Urteil des BVerwG vom 29.10.1954

BVerwG (bundesrepublik deutschland, europäisches gemeinschaftsrecht, zulassung, beschwerde, gemeinschaftsrecht, rechtsfrage, rechtssatz, eignungsprüfung, bundesverwaltungsgericht, prüfung)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 2.05
OVG 14 A 1937/99
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. April 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2004 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von
einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der
obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die
Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Be-
schwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entschei-
dung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist
demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des
§ 132 Abs. 2 VwGO beschränkt. Der Kläger macht die Revisionszulassungsgründe
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der Divergenz
(§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend. Die ebenfalls angesprochene "Abweichung von
gebildetem Völkervertragsrecht" (Beschwerdebegründungsschrift S. 1) stellt keinen
Revisionszulassungsgrund dar.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die
Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Inte-
resse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung be-
darf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Be-
zeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich
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sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich
bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwie-
fern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht
beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Beschwerdeschrift stellt im
Wesentlichen nur in der Art einer Revisionsbegründung die Ansichten des Klägers
denjenigen des Oberverwaltungsgerichts gegenüber. Damit wird dem grundsätzli-
chen Unterschied zwischen den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung und
einer Revisionsbegründung nicht Rechnung getragen.
Dem Vorbringen des Klägers kann nur entnommen werden, dass er die "Rechtsfra-
ge, ob europäisches Gemeinschaftsrecht EG-Mitgliedern die aus der Richtlinie
1989/43/EWG folgende Zulassungsmöglichkeit mittels einer Eignungsprüfung vorbe-
hält" (Beschwerdebegründungsschrift S. 9) geklärt wissen will. Nach seiner Erläute-
rung meint er damit, dass zu klären sei, ob die "Weitergabe der Erleichterung zur
Zulassung zur deutschen Anwaltschaft durch die Eignungsprüfung mit Gemein-
schaftsrecht unvereinbar (ist)". Damit zielt er auf die Beantwortung einer Frage, die
sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat, wie der Kläger selbst darlegt und
als fehlerhaft rügt. Das Oberverwaltungsgericht hat sich nicht durch Gemeinschafts-
recht gehindert gesehen, einen Anspruch auf Zulassung zur Eignungsprüfung für die
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aus der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII
Abs. 4 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29. Oktober 1954
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
(BGBl 1956 II S. 488) abzuleiten, sondern aus einem von ihm angenommenen völ-
kerrechtlichen Grundsatz, dass die Meistbegünstigungsklausel einen stillschweigen-
den Vorbehalt bezüglich eines Zusammenschlusses zu einer supranationalen Ge-
meinschaft enthält. Eine für die Entscheidung der Vorinstanz nicht maßgebliche
Rechtsfrage vermag die Zulassung der Grundsatzrevision regelmäßig - und so auch
hier - nicht zu rechtfertigen (Beschluss vom 7. November 2001 - BVerwG 6 B 55.01 -
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 23, S. 6).
Versteht man das Vorbringen insgesamt dahin, dass der Kläger geklärt sehen möch-
te, ob die von dem Oberverwaltungsgericht angenommene Ausnahme von der Meist-
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begünstigungsklausel des angeführten Vertrags besteht und ob Meistbegünstigung
im Hinblick auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Ge-
meinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Freizügigkeit
(BGBl 2001 II S. 810) besteht, so fehlt es an der Darlegung der fallübergreifenden
Bedeutung. Der Kläger hat selbst mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1996 (GA Bl. 39)
ausgeführt, dass der von ihm erhobene Anspruch auf Zulassung zur Prüfung nach
dem genannten Vertrag nur von sehr wenigen Personen geltend gemacht werden
könne. Dass sich die von dem Kläger angesprochene Problematik überhaupt noch
einmal stellen wird, hätte daher besonders dargelegt werden müssen. Daran fehlt es.
Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die angesprochene Problematik in ei-
nem Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnte. Das ist nämlich
dann nicht der Fall, wenn die von dem Kläger angeführte Meistbegünstigungsklausel
keine subjektiv-öffentlichen Rechte eines einzelnen Bürgers vermittelt. Dass sich ein
amerikanischer Staatsbürger zur Durchsetzung eines individuell in Anspruch ge-
nommenen Rechts auf die Meistbegünstigungsklausel eines völkerrechtlichen Ver-
trags berufen kann, unterliegt nicht unerheblichen Zweifeln (vgl. EuGH, Beschluss
vom 2. Mai 2001 - Rs. C-307/99 - EuZW 2001, 529 <530>).
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits ge-
klärt, dass die Meistbegünstigungsklausel eines zweiseitigen völkerrechtlichen Ver-
trags im Allgemeinen nicht auf das Gemeinschaftsrecht bezogen ist (Urteil vom
29. April 1971 - BVerwG 1 C 7.69 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 2, S. 8; vgl. auch
HessVGH, Beschluss vom 5. Februar 2004 - 9 TG 2664/03 - InfAuslR 2004, 185
<186>; Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Band, 2. Aufl. 1961,
S. 501; Vedder, in: Grabitz/Hilf EGV Band 2, Art. 234, Rn. 10; Geiger, EUV/EGV,
4. Aufl. 2004, Art. 307 Rn. 6). Der Bundesgerichtshof geht zudem in
seinem Beschluss vom 19. September 2003 - AnwZ (B) 74/02 - (NJW 2003, 3706)
davon aus, dass die Vergünstigung, wie sie nunmehr schweizerischen Anwälten zu-
teil wird, amerikanischen Anwälten noch vorenthalten wird, und sieht darin keine ge-
meinschaftsrechtswidrige Diskriminierung.
b) Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Ent-
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scheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz ab-
gerückt ist, der von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte auf-
gestellt worden ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe
Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt
wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der
genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es. Der
Kläger setzt keine Rechtssätze des angefochtenen Urteils Rechtssätzen eines der in
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte gegenüber. Sein Hinweis darauf, dass
das Oberverwaltungsgericht eine "zweifelhafte Rechtsauffassung in der Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.1971 …. geändert" habe (Be-
schwerdebegründung S. 15) genügt diesen Anforderungen nicht.
c) Auf den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stützt der Klä-
ger seine Beschwerde nicht.
aa) Soweit der Kläger andeutet (Beschwerdebegründungsschrift S. 3), dass er kei-
nen Anlass gesehen habe, sich zu der Annahme des Oberverwaltungsgerichts (UA
S. 11) zu äußern, von einer völkervertragsrechtlich vereinbarten Meistbegünsti-
gungsklausel bestünden Ausnahmen hinsichtlich der Begünstigung von Vertrags-
staaten einer supranationalen Gemeinschaft wie der EU oder der EG, zeigt er nicht
auf, dass die Voraussetzungen eines unzulässigen Überraschungsurteils vorliegen
könnten. Namentlich gibt er nicht zu erkennen, warum er nicht auf die auf diese
Problematik bezogenen Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 28. April
2004 (S. 2) und der diesem beigefügten Stellungnahme des Bundesministeriums der
Justiz vom 23. April 2004 erwidern konnte.
bb) Der Kläger führt aus (Beschwerdebegründung S. 10), deutsche Gerichte seien
für Fragen der Auslegung und Anwendung des Freundschafts-, Handels- und Schiff-
fahrtsvertrags nicht zuständig. Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht hätte
den Rechtsstreit aussetzen und eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs
einholen müssen. Der Kläger zeigt aber nicht auf, warum die nach Art. XXVII des
Vertrags bestehende Möglichkeit der Anrufung des Internationalen Gerichtshofs zu
einer Pflicht zur Vorlage führen könnte. Die fakultative Anrufung des Internationalen
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Gerichtshofs steht zudem den Vertragsteilen des Abkommens zu. Dass in einem
Rechtsstreit eines Staatsangehörigen eines der vertragschließenden Teile der Inter-
nationale Gerichtshof angerufen werden könnte, lässt sich dem Vertrag nicht ent-
nehmen.
Mit diesem Vorbringen ist auch ein Verfahrensfehler durch Unterlassen einer Ausset-
zung nach § 94 VwGO nicht ordnungsgemäß gerügt worden. Selbst wenn die Tatbe-
standsvoraussetzungen erfüllt sind, macht § 94 Satz 1 VwGO es dem Gericht nicht
zur Pflicht, die Verhandlung auszusetzen. Die Entscheidung liegt vielmehr im richter-
lichen Ermessen. Eine Ermessensreduktion kommt nur dann in Betracht, wenn an-
ders eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich ist (Urteil vom 12. Februar 1987
- BVerwG 3 C 22.86 - BVerwGE 77, 19 = Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 5). Die bloße
Vorgreiflichkeit reicht insoweit nicht aus. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass § 94
VwGO überhaupt anwendbar ist, ohne etwas darüber auszusagen, in welcher Rich-
tung das Gericht das ihm eingeräumte Ermessen auszuüben hat (Beschluss vom
17. Dezember 1992 - BVerwG 4 B 247.92 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 6). Der
Kläger zeigt nicht auf, dass das Ermessen des Gerichts unter den Umständen des
Falles auf eine Aussetzung reduziert gewesen sei. Dafür spricht angesichts des Um-
standes, dass dem im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts beinahe
50jährigen Kläger an einem alsbaldigen Abschluss des auf Zulassung zu einer Prü-
fung gerichteten Verfahrens gelegen sein muss, nichts.
cc) Soweit der Kläger die "vollständige Änderung" der Meinung des Oberverwal-
tungsgerichts anspricht (Beschwerdebegründungsschrift S. 14), zeigt er nicht auf,
dass und warum in der Änderung einer Rechtsauffassung überhaupt ein Verfahrens-
fehler liegen könnte.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (Streitwertkatalog
2004 Nr. 36.3).
Bardenhewer
Hahn
Vormeier