Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: wiedereinsetzung in den vorigen stand, ablauf der frist, verschulden, akte, hauptsache, form, fristwahrung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PKH 31.08
OVG 15 A 1039/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16.April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich
und Dr. Möller
beschlossen:
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Dem Kläger wird für die Revisionsinstanz Prozesskosten-
hilfe bewilligt und Rechtsanwalt … beigeordnet.
G r ü n d e :
Dem Kläger ist die beantragte Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz zu
bewilligen und der von ihm benannte Rechtsanwalt beizuordnen.
1. Der Kläger hat durch Vorlage der entsprechenden Erklärung mit Belegen
nachgewiesen dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhält-
nissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 166 VwGO
i.V.m. §§ 114 Satz 1, 117 Abs. 2 ZPO).
2. Die beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 20. November 2008 bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und
erscheint auch nicht mutwillig (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
a. Zwar sind die Fristen für die Einlegung der Beschwerde nach § 133 Abs. 2
Satz 1 VwGO und für die Begründung dieses Rechtsmittels nach § 133 Abs. 3
Satz 1 VwGO mittlerweile verstrichen. Es kommt jedoch in Betracht, dass dem
Kläger nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in diese Fristen zu gewähren sein
wird, weil er an deren Einhaltung bislang wegen des für ihn nicht tragbaren
Kostenrisikos ohne sein Verschulden gehindert war.
Allerdings muss das Prozesskostenhilfegesuch für einen erst beabsichtigten
Rechtsbehelf innerhalb der Frist für dessen Einlegung in bescheidungsfähiger
Form angebracht werden. Denn nur dann hat der betroffene Beteiligte alles ge-
tan, was von ihm zur Fristwahrung erwartet werden kann. Hier ist der Antrag
des Klägers erst am 23. Dezember 2008 und damit einen Tag nach Ablauf der
Frist für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
bei dem für die Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe zuständigen
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Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Der Kläger hat die fristgerechte Stel-
lung des Antrages jedoch ohne sein Verschulden versäumt. Er hat den Antrag
am 8. Dezember 2008 bei dem Oberverwaltungsgericht angebracht. Am
10. Dezember 2008 hat ihn der Berichterstatter des zuständigen Senats des
Oberverwaltungsgerichts telefonisch darauf hingewiesen, dass der Antrag bei
dem Bundesverwaltungsgericht zu stellen sei, worauf der Kläger darum gebe-
ten hat, der Antrag möge an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wer-
den. Dementsprechend ist die Akte von dem Oberverwaltungsgericht am
12. Dezember 2008 an das Bundesverwaltungsgericht abgesandt worden.
Nicht ersichtlich ist, weshalb die Akte erst elf Tage später bei dem Bundesver-
waltungsgericht eingetroffen ist. Jedenfalls musste der Kläger mit einer derartig
langen Beförderungsdauer nicht rechnen. Da die versäumte Rechtshandlung in
Gestalt des bescheidungsfähigen Prozesskostenhilfeantrages vorliegt, gewährt
der Senat dem Kläger insoweit gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO von Amts we-
gen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
b. Die noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat auch in
der Sache im prozesskostenhilferechtlichen Sinne hinreichende Aussicht auf
Erfolg. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(vgl. zuletzt: Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 746/08 - FamRZ 2009,
399 <400 f.>) gebietet Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG eine weitge-
hende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der
Verwirklichung des Rechtsschutzes. Verfassungsrechtlich ist es danach zwar
nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon ab-
hängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsver-
teidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die
Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfol-
gung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskos-
tenhilfe vorzuverlagern und dieses gleichsam an die Stelle des Hauptsachever-
fahrens treten zu lassen. Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe nur
verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlecht-
hin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.
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Eine solche Einschätzung ist in Anbetracht des Entwurfes für eine Nichtzulas-
sungsbeschwerde, den der Kläger als Nichtjurist gefertigt hat, nicht angemes-
sen.
3. Neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die von dem Kläger bean-
tragte Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwaltes auszusprechen
(§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO).
Dr. Bardenhewer Dr. Graulich Dr. Möller
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