Urteil des BVerwG vom 16.05.2007

BVerwG (wirtschaftliche leistungsfähigkeit, aufwand, leistungsfähigkeit, hundesteuer, bundesrepublik deutschland, hund, bundesverwaltungsgericht, haushalt, interesse, dienstpflicht)

Rechtsquellen:
GG
Art. 105 Abs. 2a
HKAG § 7 Abs. 2
Stichworte:
Aufwandsteuer, Hundesteuer, Steuerpflicht, Bundespolizei, Diensthund, Dienst-
pflicht, Hundehaltung, Aufwand, persönliche Lebensführung, wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit, Einkommensverwendung, Einkommenserzielung.
Leitsatz:
Hundesteuer als Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG darf nicht erhoben
werden für die Haltung von Diensthunden der Bundespolizei, wenn der Dienst-
hundführer mit der Hundehaltung eine Dienstpflicht erfüllt. Kennzeichnend hier-
für sind u.a. eine Aufwandsentschädigung und eine Zeitgutschrift für die Be-
schäftigung mit dem Hund. Wird durch die Hundehaltung eine Dienstpflicht er-
füllt, fehlt es an einem besteuerbaren Aufwand für die persönliche Lebensfüh-
rung.
Urteil des 10. Senats vom 16. Mai 2007 - BVerwG 10 C 1.07
I. VG Darmstadt vom 08.02.2006 - Az.: VG 4 E 428/04(2) -
II. VGH Kassel vom 11.09.2006 - Az.: VGH 5 UE 1611/06 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 10 C 1.07
am 16. Mai 2007
VGH 5 UE 1611/06
Oertel
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2007
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. h.c. Hien,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Dr. Nolte, Domgörgen
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
für Recht erkannt:
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 11. September 2006 wird aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Darmstadt vom 8. Februar 2006 wird zu-
rückgewiesen.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Re-
visionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten um die Heranziehung zur Hundesteuer für einen Dienst-
hund.
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Der Kläger ist Polizeiobermeister bei der Bundespolizei und als Diensthundfüh-
rer beim Bundespolizeiamt in Frankfurt am Main tätig. Nach dem einschlägigen
Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 17. November 1997 („BRAS
171 - Das Diensthundewesen des Bundesgrenzschutzes") stehen Diensthunde
der Bundespolizei im Eigentum des Bundes. Sie werden dem Diensthundführer
zur artgerechten Haltung und Pflege übergeben. Außerhalb der Dienstzeiten
hält der Diensthundführer den Diensthund bei sich zu Hause. Für den besonde-
ren Aufwand, der dem Diensthundführer durch die Betreuung des Hundes ent-
steht, werden ihm 45 Minuten pro Wochentag auf die wöchentliche Arbeitszeit
angerechnet. Außerdem erhält er eine steuerfreie Diensthundführeraufwand-
entschädigung in Höhe von 86,92 € im Monat, die der Abgeltung der mit der
Haltung des Hundes im eigenen Haushalt verbundenen Aufwendungen (Futter,
Pflegemittel, Tierarzt, Impfungen etc.) dient.
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Die Beklagte erhebt aufgrund der „Satzung über die Erhebung einer Hun-
desteuer im Gebiet der Gemeinde Riedstadt“ vom 4. Dezember 1998, geändert
durch Satzung vom 31. August 2000, für die Haltung von Hunden Hundesteuer.
Gegen den Heranziehungsbescheid vom 18. Juli 2002 wandte sich der Kläger
mit seinem am 23. Juli 2002 eingegangenen Widerspruch. Die Dienststelle des
Klägers begründete den Widerspruch damit, dass Diensthunde im Auftrag des
Bundes von den Diensthundführern zu Hause gehalten würden. Sämtliche hier-
zu anfallenden Kosten gingen zu Lasten des Bundes. Der Hundeführer
übernehme den Hund mit dem dienstlichen Auftrag, ihn zu pflegen, zu füttern
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und bei seiner Aufgabenwahrnehmung einzusetzen. Mit Bescheid vom 11. Au-
gust 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Der Kläger hat gegen den Hundesteuerbescheid Klage erhoben. Er habe den
Hund nicht im eigenen Interesse in den eigenen Haushalt aufgenommen, son-
dern er sei dazu dienstlich verpflichtet, handele also im Interesse der Bundes-
republik Deutschland. Er verweist darauf, dass es für den privaten Umgang mit
dem Diensthund besondere Regeln gebe. So bedürfe z. B. selbst die gelegent-
liche Betreuung und das Ausführen des Hundes durch einen „geeigneten“ Fa-
milienangehörigen oder auch der tierärztliche Besuch der vorherigen Einwilli-
gung des Diensthundelehrwartes. Ebenfalls zustimmungsbedürftig sei die priva-
te Mitnahme des Diensthundes ins Ausland, z. B. zum Zwecke des Urlaubs.
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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 8. Februar 2006 die angefochte-
nen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle
den Steuertatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundesteuersatzung der Be-
klagten nicht. Er habe nämlich den Diensthund nicht im eigenen Interesse oder
im Interesse seiner Familie in seinen Haushalt aufgenommen, sondern sei dazu
dienstlich verpflichtet. Die Satzung der Beklagten müsse entsprechend ausge-
legt werden. Eine andere Auslegung wäre nicht von der Ermächtigungsgrundla-
ge des § 7 Abs. 2 KAG gedeckt und widerspreche dem Aufwandsbegriff des
Art. 105 Abs. 2a GG. Es liege hier kein durch eine persönliche, private Lebens-
führung veranlasster Aufwand vor, der Ausdruck einer eigenen wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit sei, sondern ein dienstlich veranlasster Aufwand.
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Der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat der Verwaltungsgerichts-
hof mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11. September 2006 stattgege-
ben und zur Begründung mit Bezugnahme auf sein Urteil vom 25. Juni 2003
(5 UE 1174/01, NVwZ-RR 2004, 213) ausgeführt, die Hundesteuer knüpfe als
Aufwandsteuer an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen
an. Besteuert werde ein besonderer Aufwand, der über die Verwendung von
Einkommen und Vermögen zur Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs
hinausgehe. Hundehalter sei, wer einen Hund in seinen Haushalt aufgenommen
habe. Das sei beim Kläger der Fall. Der Zweck der Hundehaltung sei dabei un-
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erheblich. Das Wesen der Aufwandsteuer schließe es aus, für die Steuerpflicht
von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolg-
ten Zwecke, die dem betriebenen Aufwand zugrunde lägen, abzustellen. Die
vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen einem durch
eine persönliche, private Lebensführung veranlassten Aufwand, der Ausdruck
einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne, und einem dienst-
lich veranlassten Aufwand sei demnach nicht maßgeblich.
Zur Begründung der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision
vertieft der Kläger sein Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, dass er ver-
pflichtet sei, den Diensthund im Interesse des Dienstherrn auch außerhalb der
regulären Arbeitszeit zu betreuen. Es gebe keine ausreichenden zentralen
Diensthundeeinrichtungen. Zudem solle darauf hingewirkt werden, dass zwi-
schen Diensthundführer und seinem Hund ein Vertrauensverhältnis aufgebaut
werde, aufgrund dessen sich die tägliche Arbeitsbewältigung verbessere und
der Diensthund effektiver arbeite. Bei einem Diensthund handele es sich um ein
dem Diensthundführer anvertrautes „Arbeitsgerät“, das dieser aus Gründen der
Effektivität und Leistungsfähigkeit über die Dienstzeit hinaus in seiner Obhut
behalte.
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Der Kläger beantragt,
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den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 11. September 2006 aufzuheben und die Berufung
des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Darmstadt vom 8. Februar 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Berufungsentscheidung verletzt
Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat auf die
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Klage des Klägers zu Recht die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Dement-
sprechend war die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch Bundesrecht angewandt, das das Bun-
desverwaltungsgericht überprüfen darf. Die Entscheidung des Berufungsge-
richts beruht zwar im Wesentlichen auf der Auslegung und Anwendung einfach-
gesetzlichen Landesrechts, das grundsätzlich irrevisibel ist. Zum Landesrecht
gehören auch die Rechtsvorschriften, die im Range unter dem Landesgesetz
stehen, insbesondere nur im Gemeinde- bzw. Kreisgebiet geltende kommunale
Satzungen des sog. Ortsgesetzgebers. Das nicht revisible Recht darf vom Bun-
desverwaltungsgericht aber darauf überprüft werden, ob die Auslegung und
Anwendung des Landesrechts durch das Berufungsgericht mit dem Bundes-
recht in Einklang steht, insbesondere das Bundesrecht eine andere Auslegung
gebietet (Urteil vom 29. Juni 2000 - BVerwG 1 C 26.99 - Buchholz 402.41 All-
gemeines Polizeirecht Nr. 68). Das Berufungsgericht hat § 2 der Hundesteuer-
satzung der Beklagten so ausgelegt, dass auch der Halter eines Diensthundes
Halter im Sinne dieser Satzungsvorschrift ist, weil er den Diensthund in seinen
Haushalt aufgenommen hat. Damit hat es den Begriff der Aufwandsteuer in
Art. 105 Abs. 2a GG verkannt.
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In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die
Aufwandsteuern i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG (nur) den besonderen, über die Be-
friedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die
persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwen-
dung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftli-
che Leistungsfähigkeit besteuern (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Dezem-
ber 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Beschluss vom
28. November 1997- BVerwG 8 B 224.97 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 5;
Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 9 C 1.01 - BVerwGE 115, 165
<168 f.>; Urteil vom 27. September 2000 - BVerwG 11 C 4.00 - Buchholz
401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 18). Die Aufwandsteuer knüpft an das Halten
eines Gegenstandes oder an einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand an
(BVerfG a.a.O. S. 347); sie ist eine Steuer auf die Einkommensverwendung, die
einen besondere Leistungsfähigkeit indizierenden Konsum belastet (vgl. Jach-
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mann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 3, 5. Aufl., Art. 105 Rn. 62). Im
Aufwand als Konsum kommt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Aus-
druck. Nur soweit in diesem Sinne ein Aufwand für die persönliche Lebensfüh-
rung betrieben wird, kommt es im Sinne des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.
S. 347) nicht darauf an, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird.
Die Hundesteuer gehört zu den herkömmlichen Gemeindesteuern, die zu erhe-
ben die Länder die Gemeinden ermächtigt haben, für Hessen durch § 7 des
Gesetzes über kommunale Abgaben (HKAG) vom 17. März 1970 (GVBl
S. 225). Sie ist eine örtliche Aufwandsteuer, weil das Halten eines Hundes über
die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und einen Auf-
wand - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - erfordert (vgl. nur
etwa Beschluss vom 28. November 1997 a.a.O.)
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Der Verwaltungsgerichtshof geht von der Hundesteuer als Aufwandsteuer aus.
Mit Bezugnahme auf sein Urteil vom 25. Juni 2003 (a.a.O.) hält er für unerheb-
lich, welchem Zweck die Haltung des Hundes diene, ob er beruflich oder privat
gehalten werde. Das Berufungsgericht bezieht sich insoweit auf die Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zur
Zweitwohnungssteuer für Erwerbszweitwohnungen, wonach das Wesen der
Aufwandsteuer es ausschließe, für die Steuerpflicht von vornherein auf eine
wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten Zwecke, die dem Auf-
wand zugrunde liegen, abzustellen (BVerfG a.a.O. S. 357; BVerwG, Urteil vom
12. April 2000 - BVerwG 11 C 12.99 - BVerwGE 111, 122 <126>). Maßgeblich
dürfe allein der Konsum als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit sein. Der Begriff der persönlichen Lebensführung sei nicht als
„private Lebensführung“ als Gegensatz zu einer „beruflichen Lebensführung“ zu
verstehen, sondern diene vielmehr der Beschränkung des Steuertatbestandes
auf den konsumtiven Aufwand als Kennzeichen der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit und der Abgrenzung des Aufwands zur Einkommensverwendung ge-
genüber der Einkommenserzielung. Die Lebensführung eines Steuerpflichtigen
bleibe auch, soweit sie beruflichen Zwecken diene, in diesem Sinne eine per-
sönliche Lebensführung. Danach unterfalle eine Hundehaltung, die ganz oder
teilweise beruflichen Zwecken diene, ebenfalls der Aufwandsteuer. Nicht maß-
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geblich sei deshalb eine Differenzierung zwischen einem durch eine persönli-
che, private Lebensführung veranlassten Aufwand, der Ausdruck einer eigenen
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne, und einem dienstlich veranlass-
ten Aufwand. Es komme ebenfalls nicht darauf an, von wem und mit welchen
Mitteln der Aufwand finanziert werde und welchen Zwecken er des Näheren
diene.
Damit verkennt das Berufungsgericht den Begriff des „besteuerbaren Aufwands
für die persönliche Lebensführung“. Die Haltung eines Diensthundes ist keine
Angelegenheit der persönlichen Lebensführung, die wirtschaftliche Leistungsfä-
higkeit indiziert, sondern die Erfüllung einer Dienstpflicht. Die Entscheidung,
einen Diensthund zu erwerben und zu halten, trifft nicht der Kläger oder ein sei-
nem Haushalt angehöriges Mitglied, sondern der Dienstherr. Der Kläger kann
nicht entscheiden, ob er einen Diensthund erwirbt und ggf. welchen. Den
Diensthund zu Hause zu betreuen, ist er aufgrund der dienstrechtlichen Vor-
schriften verpflichtet. Der Umgang mit dem Hund unterliegt nicht allein dem Wil-
len des Klägers; er ist auch hier an Vorschriften gebunden. Für verschiedene
Verwendungen - Führen durch eine andere Person, Mitnahme in den Urlaub ins
Ausland, Tierarztbesuche - bedarf er einer Genehmigung. Für die Hundehal-
tung erhält er eine die Kosten im Wesentlichen abdeckende Aufwandsentschä-
digung und für die persönliche Beschäftigung mit dem Hund eine Arbeitszeit-
gutschrift. Wird durch die Hundehaltung - wie hier - eine Dienstpflicht erfüllt,
fehlt es demnach an einem besteuerbaren Aufwand für die persönliche Lebens-
führung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
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Dr. h.c. Hien Vallendar Dr. Nolte
Domgörgen Buchberger
B e s c h l u s s
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 210 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Dr. h.c. Hien Vallendar Dr. Nolte