Urteil des BVerwG vom 02.08.2005

BVerwG: verfassungsbeschwerde, gerechtigkeit, rechtsstaatsprinzip, rechtssicherheit, verfahrensbeteiligter, zukunft, gesetzgebung, analogie, wiederaufnahme, ausschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 34.05
OVG 1 K 6/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des
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Landes Sachsen-Anhalt vom 22. April 2005 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 8 700 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der
Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus
dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das erstrebte Revisionsverfahren
zur Beantwortung entscheidungserheblicher konkreter Rechtsfragen mit über den
Einzelfall hinausgehender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts
höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>).
Soweit die Beschwerde sinngemäß die Frage aufwirft, ob eine Restitutionsklage auch
dann statthaft ist, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsfrage abweichend
von einer rechtskräftig gewordenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung
beantwortet, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Diese
Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (vgl.
Beschluss vom 24. Juni 1994 - BVerwG 6 B 29.93 - Buchholz 303 § 580 ZPO Nr. 4).
Danach kommt gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG allein derjenige, der gegen eine ihn
belastende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erfolgreich
Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, in den Genuss der Aufhebung dieser
rechtskräftigen Entscheidung. Dagegen bleiben gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG
gegenüber allen anderen Betroffenen, die nicht erfolgreich Verfassungsbeschwerde
eingelegt haben, die sie betreffenden rechtskräftigen Entscheidungen unberührt.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Frage, ob der
gesetzliche Ausschluss der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftige
Strafverfügung abgeschlossenen Verfahrens gegen das Grundgesetz (insbesondere
Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Rechtsstaatsprinzip) verstoße, ausgeführt, dass es in
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erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers sei, den Widerstreit zwischen dem Prinzip
der Rechtssicherheit einerseits und der Forderung nach materieller Gerechtigkeit
andererseits, die beide aus dem Rechtsstaatsprinzip folgen, bald nach der einen und
bald nach der anderen Seite hin zu entscheiden (Beschluss vom 8. November 1967
- 1 BvR 60/66 - BVerfGE 22, 322 <329>). Dies hat der Gesetzgeber hinsichtlich der
Restitutionsklage durch die Normierung konkreter, klar abgegrenzter Tatbestände in
§ 580 Nrn. 1 bis 7 ZPO getan. An diese gesetzliche Regelung sind die Gerichte
gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Insbesondere sind sie nicht befugt, die in § 580
Nrn. 1 bis 7 ZPO abschließend geregelten Tatbestände im Wege der Analogie, etwa
im Sinne einer stärkeren Betonung des Aspekts der materiellen Gerechtigkeit, zu
erweitern; denn dies ginge zwangsläufig unmittelbar zu Lasten des
entgegenstehenden, prinzipiell gleichrangigen Aspekts der Rechtssicherheit und
würde damit in Verletzung der Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht die allein
dem Gesetzgeber zustehende Grenzziehung verändern.
Die von der Beschwerde ausdrücklich formulierte Frage, "ob eine Restitutionsklage
unter Bezugnahme auf bereits vorliegende bundesverwaltungsrechtliche
Entscheidungen geführt werden kann, wenn der Kläger damit rechnen kann bzw.
rechnen muss, dass aufgrund des gleichen Lebenssachverhalts in den bereits
entschiedenen Verfahren eine besondere gesetzliche Regelung erfolgen wird, die
auch für ihn maßgeblich ist", rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.
Diese Frage setzt die spekulative Annahme einer künftigen Gesetzgebung voraus
und lässt auch nicht ansatzweise erkennen, aus welchem Restitutionsgrund sich die
Statthaftigkeit der Restitutionsklage ergeben könnte, wenn ein Verfahrensbeteiligter
bestimmte Erwartungen an die Besoldungspolitik knüpft, selbst wenn sich diese in
Zukunft erfüllen sollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
Albers Groepper Dr. Bayer