Urteil des BVerwG vom 04.11.2004

BVerwG (abweisung der klage, einstellung des verfahrens, verhandlung, bundesverwaltungsgericht, gerichtskosten, umfang, gebrauch, entscheidungsformel, begründung, entschädigung)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 2001.07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut darüber zu
entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es nicht
um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht,
über die unter A II. 4.7.1. des Planfeststellungsbe-
schlusses vom 4. November 2004 in der Gestalt des
Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom
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9. Dezember 2005 getroffenen flugbetrieblichen Re-
gelungen hinaus beschränkt wird. Soweit der Plan-
feststellungsbeschluss dieser Verpflichtung entge-
gensteht, wird er aufgehoben.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtli-
chen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen
tragen die Kläger zu 1 und 2 (als Gesamtschuldner),
der Kläger zu 5, die Kläger zu 6 und 7 (als Gesamt-
schuldner), die Kläger zu 8 und 9 (als Gesamt-
schuldner), die Kläger zu 10 und 11 (als Gesamt-
schuldner) und die Kläger zu 12 und 13 (als Ge-
samtschuldner) je 5/36.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils
1/12 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen
Kosten der Kläger. Im Übrigen findet eine Kostener-
stattung nicht statt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 90 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regie-
rungspräsidiums Leipzig (im Folgenden: Beklagter) für das Vorhaben „Ausbau
des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle Start-/Landebahn Süd mit Vorfeld“ vom
4. November 2004. Sie sind Eigentümer von Wohngrundstücken, die innerhalb
des festgesetzten Nachtschutzgebiets liegen. Die Grundstücke der Kläger zu 3,
4, 10 und 11 werden zusätzlich von der Kontur flughafeninduzierter Bodenlärm
L
eq
= 45 dB(A)
nachts
erfasst. Die Kläger üben insbesondere Kritik an der Zulas-
sung eines nahezu unbeschränkten Nachtflugbetriebs und am Konzept des
passiven Lärmschutzes, das sie in mehrfacher Hinsicht für verbesserungsbe-
dürftig halten.
Mit ihren Klagen beantragen die Kläger in erster Linie, den Planfeststellungsbe-
schluss aufzuheben; weiter stellen sie verschiedene Hilfsanträge.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen Abweisung der Klage.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 haben mehr als
20 Einzelpersonen und Rechtsgemeinschaften Klagen erhoben. Der beschlie-
ßende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit
Gebrauch gemacht, vorab ein Musterverfahren durchzuführen und die übrigen
Verfahren auszusetzen. Die Beteiligten aller Verfahren, auch die Kläger, sind
dazu gemäß § 93a Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört worden. Die Kläger, deren
Klagen nicht als Musterverfahren vorgesehen waren, haben sich ebenso wie
der Beklagte und die Beigeladene mit dem beabsichtigten Vorgehen einver-
standen erklärt. Ihre Verfahren wurden gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO aus-
gesetzt.
Über die ausgewählten Musterklagen ist auf die mündliche Verhandlung vom
24. und 25. Oktober 2006 durch Urteile vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A
2001.06 - (NVwZ 2007, 445) entschieden worden. Die Anfechtungsklagen wur-
den abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten
teilweise Erfolg, soweit es um die Einschränkung des Nachtflugbetriebs ging.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2007 hat das Gericht die Kläger darauf hinge-
wiesen, dass ihre Verfahren nach dem rechtskräftigen Abschluss der Muster-
verfahren fortzuführen seien, gegebenenfalls auch nach Maßgabe des § 93a
Abs. 2 VwGO. Dem Schreiben war ein Abdruck des Musterurteils vom 9. No-
vember 2007 und des Protokolls über die mündliche Verhandlung beigefügt.
Die Kläger haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, als der Planfest-
stellungsbeschluss im Musterurteil als rechtmäßig bestätigt worden ist. Der Be-
klagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Ver-
waltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 9. November 2006 und das Proto-
koll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.
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1. Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten
Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu ent-
scheiden.
Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO sind gegeben. Über die
Musterklage ist durch Urteil vom 9. November 2006 rechtskräftig entschieden
worden. Der hier zu entscheidende Streitfall weist gegenüber dem Musterurteil
keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und
der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entschei-
dungsform gehört worden (§ 93a Abs. 1 Satz 2 VwGO).
2. Wie die Klagen im Musterurteil haben die vorliegenden Klagen in dem sich
aus der Entscheidungsformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie
unbegründet und deshalb abzuweisen. Zur Begründung verweist der Senat auf
die Gründe im Musterurteil, die auch für die Kläger gelten und denen nichts
hinzuzufügen ist. Von der Inbezugnahme ausgenommen sind die Ausführun-
gen unter den der Randnummer 126, die auf Betroffene mit Wohngrundstücken
außerhalb des Nachtschutzgebietes zugeschnitten sind, und die Darlegungen
unter den Randnummern 138 bis 144, weil die schriftsätzlich angekündigten
Anträge auf Entschädigung in einer mündlichen Verhandlung voraussichtlich
nicht gestellt worden wären.
Eine teilweise Einstellung des Verfahrens (im Umfang der Klageabweisung im
Musterverfahren) kommt nicht in Betracht, weil der Beklagte der darauf zielen-
den Erledigungserklärung der Kläger widersprochen hat. Insoweit ist die Sach-
lage anders als in zahlreichen Verfahren gegen die Planfeststellung für den
Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld, in denen der dortige Beklagte Erledi-
gungserklärungen akzeptiert hat. Es kann in der Entscheidungsformel auch
nicht ausgesprochen werden, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt
ist, soweit der Klage nicht stattgegeben werden kann; denn eine Erledigung ist
nicht eingetreten. Das Musterurteil des Senats vom 9. November 2006, mit dem
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die Tat- und Rechtsfragen, die auch im vorliegenden Verfahren eine Rolle spie-
len, geklärt worden sind, stellt kein erledigendes Ereignis dar. Die höchstrichter-
liche Klärung einer Tat- oder Rechtsfrage ist nicht einer nachträglichen, zur Er-
ledigung führenden Änderung der Tat- oder Rechtslage gleichzusetzen. Geän-
dert haben sich nur die Erfolgsaussichten der Klage und damit das subjektive
Interesse der Kläger, den Rechtsstreit fortzusetzen (vgl. Neumann in: So-
dan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 161, Rn. 134).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 159 Satz 1
VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 159 Satz 2, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3
VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Bei dem
Streitwert handelt es sich um einen Gesamtstreitwert, der sich aus Einzelstreit-
werten von 15 000 € je Kläger bzw. klagender Rechtsgemeinschaft zusammen-
setzt.
Dr. Paetow
Gatz
Dr. Philipp
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