Urteil des BVerfG vom 10.04.2018

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft

Verkündet
am 10. April 2018
Langendörfer
Tarifbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Leitsätze
zum Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018
- 1 BvR 1236/11 -
1. Mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Besteuerung nach
der Leistungsfähigkeit ist es vereinbar, dass eine Personengesellschaft
(Mitunternehmerschaft) nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG bei Verkauf eines
Anteils durch einen Mitunternehmer grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig
ist, obwohl der Veräußerungsgewinn beim Veräußerer verbleibt.
2. Die Freistellung des auf natürliche Personen als unmittelbar beteiligte
Mitunternehmer entfallenden Veräußerungsgewinns von der
Gewerbesteuerpflicht in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG
vereinbar.
3. Nicht nur die Einbringung eines Gesetzesvorhabens in den Bundestag,
sondern auch dessen Zuleitung zum Bundesrat kann das Vertrauen in die
bestehende Rechtslage gegenüber einem Gesetz mit belastender
Rückwirkung zerstören.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1236/11 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Brauerei B... GmbH & Co. KG,
vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin .... GmbH & Co.
OHG, diese vertreten durch die persönlich haftenden Gesellschafter ...
- Bevollmächtigte:
1. Rechtsanwälte Dr. Arvid Siebert und Katrin Piepho,
in Sozietät Rechtsanwälte kessler&partner,
Martinistraße 57, 28195 Bremen,
2. Rechtsanwälte Dr. Bertold Gaede und Martin Ahlhaus,
in Sozietät Rechtsanwälte Noerr LLP,
Brienner Straße 28, 80333 München -
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 8. März 2011 - IV S 14/10 -,
b das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Juli 2010 - IV R 29/07 -,
c) den Bescheid des Finanzamts Bremen-Mitte vom 28. April 2010 - ... -,
2. mittelbar gegen
§ 7 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) in der Fassung des Fünften
Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur
Änderung von Steuergesetzen (StBAÄG) vom 23. Juli 2002 (BGBl I S.
2715)
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Eichberger,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz,
Ott
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2017 durch
Urteil
für Recht erkannt:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fragen, ob die Einführung der
Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Mitunternehmerschaft durch § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG im Juli 2002 und das
rückwirkende Inkraftsetzen dieser Vorschrift für den Erhebungszeitraum 2002
verfassungsrechtlich zulässig sind.
I.
1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im
Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Unter Gewerbebetrieb ist ein
gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen
(§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Außerdem gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften
stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG).
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG).
Das ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des
Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb,
vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge
(§ 7 Satz 1 GewStG).
Anders als bei der Einkommensteuer können Schuldner der Gewerbesteuer neben
natürlichen und juristischen Personen auch Personengesellschaften sein. Ist die
Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldnerin der
Gewerbesteuer die Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die
Personengesellschaft bildet bei Vorliegen von Mitunternehmerrisiko und
Mitunterneh-merinitiative einkommensteuerlich wie auch gewerbesteuerlich eine
Mitunternehmerschaft (vgl. BFH Großer Senat, Beschluss vom 25. Juni 1984 - GrS
4/82 -, BFHE 141, 405 <440 ff.>).
Die Gewerbesteuer, die der Gewerbeertrag einer Kapitalgesellschaft auslöst, ist
von der Kapitalgesellschaft geschuldet (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Sie ist aufgrund
gesetzlicher Regelung (§ 4 Abs. 5b EStG) seit 2008 für Kapitalgesellschaften nicht
mehr als Betriebsausgabe bei der Gesellschaft abziehbar und auf Ebene des
Gesellschafters auf dessen Einkommensteuer nicht anrechenbar.
2. Nach früherer gefestigter Rechtsprechung und damit übereinstimmender
Auffassung
in
Rechtswissenschaft
und
Rechtspraxis
begann
die
Gewerbesteuerpflicht bei Personengesellschaften und Einzelunternehmern
grundsätzlich erst mit Aufnahme der werbenden „aktiven“ Tätigkeit und endete mit
deren Aufgabe. Aus diesem Grund unterlagen bei Personengesellschaften und
Einzelunternehmern Gewinne aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs oder
eines Teilbetriebs oder von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft bis zur
Einführung des § 7 Satz 2 GewStG durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des
Steuerbeamten-Ausbil-dungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom
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23. Juli 2002 - StBAÄG - (BGBl I S. 2715) grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer
(vgl. BFH, Urteil vom 25. Mai 1962 - I 78/61 S -, BFHE 75, 467 <470>; BFH, Urteil
vom 27. März 1996 - I R 89/95 -, BFHE 181, 499 <502>; Abschnitt 38 Absatz 3
GewStR 1998; Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Rn. 13 f.
2017>).
Bei Kapitalgesellschaften unterlagen und unterliegen dagegen grundsätzlich
sämtliche Gewinne der Gewerbesteuer. Daher sind bei Kapitalgesellschaften
grundsätzlich auch die Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben oder
Teilbetrieben oder aus der Aufgabe des Betriebs gewerbesteuerpflichtig. Allerdings
ging die Rechtsprechung ungeachtet dieser gesetzlichen Fiktion davon aus, dass
die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften - auch
bei Kapitalgesellschaften, die ihre Anteile daran veräußern - nicht der
Gewerbesteuer unterliegen (vgl. BFH, Urteil vom 28. Februar 1990 - I R 92/86 -,
BStBl II 1990, S. 699 = juris, Rn. 17). Der Bundesfinanzhof begründete dies damit,
dass der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften
deshalb nicht der veräußernden Kapitalgesellschaft zuzurechnen sei, weil in diesen
Fällen die im Betrieb der Personengesellschaft liegenden stillen Reserven realisiert
würden.
3. Mit der Einführung des mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffenen
§ 7 Satz 2 GewStG durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-
Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen hat der Gesetzgeber
diese Rechtslage für Mitunternehmerschaften beendet und bei ihnen auch die
Gewinne aus der Veräußerung ihres Betriebs, eines Teilbetriebs oder von Anteilen
eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer anzusehen ist, weitgehend der
Gewerbesteuer unterworfen.
a) § 7 GewStG in der angegriffenen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung
des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen
lautet:
Gewerbeertrag
ist
der
nach
den
Vorschriften
des
Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes
zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der
Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§
14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist,
vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten
Beträge. Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der
Veräußerung oder Aufgabe
1.
des
Betriebs
oder
eines
Teilbetriebs
einer
Mitunternehmerschaft, 2. des Anteils eines Gesellschafters, der als
Unternehmer
(Mitunternehmer)
des
Betriebs
einer
Mitunternehmerschaft anzusehen ist, 3. des Anteils eines
persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft
auf Aktien,
soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar
beteiligter Mitunternehmer entfällt. Der nach § 5a des
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Einkommensteuergesetzes ermittelte Gewinn und das nach § 8
Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte
Einkommen gelten als Gewerbeertrag nach Satz 1.
Die Einführung von § 7 Satz 2 GewStG sollte die Gefahr von Missbrauch
beseitigen,
die
durch
einkommen-
und
körperschaftsteuerliche
Gestaltungsmöglichkeiten entsteht. Es sollte vermieden werden, dass die breitere,
schon
bisher
Veräußerungsgewinne
erfassende
gewerbesteuerliche
Bemessungsgrundlage bei Kapitalgesellschaften dadurch umgangen wird, dass die
zu veräußernden Wirtschaftsgüter steuerneutral vor ihrer Veräußerung aus der
Kapitalgesellschaft geschleust und dann gewerbesteuerfrei veräußert werden.
b) Im Einzelnen lag dem neu eingefügten § 7 Satz 2 GewStG eine aufgrund eines
redaktionellen
Versehens
des
Gesetzgebers
ungewöhnliche
Gesetzgebungsgeschichte zugrunde:
aa) (1) Ein Entwurf zur Änderung des § 7 GewStG wurde zunächst im Rahmen
des
Gesetzes
zur
Fortentwicklung
des
Unternehmenssteuerrechts
(Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG) am 17. August 2001 dem
Bundesrat zugeleitet (BRDrucks 638/01) und am 10. September 2001 beim
Bundestag eingebracht. Die damalige Entwurfsfassung des neuen § 7 Satz 2
GewStG stimmte bereits weitestgehend mit der im Jahr 2002 Gesetz gewordenen
Neuregelung überein. Lediglich der abschließende Halbsatz des zweiten Satzes
lautete abweichend von der Endfassung wie folgt:
„… soweit er nicht auf eine natürliche Person als Mitunternehmer
entfällt.“
Art. 4 Nr. 5 UntStFG sah die Anwendung der Neuregelung erstmals für den
Erhebungszeitraum 2002 vor.
In der Einzelbegründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz heißt es dazu (BTDrucks 14/6882,
S. 41):
Veräußerungsgewinne sollen bei Mitunternehmerschaften
(Personengesellschaften, Erbengemeinschaften) künftig der
Gewerbesteuer unterliegen, soweit sie nicht auf natürliche
Personen als Mitunternehmer entfallen. Insbesondere bei einer
Kapitalgesellschaft wird dies zur Vermeidung von missbräuchlichen
Gestaltungen für unverzichtbar gehalten. Kapitalgesellschaften
hätten ohne die Regelung die Möglichkeit, Einzelwirtschaftsgüter,
die bei ihrer Veräußerung mit Gewinn der Gewerbesteuer
unterliegen, statt dessen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
steuerneutral auf eine Personengesellschaft zu übertragen und
könnten anschließend die Beteiligung an der Personengesellschaft
steuerfrei veräußern.
(2) Ausgangspunkt dieser Gesetzesinitiative war der „Bericht der Bundesregierung
zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts" an den Finanzausschuss des
Deutschen Bundestags vom 18. April 2001 (Beilage zu FR 11/2001, S. 1 <2 ff.>; im
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Weiteren „Bericht der Bundesregierung“).
Dort ist unter B.I.6 ausgeführt:
Der Gewinn aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter,
aber auch aus der Veräußerung oder Aufgabe des
Gewerbebetriebes gehört bei Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften sowie Versicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit zum Gewerbeertrag (§ 8 Abs. 2 KStG). Hiervon
ausgenommen ist der Gewinn einer Körperschaft aus der
Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft
(Abschnitt 40 Abs. 2 S. 3 GewStR). Das verschafft
Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG
n.F.
Einzelwirtschaftsgüter
steuerneutral
in
eine
Personengesellschaft (Objektgesellschaft) einzubringen, um sie
anschließend durch Verkauf der Beteiligung gewerbesteuerfrei zu
veräußern.
Es gibt keine nachvollziehbare Begründung dafür, dass eine
Kapitalgesellschaft
mit
dem
Veräußerungsgewinn
der
Gewerbesteuer unterliegt, wenn sie ihren gesamten Betrieb oder
Teilbetrieb veräußert, aber einen Betrieb oder Teilbetrieb
gewerbesteuerfrei veräußern kann, wenn sie sich mit einer anderen
Kapitalgesellschaft zusammenschließt oder wenn an ihr eine
andere Person - das kann auch der Anteilseigner einer Ein-Mann-
GmbH sein - als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt ist. […]
Die Vertreter von Wissenschaft und Wirtschaft äußerten die
Befürchtung, dass eine erweiterte gewerbesteuerliche Erfassung
von Beteiligungsverkäufen möglicherweise den Mittelstand
schädigen könne. Wegen einiger weniger Missbrauchsfälle sei eine
allgemeine Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von
Beteiligungen an Personengesellschaften nicht gerechtfertigt.
Die Vertreter der Verwaltung sind der Auffassung, dass die
Möglichkeit der gewerbesteuerfreien Veräußerung der Beteiligung
an der Personengesellschaft künftig beseitigt werden sollte.
Um diese Missbrauchsmöglichkeit künftig auszuschließen, sollte
zum Gewerbeertrag auch der Gewinn aus der Veräußerung des
Anteils eines Gesellschafters gehören, der als Unternehmer
(Mitunternehmer) des Betriebs einer Personengesellschaft
anzusehen ist.
Den Befürchtungen der Wirtschaft könnte durch eine
Nichtanwendungsklausel
für
natürliche
Personen
als
Mitunternehmer Rechnung getragen werden. Dadurch könnte
sichergestellt werden, dass deren Veräußerungsgewinne wie
bisher von der Gewerbesteuer befreit blieben.
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(3) Im Bundestag wurde der Gesetzentwurf am 25. September 2001 zur Beratung
an die Ausschüsse überwiesen. Am 10. Oktober 2001 fand eine öffentliche
Anhörung hierzu statt (BTDrucks 14/7344, S. 2 f.).
In seiner Beschlussempfehlung vom 7. November 2001 schlug der
Finanzausschuss des Deutschen Bundestags die Änderung vor, im letzten
Halbsatz vor Mitunternehmer „unmittelbar beteiligter" einzufügen (BTDrucks
14/7343, S. 40). Der letzte Halbsatz des § 7 Satz 2 GewStG sollte demnach lauten:
[…] soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar
beteiligter Mitunternehmer entfällt.
Die Begründung hierfür lautete (BTDrucks 14/7344, S. 12):
Durch die Änderung werden nur die Veräußerungsgewinne bei
Mitunternehmerschaften von der Gewerbesteuer steuerfrei
gelassen, die auf unmittelbar beteiligte natürliche Personen
entfallen. Soweit eine natürliche Person mittelbar beteiligt ist, erfolgt
eine
Entlastung
um
die
Gewerbesteuer
durch
die
Steuerermäßigung nach § 35 EStG. Die Ergänzung ist notwendig,
um die Regelung in der Praxis anwenden zu können. Bei
mehrstufigen
Personengesellschaften
ist
es
für
das
Betriebsfinanzamt
regelmäßig
nicht
oder
nur
unter
unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellbar, ob und in
welchem Umfang eine natürliche Person mittelbar an dem
Veräußerungsgewinn der Personengesellschaft beteiligt ist.
(4) Der Bundestag nahm das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz in der
Fassung der BTDrucks 14/7343 am 9. November 2001 an (BRDrucks 893/01) und
verabschiedete es am 14. Dezember 2001.
Der Bundesrat stimmte am 20. Dezember 2001 zu (BRDrucks 1061/01). Am 24.
Dezember 2001 wurde das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz im BGBl I
S. 3858 veröffentlicht. Die Änderung des § 7 Satz 2 GewStG trat nach Art. 12 Abs. 1
UntStFG am Tag nach der Verkündung in Kraft und war nach Art. 4 Nr. 5 UntStFG
erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.
bb) Zwischenzeitlich hatte der Bundestag in Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes zur
Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen
Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit" vom 20.
Dezember 2001 (Solidarpaktfortführungsgesetz - SFG) ebenfalls eine Neufassung
des § 7 Satz 2 GewStG beschlossen. Sie stand in keinem inhaltlichen
Zusammenhang
mit
der
gewerbesteuerlichen
Behandlung
von
Veräußerungsgewinnen,
die
Gegenstand
der
Regelung
des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes war. Gemäß Art. 11 Nr. 4 SFG sollte
diese Fassung von § 7 Satz 2 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2001
anzuwenden sein.
Das Solidarpaktfortführungsgesetz wurde vom Bundestag am 30. November 2001
beschlossen (BRDrucks 999/01). Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am
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20. Dezember 2001 zu (BRDrucks 999/01). Es wurde am 27. Dezember 2001
verkündet (BGBl I S. 3955) und ordnete, wie vorgesehen, eine Neufassung des § 7
Satz 2 GewStG mit dem Entwurfsinhalt nach dem Solidarpaktfortführungsgesetz
an.
Aufgrund dieser zeitlichen Verkündungsabfolge wurde § 7 Satz 2 GewStG in der
Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes durch die Neufassung
des Solidarpaktfortführungsgesetzes „überschrieben“.
cc) Der ursprüngliche Entwurf des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes sah keine Änderungen von § 7 GewStG vor
(BTDrucks 14/8286). In seiner Beschlussempfehlung und seinem Bericht zum
Entwurf vom 24. April 2002 nahm der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags
dann aber den Vorschlag einer Neufassung von § 7 Satz 2 GewStG auf, die der
„überschriebenen“ Regelung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes
entsprach, um ein redaktionelles Versehen zu beseitigen (BTDrucks 14/8887, S.
26). Art. 1 Buchstabe d Nr. 2 StBAÄG sah die Anwendung der Vorschrift erstmals
für den Erhebungszeitraum 2002 vor.
Das mittlerweile in Fünftes Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-
Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen umbenannte Gesetz
wurde in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses im
Bundestag am 26. April 2002 beschlossen (BRDrucks 351/02). Nach Anrufung des
Vermittlungsausschusses durchlief es am 28. Juni 2002 endgültig den Bundestag
(BRDrucks 607/02) und wurde am 26. Juli 2002 verkündet (BGBl I S. 2715). § 7
Satz 2 GewStG in der heute noch gültigen Fassung trat nach Art. 17 Abs. 1
StBAÄG am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Neufassung des § 7 Satz 2
GewStG war nach dem durch Art. 5 Nr. 2 StBAÄG ebenfalls geänderten § 36 Abs. 1
GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.
4. Die Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für Einzelunternehmer und
Körperschaften folgt ertragsteuerlich eigenen Regeln. Die Mitunternehmerschaft
selbst ist weder Einkommen- noch Körperschaftsteuersubjekt. Zudem sind
Gewerbesteuer und Einkommensteuer in spezifischer Weise miteinander verknüpft.
a) Die Beendigung der Betätigung als Einzelunternehmer kann nur durch Aufgabe
des Gewerbebetriebs oder Veräußerung des Einzelunternehmens erfolgen. Ein dort
entstehender Veräußerungsgewinn unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich
nach denselben Regeln wie die laufenden Gewinne aus einem Einzelunternehmen
(§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Wird die unternehmerische Tätigkeit in Form einer Personengesellschaft
(Mitunternehmerschaft) ausgeübt, unterliegt die Personengesellschaft selbst weder
der Einkommensteuer noch der Körperschaftsteuer (sog. Transparenz der
Personengesellschaft). Diese Steuern fallen vielmehr bei ihren Gesellschaftern an,
je nach deren Rechtsnatur bei natürlichen Personen als Einkommensteuer, bei
juristischen Personen als Körperschaftsteuer.
Der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft
unterliegt bei einer natürlichen Person als Veräußerungsgewinn beim veräußernden
Gesellschafter der Einkommensteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Satz 1
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Nr. 2 EStG) und bei veräußernden Kapitalgesellschaften der Körperschaft-steuer (§
8 Abs. 1 Satz 1 KStG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 KStG). Veräußert eine
Personengesellschaft
ihren
Mitunternehmeranteil
an
einer
anderen
Personengesellschaft, zählt der hieraus erzielte Veräußerungsgewinn zum
Gewinnanteil der veräußernden Personengesellschaft aus ihrer Beteiligung an der
anderen Personengesellschaft. Dieser wird den Gesellschaftern der veräußernden
Personengesellschaft wiederum nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels
zugerechnet und je nach Art des beteiligten Steuerrechtssubjekts der
Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer unterworfen.
b) Einkommensteuer und Gewerbesteuer sind durch § 35 EStG miteinander
verknüpft. Die Regelung trat mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in Kraft und löste den
bis dahin geltenden § 32c EStG ab (vgl. dazu BVerfGE 115, 97). Die
Gewerbesteuer ist danach im dort geregelten Umfang auf die tarifliche
Einkommensteuer anrechenbar und wirkt im Ergebnis vergleichbar einer
Einkommensteuer-Vor-auszahlung. Dies gilt allerdings nur für natürliche Personen,
die unmittelbar oder mittelbar als Mitunternehmer an einer Personengesellschaft
beteiligt sind. Für die Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer gibt es keine
vergleichbare Anrechnungsregelung.
Wie beim Einzelunternehmer wird die Gewerbesteuer nach § 35 EStG bei einer
Mitunternehmerschaft anteilig auf die Einkommensteuer der Gesellschafter
(steuerlich der Mitunternehmer) angerechnet. Der Anrechnungsbetrag eines
Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag richtet sich nach seinem Anteil
am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des in der Gesellschaft
vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssels; Vorabgewinne sind nicht zu
berücksichtigen (§ 35 Abs. 3 Satz 2 EStG in der Fassung des
Veranlagungszeitraums 2001).
II.
1. Die Beschwerdeführerin ist ein weltweit agierendes Unternehmen im
Braugewerbe. Sie ist eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementärin in den
entscheidungserheblichen Jahren 2001 und 2002 eine Offene Handelsgesellschaft
war. Gesellschafterinnen der Offenen Handelsgesellschaft waren zwei
Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Kommanditisten der Beschwerdeführerin
waren neben der H.-B. Brauerei GmbH eine Stiftung, vier Kommanditgesellschaften,
eine weitere Gesellschaft mit beschränkter Haftung und natürliche Personen.
2. Mit Ausnahme der H.-B. Brauerei GmbH veräußerten alle an der
Beschwerdeführerin beteiligten Kommanditisten in den Jahren 2001 und 2002 ihre
Kommanditanteile.
a) Um dies vorzubereiten, schlossen die Gesellschafter im Juli 2001 eine
Gesellschaftervereinbarung. Sie beauftragten einen Lenkungsausschuss mit dem
Ab-schluss eines Anteilsverkaufsvertrags im Namen der Gesellschafter.
b) Am 5. August 2001 wurde zwischen dem Lenkungsausschuss im Namen der
veräußernden Kommanditisten, der Beschwerdeführerin, der Käuferin und deren
Konzernmuttergesellschaft ein Kauf- und Abtretungsvertrag geschlossen (im
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Weiteren „Sale Agreement“).
Ziffer 15.1 des Sale Agreements bestimmt:
Die dingliche Abtretung der Kommanditanteile von den Verkäufern
an die Käuferin ist innerhalb von 14 (vierzehn) Tagen nach Erhalt
aller notwendigen kartellrechtlichen Freigaben […] zu vollziehen; die
dingliche Abtretung erfolgt jedoch in keinem Fall vor dem 1. Februar
2002.
Als aufschiebende Bedingungen des Sale Agreements sahen Ziffer 16.1 die
mehrheitliche Zustimmung der Kommanditisten und Ziffer 16.2 die Erteilung
kartellrechtlicher Genehmigungen vor. Zum Wirksamkeitszeitpunkt wurde - unter
der Voraussetzung des Eintritts der aufschiebenden Bedingungen - der 1. Februar
2002 bestimmt.
Das wirtschaftliche Eigentum an den Kommanditanteilen ging gemäß Ziffer 2.2
Satz 2 des Sale Agreements zum dort bestimmten Zeitpunkt, dem 1. Februar 2002,
über. Gleichzeitig erfolgte auch die Abtretung der Gesellschaftsanteile.
In Ziffer 20.3 des Sale Agreements ist zu anfallenden Steuern geregelt:
[…] Die Käuferin trägt auch alle für die Übertragung
gegebenenfalls anfallenden Steuern, insbesondere unter anderem
die Grunderwerbssteuer [...]; dies berührt nicht die in Ziffer 5.2 (ii)
bezeichneten Freistellungsansprüche.
In Ziffer 5.2 ist geregelt:
Die Verkäufer haben die Käuferin oder nach Wahl der Käuferin die
Gesellschaft und die Tochtergesellschaften schadlos zu halten
hinsichtlich (i) aller Steuern und Sozialabgaben, die sich auf vor
dem oder zum Übertragungszeitpunkt abgelaufene Zeiträume und
(ii) die von der Gesellschaft aufgrund der Übertragung der
Kommanditanteile zu entrichtende Gewerbesteuer beziehen; […]
c) Am 1. September 2001 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung
der Beschwerdeführerin statt. Vor der Beschlussfassung wurden in einer
Aussprache unter anderem die steuerlichen Auswirkungen auf Gesellschafterebene
dargestellt. Sodann genehmigte die Gesellschafterversammlung das Sale
Agreement und stimmte der beabsichtigten Abtretung der Kommanditanteile zu.
d) Am 4. November 2003 trafen die Beteiligten, darunter auch die
Beschwerdeführerin, eine Vereinbarung zur Tragung der Gewerbesteuer aus dem
Verkauf der Kommanditanteile (im Weiteren „Ergänzungsvereinbarung“). Sie ging
davon aus, dass nur der Verkauf der Kommanditanteile der nicht-privaten Verkäufer
(Kapital- und Personengesellschaften) der Gewerbesteuer unterliege. Die
Ergänzungsvereinbarung beschränkte die vertragliche Verpflichtung der Verkäufer,
die Käuferin von der Gewerbesteuer auf die Veräußerungsgewinne freizustellen, der
Höhe nach.
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e) In ihrer Gewerbesteuererklärung 2002 erklärte die Beschwerdeführerin einen
laufenden Verlust für beide Rumpfwirtschaftsjahre und Veräußerungsgewinne nach
§ 7 Satz 2 GewStG in Höhe von circa 663 Mio. €. Das Finanzamt setzte den
Gewerbesteuermessbetrag auf knapp 26 Mio. € und die Gewerbesteuer auf knapp
107 Mio. € fest. Der Einspruch der Beschwerdeführerin hatte keinen Erfolg.
3. Die von der Beschwerdeführerin zum Finanzgericht erhobene Klage war nur
teilweise erfolgreich. Gemäß ihrem Hilfsantrag wurde der Veräußerungsgewinn
nicht in voller Höhe der Besteuerung unterworfen. Den Hauptvortrag, § 7 Satz 2
GewStG sei wegen unzulässiger Rückwirkung und wegen Verletzung des
Gleichheitssatzes verfassungswidrig und daher der Veräußerungsgewinn nicht zu
besteuern, hielt das Finanzgericht im Urteil vom 7. Februar 2007 (FG Bremen, Urteil
vom 7. Februar 2007 - 3 K 73/05 (5) -, EFG 2007, S. 1720) hingegen für
unbegründet.
Während des Revisionsverfahrens erließ das Finanzamt für den
Gewerbesteuermessbetrag 2002 Änderungsbescheide, zuletzt vom 28. April 2010
.
Es berücksichtigte dabei unter anderem den teilweisen Klageerfolg der
Beschwerdeführerin in der ersten Instanz. Die Veräußerungsgewinne aus dem
Verkauf der Kommanditanteile blieben unverändert berücksichtigt.
4. Der Bundesfinanzhof wies die Revision mit angegriffenem Urteil vom 22. Juli
2010 zurück
a) § 7 Satz 2 GewStG sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Das
gelte für die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und natürlichen
Personen, da diese sich grundlegend voneinander unterschieden. Es sei dem
Gesetzgeber unbenommen, an unterschiedliche Rechtsformen unterschiedliche
gewerbesteuerliche Folgen zu knüpfen.
Ferner sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass § 7 Satz 2
GewStG zwischen Personengesellschaften und natürlichen Personen unterscheide.
Die Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs durch eine Mitunternehmerschaft
sei gewerbesteuerpflichtig, nicht hingegen der entsprechende Gewinn einer
natürlichen Person als unmittelbar beteiligte Mitunternehmerin. Damit verfolge der
Gesetzgeber das legitime Ziel, Steuerumgehungen zu verhindern. Es sollte
insbesondere vermieden werden, dass Kapitalgesellschaften Einzelwirtschaftsgüter,
die bei ihrer Veräußerung der Gewerbesteuer unterliegen, nach § 6 Abs. 5 Satz 3
EStG steuerneutral auf eine Personengesellschaft übertragen und anschließend die
Beteiligung an der Personengesellschaft gewerbesteuerfrei veräußern.
Dabei liege die unterschiedliche Behandlung zwischen unmittelbar beteiligten
natürlichen Personen und mittelbar beteiligten natürlichen Personen im Rahmen des
gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums
bei
der
Ausgestaltung
der
Missbrauchsvorschrift;
sie
sei
jedenfalls
aus
Gründen
der
Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.
Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit, dass die Gesellschaft, deren Anteile veräußert würden, mit
Gewerbesteuer belastet werde, obwohl der die Steuerpflicht auslösende Ertrag auf
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Ebene des Gesellschafters erzielt werde. Jedenfalls stehe es mit Art. 3 Abs. 1 GG
im Einklang, bei der Gewerbesteuer an die Leistungsfähigkeit der Gesellschafter
einer Personengesellschaft anzuknüpfen.
b) Die Anwendung von § 7 Satz 2 GewStG auf den Erhebungszeitraum 2002
begründe keine unzulässige Rückwirkung. Dabei könne offen bleiben, ob ein Fall
echter oder unechter Rückwirkung vorliege. Selbst wenn man von einem Fall echter
Rückwirkung ausgehe, sei die Neuregelung verfassungsgemäß. Die Rechtslage sei
unklar und verworren gewesen, so dass die Bürger mit einer Änderung der
Rechtslage hinsichtlich von Gewinnen aus der Veräußerung und Aufgabe von
Mitunternehmerschaften und deren Anteilen rechnen mussten.
Vorliegend
hätten
die
Änderungen
durch
das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz und das Solidarpaktfortführungsgesetz
jedenfalls dazu geführt, dass die Bürger mit einer Änderung hinsichtlich von
Gewinnen aus der Veräußerung und Aufgabe von Mitunternehmerschaften und
deren Anteilen rechnen mussten. Der Wortlaut von § 7 Satz 2 GewStG sei nach
Verkündung
des
Solidarpaktfortführungsgesetzes
und
des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes offensichtlich fehlerhaft gewesen,
weil Satz 3 der Vorschrift dann überflüssig gewesen sei.
Verfassungsrechtlich sei es zulässig, dass § 7 Satz 2 GewStG im Streitfall
Anwendung finde, obwohl das Sale Agreement bereits am 1. September 2001
wirksam geworden sei. Soweit die Kommanditisten der Beschwerdeführerin dieses
bereits in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2001 abgeschlossen hätten, liege ein
Fall unechter Rückwirkung vor, wobei es auf die Zustimmung der
Gesellschafterversammlung durch den Beschluss vom 1. September 2001
ankomme. Erst mit der Abtretung Anfang 2002 sei der Tatbestand abgeschlossen,
an den die Rechtsfolgen anknüpften. Allerdings sei die Veräußerung bereits mit der
verbindlichen schuldrechtlichen Vereinbarung ins Werk gesetzt.
Das Vertrauen der veräußernden Kommanditisten sei jedoch durch den Bericht
der Bundesregierung vom 18. April 2001 und den Regierungsentwurf des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 17. August 2001 (BRDrucks
638/01) zwar nicht zerstört, aber abgeschwächt gewesen.
c) Ein Verstoß gegen § 96 FGO liege nicht vor. Die Urteilsgründe gäben die
wesentlichen Erwägungen wieder, die im Anschluss an die mündliche Verhandlung
vom 22. Juli 2010 für die gerichtliche Entscheidung aufgrund ihres
Gesamtergebnisses maßgeblich gewesen seien. Eine Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung sei nicht in Betracht gekommen.
d) Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffenen Beschluss
vom 8. März 2011 wies der Bundesfinanzhof die von der Beschwerdeführerin
erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung zurück.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verstöße gegen das
Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2
Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG), gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG),
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gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)
sowie gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Es liege ein Fall unechter Rückwirkung vor. Aufgrund der Vornahme des
dinglichen Geschäfts am 1. Februar 2002 falle der Veräußerungsgewinn in das
Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2002, das dem
Veranlagungszeitraum 2002 zuzuordnen sei. Die Gewerbesteuer auf den
Veräußerungsgewinn entstehe mit dem Ablauf des Erhebungszeitraums, hier des
Jahres 2002. Das Gesetz, mit dem der maßgebliche § 7 Satz 2 GewStG geändert
worden sei - das Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz -, sei am 26. Juli 2002 und
mithin vor Entstehen der Gewerbesteuerschuld für den Veranlagungszeitraum 2002
verkündet worden.
Der Steuerpflichtige dürfe im Zeitpunkt seiner Disposition grundsätzlich in den
Bestand der Rechtsordnung vertrauen. Der Gesetzentwurf zum Steuerbeamten-
Ausbildungsgesetz sei am 20. Februar 2002 durch die Bundesregierung in den
Bundestag eingebracht worden. Dieser Zeitpunkt liege nach der schuldrechtlichen
Vereinbarung. Das Vertrauen sei auch deshalb uneingeschränkt schutzwürdig, weil
das Rechtsgeschäft am 1. Februar 2002, also noch vor der Verkündung des
Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes, mit dem Closing vollständig abgewickelt
worden sei.
Durch die Neuregelung des § 7 Satz 2 GewStG sei nachträglich in konkret
verfestigte Vermögenspositionen eingegriffen worden (Berufung auf BVerfGE 127,
1; 127, 31 und 127, 61). Diese lägen in den eingetretenen Wertzuwächsen und in der
Kaufpreiszahlung. Die Interessenabwägung falle in beiden Fällen zugunsten der
Beschwerdeführerin aus.
Für den Vertrauensschutz sei die Tatsache unbeachtlich, dass es bereits vor dem
Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz Gesetzgebungsvorhaben zur Änderung des § 7
Satz 2 GewStG gegeben habe. Dies führe entgegen der Auffassung des
Bundesfinanzhofs gerade nicht zu einer Verminderung der Schutzwürdigkeit ihres
Vertrauens. Es sei durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein initiiertes
Gesetzgebungsverfahren zunächst mehrfach scheitere und die grundsätzlich
gewollte Regelung erst nach erneuter Einbringung eines Entwurfs Gesetzeswirkung
entfalte. Gerade im Steuerrecht liefe der Vertrauensschutz des Bürgers angesichts
der Vielzahl von Gesetzesinitiativen ansonsten nahezu leer.
Selbst wenn man von einer vom Solidarpaktfortführungsgesetz unbeeinflussten
Einführung
des
§
7
Satz
2
GewStG
durch
das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz zum Jahresende 2001 ausginge, läge
ebenfalls eine unechte Rückwirkung vor. Maßgeblich sei allein das durch den
Abschluss des Sale Agreements am 5. August 2001 vorgenommene
schuldrechtliche Geschäft. Soweit der Bundesfinanzhof nicht darauf abstellen wolle,
sondern auf den 1. September 2001, sei dies nicht zu rechtfertigen. Die
wirtschaftliche Disposition des einzelnen veräußernden Gesellschafters sei bindend
spätestens mit Abschluss des Sale Agreements am 5. August 2001 erfolgt. Der
einzelne Kommanditist habe sich damit seiner Handlungsfreiheit begeben gehabt.
Die
Einbringung
des
Gesetzentwurfs
zum
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Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz am 10. September 2001 sei also nach
dem schuldrechtlichen Geschäft am 5. August 2001 erfolgt. Selbst die nach ihrer
Auffassung ohnehin unbeachtliche Zuleitung an den Bundesrat sei erst am
17. August 2001 und damit nach dem Sale Agreement erfolgt.
2. Die Rückwirkung sei nicht gerechtfertigt. Das Argument der
Missbrauchsvermeidung sei nicht geeignet, die Rückwirkung zu rechtfertigen.
Generell sei die Veräußerung einer Beteiligung nicht rechtsmissbräuchlich. Hinzu
komme, dass die Vorschrift zur steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern,
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, mit geringen Abweichungen den sogenannten
Mitunternehmererlass aus dem Jahr 1977 (BMF, BStBl I 1978, S. 8) gesetzlich
normiere. Die Bundesregierung habe diesen 1999 abgeschafft und dann mit
Wirkung zum Jahr 2001 wieder in der Sache vergleichbar als Gesetz eingeführt.
Eine Missbrauchsgefahr sei während der langjährigen Geltung des
Mitunternehmererlasses nie gesehen worden.
Selbst wenn man von einer Missbrauchsgefahr ausgehen wollte, bestünde sie
auch bei natürlichen Personen. Unverständlich sei, warum nach Ansicht des
Gesetzgebers die steuerneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern auf eine
Personengesellschaft mit anschließendem steuerneutralem Verkauf des
Mitunternehmeranteils durch eine unmittelbar beteiligte natürliche Person nicht
ebenso missbräuchlich sein solle wie die mittelbare Realisierung über eine
zwischengeschaltete Personengesellschaft.
Ein Gesetzgebungsversehen sei - bezogen auf die Rückwirkung des § 7 Satz 2
GewStG - kein Rechtfertigungsgrund. Entgegen der Auffassung des
Bundesfinanzhofs liege kein Sachverhalt vor, in dem wegen besonderer Komplexität
ein Einzelaspekt mit der Folge von Wertungswidersprüchen nicht berücksichtigt
worden sei. Die geplante Neuregelung des § 7 Satz 2 GewStG durch das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz habe wegen der nachfolgenden
Verkündung
des
Solidarpaktfortführungsgesetzes
insgesamt
keine
Rechtswirkungen entfaltet.
3. Die Einbeziehung der Veräußerungsgewinne, die auf die ehemaligen
Gesellschafter der Beschwerdeführerin entfielen, die nicht natürliche Personen
seien (vier Kommanditgesellschaften, eine Stiftung und eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung mit insgesamt 42,64 % des verkauften Kommanditkapitals),
sei auch deshalb verfassungswidrig, weil § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG in mehrfacher
Hinsicht Art. 3 Abs. 1 GG verletze.
a) Da der Gewinn aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils auf Ebene des
Gesellschafters anfalle, erhöhe er nicht die objektive Ertragskraft des
Gewerbebetriebs der Personengesellschaft. Damit widerspreche § 7 Satz 2 Nr. 2
GewStG dem Gebot der Belastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Besteuert werde eine lediglich fiktive Steigerung der Leistungsfähigkeit der
Gesellschaft, deren Anteile veräußert würden. Schuldnerin der Gewerbesteuer sei
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ausschließlich die Gesellschaft, doch fließe ihr
der Veräußerungsgewinn nicht zu und führe daher in keiner Weise zu einer
Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit. Die Gesellschaft könne - insbesondere bei
hohen Gewerbesteuerbeträgen wie im vorliegenden Fall - sogar allein aufgrund der
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Gewerbesteuerbelastung in die Insolvenz geraten.
Sonderbetriebseinnahmen eines Gesellschafters und die hierauf basierende
Gewerbesteuerlast führten regelmäßig nicht dazu, dass die Leistungsfähigkeit des
Gewerbebetriebes insgesamt überschritten werde. Eine die Substanz aufzehrende
Sonderbetriebseinnahme sei regelmäßig ausgeschlossen. Demgegenüber könne
die Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen hinsichtlich der Anteile an der
Personengesellschaft in den Gewerbeertrag und die hieran bemessene
Gewerbesteuer durchaus die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft (signifikant)
übersteigen
.
Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 7 Satz 2 GewStG sei mit dem
Leistungsfähigkeitsprinzip allein unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der
Gesellschaft vereinbar. Selbst wenn die veräußernden Gesellschafter ungeachtet
der Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft als (Mit-)Unter-nehmer
anzusehen seien, führe ihre durch den Gewinn aus der Veräußerung des
Mitunternehmeranteils eintretende Steigerung der Leistungsfähigkeit auch nicht
mittelbar zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Die
Verbindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sei vielmehr ab diesem
Zeitpunkt beendet und es liege kein laufender Gewinn der Personengesellschaft
mehr vor.
Im Gewerbesteuerrecht dürfe allein an die Leistungsfähigkeit der
Personengesellschaft - und nicht an die der Gesellschafter - angeknüpft werden.
Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(Hinweis auf BVerfGE 116, 164 <184 f.>), wo der steuersystematische Unterschied
zwischen Einkommen- und Gewerbesteuer darin gesehen worden sei, dass sich
die Leistungsfähigkeit bei der Gewerbesteuer in der objektivierten Ertragskraft des
Gewerbebetriebs zeige.
b) Die angegriffene Vorschrift, der Gewerbesteuermessbescheid und das Urteil
des Bundesfinanzhofs verletzten den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG) auch insoweit, als die Gewerbesteuerlast der Beschwerdeführerin davon
abhänge, ob unmittelbar beteiligte oder mittelbar über eine Personengesellschaft
beteiligte natürliche Personen ihre Anteile veräußert haben.
§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG differenziere hinsichtlich der Einbeziehung von Gewinnen
aus der Veräußerung von Anteilen an der Beschwerdeführerin in deren
Gewerbeertrag. Nicht einbezogen würden allein solche Veräußerungsgewinne, die
auf natürliche Personen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer entfielen. Bei bloß
mittelbarer Beteiligung erhöhe sich demgegenüber die Gewerbesteuerlast für die
Beschwerdeführerin. Die unterschiedliche Behandlung der Gewinne aus der
Veräußerung
von
Mitunternehmeranteilen
in
Abhängigkeit
von
der
Gesellschafterstruktur führe zu willkürlichen Ergebnissen.
Eine sachliche Rechtfertigung der gerügten Ungleichbehandlung sei nicht gegeben.
Der Anteilskäufer müsse nach dem Erwerb als neuer Gesellschafter mittelbar die
Gewerbesteuerlast für den von ihm gezahlten Veräußerungspreis tragen. Daher sei
nicht
ausgeschlossen,
dass
der
Kaufpreis
bei
Steuerpflicht
des
Veräußerungsgewinns niedriger sei. Infolge dieser Kaufpreisrelevanz führe § 7
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Satz 2 Nr. 2 GewStG auf der Ebene der veräußernden Gesellschafter und der
Gesellschaft zu einer personenbezogenen Ungleichbehandlung.
c) Der Verweis auf § 35 EStG sei für § 7 Satz 2 GewStG verfassungsrechtlich
ohne Belang. Zwischen der gewerbesteuerlichen Belastung und der
einkommensteuerlichen
Entlastung
bestehe
keine
verfassungsrechtliche
Verbindung. Die Regelung könne eine gleichheitswidrige Besteuerung nicht
beseitigen. Dies liege zum einen daran, dass § 35 EStG keinen Ausgleich auf
Ebene der Gesellschaft, sondern auf Ebene des Gesellschafters herbeiführe.
Zudem kompensiere sie die Gewerbesteuerbelastung nicht vollständig, weil hier der
durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz über 360 % liege und bei § 35 EStG eine
vollständige Entlastung nur bis zu einem Hebesatz bis zu 360 % eintreten könne.
Besonders nachteilig wirke sich im vorliegenden Fall aus, dass der Maßstab, nach
dem die Gewerbesteuer für Zwecke der Entlastung nach § 35 EStG verteilt werde,
sich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel richte, der die
Veräußerungsgewinne gerade nicht berücksichtige.
d) Die vom Bundesfinanzhof behauptete Möglichkeit, etwaige Verzerrungen durch
zivilrechtliche Maßnahmen abzumildern, gebe es nicht. Selbst wenn dies möglich
wäre, seien aber solche Vereinbarungen nach Auffassung der Finanzverwaltung
steuerlich nicht anzuerkennen und für die Anrechnung nach § 35 EStG
unbeachtlich. Zudem trage der Verweis bereits aufgrund der rückwirkenden
Einführung des § 7 Satz 2 GewStG nicht. Auch
zu-mal der mittelbare - keinen Anspruch gegen den Mitgesellschafter auf Abschluss
einer solchen Vereinbarung. Schließlich könne es nicht Aufgabe des
Steuerpflichtigen sein, dafür zu sorgen, gleichheitswidrige Gesetze in ihren
Auswirkungen abzumildern.
e) Die Ungleichbehandlung sei nicht durch den Gedanken der Missbrauchsabwehr
zu rechtfertigen. Der Bundesfinanzhof lasse unberücksichtigt, dass § 7 Satz 2
GewStG erheblich über den Aspekt der Missbrauchsvermeidung hinausreiche. Die
Vorschrift beschränke sich ausdrücklich nicht auf die vom Gesetzgeber angeführten
Missbrauchsfälle; eine Besteuerung trete auch dann ein, wenn zuvor keine
steuerneutrale Veräußerung von Wirtschaftsgütern erfolgt sei.
f) Auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung rechtfertige
§ 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG nicht. Die Annahme, bei mehrstufigen
Personengesellschaften könne das Finanzamt nicht oder nur unter
unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen, ob und in welchem Umfang eine
natürliche Person mittelbar an dem Veräußerungsgewinn der Personengesellschaft
beteiligt sei, sei nicht haltbar. Um etwaige Ermittlungsschwierigkeiten
auszuschließen, hätte der Gesetzgeber als milderes Mittel erhöhte
Mitwirkungspflichten vorsehen können.
4. Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
Der Verstoß sei auch durch den Anhörungsrügebeschluss nicht behoben worden.
Der Bundesfinanzhof habe sie vor seiner Entscheidung über die Wiedereröffnung
der mündlichen Verhandlung nicht informiert und auch nicht gehört.
5. Der Anhörungsrügebeschluss entziehe der Beschwerdeführerin den
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gesetzlichen Richter. Über die Anhörungsrüge habe der Bundesfinanzhof in der
Besetzung mit drei Richtern entschieden und insofern die Regelung von § 10 Abs. 3
Alt. 2 FGO zur Anwendung gebracht. Die Entscheidung hätte jedoch in der
Besetzung mit fünf Richtern ergehen müssen, weil andernfalls der mit § 133a FGO
verfolgte Zweck einer wirksamen Selbstkontrolle des Senats nach durchgeführter
mündlicher Verhandlung und ergangener Entscheidung nicht Rechnung getragen
werden könne. Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch, dass einer der
drei unterzeichnenden Richter nicht zur Senatsbesetzung der mündlichen
Verhandlung und der Revisionsentscheidung gehört habe. Auch dies sei vor dem
Hintergrund der Zielsetzung des § 133a FGO (wirksame Selbstkontrolle) kritisch zu
sehen.
IV.
1. Von Seiten des Bundes und der Länder haben das Bundesministerium der
Finanzen für die Bundesregierung und die Freie Hansestadt Bremen Stellung
genommen.
a) Das Bundesministerium der Finanzen sieht weder eine Verletzung von Art. 3
Abs. 1 GG noch eine unzulässige Rückwirkung.
aa) Die unterschiedliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen bei natürlichen
Personen bei mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung sei zwar eine
Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte. Die Differenzierung sei aber
gerechtfertigt, da die mittelbar beteiligte natürliche Person die Steuerermäßigung
nach § 35 EStG in Anspruch nehmen könne. Bei mehrstufigen
Personengesellschaften sei die Feststellung der Unterbeteiligten schwierig. Im
Regelfall erfolge durch § 35 EStG eine vollständige Entlastung von der
Gewerbesteuer. Im Einzelfall verbleibende Belastungsunterschiede seien unter dem
Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.
Des Weiteren werde Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass die
Veräußerungsgewinne dem Gewerbeertrag der Personengesellschaft zugerechnet
würden. Es stehe im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, bei der Gewerbesteuer auch an
die Leistungsfähigkeit ihrer Gesellschafter anzuknüpfen. Diese Möglichkeit ergebe
sich aus der Einbeziehung von Sonderbetriebseinnahmen in den Gewerbeertrag der
Personengesellschaft. Es stehe dem Gesetzgeber ebenso frei, die zeitliche
Reichweite des Gewerbebetriebes für gewerbesteuerliche Zwecke zu bestimmen.
Ein Gleichheitsverstoß scheitere darüber hinaus auch daran, dass es zumutbare
gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Abmilderung der Belastungen gebe.
Zwischen Kapitalgesellschaften und unmittelbar beteiligten Personen könne der
Gesetzgeber differenzieren, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen, weil es ihm
unbenommen sei, an die Rechtsform unterschiedliche Rechtsfolgen anzuknüpfen.
Die Zwischenschaltung von Personengesellschaften sei ein gängiges
Umgehungsmodell zur gewerbesteuerfreien Realisierung von stillen Reserven
gewesen. Diese gängige Missbrauchsgestaltung habe der Gesetzgeber im Rahmen
seiner Typisierungsbefugnis durch § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG unterbinden dürfen.
Schließlich sei auch zu berücksichtigen, ob die durch die Typisierung entstehende
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Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar gewesen wäre. Die
Einführung von Behaltensfristen wäre wegen der Umgehungsgefahr nicht in gleicher
Weise wirksam gewesen.
bb) § 7 Satz 2 GewStG ordne eine gerechtfertigte unechte Rückwirkung an. Das
Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der Steuerfreiheit sei
zumindest stark abgeschwächt, daher überwiege das gesetzgeberische
Änderungsinteresse. Der Vertrauensschutz sei deswegen gemindert, weil es bei
wirtschaftlich so gewichtigen Vertragsabschlüssen üblich und zumutbar sei,
professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen und gegebenenfalls
Preisanpassungsklauseln zu vereinbaren. Vor der Beschlussfassung über die
Zustimmung zum Sale Agreement sei am 1. September 2001 in der
Gesellschafterversammlung eine Erläuterung der steuerlichen Konsequenzen
vorausgegangen. Die Gewerbesteuerpflicht sei von den veräußernden
Gesellschaftern bewusst in Kauf genommen worden, weil sie in Bezug auf die
Einkommensbesteuerung der Veräußerungsgewinne eine Neuregelung in Anspruch
hätten nehmen wollen, für die der Besteuerungszeitpunkt der Veräußerungsgewinne
nach dem 31. Januar 2001 habe liegen müssen. Dass die Beschwerdeführerin den
steuerlichen Realisationszeitpunkt danach habe erreichen wollen, zeige sich daran,
dass sie diesbezüglich eine verbindliche Zusage bei den Finanzbehörden eingeholt
habe.
b) Die Freie Hansestadt Bremen hält das Vertrauen der Beschwerdeführerin nicht
für schutzwürdig, selbst wenn man von einer unechten Rückwirkung ausgehen
wollte. Die Abwägung zwischen dem Vertrauen der Beschwerdeführerin und dem
öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens falle
nicht zugunsten der Beschwerdeführerin aus, weil sie bewusst gewartet habe, um
das für sie steuerlich vorteilhafte Halbeinkünfteverfahren zu nutzen.
Am Tag der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat (17. August 2001)
habe keine konkret verfestigte Vermögensposition bestanden. Dies habe die
Beschwerdeführerin selbst im Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft
bestätigt, da sie dort ausgeführt habe, die Kommanditisten würden bei einer
abweichenden steuerlichen Beurteilung gegebenenfalls von der Durchführung der
Veräußerung ihrer Anteile absehen.
2. Zur Verfassungsbeschwerde haben sich der Deutsche Anwaltverein, die
Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der
Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. sowie die Bundesrechtsanwaltskammer
schriftlich geäußert.
a) Der Deutsche Anwaltverein äußert Zweifel an der Rechtfertigung von § 7 Satz 2
Nr. 2 GewStG als Missbrauchsvermeidungsnorm. Weder aus der
Gesetzesbegründung noch aus den angegriffenen Entscheidungen sei ersichtlich,
dass die Umgehungskonstellation quantitativ oder qualitativ besonders häufig oder
typisch sei. Einzelfällen könne wirksam mit § 42 AO begegnet werden. § 42 AO sei
systemadäquater, da er bei der Kapitalgesellschaft anknüpfe und nicht bei der zur
Umgehung verwendeten Personengesellschaft.
b) Die Bundessteuerberaterkammer geht davon aus, dass das Objektsteuerprinzip
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durch § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG durchbrochen werde. Daher passe die Verortung
der Steuerschuldnerschaft auf Ebene der Gesellschaft nicht mehr. Eine konkrete
Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch eine übermäßige Belastung der
Personengesellschaft durch § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG sei aber nicht gegeben. Eine
übermäßige Belastung der Personengesellschaft könne sich auch ohne das
Vorliegen von Veräußerungsgewinnen durch Hinzurechnungen aufgrund von § 8
GewStG ergeben.
c) Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht in § 7 Satz 2 GewStG
einen Verstoß gegen das Verbot rückwirkender Gesetze, soweit
Beteiligungsveräußerungen der Gewerbesteuer unterworfen werden, die auf vor der
Einbringung
des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes
getroffene
Vereinbarungen zurückgehen. § 7 Satz 2 GewStG führe zudem zu einer
Ungleichbehandlung von unmittelbar und mittelbar an einer Personengesellschaft
beteiligten natürlichen Personen, die verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei.
d) Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. ist der Auffassung, nach den
Beschlüssen des Zweiten Senats vom 7. Juli 2010 (Hinweis auf BVerfGE 127, 1;
127, 31 und 127, 61) dürften Wertsteigerungen, die bis zum Zeitpunkt der
Gesetzesverkündung entstanden seien, nicht der Ertragsbesteuerung unterworfen
werden.
e) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die vom Bundesfinanzhof zugunsten der
Beschwerdeführerin angenommene echte Rückwirkung nicht für gerechtfertigt. Es
habe keine unklare oder verworrene Rechtslage vorgelegen, deren Ersetzung durch
eine eindeutige neue hätte gerechtfertigt sein können. § 7 Satz 2 GewStG in der
Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes sei zwar einige Tage in
Kraft gewesen, aber mit Beginn des Jahres 2002 durch eine weitere Neufassung
ersetzt worden, die keinen offensichtlich fehlerhaften Wortlaut gehabt habe.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat am 25. September 2017 eine mündliche
Verhandlung durchgeführt. Geäußert haben sich die Beschwerdeführerin, die
Bundesregierung sowie die Freie Hansestadt Bremen. Als sachkundige
Auskunftsperson hat sich in der mündlichen Verhandlung Prof. Dr. Klaus-Dieter
Drüen geäußert.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG in der
Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbil-
dungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen (StBAÄG) vom 23. Juli 2002
(BGBl I S. 2715), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen, verstößt
weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG (I) noch gegen das Verbot rückwirkend belastender
Gesetze (II). Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt die Beschwerdeführerin auch
nicht in ihren prozessualen grundrechtsgleichen Rechten (III).
I.
Die von der Beschwerdeführerin als gleichheitswidrig beanstandeten Regelungen
durch den von ihr mittelbar angegriffenen § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG sind
verfassungsgemäß; der Gesetzgeber bewegt sich mit dieser Neuregelung des
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Jahres 2002 im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis.
Die Beschwerdeführerin beanstandet als Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, dass
die Mitunternehmerschaft aufgrund von § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG Gewerbesteuer
auch in den Fällen schuldet, in denen der Veräußerungsgewinn dem veräußernden
Mitunternehmer zufließt, ohne die Leistungsfähigkeit der Mitunternehmerschaft
erkennbar zu erhöhen; die Besteuerung knüpfe damit nicht, wie aus
Gleichheitsgesichtspunkten geboten, an Unterschiede der Leistungsfähigkeit an.
Zudem benachteilige § 7 Satz 2 Nr. 2 Hs. 2 GewStG Mitunternehmerschaften,
soweit an ihnen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften beteiligt sind,
gegenüber solchen mit unmittelbar beteiligten natürlichen Personen.
Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung für das
Steuerrecht (1) erweist sich § 7 Satz 2 GewStG in beiderlei Hinsicht als
verfassungsgemäß (2). Soweit die Beschwerdeführerin eine Ungleichbehandlung
wegen der unterschiedlichen Steuerpflicht bei der Veräußerung von Anteilen an
einer Mitunternehmerschaft vor und nach der Neuregelung des § 7 Satz 2 GewStG
beanstandet, ist dies eine Frage der Rückwirkung und an Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu messen (unten II).
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln.
Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche
Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede
Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch
Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen
sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter
verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht
abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und
Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 138, 136 <180 Rn. 121>;
139, 285 <309 Rn. 70> m.w.N.).
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die
Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen
Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen
unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das
Willkürverbot
beschränkten
Bindungen
bis
hin
zu
strengen
Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des
Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben.
Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die
Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen
verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (stRspr;
vgl. BVerfGE 138, 136 <180 Rn. 122>; 139, 285 <309 Rn. 71> m.w.N.).
Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der
Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein
Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der
Gleichheitssatz
belässt
dem
Gesetzgeber
einen
weit
reichenden
Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch
bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des
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Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich
indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen
Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen
sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu
rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund
mit dem Ausmaß der Abweichung und ihrer Bedeutung für die Verteilung der
Steuerlast insgesamt (vgl. BVerfGE 138, 136 <181 Rn. 123, 185 Rn. 131>; 139, 285
<309 f. Rn. 72> jew. m.w.N.).
Die Belastung mit Finanzzwecksteuern ist an der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen auszurichten (vgl. BVerfGE 137, 350 <367
Rn. 43> m.w.N.). Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG)
fordert allerdings nicht einen gleichen Beitrag von jeder und jedem Steuerpflichtigen
zur Finanzierung der Gemeinlasten, sondern verlangt, dass jede oder jeder von
ihnen je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der
allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird (vgl. BVerfGE 117, 1 <30 f.>).
Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher
Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher
Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>;
122, 210 <231>). Der Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit der Gesellschaft gilt auch für die Gewerbesteuer, da diese die
objektivierte Ertragskraft der Gewerbebetriebe erfasst (vgl. BVerfGE 120, 1 <44>;
135, 126 <144 f. Rn. 56>).
2. Es widerspricht im Ergebnis nicht dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden
Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (s. oben 1), dass die
Personengesellschaft
(Mitunternehmerschaft)
nach
dem
neu
ins
Gewerbesteuergesetz eingefügten § 7 Satz 2 Nr. 2 bei Verkauf eines Anteils durch
einen Mitunternehmer grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig ist, obwohl der
Veräußerungsgewinn beim Veräußerer verbleibt (a). Auch die Privilegierung des auf
natürliche Personen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer entfallenden
Veräußerungsgewinns in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG
vereinbar (b).
a) Der Gesetzgeber durfte ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung
nach der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfGE 135, 126 <144 f. Rn. 56>; 137, 350 <367
Rn. 43> m.w.N.) auch nach Einführung des § 7 Satz 2 GewStG an seiner in § 5
Abs. 1 Satz 3 GewStG für das Recht der Gewerbesteuer zum Ausdruck
kommenden
Entscheidung
festhalten,
die
Steuerschuldnerschaft
der
Personengesellschaft zuzuweisen. Dies weicht von dem ansonsten im
Ertragsteuerrecht
geltenden
Transparenzprinzip
ab,
demzufolge
die
Einkommensteuer bei der Personengesellschaft immer vom Gesellschafter
geschuldet wird. Der Gesetzgeber kann es in den Fällen des § 7 Satz 2 Nr. 2
GewStG ebenfalls bei der Gewerbesteuerschuld der Personengesellschaft
belassen, obwohl der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer
Mitunternehmerschaft beim veräußernden Gesellschafter verbleibt. Dass die
Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft hier gleichwohl die Gewerbesteuer
schuldet, verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip im Ergebnis nicht.
Dabei ist fraglich, ob die Erwägung des Bundesfinanzhofs, dass bei der
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Dabei ist fraglich, ob die Erwägung des Bundesfinanzhofs, dass bei der
Gewerbesteuer ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG an die Leistungsfähigkeit der
Gesellschafter einer Personengesellschaft angeknüpft werden könne, weil diese
ungeachtet der Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft auch bei der
Gewerbesteuer „die (Mit-) Unternehmer“ seien (Rn. 47 der hier angegriffenen
Entscheidung unter Verweisung auf BFH-Urteil vom 3. April 2008 - IV R 54/04 -
BFHE 220, 495), in verfassungsrechtlicher Hinsicht auch hier trägt. Die Begründung
des Bundesfinanzhofs hierfür, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Personengesellschaft durch Gewinne im Bereich des Sonderbetriebsvermögens II
eines Gesellschafters „unzweifelhaft erhöht“ würde (BFH-Urteil vom 3. April 2008 -
IV R 54/04 - BFHE 220, 495 <505>), ist nicht ohne Weiteres auf den für § 7 Satz 2
Nr. 2 GewStG maßgeblichen Fall übertragbar, weil hier der veräußernde
Gesellschafter die Gesellschaft verlässt.
Ein durchgreifender Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip liegt jedenfalls
deshalb nicht vor, weil die in steuerrechtlicher Hinsicht mit dem
Mitunternehmeranteil veräußerten Anteile an den Vermögensgegenständen durch
den in die Gesellschaft einrückenden Erwerber in der Mitunternehmerschaft
verbleiben und die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft im Grundsatz unverändert
erhalten. Soweit der veräußernde Mitunternehmer einen Verkaufserlös durch
Aufdeckung stiller Reserven erzielt hat, übernimmt der Erwerber den entsprechend
erhöhten Bilanzwert in Form einer Ergänzungsbilanz in der Mitunternehmerschaft.
Verkauft die Gesellschaft später diese Vermögensgegenstände oder veräußert sie
den Betrieb oder Teile daran, wird durch die Auflösung der Ergänzungsbilanz beim
eingetretenen Gesellschafter im Ergebnis eine Doppelbesteuerung auch nur von
Teilen der stillen Reserven vermieden.
Im Übrigen durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die grundsätzlich mit
der Verfassung vereinbare Begründung der Gewerbesteuerschuld bei der
Personengesellschaft durch § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG auch in den Fällen des § 7
Satz 2 GewStG zu keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten bei einer
interessengerechten
Verteilung
der
Gewerbesteuer
innerhalb
der
Mitunternehmerschaft führt. Es ist Sache der Gesellschaft, die interne Gewinn- und
Verlustverteilung auch unter Berücksichtigung anfallender Steuerpflichten zu regeln.
Durch Gesellschaftsvertrag können etwaige Freistellungspflichten des die
Gesellschaft durch den Verkauf seines Anteils verlassenden Gesellschafters im
Hinblick auf Steuern vereinbart werden, die dadurch bei der Gesellschaft anfallen.
Dies ist mittlerweile - wie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde -
durchaus üblich. Mit diesen vertraglichen Gestaltungsoptionen werden die
Mitunternehmer im Anwendungsbereich des § 7 Satz 2 GewStG nicht - was nur in
engen Grenzen zulässig ist - auf Ausweichgestaltungen zur „Rettung“ eines
ansonsten verfassungswidrigen Gesetzes verwiesen (vgl. dazu BVerfGE 120, 1
<53>), denn die Belastung der Mitunternehmerschaft mit der Gewerbesteuerschuld
ist auch bei dieser Neuregelung schon für sich genommen nicht verfassungswidrig.
b) Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG den
Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebsanteils eines
Mitunternehmers
der
Gewerbesteuer
unterwirft,
davon
aber
den
Veräußerungsgewinn ausnimmt, der auf natürliche Personen entfällt, die unmittelbar
an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind (§ 7 Satz 2 Nr. 2 Hs. 2 GewStG).
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116
Diese Regelung benachteiligt Mitunternehmerschaften, soweit an ihnen
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften beteiligt sind, gegenüber solchen
mit unmittelbar beteiligten natürlichen Personen (aa). Der Gesetzgeber benötigt für
diese Ungleichbehandlung einen hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund
(bb), der hier vor allem in der Verhinderung von Umgehungsgestaltungen besteht
(cc).
aa) § 7 Satz 2 GewStG behandelt Mitunternehmerschaften ungleich, je nach der
unmittelbaren Beteiligung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften
einerseits und natürlichen Personen andererseits. Dies führt dazu, dass der auf
unmittelbar beteiligte natürliche Personen entfallende Veräußerungsgewinn dem
bisherigen Regelfall entsprechend behandelt wird, auch wenn die Regelung
innerhalb des § 7 Satz 2 GewStG im Halbsatz 2 als Ausnahme normiert ist. Danach
unterfallen Gewinne aus der Veräußerung und Aufgabe von Anteilen an
Mitunternehmerschaften
durch
sie
nicht
der
Gewerbesteuer.
Mitunternehmerschaften
werden
dagegen
im
Hinblick
auf
beteiligte
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften nunmehr generell schlechter
gestellt, da der Gesetzgeber für Veräußerungsgewinne durch diese eine
Gewerbesteuerpflicht der Mitunternehmerschaft begründet hat.
bb) An die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung sind keine hohen
Anforderungen zu stellen; der Gesetzgeber bewegt sich bei der Ausformung der
Regelung des § 7 Satz 2 GewStG, die er mit dem Ziel der Vermeidung von
Missbrauch in das Gesetz eingeführt hat (dazu unten cc), im Rahmen eines weiten
Gestaltungsspielraums. Es genügt, wenn der Differenzierungsgrund auf
vernünftigen
Erwägungen
beruht
und
keinen
völlig
unbedeutenden
Gemeinwohlbelang verfolgt.
Die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, auch die Gewinne aus der
Veräußerung und Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und von Anteilen daran in
Mitunternehmerschaften in Abweichung von einer jahrzehntelangen Übung (oben
A I 2) der Gewerbesteuer zu unterwerfen, kann als Teil der Bestimmung des
Steuergegenstandes gesehen werden, bei der dem Gesetzgeber ein besonders
weiter Spielraum zukommt (vgl. BVerfGE 138, 136 <181 Rn. 123>; 139, 285 <309 f.
Rn. 72> jew. m.w.N.; s.o. 1). Hingegen
beanstandete Ungleichbehandlung die Binnendifferenzierung zwischen und
innerhalb von Mitunternehmerschaften je nach Gesellschafterstruktur und dadurch
ausgelöster Gewerbesteuerpflicht. Auch insoweit bietet allerdings keines der
Kriterien, die zu einer strengeren Verhältnismäßigkeitskontrolle einer
Ungleichbehandlung führen (vgl. dazu BVerfGE 138, 136 <180 f. Rn. 122>; 139, 285
<309 Rn. 71> m.w.N.; s.o. 1), Anlass, den Differenzierungsspielraum des
Gesetzgebers substantiell einzuschränken. Dass die Mitunternehmerschaft als
Steuerschuldnerin durch diese Unterscheidung bei der Steuerbarkeit von
Veräußerungsgewinnen in ihren Freiheitsrechten betroffen sein könnte, ist nicht
erkennbar. Die nun grundsätzlich auch bei der Veräußerung von Betrieben,
Teilbetrieben oder Anteilen daran bestehende Gewerbesteuerbarkeit von
Veräußerungsgewinnen
mag
die
Gestaltungsinteressen
der
an
der
Mitunternehmerschaft Beteiligten beeinflussen; eine erhebliche Beeinträchtigung
grundrechtlicher Freiheitsrechte, durch die eine strengere Gleichheitsprüfung
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veranlasst sein könnte, liegt darin jedoch nicht. Das Differenzierungskriterium -
mittelbar oder unmittelbar beteiligt - entzieht sich grundsätzlich auch nicht der
Verfügbarkeit der von der Ungleichbehandlung nachteilig betroffenen
Mitunternehmerschaft.
Die Besserstellung der Mitunternehmerschaften mit unmittelbar beteiligten
natürlichen Personen in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG begründet insbesondere keine
strukturelle Ungleichbehandlung erheblichen Ausmaßes (vgl. dazu BVerfGE 138,
136 <181 Rn. 123>; 139, 285 <309 f. Rn. 72> jew. m.w.N.; s.o. 1). Sie nimmt bei der
Belastung von Mitunternehmerschaften mit Gewerbesteuer lediglich den
besonderen Fall der unmittelbar beteiligten natürlichen Person aus. Diese
Ungleichbehandlung kann zwar im Einzelfall durchaus erheblich sein. Jedoch
dürften die Veräußerungen durch unmittelbar beteiligte natürliche Personen im
Vergleich zu Veräußerungen durch beteiligte Kapital- und Personengesellschaften
dem Volumen nach tendenziell eher geringere Transaktionen betreffen. Dies
verlangt jedenfalls keine strengere Verhältnismäßigkeitskontrolle.
Im Übrigen wird das Ausmaß der mittelbaren Benachteiligung der an der
Mitunternehmerschaft beteiligten Personengesellschaften in gewissem Umfang
dadurch reduziert, dass die in diesem Falle auf den Gewinn einer Veräußerung von
Betrieben, Teilbetrieben oder Anteilen daran entfallende Gewerbesteuer auf die
Einkommensteuer ihrer Gesellschafter nach § 35 EStG angerechnet wird. Die
Anrechnung führt allerdings nicht in allen Fällen zu einem vollständigen Ausgleich.
Daran fehlt es insbesondere bei Anrechnungsüberhängen und wegen der Verteilung
des Anrechnungsvolumens gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG nach dem allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel sowie wegen der unterschiedlich hohen Hebesätze.
cc) Danach ist die gewerbesteuerliche Besserstellung der Mitunternehmerschaften
im Hinblick auf die Veräußerungsgewinne durch unmittelbar an ihnen beteiligte
natürliche Personen in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG gerechtfertigt. Ausgehend von der
legitimen Zielsetzung, steuerliche Umgehungsstrategien in diesem Bereich zu
unterbinden ((1)), durfte der Gesetzgeber bei unmittelbar beteiligten natürlichen
Personen ein von vornherein geringeres Umgehungspotential als bei
Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften annehmen ((2)). Daneben
können auch Erwägungen der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs die
Besserstellung stützen ((3)).
(1) Mit der Einfügung des Satzes 2 in § 7 GewStG sollte ausweislich der
Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dem insoweit
maßgeblichen Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz einer bis dahin
möglichen und auch genutzten steuerlichen Umgehungsgestaltung der Boden
entzogen werden (vgl. BTDrucks 14/6882, S. 41 sowie oben A I 3 b aa (1)).
Ausgangspunkt der bekämpften Steuergestaltung war, dass Kapitalgesellschaften
für Gewinne aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter, aber auch aus der
Veräußerung
von
Betrieben
oder
Teilbetrieben
uneingeschränkt
gewerbesteuerpflichtig waren, wohingegen ihr Gewinn aus der Veräußerung eines
Anteils an einer Personengesellschaft nicht gewerbesteuerpflichtig war (vgl. BFH,
Urteil vom 28. Februar 1990 - I R 92/86 -, BStBl II S. 699 = juris, Rn. 17; Abschnitt
40 Abs. 2 Satz 3 GewStR 1998 sowie Bericht der Bundesregierung vom 18. April
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2001, Beilage zu FR 11/2001, S. 1 <6 f.>). Diese Rechtslage verschaffte
Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter
steuerneutral in eine Personengesellschaft einzubringen und sie anschließend durch
Verkauf der Beteiligung hieran gewerbesteuerfrei zu veräußern (vgl. dazu BTDrucks
14/6882, S. 41 und Bericht der Bundesregierung vom 18. April 2001, a.a.O., sowie
oben A I 3 b aa (1) und (2)).
Die Neuregelung in § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG, welche die Gewerbesteuerpflicht
auch für solche Veräußerungsgewinne eingeführt hat, wird in der Begründung des
Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Vermeidung der beschriebenen, dort als
missbräuchlich angesehenen Gestaltungen „für unverzichtbar gehalten“ (BTDrucks
14/6882, S. 41).
Nicht entscheidend ist hier, ob für den Gesetzgeber bei der Neuregelung daneben
auch
der
Wunsch
nach
einer
generellen
Verbreiterung
der
Gewerbesteuerbemessungsgrundlage bestimmendes Motiv war. Das klingt im
Bericht der Bundesregierung von Anfang 2001 an (a.a.O. unter B.I.6). In der
Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist insoweit nur noch von
dem Ziel der Missbrauchsverhinderung die Rede. Die ausdrückliche Beschränkung
der Ausnahme von der neu eingeführten Gewerbesteuerpflicht auf Veräußerungen
durch unmittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligte natürliche Personen im
Unterschied zu ursprünglich allen natürlichen Personen als Mitunternehmer (s. dazu
oben A I 3 b aa (3)) erfolgte auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen
Bundestags (vgl. BTDrucks 14/7343 S. 40) mit der Begründung, dass die
Beschränkung
auf
diesen
Beteiligtenkreis
notwendig
sei,
um
die
Beteiligungsbeziehungen bei mehrstufigen Personengesellschaften mit vertretbarem
Verwaltungsaufwand feststellen zu können (vgl. BTDrucks 14/7344, S.12). Selbst
wenn der Gesetzgeber mit der Neuregelung im Segment der Mitunternehmerschaft
auch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer
angestrebt haben sollte - wofür die Beschränkung der Ausnahmeregelung des
Halbsatzes 2 auf unmittelbar beteiligte natürliche Personen, vor allem aber das
Fehlen einer tatbestandlichen Eingrenzung der Norm auf Missbrauchsfälle spricht -,
ändert dies nichts an der Eignung des Gesetzes für das primäre Ziel,
Umgehungsgestaltungen zu verhindern, noch konterkariert es sie.
(2) Mit der Bekämpfung von Steuergestaltungen zur Umgehung der
Gewerbesteuerpflicht verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. Er darf
Vorkehrungen treffen, um die Bemessungsgrundlage einer Steuer auch im
praktischen Vollzug möglichst weitgehend zu erhalten. Unter Umständen folgt aus
dem Gebot der gleichheitsgerechten Besteuerung sogar eine Pflicht, Möglichkeiten
für Umgehungsgestaltungen im Gesetz zu vermeiden (vgl. BVerfGE 138, 136 <235
f. Rn. 254 f.>).
Durch die Erweiterung der Gewerbesteuerpflicht in § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG auf
die Anteilsveräußerung durch Kapitalgesellschaften als Beteiligte einer
Mitunternehmerschaft wurde der vom Gesetzgeber als Hauptumgehungsfall
erkannte Tatbestand erfasst. Dies gilt angesichts des vergleichbaren
Umgehungspotentials auch für die Erstreckung der Gewerbesteuerpflicht auf
Gewinne aus Anteilsveräußerungen durch an der Mitunternehmerschaft beteiligte
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Personengesellschaften. Die mit der Ausnahme von dieser Regelung verbundene
Privilegierung für natürliche Personen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer in
§ 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG ist gerechtfertigt.
(a)
In
der
Begründung
zum
Gesetzentwurf
des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes und im Bericht der Bundesregierung
von 2001 wurde als Grundfall der Steuergestaltung das Verhalten von
Kapitalgesellschaften beschrieben. Sie sind Ausgangspunkt und notwendig Teil der
Gestaltung auf der Ebene der Mitunternehmerschaft. Ihre Einbeziehung in die auf
die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltung zielende Norm ist dadurch legitimiert.
Sie ist zudem auch deshalb nicht zu beanstanden, weil das Gesetz damit für die
Einbindung in eine Personengesellschaft wieder zum Regelfall der
Gewerbesteuerpflicht jeglicher Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebs
oder von Teilen hieran durch eine Kapitalgesellschaft zurückkehrt (s.o. A I 2).
Die Einbeziehung von Personengesellschaften als Gesellschafter der
Mitunternehmerschaft in die erweiterte Gewerbesteuerpflicht nach § 7 Satz 2 Nr. 2
GewStG führt ebenfalls zu keiner ungerechtfertigten Schlechterstellung dieser
Mitunternehmerschaft gegenüber einer solchen mit unmittelbar beteiligten
natürlichen Personen. Denn Personengesellschaften lassen sich grundsätzlich
leichter für die hier in Rede stehenden Umgehungsgestaltungen einsetzen als
natürliche Einzelpersonen, weil Personengesellschaften ihrerseits mit einer oder
mehreren Kapitalgesellschaften gebildet werden können, unter denen sich dann
auch die Ausgangsgesellschaft befinden mag, die die gewerbesteuerfreie
Herauslösung eines Vermögensgegenstandes aus ihrem Gesellschaftsvermögen
anstrebt. Auf diese Weise konnte der Gewinn aus der bis dahin gewerbesteuerfrei
möglichen Veräußerung des Anteils an der Mitunternehmerschaft ohne größeren
gestalterischen
Aufwand
im
Ergebnis
im
Vermögen
der
Ausgangskapitalgesellschaft verbleiben. Abwandlungen dieser Grundstruktur der
Umgehungsgestaltung sind bei Personengesellschaften ebenfalls leichter und
wahrscheinlicher als bei unmittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligten
natürlichen Personen.
Auf der anderen Seite ist es zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, an der
Mitunternehmerschaft unmittelbar beteiligte natürliche Personen in die zu
unterbindende
Umgehungsgestaltung
einzubeziehen.
Die
schwierigeren
Rahmenbedingungen machen eine solche Gestaltung jedoch für die Beteiligten
unattraktiv und damit unwahrscheinlich. Wird nämlich der Vermögensgegenstand,
um
dessen
gewerbesteuerfreie
Veräußerung
es
geht,
von
der
Ausgangskapitalgesellschaft nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG steuerneutral so in eine
Personengesellschaft überführt, dass eine unmittelbar beteiligte natürliche
Einzelperson die ganz überwiegenden Gesellschaftsanteile hieran hält, besteht die
Gefahr einer dann für die Kapitalgesellschaft gewerbesteuerlich und für den
Gesellschafter einkommensteuerlich relevanten verdeckten Gewinnausschüttung.
Daher durfte es der Gesetzgeber für nicht geboten halten, die unmittelbar an der
Mitunternehmerschaft beteiligten natürlichen Personen in die Ausdehnung der
Gewerbesteuerpflicht einzubeziehen.
(b) Soweit § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG - abweichend von dem in den
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132
Gesetzesmaterialien beschriebenen Grundfall - die gewerbesteuerfreie
Veräußerung eines im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers befindlichen
Vermögensgegenstandes über die steuerneutrale Einbringung in eine
Personengesellschaft weiterhin ermöglicht, begründet auch dies keine
verfassungswidrige
Ungleichbehandlung
gegenüber
den
Kapital-
und
Personengesellschaften. Derartige Gestaltungen waren in der steuerbehördlichen
Praxis bisher offenbar nicht in einem Ausmaß aufgetreten, das dem Gesetzgeber
ein Tätigwerden erforderlich erscheinen ließ. Gegen eine relevante Größenordnung
solcher Gestaltungsfälle spricht auch, dass es sich bei Einzelunternehmern
regelmäßig um Betriebe mit erheblich geringerem Gewerbesteuerpotenzial handeln
dürfte als bei Kapital- und Personengesellschaften.
(c) Ob für die in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG geschaffene Privilegierung der auf
unmittelbar beteiligte natürliche Personen entfallenden Veräußerungsgewinne
daneben noch weitere Motive des Gesetzgebers eine Rolle gespielt haben - wie
etwa die Schonung des Mittelstandes (vgl. Bericht der Bundesregierung vom
18. April 2001 a.a.O. unter B.I.6; s.o. A I 3 b aa (2)) - ist neben den tragfähigen
Überlegungen zur Umgehungsverhinderung nicht erheblich.
(d)
Unschädlich
für
die
Vereinbarkeit
der
Besserstellung
von
Mitunternehmerschaften mit unmittelbar an ihnen beteiligten natürlichen Personen
mit Art. 3 Abs. 1 GG ist die Ausgestaltung von § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG auch
insoweit, als sie sich nicht auf eine möglichst eng gehaltene Erfassung allein der
Missbrauchsfälle beschränkt, sondern den Missbrauchsgestaltungen durch eine
allgemeiner gefasste Erweiterung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
entgegenwirkt. Die Norm ist tatbestandlich nicht auf die Umgehungsfälle begrenzt,
die Anlass für sie waren, wie etwa an das Vorliegen der steuerneutralen
Übertragung eines Vermögensgegenstandes auf die Mitunternehmerschaft
innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Sie bezieht Veräußerungsvorgänge in die
neu geschaffene Gewerbesteuerpflicht mit ein, die in keinem Zusammenhang mit
einem Umgehungsgeschäft stehen. Zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung
von Mitunternehmerschaften, soweit an ihnen Kapital- und Personengesellschaften
beteiligt sind, gegenüber solchen mit unmittelbar beteiligten natürlichen Personen
führt dies indessen nicht, da die Freistellung von Veräußerungsgewinnen, die auf
natürliche Personen entfallen, schon im Umgehungsfall und damit erst recht in den
mit erfassten Nicht-umgehungsfällen gerechtfertigt ist. Eine Freistellung auch der
auf Kapital- und Personengesellschaften entfallenden Veräußerungsgewinne in den
von der jetzigen Regelung mit erfassten Fällen ohne erkennbaren Umgehungsbezug
ist aus Gleichheitsgründen nicht geboten. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt keine derart
feinen Unterscheidungen.
(3) Schließlich sprechen auch Gründe der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs
(vgl. BVerfGE 139, 285 <313 Rn. 77>) für die Freistellung der auf unmittelbar
beteiligte natürliche Personen entfallenden Veräußerungsgewinne von der
Gewerbesteuerpflicht. Sie sind allerdings von geringem Gewicht, so dass sie allein
die Besserstellung in § 7 Satz 2 Hs. 2 GewStG nicht tragen können.
II.
Die Beschwerdeführerin wird nicht in ihrem verfassungsrechtlich durch Art. 2
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Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauen verletzt, nicht mit
in unzulässiger Weise rückwirkenden Gesetze belastet zu werden.
Das auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
beruhende grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze schützt das
Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des
Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage
erworbenen Rechte (1). Die Anwendung des § 7 Satz 2 GewStG auf den
Erhebungszeitraum 2002 entfaltet unechte Rückwirkung (2 a). Die Regelung durfte
ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht den der Beschwerdeführerin im
Erhebungszeitraum 2002 zugeflossenen Veräußerungsgewinn erfassen, obwohl die
verbindliche Verfügung hierüber bereits im Jahre 2001, aber erst nach Zuleitung des
Gesetzentwurfs an den Bundesrat erfolgt ist (2 b).
1. a) Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf
den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das
Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des
Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage
erworbenen Rechte (stRspr; vgl. BVerfGE 132, 302 <317 Rn. 41> m.w.N.).
Normen mit echter Rückwirkung sind danach grundsätzlich verfassungsrechtlich
unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 101, 139 <263>). Eine Rechtsnorm
entfaltet „echte“ Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen
Sachverhalt ändernd eingreift (vgl. BVerfGE 132, 302 <318 Rn. 42> m.w.N.). Dies
ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor
dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll
(„Rückbewirkung von Rechtsfolgen“; vgl. BVerfGE 127, 1 <17>).
Normen mit unechter Rückwirkung sind hingegen grundsätzlich zulässig.
Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind
erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung
zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn
die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers
überwiegen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 122, 374 <394 f.>; stRspr).
Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und
damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239
<263>; 123, 186 <257>), etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach
ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk
gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (vgl. BVerfGE 132, 302 <318 Rn. 43>
m.w.N.; ferner BVerfGE 127, 1 <17> m.w.N.; „tatbestandliche Rückanknüpfung“).
b) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber
eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfGE 127, 1
<18 f.>; 127, 31 <48 f.>; 127, 61 <77 f.>). Für den Bereich des
Gewerbesteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung
für den laufenden Erhebungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung
zuzuordnen ist (vgl. BVerfGE 132, 302 <319 Rn. 44> unter Verweisung auf §§ 14,
18
GewStG;
entsprechend
für
den
Veranlagungszeitraum
im
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140
141
Einkommensteuerrecht vgl. BVerfGE 127, 1 <17>; 127, 31 <47 f.>).
Sofern eine Steuerrechtsnorm nach diesen Grundsätzen innerhalb eines
Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums unechte Rückwirkung entfaltet, gelten für
deren Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter
Rückwirkung gesteigerte Anforderungen. Allerdings ist auch in diesem Fall eine
unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig. Der verfassungsrechtliche
Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu
bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten,
genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig
unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl.
BVerfGE 132, 302 <319 Rn. 45> m.w.N.).
Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an
zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs-
oder Erhebungszeitraums anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen
Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die unechte
Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen
Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks
geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem
Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der
die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt
bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <17 f.>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76 f.>). Insbesondere
muss der Norm-adressat hier eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte
Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die
Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der
Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>; 127, 31 <48 f.>;
132, 302 <319 f. Rn. 45 f.> m.w.N.).
Wo danach jeweils die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger unechter
Rückwirkung innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums liegen, hängt
wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Vertrauen ist besonders
schutzwürdig, wenn die Betroffenen zum Zeitpunkt der Verkündung der
Neuregelung nach der alten Rechtslage eine verfestigte Erwartung auf
Vermögenszuwächse erlangt und realisiert hatten oder hätten realisieren können
(vgl. BVerfGE 127, 1 <21>; 127, 61 <79 f.>). Das gilt vor allem dann, wenn auf der
Grundlage des geltenden Rechts vor Verkündung des rückwirkenden Gesetzes
bereits Leistungen zugeflossen waren (vgl. BVerfGE 127, 31 <56 ff.>;
einschränkend insoweit BVerfGE 132, 302 <327 ff. Rn. 64 ff.>). Besonders
schutzwürdig ist das Vertrauen der Betroffenen zudem dann, wenn diese vor der
Einbringung des neuen Gesetzes in den Bundestag verbindliche Festlegungen
getroffen hatten (vgl. BVerfGE 127, 31 <49>; 132, 302 <323 f. Rn. 54 ff.>).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Anwendung des im Juli 2002 in § 7
GewStG eingefügten Satzes 2 Nr. 2 auf den in diesem Erhebungszeitraum
realisierten Veräußerungsgewinn der Beschwerdeführerin verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden. Es liegt ein Fall unechter Rückwirkung vor (a). Die
Rückwirkung der angegriffenen Regelung auf den Erhebungszeitraum 2002 verletzt
kein schützenswertes Vertrauen der Beschwerdeführerin in den Bestand der alten
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Rechtslage (b).
a) § 7 Satz 2 GewStG wurde durch Art. 5 des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen
(StBAÄG) vom 23. Juli 2002, verkündet am 26. Juli 2002 und in Kraft getreten am
27. Juli 2002 (BGBl I S. 2715), in das Gewerbesteuergesetz eingefügt. Nach § 36
Abs. 1 GewStG in der Fassung von Art. 5 Nr. 2 StBAÄG war § 7 Satz 2 GewStG
erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden; die Norm wirkt daher auf
den 1. Januar 2002 zurück. Damit entfaltet § 7 Satz 2 GewStG nach der
Rechtsprechung über den Erhebungszeitraum unechte Rückwirkung, weil die
Gewerbesteuer erst mit dessen Ablauf entsteht (vgl. BVerfGE 132, 302 <319 Rn.
44>). Die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin aus der Veräußerung der
Geschäftsanteile
ihrer
Mitunternehmer
entstand
danach
Ende
des
Erhebungszeitraums 2002 für den in diesem Zeitraum durch die Mitunternehmer
realisierten Veräußerungsgewinn.
Für die verfassungsrechtliche Einordnung insoweit nicht maßgeblich ist hingegen
das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember
2001 (BGBl I S. 3858). Durch dieses am 24. Dezember 2001 verkündete und am
25. Dezember 2001 in Kraft getretene Gesetz wurde § 7 Satz 2 in der auch heute
geltenden Fassung zwar bereits einmal in das Gewerbesteuergesetz eingefügt und
sollte nach § 36 Abs. 1 GewStG in der Fassung von Art. 4 Nr. 5 UntStFG erstmals
für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden sein. § 7 Satz 2 GewStG in der
Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes war jedoch durch das
Solidarpaktfortführungsgesetz (SFG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3955),
das am 27. Dezember 2001 verkündet wurde und am 1. Januar 2002 in Kraft
getreten ist (Art. 12 Abs. 1 SFG), schon zum 1. Januar 2002 wieder außer Kraft
gesetzt worden. Jener § 7 Satz 2 GewStG war somit im Dezember 2001 nur vier
Tage in Kraft. Steuerrechtliche Wirkung konnte die Vorschrift insoweit nicht
entfalten, da sie zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Anwendung bereits wieder außer
Kraft gesetzt worden war.
b) Diese Entstehungsgeschichte des § 7 Satz 2 GewStG kann bei der
verfassungsrechtlichen Bewertung des schutzwürdigen Vertrauens der
Beschwerdeführerin nicht außer Betracht bleiben (aa). Ihr Vertrauen in den Bestand
des geltenden Gewerbesteuerrechts war mit der Zuleitung des Entwurfs des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes zum Bundesrat nicht mehr
schutzwürdig (bb). Die rückwirkende Inkraftsetzung des § 7 Satz 2 GewStG für den
Erhebungszeitraum 2002 verletzt die Beschwerdeführerin daher nicht in ihrem
schutzwürdigen Vertrauen (cc).
aa) Für die Beantwortung der Frage, ab welchem Zeitpunkt bereits vor Verkündung
einer Neuregelung nicht mehr auf den Bestand der noch geltenden Rechtslage
vertraut werden kann, sind in erster Linie der Gang des Gesetzgebungsverfahrens
bis zur Neuregelung und dabei vor allem die öffentliche Bekanntgabe
entsprechender Entwurfstexte entscheidend (näher dazu unten bb). Insofern muss
hier auch auf die Entstehung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes
abgestellt werden.
Beschränkte man die Betrachtung dagegen auf das Gesetzgebungsverfahren zum
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Fünften Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur
Änderung von Steuergesetzen im Hinblick auf die letztlich maßgebliche Verkündung
des § 7 Satz 2 GewStG im Rahmen dieses Gesetzes im Juli 2002, wäre der
Zeitpunkt der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen
Bundestages vom 24. April 2002 zum Entwurf dieses Gesetzes maßgeblich. Durch
diese Empfehlung wurde erstmals für das Gesetzgebungsvorhaben die erneute
Einfügung des Satzes 2 in § 7 GewStG zur „Beseitigung eines redaktionellen
Versehens“ (vgl. BTDrucks 14/8887, S. 26) vorgeschlagen. Eine solche Sichtweise
würde
jedoch
dem
Gesetzgebungsverfahren
zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz und dessen Bedeutung für die
Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Betroffenen in den Fortbestand der
Rechtslage nicht hinreichend Rechnung tragen.
Zwar handelt es sich bei dem für § 7 Satz 2 GewStG letztlich maßgeblichen
Fünften Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur
Änderung
von
Steuergesetzen
und
dem
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz um zwei im Ausgangspunkt
selbständige Gesetzgebungsvorhaben mit unterschiedlichen Gegenständen und je
eigenen Gesetzgebungsverfahren. Im Hinblick auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt
Mitunternehmerschaften mit für sie nachteiligen Änderungen der Rechtslage im
Gewerbesteuergesetz
rechnen
mussten,
sind
hier
jedoch
beide
Gesetzgebungsverfahren zusammen in den Blick zu nehmen. Denn die
ursprünglich im Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz geplante und
schließlich erst durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-
Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen umgesetzte
Neuregelung des § 7 Satz 2 GewStG betrifft ein und dasselbe Gesetzgebungsziel
mit demselben Inhalt durch denselben Gesetzgeber.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass Gesetzgebungsvor-haben
- gerade im Steuerrecht - nicht selten über mehrere Legislaturperioden immer
wieder in Angriff genommen werden, ehe sie schließlich zu einem Gesetz führen. In
diesen Fällen kann in der Tat den vergeblichen Gesetzesinitiativen keine
vertrauenszerstörende Wirkung im Hinblick auf die später Gesetz werdende
Regelung beigemessen werden. Es ist grundsätzlich nicht vorhersehbar, ob ein im
parlamentarischen Verfahren gescheitertes oder der Diskontinuität zum Opfer
gefallenes Vorhaben von einem späteren Gesetzgeber wieder aufgegriffen wird. Es
wäre der Rechtssicherheit in hohem Maße abträglich und den Steuerpflichtigen nicht
zuzumuten, wenn sie in solchen Fällen unter Umständen über viele Jahre ihr
Handeln nicht mehr in berechtigtem Vertrauen am geltenden Recht ausrichten
könnten.
Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Es gab hier keinerlei
öffentliche Bekundungen oder sonstige Signale, die den Rückschluss zugelassen
hätten, dass der (identische) Gesetzgeber nach dem versehentlichen Scheitern des
§ 7 Satz 2 GewStG im Dezember 2001 von dem von ihm ersichtlich für wichtig
gehaltenen Gesetzgebungsvorhaben hätte Abstand nehmen wollen. Angesichts der
Besonderheiten im Ablauf dieses Gesetzesvorhabens mussten die
Gewerbetreibenden von einer alsbaldigen Reparatur des Redaktionsfehlers im
Jahre 2002 ausgehen. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt und auch
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geboten,
die
Verfahren
zum
Erlass
des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes und zum Fünften Gesetz zur
Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von
Steuergesetzen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten als ein einheitliches
Gesetzgebungsverfahren zu behandeln.
bb)
Für
die
danach
in
einer
Gesamtsicht
zu
bewertenden
Gesetzgebungsverfahren kann nicht nur die Einbringung eines Gesetzesvorhabens
in den Bundestag ((1)), sondern bereits dessen Zuleitung zum Bundesrat
vertrauenszerstörende Wirkung haben ((2)).
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat in jüngerer Zeit bereits mehrfach
entschieden, dass die Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Deutschen
Bundestag das Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen
Rechtslage zerstören kann und deshalb eine darin vorgesehene Neuregelung ohne
Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes
unechte Rückwirkung entfalten darf (vgl. dazu BVerfGE 127, 31 <50>; 143, 246
<385 Rn. 377>; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris,
Rn. 199; in BVerfGE 132, 302 <326 Rn. 60> offen gelassen, weil in jenem Fall
jedenfalls der Vorschlag des Vermittlungsausschusses das Vertrauen zerstört
hatte). Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in
konkreten Umrissen allgemein absehbar. Deshalb können Steuerpflichtige
regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde
auch im Folgejahr unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich
möglich,
ihre
wirtschaftlichen
Dispositionen
durch
entsprechende
Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen (BVerfGE
127, 31 <50>). Dabei ist maßgeblich, inwieweit ein solcher Gesetzentwurf das
Vertrauen in den Fortbestand der gegenwärtigen Rechtslage zerstört, nicht aber,
inwieweit er die Erwartung rechtfertigt, eine bestimmte Regelung würde bald
Gesetz. Denn der Ablauf des anschließenden Gesetzgebungsverfahrens bleibt in
der Hand des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Die Einbringung eines
Gesetzentwurfs erlaubt kein Vertrauen darauf, dass eine eingebrachte Regelung
Gesetz wird. Sie nimmt aber unter Umständen dem Vertrauen darauf die
Grundlage, die jetzige Gesetzeslage in einem Regelungsbereich werde auf
absehbare Zeit bestehen bleiben (zur Gewährleistungsfunktion des geltenden
Rechts vgl. BVerfGE 127, 31 <57>; 132, 302 <327 Rn. 65, 330 f. Rn. 71>).
(2) Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Zuleitung eines
Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung an den Bundesrat (Art. 76 Abs. 2 Satz 1
GG). Auch in diesem Fall hat sich ein nach dem Grundgesetz initiativberechtigtes
Verfassungsorgan entschlossen, ein Gesetzgebungsverfahren förmlich einzuleiten.
Hierzu muss ein ausformulierter Gesetzentwurf als Beschlussvorlage vorliegen. Die
Zuleitung der Gesetzesvorlage an den Bundesrat ist im Ergebnis nicht mehr und
nicht weniger verbindlich als die Einbringung in den Bundestag. Mit ihrer
Veröffentlichung haben die durch das Vorhaben Betroffenen die Möglichkeit, sich in
ihrem Verhalten auf die etwaige Gesetzesänderung einzustellen. Es ist ihnen
zumutbar, jedenfalls bei in die Zukunft wirkenden Dispositionen darauf Bedacht zu
nehmen. Ein qualitativer Unterschied zur Einbringung einer Gesetzesvorlage in den
Bundestag ist im Hinblick auf die vertrauenszerstörende Wirkung der Zuleitung einer
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Gesetzesvorlage an den Bundesrat nicht erkennbar. Es bedeutete im Gegenteil
einen
Wertungswiderspruch,
versagte
man
im
erstgenannten
Fall
Vertrauensschutz, würde hingegen der Zuleitung an den Bundesrat keine
vertrauenszerstörende Wirkung beimessen.
cc) Gemessen hieran musste sich die Beschwerdeführerin, zumal sie
durchgängig steuerrechtlich beraten war, jedenfalls für das Erhebungsjahr 2002 auf
eine auch sie betreffende nachteilige Änderung der Gewerbebesteuerung von
Anteilsveräußerungen durch ihre Mitunternehmer einstellen. Nach Zuleitung des
Entwurfs eines Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 17. August 2001
durch die Bundesregierung an den Bundesrat (BRDrucks 638/01) konnten
Mitunternehmerschaften nicht mehr darauf vertrauen, dass eine Anteilsveräußerung
durch ihre Gesellschafter auch künftig noch gewerbesteuerfrei sein würde.
Die verbindlichen Entscheidungen über die Anteilsveräußerungen fielen zeitlich
nach
der
Zuleitung
des
Entwurfs
zu
einem
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz an den Bundesrat ((1)). Die daraus
folgende Einschränkung des Vertrauensschutzes erfasst auch die später Gesetz
gewordene, gegenüber dem Entwurf engere Ausnahme des § 7 Satz 2 Hs. 2
GewStG von der Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ((2)). An der Geltung der
Neuregelung für den gesamten Erhebungszeitraum 2002 auch gegenüber der
Beschwerdeführerin
ändert
sich
auch
nichts
dadurch,
dass
die
Veräußerungsgewinne den Mitunternehmern schon vor Verkündung des Gesetzes
im Juli 2002 zugeflossen sind ((3)).
(1) Die Zuleitung des Entwurfs der Bundesregierung zu einem
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz an den Bundesrat erfolgte am
17. August 2001 (BRDrucks 638/01). Der Inhalt des dem Bundesrat zugeleiteten
Gesetzentwurfs zur Einfügung eines neuen § 7 Satz 2 GewStG war identisch mit
dem am 10. September 2001 beim Deutschen Bundestag eingebrachten
Gesetzentwurf (BTDrucks 14/6882). Zwar hatte der Lenkungsausschuss der
Beschwerdeführerin das Sale Agreement bereits am 5. August 2001 beschlossen.
Die Zustimmung der Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu dem Sale
Agreement, durch die es für sie verbindlich wurde, erfolgte jedoch erst in der
außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 1. September 2001. Zu diesem
Zeitpunkt war der Gesetzentwurf zum neuen § 7 Satz 2 GewStG in der
Bundesratsdrucksache bereits veröffentlicht und die Beschwerdeführerin und ihre
Mitunternehmer hätten sich demzufolge darauf einstellen können. Zwar hatte sich
der
einzelne
veräußerungswillige
Kommanditist
aufgrund
der
Gesellschaftervereinbarung vom Juli 2001 der Entscheidung des gemeinsam
eingesetzten
Lenkungsausschusses
in
Verbindung
mit
einer
Mehrheitsentscheidung der veräußernden Kommanditisten unterworfen. Dies ändert
indessen nichts daran, dass das Sale Agreement nach dessen Ziffer 16.1. weiterhin
des Mehrheitsbeschlusses der Kommanditisten bedurfte. Die fachgerichtliche
Deutung der Veräußerungsvereinbarungen durch den Bundesfinanzhof, wonach
erst die Zustimmung in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung am
1. September 2001 zur rechtlich verbindlichen Disposition über die Geschäftsanteile
geführt hat, ist vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(2) Die vertrauenszerstörende Wirkung der Zuleitung des Entwurfs eines
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157
(2) Die vertrauenszerstörende Wirkung der Zuleitung des Entwurfs eines
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes beschränkt sich nicht streng auf den
durch den Wortlaut des Entwurfs von § 7 Satz 2 GewStG betroffenen Kreis von
Mitunternehmern. Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf sollte künftig der
Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe unter anderem (Nr. 2) des Anteils eines
Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer
Mitunternehmerschaft anzusehen ist, der Gewerbesteuer unterfallen, „soweit er
nicht auf eine natürliche Person als Mitunternehmer entfällt“ (Halbsatz 2). Gesetz
wurde dann jedoch eine Formulierung des Halbsatzes 2, die dahin präzisiert war,
dass lediglich der auf „eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter
Mitunternehmer“ entfallende Gewinn gewerbesteuerfrei war. Es bedarf hier keiner
Entscheidung, ob die ursprüngliche Fassung des Entwurfs tatsächlich die
Veräußerungsgewinne, die auf alle natürlichen Personen entfallen, die in einer
Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt waren, von der Gewerbesteuer
freistellen sollte, oder ob diese Ausnahmevorschrift von Anfang an insoweit auf die
unmittelbar beteiligten natürlichen Personen beschränkt war. Angesichts der klaren
Zielsetzung des Gesetzgebers, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen einer
Mitunternehmerschaft
der
Gewerbesteuer
zu
unterwerfen,
um
so
Umgehungsgestaltungen zu vermeiden, durften sich Mitunternehmer auch schon
nach Bekanntwerden der ursprünglichen Entwurfsfassung nicht darauf verlassen,
dass Veräußerungsgewinne von mittelbar beteiligten natürlichen Personen von der
Besteuerungserweiterung verschont bleiben würden. Denn vor dem Hintergrund der
Begründung
des
Regierungsentwurfs
und
des
hier
betonten
Umgehungsverhinderungszwecks der Neuregelung lag keineswegs auf der Hand,
dass hiervon Veräußerungsgewinne mittelbar beteiligter natürlicher Personen nicht
betroffen und deshalb ausgenommen werden sollten. Daher mussten sich
Mitunternehmer nach Veröffentlichung des Gesetzentwurfs bei ihren Dispositionen
darauf einstellen, dass Gewinne bei der Veräußerung von Betriebsanteilen in die
erweiterte Gewerbesteuerpflicht einbezogen würden. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, dass die Einschränkung der Ausnahmeklausel des Halbsatzes 2
von § 7 Satz 2 GewStG später in dem entsprechenden Vorschlag des
Finanzausschusses
des
Deutschen
Bundestages
mit
Verwaltungspraktikabilitätserwägungen begründet wurde (vgl. BTDrucks 14/7344,
S. 12). Entscheidend für die Reichweite der das berechtigte Vertrauen
relativierenden Bedeutung des ursprünglichen Gesetzentwurfs ist demgegenüber
allein das die Betroffenen zur Vorsicht mahnende Signal, die Rechtslage werde in
dem aus dem Entwurf erkennbaren Umfang geändert. Das Gesetzesvorhaben
zielte hier im Grundsatz zunächst einmal auf die Einbeziehung der
Veräußerungsgewinne von Mitunternehmeranteilen insgesamt. Ein berechtigtes
Vertrauen darauf, dass Mitunternehmer, die nicht selbst natürliche Personen sind,
davon ausgenommen seien, bestand nicht.
(3) Das rückwirkende Inkraftsetzen des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zum Beginn des
Erhebungszeitraums 2002 ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch
insoweit vereinbar, als die Regelung Veräußerungsgewinne erfasst, die zwar vor
Verkündung des Gesetzes im Juli 2002 den Verkäufern zugeflossen sind, aber auf
Dispositionen beruhen, die erst nach der Zuleitung des Gesetzes an den Bundesrat
verbindlich getroffen wurden. Eine besonders verfestigte Vermögensposition, die
einem unecht rückwirkenden Zugriff des Steuergesetzgebers entzogen wäre,
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besteht hier zu Gunsten der Beschwerdeführerin nicht. Gewinne aus Dispositionen,
die erst vorgenommen wurden, nachdem ein ordnungsgemäß in das
Gesetzgebungsverfahren eingebrachter und damit auch veröffentlichter
Gesetzentwurf etwaiges Vertrauen zerstört hat, hindern den Gesetzgeber nicht an
einer unecht rückwirkenden Steuerbelastung, selbst wenn die Erträge vor der
Verkündung des Gesetzes zugeflossen sind (so bereits BVerfGE 132, 302 <327 ff.
Rn. 64 ff.>). Elemente besonderer Schutzwürdigkeit, wie sie das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur sogenannten „Fünftel-
Regelung“ des § 34 Abs. 1 EStG mit Rücksicht auf damals betroffene
Abfindungsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und aus dem Arbeitsverhältnis
ausscheidenden Arbeitnehmern angenommen hat (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 ff.>
sowie dazu wiederum BVerfGE 132, 302 <327 ff. Rn. 65 ff.>), sind hier nicht
erkennbar. Hinzu kommt, dass § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG in Juli 2002 nicht mit
Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Zuleitung des Gesetzentwurfs zum Bundesrat
im August 2001, sondern - deutlich moderater - erst für den Erhebungszeitraum
2002 in Kraft gesetzt wurde.
III.
Die gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs und gegen dessen Beschluss über die
Anhörungsrüge erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Das Vorbringen
der Beschwerdeführerin hierzu genügt insgesamt nicht den sich aus § 23 Abs. 1
Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen (vgl. dazu BVerfGE
140, 229 <232 Rn. 9> m.w.N.).
Die Beschwerdeführerin beanstandet als Verletzung ihres Anspruchs auf
Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) insbesondere, dass ihr nicht
die Möglichkeit gegeben worden sei, zur Frage der Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung Stellung zu nehmen, die durch die zwischenzeitlich ergangenen
Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010
(BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) zur Zulässigkeit rückwirkender Gesetze im
Steuerrecht aufgeworfen worden sei. Sie führt jedoch nicht aus, welche Gründe sie
für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO
vorgetragen hätte und weshalb ein solches Vorbringen ungeachtet der gegenteiligen
Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Anhörungsrügebeschluss eine
abweichende Entscheidung in diesem Punkt zur Folge hätte haben können. Die
Rüge bliebe aber auch in der Sache ohne Erfolg. Die Auffassung des
Bundesfinanzhofs, dass er wegen der zwischenzeitlich am 5. August 2010 erfolgten
telefonischen Bekanntgabe der Urteilsformel und der dadurch eingetretenen
Selbstbindung die erst am 19. August 2010 veröffentlichten Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 in seinem Urteil nicht mehr hätte
berücksichtigen können (BFH, Beschluss vom 8. März 2011 - IV S 14/10 -, juris,
Rn. 8 ff.), betrifft die fachgerichtliche Auslegung einfachen Prozessrechts. Es ist
weder substantiiert gerügt noch ohne Weiteres erkennbar, dass dieser Standpunkt
verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre. Die Verletzung rechtlichen Gehörs
kann allein mit der vom eigenen Standpunkt abweichenden Rechtsauffassung des
Bundesfinanzhofs ohnehin nicht begründet werden.
Die Verfassungsbeschwerde genügt auch nicht den Begründungsanforderungen,
161
soweit sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zusammensetzung des
Gerichts bei dessen Entscheidung über die Anhörungsrüge in den Raum stellt, ohne
sich mit den sich dabei stellenden Fragen näher auseinanderzusetzen. Im Übrigen
liegt es im Spielraum des Gesetzgebers, aus Gründen der Praktikabilität die
Anhörungsrüge so auszugestalten, dass der darüber befindende Spruchkörper nicht
personenidentisch mit dem zusammengesetzt sein muss, der die Entscheidung in
der Hauptsache getroffen hat (§ 10 Abs. 3 Hs. 2 FGO, § 133a FGO), und es damit
bei der funktionalen Identität des Spruchkörpers bewenden zu lassen; insoweit darf
der Gesetzgeber den Gedanken der Selbstkontrolle, welcher der Anhörungsrüge
zugrunde liegt (vgl. BVerfGE 107, 395 <411 f.>), hinter zwingende
prozessökonomische Erwägungen zurücktreten lassen.
IV.
Das Urteil ist zu Punkt B I 2 b) mit 6:1 Stimmen ergangen.
Kirchhof
Eichberger
Masing
Paulus
Baer
Britz
Ott