Norm sei bei Nahverkehrsstrecken das 1,5fache des in ihr benannten
Anhaltswerts als Zumutbarkeitsgrenze anzunehmen, auch wenn es sich nicht um
eine Neubau-, sondern um eine Bestandsstrecke handele.
Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verpflichten, unter entsprechender Änderung ihres Planfeststel-
lungsbeschlusses vom 9. Dezember 2002 über den Anspruch der Kläger auf
Schutz vor unzumutbaren Lärm- und Erschütterungsimmissionen unter Beach-
tung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor: Das planfestgestellte Lärmschutzkonzept gebe keinen
Anlass zu Beanstandungen. Das büG biete nicht nur bei einem auf die Fernbahn be-
schränkten Einsatz, sondern auch bei Einsatz auf Fern- und S-Bahn einen geringe-
ren Schutz als die angeordneten Lärmschutzwände. Bei Errichtung der Wände sei
die durchschnittlich erzielbare Pegelminderung höher und es müsse nur in geringe-
rem Umfang ergänzender passiver Lärmschutz geleistet werden. Die Kosten für das
büG seien im Planfeststellungsbeschluss nicht zu hoch angesetzt worden; sie be-
rücksichtigten die Besonderheiten auf der S-Bahn. Kostenaspekte seien für die Ab-
wägung ohnehin nur von nachgeordneter Bedeutung gewesen. Lärmschutz-Mittel-
wände seien keine geeignete Alternative zu den angeordneten Außenwänden,
gleichgültig ob es sich um herkömmliche Mittelwände oder um sog. niedrige Mittel-
wände handele, die unmittelbar am jeweiligen Gleis errichtet werden müssten. Na-
mentlich brächten herkömmliche Mittelwände dort, wo sie angesichts der vorhande-
nen Gleisabstände überhaupt Platz fänden, keine greifbaren Vorteile gegenüber Au-
ßenwänden, da letztere in diesen Bereichen direkt auf dem Bahndamm montiert
werden könnten, dessen Bewuchs ihre optische Wirkung stark abmildere. Mit ihrer
Forderung nach Einsatz von Holzschwellen seien die Kläger präkludiert. Holzschwel-
len entsprächen heute wegen des hohen Instandhaltungsaufwands nicht mehr dem
Stand der Technik. Bezogen auf die Forderung nach Erschütterungsschutz sei jeden-
falls der Kläger zu 9 mit seinem Vortrag präkludiert. Unabhängig davon lasse sich
nicht nachvollziehen, warum für die Ermittlung von Schutzansprüchen infolge der
Änderung einer Bahnanlage unterschiedliche Beurteilungskriterien bei S-Bahn- und
Fernbahnvorhaben herangezogen werden sollten, wie es die Kläger aus der
DIN 4150-2 ableiteten.
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Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie unterstützen das Vorbringen der Beklagten und vertiefen namentlich deren Dar-
legungen zum Vergleich zwischen den angeordneten Schallschutzwänden und dem
büG.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger können nicht beanspruchen, dass die Beklagte
über die von ihnen geforderte Veränderung des aktiven Schallschutzes und über
Maßnahmen des Erschütterungsschutzes unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut entscheidet.
1. Die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses über Maßnahmen des Schut-
zes vor unzumutbaren Lärmimmissionen verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
a) Die Entscheidung über das Lärmschutzkonzept ist nicht wegen unzureichender
Erörterung dieses Konzepts verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Den Klägern
stand es frei, im Erörterungstermin ihre gegen das Konzept schriftlich erhobenen
Einwendungen aufzugreifen und zu vertiefen. Weder hat der Versammlungsleiter
Stellungnahmen hierzu unter Berufung auf die von dem Bevollmächtigten der Beige-
ladenen in Aussicht gestellte Planänderung unterbunden noch konnten die Kläger
aufgrund der Erklärungen des Bevollmächtigten davon ausgehen, das zunächst in
das Anhörungsverfahren eingebrachte und später planfestgestellte Konzept sei hin-
fällig geworden und gebe deshalb keinen Anlass mehr zur Erörterung. Der Bevoll-
mächtigte hatte seine Ankündigung eines veränderten Konzepts vielmehr ausdrück-
lich unter den Vorbehalt gestellt, dass die Vorhabenträger hierfür einen Auftrag erteil-
ten. Der Bevollmächtigte der Kläger betonte in dem Erörterungstermin folgerichtig, es
gebe keine Zusage eines neuen Konzepts.
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b) Die im Planfeststellungsbeschluss zum Schutz gegen Lärm getroffenen Regelun-
gen enthalten auch in materiellrechtlicher Hinsicht keine Mängel, die dem Begehren
veränderten Lärmschutzes zum Erfolg verhelfen würden.
aa) Der Einwendungsausschluss gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 des Allgemeinen Eisen-
bahngesetzes (AEG) kann weder den Klägern zu 6 und 9 generell für ihre Rüge, die
Planfeststellungsbehörde habe alternative Konzepte aktiven Schallschutzes nicht
oder nicht hinreichend in Erwägung gezogen, noch den übrigen Klägern speziell für
ihre Rüge, der Einbau von Holzschwellen als alternative Maßnahme zur Lärmminde-
rung sei in der Planfeststellung unzureichend berücksichtigt worden, entgegengehal-
ten werden. Die erhobenen Einwendungen reichten aus, um den Klägern diese Rü-
gen offen zu halten. Die Darlegungsanforderungen im Anhörungsverfahren müssen
sich an den Möglichkeiten planungsbetroffener Laien orientieren. Von einem Ein-
wender kann erwartet werden, dass er seine eigene Rechtsbetroffenheit darlegt und
gegen die Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich einem Laien
in seiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her erschlie-
ßen. Weitergehende Ausführungen, die wissenschaftlich-technischen Sachverstand
erfordern, können hingegen grundsätzlich nicht verlangt werden. Ein Einwendungs-
ausschluss, der dies vernachlässigte, wäre mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes
unvereinbar.
Hiervon ausgehend reichten die Einwendungen aus, um den Klägern die in Rede
stehenden Rügen offen zu halten. Die Kläger haben während der Einwendungsfrist
ihre rechtliche Betroffenheit durch die Lärmschutzwände dargetan und aufgezeigt,
aus welchen Erwägungen sie die Wände ablehnen. Darüber hinausgehende Ausfüh-
rungen zu technischen Alternativen erfordern ein Spezialwissen und konnten daher
nicht erwartet werden. Das gilt umso mehr, als die zu den ausgelegten Planunterla-
gen gehörende schalltechnische Untersuchung vom 31. Januar 2000 nur die Vor-
und Nachteile unterschiedlich hoher Seitenwände erörterte, andere Alternativen hin-
gegen nicht ansprach. Die Kläger zu 6 und 9 sind mit ihrer Forderung alternativen
aktiven Schallschutzes auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie im Anhö-
rungsverfahren ausdrücklich passiven Schallschutz anstelle 2 m hoher Schallschutz-
wände verlangt haben. Mit dieser Forderung wollten sie ersichtlich nur die Konse-
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quenz aus ihrer Ablehnung der geplanten Wände ziehen, ohne zugleich eine gene-
relle Ablehnung aktiven Schallschutzes zum Ausdruck zu bringen.
bb) Der von den Klägern erhobene Anspruch auf erneute Entscheidung über anders
gestalteten aktiven Schutz vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen findet in den
maßgeblichen Vorschriften der §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2
Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) keine Stütze.
Nach diesen Bestimmungen ist bei einer wesentlichen Änderung von Schienenwe-
gen, wie sie hier für die Nachtstunden in Rede steht, grundsätzlich sicherzustellen,
dass die Beurteilungspegel die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte nicht über-
schreiten; dies gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis
zu dem angestrebten Schallzweck stehen würden. Der Betroffene hat also prinzipiell
einen Anspruch auf "Vollschutz" durch aktive Schutzmaßnahmen, von dem aber
nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BImSchG Abstriche möglich sind. Der Senat hat
wiederholt entschieden, dass sich die nach dieser Vorschrift gebotene Verhältnismä-
ßigkeitsprüfung auf der Grundlage einer für die Planfeststellungsbehörde mit be-
grenzten Spielräumen verbundenen planerischen Abwägung vollziehen muss (vgl.
Urteile vom 5. März 1997 - BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <139> und vom
15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <380 ff.>). Bestandteil der
Abwägung ist namentlich die Auswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommen-
den Schallschutzmaßnahmen. Typischerweise haben solche Maßnahmen, bezogen
auf die Schutzwirkung, ihre Stärken und Schwächen, verursachen verschieden hohe
Kosten und tangieren andere Belange in unterschiedlicher Weise. Die daraus folgen-
den Zielkonflikte lassen sich nur planend bewältigen. Deshalb ist der Planfeststel-
lungsbehörde auch und gerade für die Auswahlentscheidung über das Schallschutz-
konzept ein Abwägungsspielraum eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März
1997, a.a.O., S. 134). Anders als das allgemeine Planungsermessen besteht er frei-
lich nur in den durch § 41 Abs. 2 BImSchG gezogenen Grenzen. Die Planfeststel-
lungsbehörde hat ihre Auswahlentscheidung dementsprechend an dem grundsätzli-
chen Vorrang aktiven Schallschutzes vor Maßnahmen passiven Schallschutzes zu
orientieren und im Rahmen ihrer Prüfung eine hinreichend differenzierte Kosten-
Nutzen-Analyse vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000, a.a.O.,
S. 381 ff.). Hierbei muss sie allerdings nicht alle denkbaren Alternativen einschließ-
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lich möglicher Maßnahmenkombinationen in gleicher Tiefe untersuchen. Ausreichend
ist schon eine Grobprüfung, soweit sich bereits auf deren Grundlage die Vorzugs-
würdigkeit eines bestimmten Konzepts abzeichnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März
2000, a.a.O., S. 388).
Hiervon ausgehend ist die Entscheidung der Beklagten, 2 m hohen Schallschutz-
wänden den Vorzug vor anderen Maßnahmen aktiven Schallschutzes zu geben, im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
(1) Das von den Klägern als Kernstück eines alternativen Lärmschutzkonzepts ange-
sehene büG hat die Beklagte in zwei Varianten untersucht: zum einen beschränkt auf
die Fernbahn, zum anderen eingesetzt auf Fern- und S-Bahn.
Den auf die Fernbahn beschränkten Einsatz hat sie mit der Begründung abgelehnt,
dass diese Maßnahme den Schutz der Anwohner nicht verbessere, die Kosten aber
anstiegen. Der Sache nach hat sie der Maßnahme sogar eine geringere Schutzwir-
kung als den angeordneten Schutzwänden beigemessen, wie sich aus den weiteren
Ausführungen ergibt, wonach bei Einsatz des büG auf der Fernbahn mehr Anwohner
Anspruch auf passiven Schallschutz erhielten und das Verhältnis zwischen den ver-
schiedenen Schallschutzklassen sich deutlich von den Klassen =/< 1 zur Klasse 2
verschiebe.
Die vergleichende Bewertung der Schutzwirkung findet in den von den Beigeladenen
veranlassten lärmtechnischen Untersuchungen, deren ordnungsgemäße Durchfüh-
rung auch die Kläger nicht mehr in Frage stellen, eine tragfähige Grundlage. Zwar
ergibt sich aus diesen Untersuchungen, dass die Wände für die Mehrheit der Kläger
bei den kritischen Nachtwerten eine geringere Schutzwirkung entfalten als das büG
auf der Fernbahn. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, denn ein sachge-
rechter Alternativenvergleich hat die Wirkung bereichsbezogen in den Blick zu neh-
men (BVerwG, Urteil vom 15. März 2000, a.a.O., S. 382). Insoweit ist vorrangig auf
diejenigen Immissionspunkte (Geschosse) abzustellen, an denen unzumutbare
Lärmeinwirkungen auftreten. Denn nach § 41 BImSchG geht es darum, inwieweit die
hiervon Betroffenen Anspruch auf aktiven Schallschutz haben. Ob und inwieweit an-
dere Betroffene, die nicht unzumutbar durch Lärm beeinträchtigt sein werden und
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demgemäß nur die abwägungsfehlerfreie Berücksichtigung ihrer Lärmschutzbelange
verlangen können, durch die jeweiligen Schutzmaßnahmen begünstigt werden, kann
hingegen bei der Auswahl der Maßnahmen, mit denen der Anspruch nach § 41
BImSchG erfüllt werden soll, allenfalls ergänzend berücksichtigt werden. Maßgeblich
sind für den konkreten Alternativenvergleich die Nachtwerte, da für die Tagesstunden
die Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung nicht gegeben sind. Die lärm-
technische Stellungnahme vom 27. Januar 2004 weist unter Nr. 1.1.1 bei Errichtung
der planfestgestellten Schutzwände für die Gesamtheit der Geschosse, die geschützt
werden müssen, eine arithmetisch gemittelte Pegelminderung von 3,4 dB(A) nachts
aus. Der entsprechende Mittelwert für das büG auf der Fernbahn liegt mit 1,3 dB(A)
(Nr. 1.2.1 der Stellungnahme) weit darunter. Selbst für die oberen Geschosse erzie-
len die Wände hier im Mittel noch eine - wenn auch geringfügig - stärkere Schutz-
wirkung als das büG auf der Fernbahn. Die lärmtechnische Überlegenheit des plan-
festgestellten Konzepts zeigt sich auch bei einem Vergleich des Umfangs jeweils er-
gänzend notwendigen passiven Schallschutzes, und zwar sowohl, was die Zahl der
jeweils Anspruchsberechtigten anbelangt (577 im Fall der Schallschutzwände, 583
im Fall des büG auf der Fernbahn), als auch bezogen auf das jeweilige Verhältnis
der einschlägigen Schallschutzklassen (im Fall der Schallschutzwände 186 Wohn-
einheiten der Schallschutzklasse < 1, 361 Wohneinheiten der Klasse 1, 30 Wohnein-
heiten der Klassen =/> 2, im Fall des büG 28 Wohneinheiten der Klasse < 1,
467 Wohneinheiten der Klasse 1, 88 Wohneinheiten der Klassen =/> 2).
Der Kostenvergleich im Planfeststellungsbeschluss beruht auf Annahmen, die eben-
falls keinen durchgreifenden Bedenken begegnen. Im Klageverfahren haben die Bei-
geladenen die einzelnen Kostenansätze unter Würdigung der konkreten örtlichen
Verhältnisse schlüssig erläutert. Das gilt für die Kosten der einzelnen Schleifschicht
ebenso wie für die Länge der zum Schleifen vorgesehenen Betriebspausen, für die
davon angesichts der notwendigen Vor- und Nachbereitungsarbeiten effektiv zum
Schleifen nutzbare Zeitspanne und für den erforderlichen Schleifturnus. Die unter-
schiedlichen Längenansätze für die Schutzwände und die Schleifstrecken auf den
einzelnen Gleisen haben sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend damit be-
gründet, dass zur Erzielung des vollen Schutzeffekts über den Bereich der zu schüt-
zenden Bebauung hinaus geschliffen werden muss. Dies alles haben die Kläger nicht
substantiiert in Frage gestellt. Entgegen ihrer Auffassung erweist sich auch die Ver-
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anschlagung der Gesamtaufwendungen für das Schleifen auf einen Kapitalbetrag,
aus dessen Zinsen die jährlichen Schleifkosten erwirtschaftet werden können, als
tragfähig. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, die Schleifkosten fielen auf unab-
sehbare Zeit an. Unter dieser Voraussetzung scheidet jede Berechnung aus, die ei-
nen schrittweise erfolgenden Kapitaleinsatz für die wiederkehrenden Kosten zugrun-
de legt. Der Verzicht auf eine zeitliche Begrenzung ist mit Blick auf die Verkehrsbe-
deutung des in Rede stehenden Verkehrsweges gerechtfertigt. Auch die Vergleich-
barkeit mit den Kosten der planfestgestellten Schutzwände ist keinen Bedenken aus-
gesetzt, da die Beklagte hinsichtlich der Aufwendungen für die Erhaltung und Erset-
zung der Wände entsprechend verfahren ist. Von einer erheblichen Kostenersparnis
für sich erübrigendes oberbautechnisches Schleifen kann nicht ausgegangen wer-
den. Nach den von den Klägern nicht mehr substantiiert angegriffenen Erläuterungen
seitens der Beigeladenen müssten die Gleise aus oberbautechnischen Gründen nur
etwa alle sechs Jahre geschliffen werden, wobei die Schleifleistung sehr viel höher
läge als die des akustischen Schleifens.
Die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung haben allerdings ergeben, dass im
Bereich des Bahnhofs Charlottenburg zwei in gleicher Richtung verlaufende Fern-
bahngleise am Anfang und Ende eines 800 m langen Abschnitts durch Weichen ver-
bunden sind; auf diesem Abschnitt könnte der Schleifvorgang bei wechselnder Sper-
rung der beiden Gleise und entsprechender Führung des Zugverkehrs über die
nächtliche Bahnbetriebspause hinaus fortgesetzt werden. Dadurch ließen sich zwei
Schleifschichten einsparen mit der Folge, dass die Kosten für das büG um etwa ein
Viertel sänken und somit einschließlich der Aufwendungen für ergänzenden passiven
Schallschutz bei etwa 5 Mio. € im Vergleich zu 5,74 Mio. € für die planfestgestellte
Lösung lägen. Der Preis für eine solche Kostensenkung wären allerdings die mit den
Zugumleitungen verbundenen Betriebserschwernisse.
Unter diesen Umständen ist die Entscheidung der Beklagten, den Lärmschutzwän-
den den Vorzug vor dem büG auf der Fernbahn zu geben, keinen rechtlichen Beden-
ken ausgesetzt. Da die Wände die Beurteilungspegel im Mittel mehr als doppelt so
stark senken wie die Alternativmaßnahme, tragen sie dem von § 41 Abs. 2 BImSchG
grundsätzlich geforderten Vorrang aktiven Lärmschutzes sehr viel besser Rechnung
als jene. Unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen dafür nicht, weil die Aufwendun-
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gen für die Alternativmaßnahme in Abhängigkeit von der Bereitschaft zur Inkaufnah-
me bahnbetrieblicher Erschwernisse entweder etwas niedriger oder sogar höher lä-
gen.
Die Rüge der Kläger, die Abwägung sei fehlerhaft wegen unzureichender Berück-
sichtigung der negativen Auswirkungen der Schallschutzwände auf das Stadtbild und
der optischen Beeinträchtigung ihres Wohnumfeldes, greift nicht durch. Die Beklagte
hat die genannten Effekte geprüft und in nicht zu beanstandender Weise bewertet.
Dabei hat sie auch die Planungsalternative des büG berücksichtigt. Fehlgewichtun-
gen sind hierbei nicht ersichtlich. Für die Auswirkungen auf das Stadtbild kommt hin-
zu, dass ein öffentlicher Belang in Rede steht, auf den sich die Kläger nicht berufen
können.
Für die Planungsalternative des büG auf Fern- und S-Bahn geht der Planfeststel-
lungsbeschluss von einer im Vergleich zu den angeordneten Schallschutzwänden
geringfügig besseren Schutzwirkung bei weit höheren, als unverhältnismäßig erach-
teten Kosten aus. Auch das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Ein Vergleich der jeweils ergänzend notwendigen Maßnahmen passiven Schall-
schutzes, auf den sich der Planfeststellungsbeschluss für seine Bewertung der
Schutzwirkung bezieht, spricht allerdings sogar eher für eine bessere Schutzwirkung
der Wände. Immerhin liegt die Zahl der Betroffenen mit Anspruch auf ergänzenden
passiven Schallschutz bei Einsatz des büG auf Fern- und S-Bahn höher als bei Er-
richtung der Wände und die Zahl der Wohneinheiten mit Anspruch auf Fenster der
Schallschutzklassen =/> 2 nimmt von 30 auf 80 zu. Auch der für das büG auf Fern-
und S-Bahn in Ansatz gebrachte Pegelminderungswert von 3 dB(A) unterschreitet
den Vergleichswert für die Wände. Zu Gunsten des büG auf Fern- und S-Bahn fällt
andererseits ins Gewicht, dass diese Maßnahme dem Gesichtspunkt der Gleichbe-
handlung aller unzumutbar Lärmbetroffenen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 24. Sep-
tember 2003 - BVerwG 9 A 69.02 - BauR 2004, 295 <299>) besser Rechnung trägt;
ihre Schutzwirkung kommt allen Geschossen gleichermaßen zugute, während die
mittleren Pegelminderungen durch die Schallschutzwände für die einzelnen Ge-
schosse zwischen 1,3 und 8,6 dB(A) variieren.
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Unabhängig von diesen Feinheiten der Bewertung war die Beklagte aber jedenfalls
nicht gehalten, dem büG auf Fern- und S-Bahn eine erheblich bessere Schutzwir-
kung als den planfestgestellten Schutzwänden beizumessen. Namentlich haben die
Kläger nicht substantiiert dargetan, dass für diese Maßnahme eine Pegelminderung
von 4 bis 6 dB(A) hätte berücksichtigt werden müssen. Ihr Hinweis, auf der S-Bahn
verkehrten nur scheibengebremste Züge, reicht dazu für den Streckenteil der ge-
meinsamen Führung von Fern- und S-Bahn schon deshalb nicht aus, weil insoweit
die auch von klotzgebremsten Zügen frequentierte Fernbahn in die Berechnung ein-
bezogen werden musste. Aber auch für den weiteren Streckenteil der S-Bahn ist
nicht erkennbar, dass die Beklagte gehalten gewesen wäre, trotz des durch Verriffe-
lung der Gleise bedingten Lärmanstiegs im Verlauf der Schleifintervalle eine bestän-
dig über 3 dB(A) hinausgehende Pegelminderung als gesichert zugrunde zu legen.
Eine deutliche Überlegenheit des büG auf Fern- und S-Bahn gegenüber den Wänden
lässt sich auch nicht auf die Erwägung stützen, die stärkere Lärmbelastung der vom
büG begünstigten Wohnungen in den oberen Geschossen verschaffe diesen eine
erhöhte Schutzwürdigkeit. Denn die oberen Geschosse unterliegen nicht nur einer
höheren Prognosebelastung, sondern auch einer entsprechend höheren - ihre
Schutzwürdigkeit wiederum mindernden - Vorbelastung. Eine besondere Ausrichtung
der Maßnahmen aktiven Schallschutzes auf die Belange der Nutzer weiter oben ge-
legener Wohnungen war ferner nicht unter dem von den Klägern geltend gemachten
Gesichtspunkt gesundheitsgefährdenden Lärms geboten. Eine etwaige gesundheits-
gefährdende Gesamtbelastung durch Lärmimmissionen kann nämlich unabhängig
davon, welche der alternativ in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen realisiert
wird, jedenfalls durch ergänzenden passiven Schallschutz vermieden werden.
Die im Planfeststellungsbeschluss angegebenen Kosten für das büG auf Fern- und
S-Bahn folgen bei Zugrundelegung einer Schleifstrecke von insgesamt 12 km
schlüssig aus den Kostenansätzen, die in die Kalkulation für das büG auf der Fern-
bahn eingegangen sind und - wie im Zusammenhang damit ausgeführt wurde - kei-
nen Bedenken begegnen. Dass die Beklagte sie als außer Verhältnis stehend zu
dem mit ihnen erzielbaren Nutzen - geringfügig bessere Schutzwirkung, Vermeidung
von Nachteilen für das Stadtbild und das Wohnumfeld der Kläger - erachtet hat, lässt
Abwägungsfehler nicht erkennen. Auch insoweit eröffnet sich allerdings ein Spiel-
raum, durch bahnbetriebliche Maßnahmen die Kosten zu senken. Da die S-Bahnglei-
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se, die auf einer Länge von 9 km geschliffen werden müssen, durch zahlreiche Wei-
chen miteinander verknüpft sind, könnten die Schleifarbeiten für alle S-Bahngleise
durch Sperrung einzelner Gleisabschnitte über die zweistündige Bahnbetriebspause
hinaus ausgedehnt werden. Dies bedeutet nach den von den Beigeladenen in der
mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen freilich nicht, dass die Gesamt-
strecke fortlaufend geschliffen werden könnte; vielmehr wären auf den einzelnen
Gleisabschnitten jeweils aufwändige Vor- und Nachbereitungsarbeiten nötig. Bei
überschlägiger Betrachtung erscheint es immerhin als vorstellbar, die Zahl der in der
Kalkulation der Beklagten auf die S-Bahn entfallenden ca. 22 Schleifschichten auf die
Hälfte zu verringern. Rechnet man die für die Fernbahn bei entsprechenden betrieb-
lichen Vorkehrungen erforderlichen 6 Schleifschichten hinzu, so ergeben sich zuzüg-
lich der Aufwendungen für ergänzenden passiven Schallschutz Kosten von ca.
12 Mio. €. Das sind immer noch doppelt so hohe Kosten wie für die planfestgestellte
Lösung. Die Mehrkosten bewegen sich auch dann noch in einer solchen Größenord-
nung, dass die Einschätzung, sie stünden außer Verhältnis zu den erzielbaren Vor-
teilen, nicht in Frage gestellt würde. Dies gilt umso mehr, als wiederum gewichtige
Betriebserschwernisse in Kauf genommen werden müssten, um die Schleifkosten in
dem genannten Umfang zu senken.
(2) Ein Mangel der Auswahlentscheidung liegt auch nicht darin, dass die Beklagte die
Errichtung von Lärmschutz-Mittelwänden abgelehnt hat. Trotz der Formulierung im
Planfeststellungsbeschluss, der Einsatz von (niedrigen) Mittelwänden sei "nicht in
Erwägung zu ziehen", geht die Auffassung der Kläger fehl, die Beklagte habe diese
Schutzvariante in ihrer Abwägung unberücksichtigt gelassen. Die Formulierung be-
sagt vielmehr in ihrem Kontext, der auf die Stellungnahme der Beigeladenen Bezug
nimmt, dass Mittelwände jedenfalls aufgrund der Einwendungen der Kläger in den
Blick genommen und erst nach einer Grobprüfung aus dem weiteren Planungspro-
zess ausgeschieden worden sind. Die dafür angeführten Argumente rechtfertigen
dies.
Herkömmliche Mittelwände benötigen Gleisabstände, die auf dem weit überwiegen-
den Teil des Lärmschutz erfordernden Streckenabschnitts nicht zur Verfügung ste-
hen. Soweit die Abstände im direkten Anschluss an die Bahnsteige des Fernbahn-
hofs Charlottenburg auf kurzen Teilstücken ausreichen, wäre der Einbau solcher Mit-
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telwände aus Gründen des Katastrophenschutzes, die von den Beigeladenen näher
erläutert worden sind, wenn nicht ausgeschlossen, so doch mit erheblichen Nachtei-
len verbunden. Auf dem Teilstück westlich der Holtzendorffstraße würde eine Mittel-
wand zwar keinen vergleichbaren Bedenken begegnen; hier käme aber der von den
Klägern betonte Vorteil gegenüber Außenwänden, stadtgestalterisch weniger massiv
in Erscheinung zu treten, nicht wesentlich zum Tragen, da Außenwände in diesem
Bereich nicht auf Spundwänden, sondern auf dem durch Bewuchs abgeschirmten
Bahndamm montiert werden sollen. Unter diesen Umständen war es nicht abwä-
gungsfehlerhaft, dass die Beklagte sich schon nach einer Grobprüfung gegen her-
kömmliche Mittelwände entschied.
Niedrige Mittelwände (von maximal 0,7 m Höhe nahe dem Gleis) haben, besonders
wenn der Bahnkörper wie hier zahlreiche Gleise umfasst, im Planfeststellungsbe-
schluss näher ausgeführte und von den Klägern nicht substantiiert in Zweifel gezo-
gene Nachteile, die ihre Eignung nachhaltig infrage stellen. Auch für diese Variante
ist mithin nicht feststellbar, dass sie als ernsthaft in Betracht kommende Alternative
einer eingehenderen Prüfung hätte unterzogen werden müssen.
(3) Der Einbau von Holzschwellen in das Gleisbett ist keine Lärmschutzmaßnahme,
die im Rahmen der Auswahlentscheidung nach den §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV hätte berücksichtigt werden müssen.
Ob eine lärmreduzierende Maßnahme als Lärmschutzmaßnahme zu qualifizieren
und deswegen der Rechtsfolgenseite der genannten Regelung zuzuordnen ist, be-
stimmt sich nach ihrer objektiven Funktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November
2001 - BVerwG 11 A 31.00 - BVerwGE 115, 237 <243>). Die wesentliche Funktion
eines Gleisbetts einschließlich der Schwellen besteht in seiner konstruktiven Bedeu-
tung für die Gleisanlage; es soll den Gleisen festen Halt geben und dadurch einen
gebrauchstüchtigen und sicheren Schienenweg gewährleisten. Dies trifft unabhängig
davon zu, ob Betonschwellen oder - wie es herkömmlicher Praxis entsprochen hat -
Holzschwellen Verwendung finden. Sofern Holzschwellen zu geringeren Immissionen
des Schienenverkehrs führen als Betonschwellen, handelt es sich um einen bloßen
Nebeneffekt, der für ihre Entwicklung gänzlich unerheblich war. Die Qualifizierung
des Einbaus von Holzschwellen als Lärmschutzmaßnahme würde sich zudem in Wi-
derspruch zu der Systematik der Verkehrslärmschutzverordnung setzen. Tabelle C
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der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV bezeichnet das Schotterbett mit Holzschwellen
ebenso wie das Schotterbett mit Betonschwellen als Fahrbahnart. Beide Bettungs-
systeme werden hierdurch dem Normtatbestand zugeordnet. Die Regelung geht
zwar davon aus, bei Einsatz von Holzschwellen entstehe eine um 2 dB(A) niedrigere
Lärmbelastung, zieht aber daraus nicht die Konsequenz, diese Schwellenart als
Lärmschutzmaßnahme zu behandeln, sondern schreibt vor, dem bereits bei der Be-
rechnung der ohne Schutzvorkehrungen entstehenden Lärmbelastung Rechnung zu
tragen. Die jeweilige Art der Gleisbettung wird also auf der Tatbestandsseite der
Norm als Einflussgröße für das Lärmproblem, nicht hingegen auf der Rechtsfolgen-
seite als Maßnahme zur Problemlösung behandelt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die unterschiedliche Lärmrelevanz verschiedener
Gleisbettungssysteme bei der Planungsentscheidung über ein Vorhaben - abgese-
hen von der Ermittlung der Lärmbelastung - überhaupt keine Rolle spielte. Lärm-
schutzbelange sind ein bedeutsamer Gesichtspunkt der planerischen Abwägung,
ohne dass die immissionsschutzrechtliche Regelung in § 41 BImSchG i.V.m. der
Verkehrslärmschutzverordnung deren Berücksichtigung außerhalb ihres Anwen-
dungsbereichs sperrte. Die Verpflichtung zu aktivem und passivem Lärmschutz ent-
bindet also nicht von der Aufgabe, schon bei der Ausgestaltung eines Vorhabens
Lärmschutzbelange abwägend zu berücksichtigen. Freilich ist der Planfeststellungs-
behörde mit Rücksicht auf die Leitbildfunktion der immissionsschutzrechtlichen Re-
gelung ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen, soweit es um die Nutzbarma-
chung lärmmindernder (Neben-)Wirkungen von Maßnahmen außerhalb des Anwen-
dungsbereichs dieser Regelung geht. Im Regelfall darf sich die Planfeststellungsbe-
hörde damit begnügen, Lärmschutz durch aktive und passive Maßnahmen nach
Maßgabe von § 41 BImSchG i.V.m. der Verkehrslärmschutzverordnung zu gewäh-
ren. In atypischen Fällen können jedoch strengere Anforderungen zu stellen sein.
Das gilt insbesondere, wenn ausnahmsweise keine geeigneten Schutzmaßnahmen
im technischen Sinne zur Verfügung stehen, um unzumutbaren oder gar gesund-
heitsgefährdenden Lärmimmissionen zu begegnen.
Atypische Umstände sind hier nicht vorhanden. Einer von den Klägern behaupteten
gesundheitsgefährdenden Gesamtlärmbelastung durch Schiene und Straße kann
auch mit Lärmschutzmaßnahmen verlässlich begegnet werden. Insoweit darf nicht
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allein auf die durch aktiven Schallschutz bewirkbare Lärmminderung abgestellt wer-
den, sondern es sind auch die Möglichkeiten passiven Schallschutzes zu berücksich-
tigen. Dass eine Kombination der angeordneten Schallschutzwände mit ergänzen-
dem passiven Lärmschutz nicht geeignet wäre, die Einhaltung gesundheitsverträgli-
cher Summenpegel zu gewährleisten, haben die Kläger nicht vorgetragen und ist
auch sonst nicht ersichtlich. In Anbetracht dessen durfte die Beklagte sich damit be-
gnügen, für ihre Entscheidung auf den im Vergleich zu Betonschwellen höheren In-
standhaltungsaufwand für Holzschwellen sowie die hohen Kosten für die Auswechs-
lung der auf der Fernbahn verlegten Betonschwellen zu verweisen, ohne eine vertief-
te Kosten-Nutzen-Analyse durchführen zu müssen. Ob den Beigeladenen im ange-
griffenen Planfeststellungsbeschluss über die Grunderneuerung der S-Bahn über-
haupt die Auswechslung der Fernbahngleise und damit ein technisch-konstruktiver
Eingriff in eine bestandskräftig zugelassene Anlage hätte aufgegeben werden kön-
nen, braucht hiernach nicht entschieden zu werden.
(4) Da die Beklagte die vorgenannten Maßnahmen, namentlich das büG als zentra-
les Element eines alternativen Schutzkonzepts, ohne entscheidungserhebliche Fehl-
erwägungen abgelehnt hat, war sie nicht gehalten, der Möglichkeit niedrigerer Au-
ßenwände weiter nachzugehen; diese Möglichkeit ist von den Klägern selbst nur als
eventuelle Ergänzung der übrigen Vorkehrungen angesprochen worden.
2. Das Begehren, die Beklagte zu einer erneuten Entscheidung über die Anordnung
von Maßnahmen des Erschütterungsschutzes zu verpflichten, kann für den Kläger
zu 9 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil er mit darauf bezogenen Einwänden
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG ausgeschlossen ist. Trotz ortsüblicher Bekanntma-
chung der Planauslegung und eines damit verbundenen Hinweises auf die Rechts-
folgen verspäteter Einwendungen hat er im Anhörungsverfahren zur Frage des Er-
schütterungsschutzes nicht Stellung genommen.
Aber auch die übrigen Kläger können hierzu keine neue Bescheidung verlangen. Der
von ihnen geltend gemachte Anspruch findet in der maßgeblichen Vorschrift des § 74
Abs. 2 Satz 2 VwVfG keine Stütze. Danach sind dem Träger des Vorhabens Schutz-
vorkehrungen aufzuerlegen, wenn das Vorhaben anderenfalls für Dritte unzumutbare
Nachteile hervorrufen würde. Der Planfeststellungsbeschluss geht im Einklang mit
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der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 15. März 2000, a.a.O., S. 392;
Urteil vom 12. April 2000 - BVerwG 11 A 18.98 - BVerwGE 111, 108 <116>; Urteil
vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 27)
davon aus, dass Erschütterungen grundsätzlich nur dann Schutzvorkehrungen erfor-
derlich machen, wenn die Vorbelastung in beachtlicher Weise erhöht wird und gera-
de dadurch eine unzumutbare Belastung eintritt. Die tatsächliche und/oder plange-
gebene Vorbelastung muss hingenommen werden und wirkt sich entsprechend
schutzmindernd aus, es sei denn, sie würde selbst schon die Grenze des Zumutba-
ren überschreiten. Das gilt auch für solche Einwirkungen, die von der Anlage selbst
vor ihrer durch die streitige Planfeststellung zugelassenen Änderung verursacht wor-
den sind (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001, a.a.O., m.w.N.).
Demgegenüber wird von Klägerseite eingewandt, nach den Vorgaben der
DIN 4150-2 komme es für die Änderung von Bahnstrecken des öffentlichen Perso-
nennahverkehrs auf die Vorbelastungen nicht an; anders als bei Fernbahnstrecken
sei insoweit für Neu- und Bestandsstrecken von identischen Anhaltswerten in Höhe
der um den Faktor 1,5 erhöhten Werte der Tabelle 1 dieser technischen Norm aus-
zugehen. Dieser Einwand stellt die Rechtmäßigkeit der behördlichen Beurteilung
nicht infrage. Die ermittelten Erschütterungen werden hier weitgehend durch S- und
Fernbahn gemeinsam verursacht, so dass die Sonderregelung in Nr. 6.5.3.3 der
DIN 4150-2 schon deshalb nicht anwendbar ist.
Von ihrem daher zutreffenden rechtlichen Ansatz aus hat die Planfeststellungsbe-
hörde die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen verneint, weil die Belastung mit Er-
schütterungen, soweit diese die Erheblichkeitsschwelle übersteigen, durch das Vor-
haben in nicht wahrnehmbarem Maße und damit nur geringfügig erhöht werde. Es
besteht kein Anlass, diese Bewertung infrage zu stellen, zumal die Kläger die hierzu
im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Feststellungen im Klageverfahren nicht
substantiiert angegriffen haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 1
VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
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Hien Dr. Storost Prof. Dr. Rubel
Dr. Eichberger Dr. Nolte
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 110 000 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1
GKG).
Hien Dr. Storost Dr. Nolte