Urteil des BVerwG vom 29.10.2012

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BVerwG 2 WRB 2.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WRB 2.12
Truppendienstgericht Nord 7. Kammer - 26.10.2011 - AZ: TDG N 7 BLc 4/11
In der Disziplinarsache
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Walk und
den ehrenamtlichen Richter Oberstabsfeldwebel Keuneke
am 29. Oktober 2012 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Soldaten wird der Beschluss der 7. Kammer des
Truppendienstgerichts Nord vom 26. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Truppendienstgericht Nord zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Der 29 Jahre alte Beschwerdeführer ist Soldat auf Zeit (SaZ 12). Seine Dienstzeit endet
voraussichtlich am 2. April 2018. Er wird bei der .../....regiment der Luftwaffe in S. verwendet.
2 Mit Bescheid vom 21. Februar 2011, dem Beschwerdeführer am 24. Februar 2011
ausgehändigt, wurde ihm durch seinen nächsten Disziplinarvorgesetzten, den Staffelchef
.../...regiment der Luftwaffe, Folgendes bekanntgegeben:
„Betr.: Disziplinare Entscheidung zum Verhalten gegen-über Frau Stabsunteroffizier K. .
Sie haben zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor Mitte Juni in ... S., Fliegerhorst J.,
Gebäude ..., Frau Stabsunteroffizier K. gefragt: ‚Na W., am Wochenende Sex gehabt?’
Damit haben Sie ein Dienstvergehen begangen.
Aufgrund meiner Ermittlungen stelle ich fest, dass der Vorfall zeitlich nicht mehr genau
festgestellt werden konnte, jedoch mindestens mehr als sechs Monate zurückliegt. Daher ist
gemäß § 17 WDO die Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme nicht statthaft ...“
3 Der Soldat bestreitet die Äußerung und hält die ihn belastenden Zeugen Stabsunteroffizier (w)
K. und Oberfeldwebel C. für nicht glaubwürdig. Nach erfolgloser Beschwerde hat er durch seinen
Verteidiger am 4. August 2011 weitere Beschwerde bei der 7. Kammer des
Truppendienstgerichts Nord eingelegt. In dem Schriftsatz heißt es, die weitere Beschwerde
werde zunächst zur Fristwahrung erhoben. Zur Vorbereitung der Beschwerdebegründung werde
erneute Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge benötigt, weshalb um Überlassung der Akte
gebeten werde. Nach Akteneinsicht werde unaufgefordert auf die Sache zurückgekommen. Mit
Schreiben vom 12. September 2011 reichte der Verteidiger des Soldaten die ihm am 6.
September 2011 für drei Tage überlassene Akte zurück.
4 Mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 wies die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord die
weitere Disziplinarbeschwerde ohne mündliche Verhandlung zurück und ließ die
Rechtsbeschwerde nicht zu. Aus dem Disziplinarvorgang ergebe sich zum einen ein
angespanntes Verhältnis zwischen der Zeugin Stabsunteroffizier K. und dem Beschwerdeführer.
Zudem sei die Glaubwürdigkeit der Zeugen C. und K. fraglich, denn nach Aussage des Zeugen
R. hätten sie eine Beziehung miteinander. Auch wenn einerseits aufgrund des
Spannungsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und der Zeugin Stabsunteroffizier K.
eine aufmerksame Bewertung ihrer Glaubwürdigkeit angezeigt erscheine, habe die Kammer
andererseits keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Vorfallsschilderung des Zeugen C. auch
nur im Geringsten zu zweifeln. Ein Näheverhältnis zwischen beiden Zeugen bestehe zur
Überzeugung der Kammer nicht. Zudem sei der Wunsch nach einer Versetzung seitens einer
Kameradin vor dem Hintergrund von deren Spannungen mit ihrem Trupp-, Gruppen- oder
Zugführer angesichts der dann drohenden straf- und dienstrechtlichen Folgen kaum ein
ausreichendes Motiv für die Beteiligung an einem solchen Komplott durch eine Falschaussage,
selbst dann, wenn eine solche Nähebeziehung bestanden hätte. Die Diskrepanzen zwischen
ihren Angaben in der Erstvernehmung und dem Bericht des Zeugen Oberfeldwebel L. habe die
Zeugin Stabsunteroffizier K. in ihrer ergänzenden Vernehmung nachvollziehbar ausgeräumt.
5 Die Entscheidung wurde mit Gründen der Geschäftsstelle der 7. Kammer des
Truppendienstgerichts Nord am 30. Dezember 2011 übergeben, eine Abschrift an den
Verteidiger am 2. Januar 2012 und eine Ausfertigung an den Soldaten am 3. Januar 2012
versandt.
6 Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 erhob der Soldat durch seinen Verteidiger Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde und lässt durch diesen Folgendes vortragen:
Zur Begründung sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103
Abs. 1 GG als Verfahrensmangel zu rügen, auf dem die Entscheidung beruhen könne. Das
Truppendienstgericht habe entgegen § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO in der Sache entschieden, ohne
die angekündigte Begründung der weiteren Beschwerde abzuwarten oder dem Unterzeichner für
die Vorlage dieser Begründung eine Frist zu setzen. Das habe aber nahegelegen, denn der
Hinweis in der fristwahrenden Beschwerde „zur Vorbereitung der Beschwerdebegründung“
zeige, dass die Vorlage einer Begründung beabsichtigt gewesen sei. Das Truppendienstgericht
hätte zumindest darauf hinweisen müssen, dass am 26. Oktober 2011 die Entscheidung über die
Sache beabsichtigt sei; dann hätte er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt, weil die
Erörterung des Akteninhalts mit dem Soldaten sich verzögert habe. Dem Soldaten, der am 14.
September 2011 aus dem Auslandseinsatz zurückgekehrt und dem danach bis Mitte Oktober
2011 Urlaub gewährt worden sei, sei am 22. September 2011 der bei der Akteneinsicht
genommene Aktenauszug mit der Bitte um Auswertung und Terminsvereinbarung übersandt
worden. Die Rücksprache habe erst am 26. Oktober 2011 stattfinden können und habe ergeben,
dass ein weiterer Zeuge, der den Aussagen der Belastungszeugen K. und C. entgegengesetzt
werden könne, in der Person des Oberfeldwebels d.R. S. zur Verfügung stehe. Es sei nicht
bekannt gewesen, dass am Tag dieser Rücksprache die Truppendienstkammer bereits über die
weitere Beschwerde entschieden habe. Nachdem der Zeuge S. dem Soldaten eine schriftliche
Stellungnahme zur Verfügung gestellt habe, sei diese durch den Verteidiger in einem vom 2.
Januar 2012 datierten Schriftsatz zur Begründung der weiteren Beschwerde mit Beweisantrag -
Vernehmung des Zeugen S. - umgesetzt und dem Beschwerdeführer am selben Tage als
Entwurf zur Durchsicht und Rückäußerung zugeleitet worden. Am nächsten Tag sei dem
Verteidiger die Abschrift des Beschlusses der Truppendienstkammer vom 26. Oktober 2011
zugegangen. Die Entscheidung beruhe auf der Versagung des rechtlichen Gehörs, weil das
Truppendienstgericht die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Belastungszeugen K. und C.
bejaht habe, ohne die vom Soldaten dagegen vorzubringenden Einwände zu berücksichtigen.
7 Mit Beschluss vom 21. März 2012, dem Verteidiger am 27. März und dem Soldaten am 29.
März 2012 zugestellt, hat das Truppendienstgericht der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen
und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
8 Zur am 24. April 2012 beim Truppendienstgericht eingegangenen Begründung der
Rechtsbeschwerde wiederholt der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er
bezieht sich insbesondere auf den nicht mehr zu den Akten des Truppendienstgerichts
gereichten Schriftsatz vom 2. Januar 2012, mit dem die weitere Beschwerde begründet werden
sollte, und in dem ausgeführt ist, dass der Zeuge C. in seiner erneuten Zeugenvernehmung vom
27. Mai 2011 behauptet habe, die dem Soldaten zur Last gelegte Äußerung sei gefallen, als er
„Ende Juni 2010“ zusammen mit dem Oberfeldwebel S. vom Sport gekommen sei und beide in
der Teeküche gewesen seien. Diese Aussage decke sich nicht mit derjenigen der anderen
Belastungszeugin K. in deren Nachvernehmung vom 30. Juni 2011, in der sie angegeben habe,
zum fraglichen Zeitpunkt hätten sich außer dem Soldaten und ihr selbst noch die Zeugen
Oberfeldwebel L. und Oberfeldwebel C. in der Teeküche aufgehalten. Von einer angeblichen
Anwesenheit des Zeugen S. sei nicht die Rede gewesen. Das Belastungsbild durch die beiden
Zeugen sei viel zu diffus, als dass es die Beschuldigung des Soldaten tragen könne. Soweit sich
der Zeuge C. auf die angebliche Anwesenheit des damaligen Oberfeldwebel S. beziehe, der die
Äußerungen ebenfalls mitbekommen haben müsste, werde beantragt, Oberfeldwebel d. R. S. als
Zeugen zum vorgenannten Beweisthema zu vernehmen. Das werde ergeben, dass der Zeuge S.
frühestens Anfang Juli 2010 erstmals die Teeküche betreten habe. Ein so später Zeitpunkt für
das fragliche Gespräch, den der Zeuge C. selbst nicht behaupte, sei aber deswegen zu
verneinen, weil sich der Beschwerdeführer ab dem 4. Juli 2010 dienstlich in K. aufgehalten
habe, nachdem er zuvor zwei Wochen Urlaub gehabt habe. Die Vernehmung des Zeugen S. sei
deshalb aus der Sicht des Beschwerdeführers unverzichtbar.
9 Der Beschwerdeführer beantragt,
der Beschluss des Truppendienstgerichts Nord - 7. Kammer - vom 26. Oktober 2011 wird
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Truppendienstgericht
Nord zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
10 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Rechtsbeschwerde für zulässig und begründet,
weil die Truppendienstkammer den Anspruch des Soldaten auf rechtliches Gehör nicht
hinreichend beachtet habe.
11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akte des
Truppendienstgerichts Nord N 7 ... und die Nebenakte des Soldaten Bezug genommen, die dem
Senat bei der Beratung vorgelegen haben.
II
12 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
13 Sie ist vom Truppendienstgericht durch den Abhilfebeschluss vom 21. März 2012 zugelassen
worden (§ 22a Abs. 1 i.V.m. § 22b Abs. 5 Satz 1 WBO). An diese Entscheidung ist das
Bundesverwaltungsgericht gebunden (§ 22a Abs. 3 WBO). Die Begründung ist innerhalb der
Monatsfrist des § 22b Abs. 5 Satz 2 WBO beim Truppendienstgericht eingelegt worden (vgl.
dazu Beschluss vom 30. November 2011 - BVerwG 2 WRB 1.11).
14 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Truppendienstgerichts vom
26. Oktober 2011 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör und
beruht damit auf einem Verfahrensfehler.
15 Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gilt auch
im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren und erstreckt sich - über den Wortlaut des § 18
Abs. 2 Satz 4 WBO hinaus - auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachfragen sowie auf
die Beweisergebnisse (vgl. auch die gemäß § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO auf das
Disziplinarbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbare Vorschrift des § 108 Abs. 2 VwGO),
ferner auf entscheidungsrelevante Rechtsfragen, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt
(Beschluss vom 21. April 2010 - BVerwG 2 WNB 2.10 -). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs
verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer
Entscheidung zu berücksichtigen (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9
C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 S. 65 und vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 22.88 -
Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 29 S. 6).
16 Einem Beteiligten ist allerdings die Berufung auf den Verfahrensmangel der Wahrung des
rechtlichen Gehörs verwehrt, wenn er die rechtliche oder auch nur tatsächliche Möglichkeit hatte,
sich durch entsprechende Anträge, Rügen, sonstige Rechtsbehelfe oder Begründungen Gehör
zu verschaffen und er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom
10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 S. 225 m.w.N; Beschluss vom 30. Dezember
1997 - BVerwG 11 B 3.97 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 1). Das bedeutet, dass vom
Beschwerdeführer die nach der jeweiligen prozessualen Lage des Verfahrens gegebenen und
zumutbaren Anstrengungen zur Wahrung seines Gehörs zu verlangen sind (BVerfG, Beschluss
vom 10. Februar 1987 a.a.O.).
17 Hier hat es der Beschwerdeführer zwar bis zur Übergabe der Entscheidung an die
Geschäftsstelle am 30. Dezember 2011 unterlassen, innerhalb angemessener Frist eine
Begründung der Beschwerde vorzulegen oder dem Gericht mitzuteilen, warum dafür mehr Zeit
benötigt wird. Das Truppendienstgericht hätte ihm aber vor Erlass seiner Entscheidung dafür
eine Frist setzen müssen.
18 Zwar ist das Gericht nicht grundsätzlich verpflichtet, eine Frist für die Einreichung der
Begründung zu setzen oder den beabsichtigten Termin seiner Entscheidung vorab mitzuteilen.
Das gilt auch unter Berücksichtigung des § 86 Abs. 4 Satz 2 VwGO, der gemäß § 18 Abs. 2 Satz
1 und § 23a Abs. 2 WBO anwendbar ist. § 86 Abs. 4 Satz 2 VwGO gibt dem Vorsitzenden die
Möglichkeit, das Verfahren durch Setzen einer Frist für das Einreichen der vorbereitenden
Schriftsätze zu beschleunigen. Die Vorschrift befreit den Kläger oder Beschwerdeführer aber
nicht von der Notwendigkeit, die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, seine Sicht der
Sach- und Rechtslage einzubringen, auszuschöpfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
der Entscheidung des Senats vom 21. April 2010 (BVerwG 2 WNB 2.10). Der dort gegebene
Hinweis auf die Möglichkeit des Truppendienstgerichts, dem Verteidiger vor dem
Entscheidungstermin gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 und § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 86 Abs. 4 Satz 2
VwGO eine Frist zur Vorlage der Begründung zu setzen, ist nicht dahingehend zu verstehen,
dass das Truppendienstgericht grundsätzlich vor der Entscheidung eine entsprechende Frist zu
setzen habe. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Frist keine Ausschlussfrist ist. Denn
wenn die Frist versäumt wird, werden - solange nicht die Voraussetzungen des § 87b Abs. 3
VwGO vorliegen - hieran keine Rechtsfolgen geknüpft (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13.
Aufl. 2010, § 86 Rn. 58). Nicht nur nach Ablauf der Frist, aber vor Erlass einer Entscheidung
eingehende Schriftsätze muss das Gericht berücksichtigen, sondern auch solche Schriftsätze,
die gegebenenfalls nach einer Entscheidung bis zu dem Zeitpunkt eingehen, in dem das Gericht
sich selbst seiner Entscheidung entäußert (vgl. Beschluss vom 21. April 2010 - BVerwG 2 WNB
2.10 - Rn. 8).
19 Hier hatte aber der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Einlegung der Beschwerde
mitgeteilt, dass er nach Akteneinsicht „unaufgefordert“ auf die Sache zurückkomme. Damit hatte
er für sich in Anspruch genommen, dass für die Einreichung seiner Beschwerdebegründung
keine Frist läuft. Das hätte das Gericht als Herr des Verfahrens nicht hinnehmen dürfen. Auch der
Richter muss das Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 WDO, das von allen am
Disziplinarverfahren verantwortlich Beteiligten zu beachten ist, berücksichtigen (vgl. Begründung
zur Regierungsvorlage, BT-Drucks 3/2213, S. 13). Das Gericht muss deshalb den Gang des
Verfahrens bestimmen und gegebenenfalls steuernd eingreifen. Es ist gem. Art. 103 Abs. 1 GG
verpflichtet, den Beteiligten die Hinweise zu erteilen, auf die sie zur Wahrnehmung ihres
rechtlichen Gehörs angewiesen sind. Daher muss es jedenfalls dann durch Fristsetzung auf die
zeitnahe Abgabe einer Begründung hinwirken, wenn nach den Umständen erkennbar ein
Beteiligter (missbräuchlich) damit rechnet, er habe hierfür unbefristet Zeit und das Gericht werde
auf jeden Fall vor einer Entscheidung seine Stellungnahme abwarten.
Hier hätte das Gericht zum Beispiel bereits mit der Übersendung der Akten an den Verteidiger
eine Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung setzen können. Da weder dies erfolgte,
noch später eine Frist gesetzt wurde, kam der angefochtene Beschluss für den
Beschwerdeführer überraschend und nahm ihm die Möglichkeit, seine Begründung der
Beschwerde dem Gericht vorzutragen. Denn er konnte aufgrund des bisherigen
Verfahrensablaufs von einer noch offenen Begründungsfrist ausgehen.
20 Mit seinem im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vorgelegten Schriftsatz
vom 2. Januar 2012 hat der Beschwerdeführer in ausreichendem Maße dargelegt, was er bei
Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Der Senat kann aber nicht in der Sache
selbst entscheiden, sondern muss sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das
Truppendienstgericht zurückverweisen (§ 22a Abs. 6 Satz 2 WBO). Denn der Beschwerdeführer
macht mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen C. vom 27. Mai 2011, Oberfeldwebel S. sei
zum Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äußerung in der Teeküche
gewesen, auf eine Tatsache aufmerksam, die das Truppendienstgericht bei seiner
Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat. Das kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht
nachgeholt werden.
21 Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Eppelt