Urteil des BVerwG vom 02.10.1961

BVerwG (beschwerde, auslegung, gemeindeordnung, wahl, zulassung, rechtsfrage, bundesverwaltungsgericht, interesse, mindeststandard, vorschrift)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 52.05
OVG 4 B 436/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juli 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und G o l z e
und die Richterin am Bundesverwaltungsgerichts Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts
vom 15. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde der Klägerin zu 1 ist unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat
die Klageabweisung hinsichtlich der Klägerin zu 1 allein damit begründet, die Klage
der Klägerin zu 1 sei unzulässig, weil es an einem berechtigten Interesse der Klägerin
zu 1 an der von ihr begehrten Feststellung fehle. Zu dieser Begründung führt die Be-
schwerde keine Zulassungsgründe i.S. des § 132 Abs. 2 VwGO an. Die geltend ge-
machte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bezieht sich nicht auf die Frage
der Zulässigkeit der von der Klägerin zu 1 erhobenen Klage.
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2. Auch die Beschwerde der Klägerin zu 2 kann keinen Erfolg haben. Die insoweit al-
lein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargetan.
Grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur
dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchst-
richterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegen-
den Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts
(§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dar-
gelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden (vgl. Beschluss
vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>), dass und inwie-
weit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klä-
rungsbedürftig und warum ihre Klärung im beabsichtigten Revisionsverfahren zu er-
warten ist.
Daran fehlt es hier. Die Beschwerde trägt selbst vor, dass die Entscheidung des
Rechtsstreits im Wesentlichen von der Auslegung einer Vorschrift der Sächsischen
Gemeindeordnung, und damit des nicht revisiblen Landesrechts abhängt. Soweit sie in
diesem Zusammenhang meint, entscheidungserheblich sei auch der Einfluss der
kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und des
Demokratieprinzips gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Auslegung des § 56
Abs. 2 Satz 2 SächsGO wird auch damit keine grundsätzliche Frage des revisiblen
Rechts bezeichnet. Die Zulassung der Revision käme nur dann in Betracht, wenn hin-
sichtlich der Auslegung des Bundesrechts klärungsbedürftige Fragen bestünden, die in
dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärungsfähig wären. Die Beschwerde
macht in Wahrheit aber geltend, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Auslegung
des Landesrechts bundesrechtliche Vorgaben fehlerhaft angewandt. Das führt nicht
zur Zulassung der Revision (stRspr, vgl. Beschluss vom 3. März 1994 - BVerwG 1 B
97.93 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 26 S. 5 <6> und zur Frage der Auswir-
kung des Gleichheitssatzes auf Vorschriften der Sächsischen Gemeindeordnung Be-
schluss vom 5. August 2004 - BVerwG 8 B 37.04 -; die gegen diese Entscheidung
eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen
- BVerfG, Beschluss vom 30. November 2004 - 1 BvR 2113/04).
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Klärungsbedürftige Rechtsfragen zum Inhalt des Demokratieprinzips und/oder des
kommunalen Selbstverwaltungsrechts zeigt die Beschwerde nicht in der gebotenen
Weise auf.
Sie bezeichnet sinngemäß die Frage als klärungsbedürftig,
welche Auswirkungen das Demokratieprinzip und die kommunale Selbst-
verwaltungsgarantie auf die Wahl der hauptamtlichen Beigeordneten bzw.
die diese regelnden Rechtsvorschriften des Kommunalverfassungsrechts
haben.
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage wird von der Beschwerde nicht dargetan. So-
weit sich die Vorinstanz - wie hier - mit der als klärungsbedürftig bezeichneten Frage
befasst hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörte-
rung aller Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtlich
Bedeutung haben (vgl. Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 -
Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 11 S. 12 <13>). Dazu genügt es nicht, dass die
Beschwerde ausführt, die Frage sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt ( Beschluss
vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - a.a.O.), und dass sie weiter ausführt, die
genannten Prinzipien "könnten" für die Interpretation des § 56 Abs. 2 SächsGO Rele-
vanz haben. Vielmehr müsste die Beschwerde darlegen, dass dem Demokratieprinzip
als solchem bestimmte Verfahrensvorschriften zu entnehmen sein sollen, die - unab-
hängig von der jeweiligen landesrechtlichen Vorschrift in der Gemeindeordnung -
einen bestimmten Mindeststandard vorgeben. Welche das hier sein sollen, legt die
Beschwerde nicht einmal ansatzweise dar. Der allgemeine Hinweis auf den Minderhei-
tenschutz und seine besondere Ausprägung im Verfahrensrecht reicht dafür nicht aus.
Dies erkennt offenbar auch die Beschwerde, wenn sie ausdrücklich offen lässt, ob die-
se Prinzipien für alle Bundesländer einen gewissen Mindeststandard bei der Wahl der
Beigeordneten voraussetzen sollen und stattdessen meint, dies dränge sich jedenfalls
für die Länder Sachsen und Baden-Württemberg wegen der dort geltenden Regelun-
gen in den Gemeindeordnungen auf. Damit wird deutlich, dass es um die Auslegung
der jeweiligen Gemeindeordnung und nicht um klärungsbedürftige Fragen im Zusam-
menhang mit dem bundesrechtlichen Demokratieprinzip geht.
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Nichts anderes gilt für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch
Art. 28 GG. Inwiefern daraus Anforderungen für die Ausgestaltung des Wahlverfah-
rens bei der Wahl der Beigeordneten hergeleitet werden sollen, wie sie die Klägerin
zu 2 unter Hinweis auf § 56 Abs. 2 der SächsGO für sich in Anspruch nimmt, wird von
der Beschwerde nicht ansatzweise dargelegt.
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festset-
zung des Streitwerts auf den §§ 47, 52 GKG.
Dr. Pagenkopf Golze Dr. von Heimburg