Urteil des BVerfG vom 24.03.2018

Einstweilige Anordnung: Stadt muss ihre Stadthalle der NPD für Wahlkampfveranstaltung überlassen

Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Peter Richter, LL.M.,
Birkenstraße 5, 66121 Saarbrücken
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
1 BvQ 18/18
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
geeignete Vollstreckungsmaßnahmen zu verfügen, um die Stadt W… zur
Erfüllung der ihr mit einstweiliger Anordnung des Verwaltungsgerichts Gießen
vom 20. Dezember 2017, Az.: 8 L 9187/17.Gl, aufgegebenen Verpflichtung zu
veranlassen, dem Antragsteller die Stadthalle W… am 24. März 2018 zur
Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung zu überlassen.
Antragsteller:
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) -
Stadtverband W… -,
vertreten durch den Stadtverbandsvorsitzenden H…
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Masing,
Paulus,
Eichberger
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 24. März 2018
einstimmig beschlossen:
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Der Stadt W… wird aufgegeben, der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung vom 20. Dezember 2017 (Az. 8 L 9187/17.Gl), Folge zu leisten
und dem Antragsteller die Stadthalle W… am 24. März 2018 für die
Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung zu überlassen.
Gründe:
I.
1. Der Antragsteller begehrt die verfassungsgerichtliche Vollstreckung einer
einstweiligen Anordnung eines Verwaltungsgerichts, dem Antragsteller die
Stadthalle W… am 24. März 2018 für die Durchführung einer
Wahlkampfveranstaltung zu überlassen. Die Stadt W… verweigerte dem
Antragsteller den Zugang zur Stadthalle, da der Antragsteller den Nachweis eines
Versicherungsschutzes und eines Sanitätsdienstes nicht erbracht habe, obwohl das
Verwaltungsgericht die Stadt W… zuvor im Wege einer einstweiligen Anordnung
verpflichtet hatte, dem Antragsteller die Stadthalle zu überlassen. Die hiergegen
gerichtete Beschwerde der Stadt W… wies der Verwaltungsgerichtshof zurück.
Das Verwaltungsgericht drohte der Stadt W… ein Zwangsgeld an, soweit diese
nicht bis um 11:00 Uhr am 23. März 2018 der Verpflichtung aus der einstweiligen
Anordnung desselben Gerichts nachkomme. Nachdem die Frist ohne Befolgung der
Anordnung des Verwaltungsgerichts verstrichen war, setzte das Verwaltungsgericht
das angedrohte Zwangsgeld fest und drohte erneut ein Zwangsgeld an, falls die
Stadt bis um 17:00 Uhr am 23. März 2018 der einstweiligen Anordnung nicht
nachgekommen sei. Diese Frist verstrich, ohne dass dem Antragsteller die
Stadthalle W… für die Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung überlassen
wurde.
2. Der Antragsteller rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG, Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG.
II.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Der
zulässige Antrag ist begründet.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 Abs.1 BVerfGG sind
die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen die
verwaltungsgerichtliche Eilentscheidung vom Bundesverfassungsgericht zu
berücksichtigen, wenn ein Abwarten den Grundrechtsschutz vereitelte (BVerfGE
111, 147). Danach ist vorliegend maßgeblich, dass die Einlegung einer
Verfassungsbeschwerde hier voraussichtlich Erfolg haben müsste. Der
Antragsteller hat zur Durchführung einer Versammlung eine vollziehbare
verwaltungsgerichtliche Entscheidung erwirkt, mit der die Antragsgegnerin des
Ausgangsverfahrens zur Überlassung ihrer Stadthalle verpflichtet wurde. Wegen
deren
Nichtbefolgung
wurde
gegen
die
Antragsgegnerin
des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überdies bereits ein Zwangsgeld verhängt. Die
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Antragsgegnerin verweigert die Befolgung dieser Entscheidung mit Gründen, die sie
vor den Verwaltungsgerichten entweder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat oder
die von diesen als unerheblich beurteilt wurden. Es ist absehbar, dass dies in einem
Hauptsacheverfahren als Verletzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20
Abs. 3, 19 Abs. 4 GG zu beurteilen wäre. Zugleich würde durch ein Abwarten die
Durchführung der Versammlung und damit die Wahrnehmung der
Versammlungsfreiheit des Antragstellers endgültig vereitelt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Masing
Paulus
Eichberger