Urteil des BVerwG vom 30.06.2008

BVerwG (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, antrag, bundesverwaltungsgericht, abänderung, auflage, vollzug, wirkung, anordnung, umdeutung, bezug)

Rechtsquellen:
VwGO
§§ 80 Abs. 7, 123 Abs. 1
Stichworte:
Veränderte Umstände, Abänderung, Anordnungsanspruch, Planfeststellungs-
beschluss, Auflage, Zuwiderhandlung, Verstoß, Vollzug, Grundstückseigentü-
mer, Rechtsverletzung.
Leitsätze:
1. Eine behauptete Zuwiderhandlung gegen eine in einem Planfeststellungsbe-
schluss enthaltene Auflage stellt keinen veränderten Umstand i.S.v. § 80 Abs. 7
Satz 2 VwGO dar, weil Maßnahmen im Vollzug des Planfeststellungsbeschlus-
ses nicht dessen Rechtmäßigkeit berühren.
2. Eine behauptete Zuwiderhandlung gegen eine zum Schutz von Brutvögeln
im Trassenbereich festgesetzte naturschutzrechtliche Auflage (hier: Baufeld-
freimachung erst außerhalb der Brutzeit) begründet als Verstoß gegen objekti-
ves Recht für sich genommen keinen Anordnungsanspruch i.S.v. § 123 Abs. 1
VwGO eines von einem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher
Vorwirkung betroffenen Grundstückseigentümers auf Einstellung von angeblich
auflagenwidrig beabsichtigten Vollzugsmaßnahmen (Rodungsarbeiten).
Beschluss des 9. Senats vom 30. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 16.08 (9 VR 9.07)
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 VR 16.08 (9 VR 9.07)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:
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Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom
13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - und Wiederherstel-
lung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den
Planfeststellungsbeschluss vom 6. Februar 2007 in der
Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 13. April
2007 wird abgelehnt.
Die Kosten des Abänderungsverfahrens trägt die Antrag-
stellerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12 671,25 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Durch Beschluss vom 13. März 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht den
Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 6. Feb-
ruar 2007 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 13. April 2007
abgelehnt. Die Antragstellerin begehrt die Abänderung dieses Beschlusses des
Bundesverwaltungsgerichts mit der Begründung, der Vorhabenträger wolle ent-
gegen den Anordnungen des Planfeststellungsbeschlusses bereits am 1. Juli
2008 mit Rodungsarbeiten am Westportal beginnen. Nach dem Landschafts-
pflegerischen Begleitplan, auf den der Planfeststellungsbeschluss Bezug neh-
me, dürften Rodungsarbeiten nur in der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar
vorgenommen werden (LBP Maßnahme V 2.1 S. 361). Durch die Rodungsar-
beiten würden im Bereich des Baufeldes derzeit noch belegte Nester zerstört
werden. Das Gutachten der Oberen Naturschutzbehörde, die der vorgezoge-
nen Rodung zugestimmt habe, sei von einem nicht hinreichend qualifizierten
Agraringenieur aufgrund einer nicht ausreichenden Ortsbegehung erstellt wor-
den. Darüber hinaus ergebe sich aufgrund einer im Juni 2008 durchgeführten
erneuten Brutvogelkartierung, dass sich im künftigen Trassenbereich die Brut-
reviere zahlreicher Vogelarten befänden, für deren Artreproduktion die Erhal-
tung des Reviers notwendig sei.
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Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass der Vermeidungsmaßnahme
V 2.1 im Landschaftspflegerischen Begleitplan genügt worden sei. Die für Aus-
nahmefälle geforderte Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden
sei erfolgt. Die Obere Naturschutzbehörde habe dem Vorgehen des Vorha-
benträgers zugestimmt.
II
1. Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 13. März 2008 kann kei-
nen Erfolg haben.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann ein Beteiligter die Abänderung eines Be-
schlusses über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung we-
gen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht gel-
tend gemachter Umstände beantragen. Dabei muss es sich um tatsächliche
oder rechtliche Umstände handeln, die für die rechtliche Beurteilung im Aus-
gangsverfahren maßgeblich waren. Solche Umstände hat die Antragstellerin
nicht schlüssig dargelegt. Sie verweist nämlich darauf, dass nach ihrer Auffas-
sung der Vorhabenträger einer Auflage im Planfeststellungsbeschluss zuwider
handelt. Damit wird ein mögliches Vollzugsdefizit aufgegriffen. Maßnahmen im
Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses betreffen jedoch nicht dessen
Rechtmäßigkeit.
2. Eine Umdeutung in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Unabhängig da-
von, ob eine solche Umdeutung eines von einem Rechtsanwalt eingereichten
und eindeutigen formulierten Antrages überhaupt zulässig wäre, fehlt es an ei-
nem Anordnungsanspruch.
Ein solcher Anspruch der Antragstellerin könnte sich nur aus Rechtsvorschrif-
ten ergeben, die dem Schutz ihrer Rechte dienen. Die Vermeidungsmaßnahme
V 2.1 ist ausschließlich zum Schutz der Brutvögel im Trassenbereich erlassen
worden. Wird diese nicht eingehalten, liegt ein Verstoß gegen objektives Recht
vor. Die Antragstellerin hat die Verletzung eigener Rechte durch diesen Verstoß
nicht dargelegt. Das Recht, auch die Verletzung objektiven Rechts zu rügen,
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kommt der Antragstellerin als Grundstücksbetroffene nur in Bezug auf die
Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses selbst zu. Die Inanspruch-
nahme ihres Grundstückes muss sie nämlich nur dulden, wenn der Planfest-
stellungsbeschluss rechtmäßig ist. Einen Verstoß gegen objektives Recht beim
Vollzug eines vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses umfasst dieses aus
dem Eigentumsrecht folgende Rügerecht nicht.
3. Schließlich sieht sich der Senat nicht veranlasst, den Beschluss vom
13. März 2008 von Amts wegen nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO deshalb abzu-
ändern, weil die Planfeststellungsbehörde inzwischen eine 2. Ergänzung des
angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses vorgenommen hat. Denn mit den
dort verfügten Auflagen werden nur zusätzliche Vermeidungsmaßnahmen auf-
grund neuer, nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im Zuge der Bau-
vorbereitung vorgenommener Untersuchungen zum Schutze vorhandener Fau-
na einschließlich der Avifauna festgesetzt. Eine andere, zugunsten der Antrag-
stellerin ausfallende Abwägung des Aussetzungsinteresses durch den Senat
ergibt sich daraus nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Storost
Domgörgen
Buchberger
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