Urteil des BVerwG vom 10.12.2008

BVerwG (zeitpunkt, reform, abfindung, defizit, acker, einfluss, beurteilung, zuteilung, verordnung, begründung)

Rechtsquellen:
FlurbG
§ 44 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Halbs. 2, § 51 Abs. 1
BetrPrämDurchfG
§ 5 Abs. 3 Nr. 2
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 Art. 44 Abs. 1 und 2
Verordnung (EWG) Nr. 1765/92
Stichworte:
Flurbereinigung; Landabfindung; Wertgleichheit; maßgeblicher Zeitpunkt; vor-
läufige Besitzeinweisung; wesentlicher Einfluss; wertbestimmender Faktor;
vorübergehender Nachteil; Ackerland; Dauergrünland; ausgleichszahlungsbe-
rechtigte Fläche; AB-Status; Kulturpflanzenregelung; GAP-Reform; Betriebs-
prämie; Zahlungsanspruch.
Leitsatz:
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Umstand (hier: die Eigenschaft eines
Grundstücks als ackerbare ausgleichszahlungsberechtigte Fläche gemäß der
Kulturpflanzenregelung, sog. AB-Status) ein fortwährender wertbestimmender
Faktor i.S.v. § 44 Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG ist oder ob ein diesbezügliches Defizit
lediglich einen vorübergehenden Nachteil i.S.v. § 51 Abs. 1 FlurbG darstellt, ist
auf den für die Beurteilung der Wertgleichheit der Landabfindung maßgebli-
chen Zeitpunkt abzustellen, im Falle einer vorläufigen Besitzeinweisung mithin
auf den darin bestimmten Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (§ 44 Abs. 1 Satz 4
FlurbG).
Urteil des 9. Senats vom 10. Dezember 2008 -BVerwG 9 C 1.08
I. VGH München vom 24.04.2007 - Az.: 13 A 05.3250 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
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URTEIL
BVerwG 9 C 1.08
VGH 13 A 05.3250
Verkündet
am 10. Dezember 2008
Stowasser
Justizsekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
für Recht erkannt:
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
- Flurbereinigungsgericht - vom 24. April 2007 wird aufge-
hoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsge-
richtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der Kläger, ein Landwirt, ist Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens Kirch-
ehrenbach. Am 23. April 1996 stellte der Vorstand der Beklagten die Ergebnis-
se der Wertermittlung fest. Gemäß der vorläufigen Besitzeinweisung der Direk-
tion für Ländliche Entwicklung Bamberg ging der Besitz spätestens am 15. No-
vember 1997 über. Der Vorstand der Beklagten beschloss am 20. März 1997
den Flurbereinigungsplan. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte u.a.
geltend, dass er nicht wertgleich abgefunden sei, weil ihm weniger Hektar an
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ackerbarer ausgleichszahlungsberechtigter Fläche (sog. AB-Fläche) i.S.d. Ver-
ordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 - Kulturpflanzen-
regelung - zugeteilt werden sollten als er eingebracht habe. Der Widerspruch
blieb erfolglos.
Der Kläger erhob Klage gegen den Flurbereinigungsplan. Zur Begründung sei-
nes Antrags auf Zuteilung von weiteren 0,34 ha Ackerfläche machte er geltend,
dass eine Teilfläche des Abfindungsflurstücks 19.. (in seinem ehemaligen Ein-
lageflurstück 35.) ihm zu Unrecht als AB-Fläche zugewiesen worden sei, ob-
wohl sie aus natur- und geländebedingten Gründen nicht ackerfähig sei. Für
dieses Flurstück sei auch im Rahmen der sog. GAP-Reform nur ein Wiesenzer-
tifikat erteilt worden. Er verlange die Zuteilung der restlichen AB-Fläche als
Acker an anderer Stelle. Der durch die Minderausweisung seit der Neuvertei-
lung eingetretene wirtschaftliche Schaden in Form von verlorenen staatlichen
Fördergeldern und Markterlösen müsse ausgeglichen werden.
Das Flurbereinigungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf zusätzliche Landabfindung in
Höhe von 0,34 ha Ackerfläche, weil er bereits wertgleich abgefunden sei. Dies
gelte zunächst nach den festgestellten Ergebnissen der Wertermittlung für die
rechnerische Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung im Rahmen von
§ 44 Abs. 1 FlurbG. Die Abfindung des Klägers entspreche auch in der Nut-
zungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und den weiteren in § 44 Abs. 4 FlurbG
genannten Kriterien seinen alten Grundstücken. Zwar ergebe sich beim Ver-
gleich von Einlage und Abfindung eine Änderung im Acker-Wiesen-Verhältnis
um 0,1386 ha (2,6 %) zulasten der Nutzungsart Ackerbau. Dieses Defizit sei
jedoch als geringfügig anzusehen, weil der Kläger keine Spezialkulturen an-
baue und er durch den besonders hohen Zusammenlegungsgrad bei der Zutei-
lung der Abfindungsgrundstücke betriebswirtschaftliche Vorteile erlangt habe,
die erheblich stärker zu Buche schlügen als die geringfügige Verschiebung des
Acker-Wiesen-Verhältnisses.
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Auch bezüglich der ausgleichsberechtigten Flächen (AB-Flächen) i.S.d. Kultur-
pflanzenregelung habe der Kläger keinen Anspruch auf zusätzliche Land-
abfindung. Die Diskrepanz in der Frage des AB-Status der dem Kläger zugeteil-
ten Abfindungsflächen ergebe sich aus der unterschiedlichen Beurteilung des
in der Nähe des Ehrenbachs gelegenen, ca. 0,6 ha großen Teilbereichs des
Abfindungsflurstücks 19.. (im Einlageflurstück 35.). Die zwischen den Parteien
strittige Frage, ob die Bilanz der AB-Flächen ausgeglichen sei, könne allerdings
dahingestellt bleiben, weil es sich bei dem AB-Status jetzt nicht mehr um einen
Umstand handeln könne, der bei der Landabfindung als wesentlicher Wertfak-
tor i.S.v. § 44 Abs. 2 FlurbG zu berücksichtigen sei. Zwar habe unter der Gel-
tung der früheren Kulturpflanzenregelung nach bayerischer Erlasslage jedem
Eigentümer im Regelfall nach dem Besitzübergang derselbe Umfang an AB-
Flächen zugestanden wie vorher. Jedenfalls seit der Reform der Gemeinsamen
Agrarpolitik in der EU (GAP 2003) könne der AB-Status aber kein fortwähren-
der Wertfaktor mehr sein. Die seit dem Jahr 2005 zugeteilten Zahlungsansprü-
che basierten nicht mehr auf dem Einzelgrundstückstatus, sondern auf dem
Gesamtumfang der bewirtschafteten Acker- und Grünlandflächen. Ein Defizit
an AB-Flächen wäre danach ein lediglich vorübergehender Nachteil, für den
allenfalls ein Ausgleichsanspruch nach § 51 Abs. 1 FlurbG bestehen könne, der
bei der Teilnehmergemeinschaft eigens geltend gemacht werden müsse und
nicht Gegenstand der anhängigen Abfindungsklage sein könne.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision vor: Das Urteil des Flurberei-
nigungsgerichts verstoße gegen § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG, weil es entgegen
dieser Vorschrift nicht auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorläufigen
Besitzeinweisung im November 1997 abstelle, sondern die neue Rechtslage
nach der GAP-Reform 2003 einbeziehe. Gestaltungsgesichtspunkte, die erst
nach dem gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG maßgeblichen Zeitpunkt aufgetre-
ten seien, dürften für die Feststellung der Wertgleichheit von Einlage und Ab-
findung keine Berücksichtigung finden. Eventuelle Veränderungen der wertbil-
denden Faktoren i.S.v. § 44 Abs. 2 FlurbG durch die GAP-Reform 2003 hätten
danach unberücksichtigt bleiben müssen. Das angefochtene Urteil verstoße
außerdem gegen § 44 Abs. 2 FlurbG mit seiner Annahme, der AB-Status eines
Grundstücks bzw. die Frage, ob es sich um Ackerland handele, sei seit der
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GAP-Reform 2003 kein wertbildender Faktor mehr. Vielmehr habe die Ackerei-
genschaft eines Grundstücks auch nach neuer Rechtslage nach wie vor Bedeu-
tung für die einem Betriebsinhaber danach zustehenden Zahlungsansprüche.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
24. April 2007 aufzuheben und die Sache zur anderweiti-
gen Verhandlung und Entscheidung über den Antrag des
Klägers auf Änderung des Flurbereinigungsplans der Be-
klagten vom 20. März 1997 durch Zuteilung von zusätzli-
chen 0,34 ha Ackerflächen an den Kläger an den Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor: Ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG sei
nicht ersichtlich. Der Kläger sei auch wertgleich abgefunden i.S.v. § 44 Abs. 2
FlurbG. Die Ackerfähigkeit einer Fläche sei nicht im Rahmen dieser Vorschrift,
sondern im Rahmen von Abs. 4 zu berücksichtigen. Wenn die Landabfindung
in der Nutzungsart den alten Grundstücken entspreche, also das sog. Acker-
Wiesen-Verhältnis nicht gestört sei, sei die Abfindung wertgleich und nicht zu
beanstanden. Das angefochtene Urteil stelle fest und werde insoweit vom Klä-
ger auch nicht angegriffen, dass das Acker-Wiesen-Verhältnis im Streitfall nicht
beeinträchtigt sei. Der sog. AB-Status einer Fläche oder sonstige Förderrege-
lungen seien keine Umstände, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Ver-
wertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss i.S.v. § 44 Abs. 2 Halbs. 2
FlurbG hätten. „Wesentlich“ in diesem Sinne könne ein Einfluss nur sein, wenn
er zeitlich von einiger Dauer sei. Dies sei beim AB-Status der Flächen nicht der
Fall, wie die Entwicklung des Agrarsubventionsrechts zeige. Die frühere Kultur-
pflanzenregelung mit ihrem AB-Status sei bereits Geschichte; auch das Auslau-
fen der sie ersetzenden GAP-Reform 2003 sei schon jetzt absehbar. Die Neu-
ordnung der Grundstücke in der Flurbereinigung schaffe aber Eigentums- und
Besitzverhältnisse, die auf lange Dauer angelegt seien. § 44 Abs. 2 Halbs. 2
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FlurbG erfasse allein tatsächliche Verhältnisse, die dem Grundstück in seiner
örtlichen Lage anhafteten und vor Ort feststellbar seien. Mit dem das Flurberei-
nigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung sei es
nicht vereinbar, müsste die Teilnehmergemeinschaft von Amts wegen kompli-
zierte Förderbestimmungen ermitteln und beachten.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er stellt das
System der Betriebsprämienregelung nach der GAP-Reform dar und berichtet
über die Erlasslage in den Bundesländern zur Problematik des Streitfalls.
II
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht
(§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es im Rahmen seiner tragenden Begründung,
dass das vom Flurbereinigungsgericht unterstellte Defizit an sog. AB-Flächen
lediglich ein vorübergehender Faktor i.S.v. § 51 Abs. 1 FlurbG sei, auf Umstän-
de abstellt, nämlich auf neue Agrarförderbestimmungen, die erst nach dem für
die Beurteilung der Wertgleichheit der Landabfindung gemäß § 44 Abs. 1
Satz 4 FlurbG maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorläufigen
Besitzeinweisung eingetreten sind (1.). Mangels erforderlicher Tatsachenfest-
stellungen kann der Senat nicht feststellen, dass das angefochtene Urteil sich
aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO);
dies führt zu seiner Aufhebung und Zurückverweisung (2.). Die Ausführungen
des Flurbereinigungsgerichts zur neuen Agrarförderrechtslage geben Anlass für
einen ergänzenden Hinweis (3.).
1. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, dass die vom Flurbereini-
gungsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht aufgeklärten Fragen, ob es sich bei
der zwischen den Beteiligten umstrittenen Teilfläche des Abfindungsflurstücks
19.. (Einlageflurstück 35.) um Ackerland handelt, das als ausgleichszahlungs-
berechtigte Fläche (sog. AB-Fläche, Fläche mit AB-Status) i.S.d. Verordnung
(EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 - Kulturpflanzenregelung -
(ABl Nr. L 181 S. 12) Anknüpfungspunkt für Fördergelder nach dieser (inzwi-
schen ausgelaufenen) Agrarbeihilferegelung war und ob die Bilanz der AB-
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Flächen vor und nach der Landabfindung ausgeglichen sei, dahinstehen könne,
weil der sog. AB-Status seit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in der
Europäischen Union (sog. GAP-Reform) durch die Verordnung (EG) Nr.
1782/2003 vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1, nachfolgend: GAP-
VO-EG) kein fortwährender Wertfaktor mehr sein könne. Das Flurbereinigungs-
gericht hat damit der Sache nach das vom Kläger geltend gemachte Defizit an
AB-Flächen als gegeben unterstellt, die Klage auf weitergehende Abfindung
durch Zuteilung von zusätzlichen 0,34 ha Ackerflächen aber dennoch abgewie-
sen, weil ein Defizit an AB-Flächen seit der GAP-Reform 2003 lediglich einen
vorübergehenden Nachteil i.S.v. § 51 Abs. 1 FlurbG darstelle, der allenfalls ei-
nen Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift begründen könne.
Diese Erwägung ist mit § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG nicht vereinbar.
a) Nach dieser Vorschrift ist im (hier gegebenen) Fall einer vorläufigen Besitz-
einweisung für die Beurteilung der Wertgleichheit der Landabfindung der Zeit-
punkt maßgeblich, in dem die vorläufige Besitzeinweisung wirksam wird. Der so
bestimmte Zeitpunkt ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts nicht nur für die Bemessung der Landabfindung (§ 44 Abs. 1
Satz 1 und 2 i.V.m. §§ 27 ff. FlurbG) maßgeblich, sondern auch für alle den
Grundstückswert bestimmenden Merkmale einschließlich der konkreten Nut-
zungsmöglichkeiten durch den betroffenen Teilnehmer und damit auch für die
Gestaltungsmerkmale des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG. Gestaltungsgesichtspunk-
te, die erst nach diesem Zeitpunkt aufgetreten sind, können für die Feststellung
der Wertgleichheit und Abfindung grundsätzlich keine Berücksichtigung mehr
finden (Urteil vom 16. August 1995 - BVerwG 11 C 21.94 - Buchholz 424.01
§ 15 FlurbG Nr. 4 S. 5 f.; Beschluss vom 12. Juli 2007 - BVerwG 9 B 18.07 -
Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 87 S. 34 ff.).
b) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Umstand ein fortwährender wertbe-
stimmender Faktor i.S.v. § 44 Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG ist, weil er auf den Ertrag,
die Benutzung und die Verwertung eines Grundstücks wesentlichen Einfluss
hat, oder ob er lediglich einen vorübergehenden Nachteil i.S.v. § 51 Abs. 1
FlurbG darstellt, ist ebenfalls auf den für die Beurteilung der Wertgleichheit der
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Landabfindung maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen, im Falle einer vorläufigen
Besitzeinweisung mithin auf den darin bestimmten Zeitpunkt ihres Wirksamwer-
dens (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG). Mit dem Ausgleichsanspruch gemäß § 51
Abs. 1 FlurbG hat der Gesetzgeber eine Ausgleichsmöglichkeit für vorüberge-
hende Wertunterschiede eröffnet, die weder bei der Schätzung noch bei der
Landabfindung berücksichtigt werden können. Denn eine dauernde Minderung
des Nutzungswerts eines Grundstücks wird in der Regel schon bei der Schät-
zung nach § 28 Abs. 1 FlurbG berücksichtigt. Soweit dabei Umstände, die auf
den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung wesentlichen Einfluss haben,
nicht entsprechend berücksichtigt werden können, sind feststellbare dauernde
oder langjährige Beeinträchtigungen im Rahmen der Landabfindung nach § 44
Abs. 2 FlurbG zu beachten, um die geforderte Wertgleichheit der Landabfin-
dung herbeizuführen (Urteil vom 24. Juni 1982 - BVerwG 5 C 20.80 - BVerwGE
66, 47 <49>). Wertbestimmende Umstände, die im vorstehenden Sinne nicht
fortwährender Natur sind, sondern nur einen vorübergehenden Unterschied
zwischen dem Wert der alten Grundstücke und dem Wert der Landabfindung
begründen (§ 51 Abs. 1 Alt. 1 FlurbG) sowie andere vorübergehende Nachteile
einzelner Teilnehmer, die das Maß der den übrigen Teilnehmern entstehenden
gleichartigen Nachteile erheblich übersteigen (§ 51 Abs. 1 Alt. 2 FlurbG), sind
dagegen nach § 51 Abs. 1 FlurbG durch Geld oder in anderer Art auszuglei-
chen. Ob ein Umstand fortwährender oder nur vorübergehender Natur ist, kann
folglich nur aufgrund einer einheitlichen Beurteilungsgrundlage, mithin nur bei
Zugrundelegung desselben maßgeblichen Zeitpunkts bestimmt werden. Dem-
gemäß kommt es auch für einen sich aus einem vorübergehenden Wertunter-
schied zwischen Einlage und Abfindung ergebenden Ausgleichsanspruch nach
§ 51 Abs. 1 FlurbG im Fall einer vorläufigen Besitzeinweisung auf den Zeitpunkt
ihres Wirksamwerdens an (vgl. Urteil vom 24. Juni 1982 a.a.O. S. 50 f.).
c) Das Flurbereinigungsgericht ist davon ausgegangen, dass der sog. AB-Sta-
tus einer Fläche, also der Umstand, ob der Teilnehmer für eine Fläche Agrar-
beihilfen nach der oben näher bezeichneten Kulturpflanzenregelung erhalten
konnte, unter der Geltung dieser früheren Rechtslage ein wertbestimmender
Faktor i.S.v. § 44 Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG gewesen ist. Dass Ansprüche auf fi-
nanzielle Zuwendungen im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen und inner-
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staatlichen Agrarrechtsordnung, die beträchtliche Summen ausmachen konn-
ten und für eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Betrieben von wesentlicher,
sogar existenznotwendiger Bedeutung waren, jedenfalls für die in § 44 Abs. 2
FlurbG angesprochene „Verwertung“ eines Grundstücks, etwa im Falle eines
Verkaufs, „wesentlichen Einfluss“ hatten, liegt auf der Hand. Dem entsprechend
hat das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Fors-
ten mit dem im Urteil des Flurbereinigungsgerichts zitierten Rundschreiben vom
30. Juni 1997 (Nr. B4/E1 – 7298.2-1119) im Erlasswege mit für die Flurbereini-
gungsverwaltung des Freistaats Bayern einschließlich der Teilnehmergemein-
schaften ermessensbindender und mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrund-
satz (Art. 3 Abs. 1 GG) für die Teilnehmer anspruchsbegründender Wirkung
bestimmt, dass unter der Geltung der erwähnten Kulturpflanzenregelung
grundsätzlich jedem Grundeigentümer der vor dem Besitzübergang gegebene
Umfang an AB-Fläche auch nach dem Besitzübergang wieder zur Verfügung zu
stellen war. Hiergegen ist von Bundesrechts wegen nichts zu erinnern.
War danach der sog. AB-Status einer Fläche gemäß der Kulturpflanzenrege-
lung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorläufigen Besitzeinweisung am
15. November 1997 grundsätzlich ein wertbestimmender Faktor, der für die
Wertgleichheit der Abfindung von Bedeutung war, so war es rechtlich ausge-
schlossen, diesen Faktor aufgrund einer von der damaligen Sach- und Rechts-
lage abweichenden „ex-post“-Betrachtung gleichwohl als für die Wertgleichheit
der Abfindung unerheblich zu behandeln, weil er aufgrund Jahre später erlas-
sener neuer Förderbestimmungen „jetzt nicht mehr“ bei der Landabfindung zu
berücksichtigen wäre. So aber ist das Flurbereinigungsgericht hier verfahren.
2. Der Senat vermag mangels dafür erforderlicher Tatsachenfeststellungen
nicht zu entscheiden, ob sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im
Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Zu der nach dem Vorstehenden sich zunächst stellenden Frage, ob es sich bei
der streitigen Teilfläche des Einlageflurstücks 35. zum Zeitpunkt der vorläufigen
Besitzeinweisung um eine Fläche mit AB-Status handelte, hat das Flurbe-
reinigungsgericht keine Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern diese Fra-
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ge ausdrücklich offen gelassen (UA S. 8). In diesem Zusammenhang wird das
Flurbereinigungsgericht im Rahmen seiner erneuten Entscheidung ggf. zu be-
achten haben, dass ihm insoweit möglicherweise eine Verwechslung unterlau-
fen ist, da nach den Angaben des Klägers im Revisionsverfahren nicht das
Flurstück 35. gemäß den Bedingungen des Kulturlandschaftsprogramms (Ku-
laP Teil C Nr. 2.4) bis Ende 2004 einer zehnjährigen Bindung als Grünland un-
terlegen war (so aber UA S. 8), sondern das benachbarte Einlageflurstück 35..
Sollte sich herausstellen, dass die umstrittene Teilfläche des Einlageflurstücks
35. seinerzeit AB-Status hatte und keine anderen Gründe dem entgegenste-
hen, wäre als Zwischenergebnis festzuhalten, dass nach damaliger Rechtslage
(insbesondere Erlasslage) ein Defizit an Flächen mit AB-Status vorläge. Das
Klagebegehren könnte gleichwohl abzuweisen sein, wenn dieses Defizit etwa
durch andere betriebswirtschaftliche Vorteile ausgeglichen wäre, wie das Flur-
bereinigungsgericht dies für die geringfügige Verschiebung im Acker-Wiesen-
Verhältnis angenommen hat (UA S. 7). Um dies beurteilen zu können, bedürfte
es Feststellungen zu den aus damaliger Sicht bereits feststehenden oder hin-
reichend bestimmbaren, ggf. prognostisch überschlägig abzuschätzenden
Nachteilen des Klägers aus dem (hier unterstellten) Defizit an Ackerflächen mit
AB-Status, etwa durch entgangene Fördergelder, Ertragseinbußen und ähnli-
che Verluste. Denn nur wenn der Umfang dieser Nachteile bekannt war, ließe
sich sagen, ob das Defizit durch andere im Rahmen der Gestaltung der Abfin-
dung zu berücksichtigende Gesichtspunkte ausgeglichen worden ist.
3. Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass die weitere Annahme des
Flurbereinigungsgerichts, der sog. AB-Status könne seit der GAP-Reform 2003
kein wertbestimmender Faktor i.S.v. § 44 Abs. 2 FlurbG mehr sein, in dieser
Allgemeinheit nicht zutreffend, weil zu weitgehend sein dürfte.
Zwar ist richtig, dass es seit der GAP-Reform und ihrer innerstaatlichen Umset-
zung u.a. durch das Betriebsprämiendurchführungsgesetz vom 21. Juli 2004
(BGBl I S. 1763), zuletzt geändert durch das Dritte Gesetz zur Änderung des
Betriebsprämiendurchführungsgesetzes vom 28. März 2008 (BGBl I S. 495),
keinen AB-Status mehr gibt. Ebenfalls zutreffend ist, dass die neue Rechtslage
insoweit zu einer „Entkoppelung“ der Direktzahlungen von der landwirtschaftli-
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chen Produktion und von konkreten landwirtschaftlichen Nutzflächen geführt
hat, als die (nunmehr) Zahlungsansprüche genannten Förderleistungen nicht
mehr flächenbezogen sind, sondern auf dem Gesamtumfang der bewirtschafte-
ten landwirtschaftlichen Flächen basieren. Sie sind von der Nutzung konkreter
Flächen entkoppelte Beihilfen zur Verbesserung der Einkommensverhältnisse
des Betriebsinhabers (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2006 - LwZR 1/06 -
NJW-RR 2007, 1279 <1291>; Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz , Die EU-Agrarreform – Umsetzung in
Deutschland, Ausgabe 2006, S. 11; Schwantag, in: Seehusen/Schwede,
FlurbG, 8. Aufl. 2008, § 28 Rn. 50 f.; Schmitte, AUR 2005, S. 80 <82>).
Zu weitgehend ist jedoch die vom Flurbereinigungsgericht daraus gezogene
Schlussfolgerung, dass auch die hinter dem sog. AB-Status stehende Frage
der A c k e r l a n d e i g e n s c h a f t einer Grundstücksfläche unter der Gel-
tung der neuen Rechtslage keine Bedeutung mehr habe. Denn im Rahmen der
im Jahr 2005 durchgeführten erstmaligen Zuteilung der Zahlungsansprüche
richtete sich die H ö h e des regional unterschiedlichen Referenzbetrages
des flächenbezogenen Teils der Zahlungsansprüche gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2
BetrPrämDurchfG danach, ob die landwirtschaftliche Nutzfläche am maßgebli-
chen Stichtag (Status 15. Mai 2003) als Dauergrünland oder als sonstige beihil-
fefähige Fläche, wozu vor allem Ackerland gehört (vgl. Art. 44 Abs. 2 GAP-VO-
EG), genutzt wurde (vgl. BMELV, a.a.O. S. 16; Schmitte, a.a.O. S. 81). Aus den
in der Anlage 2 des Gesetzes (Tabelle zu § 5 Abs. 3 Nr. 2) enthaltenen Wert-
verhältniszahlen ergab sich für Bayern eine Differenz zwischen Dauergrünland
(89 €/ha) und Ackerland (299 €/ha) von 210 €/ha (vgl. die in Euro-Beträge um-
gerechnete Tabelle bei Schmitte, a.a.O. S. 81). Jedenfalls insoweit hat die Dif-
ferenzierung zwischen Acker- und Dauergrünland noch Bedeutung, ungeachtet
des Umstandes, dass ein („normaler“) Zahlungsanspruch mit jedweder Art von
Fläche, gleichviel ob Dauergrünland oder Ackerland, aktiviert werden kann
(BMELV, a.a.O. S. 27; Schmitte, a.a.O. S. 82).
Dr. Storost
Domgörgen
Buchberger
Dr. Christ
Prof. Dr. Korbmacher
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf 5 000 €
festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 72 Nr. 1 Halbs. 2 GKG n.F.).
Dr. Storost
Domgörgen
Buchberger