Urteil des BVerfG vom 26.03.2009
BVerfG: erhöhung des grundkapitals, kapitalerhöhung, verfassungsbeschwerde, inzidente normenkontrolle, rechtsschutz, aktionär, verordnung, aufsichtsrat, unternehmen, aktiengesellschaft
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 119/09 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Dr. h. c. S...,
gegen
a)
§ 7 Abs. 3, § 10 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmepakets zur
Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz - FMStFG),
b)
§§ 3, 5 des Gesetzes zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von
Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den
Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds - FMS“ (BeschleunigungsG) sowie
c)
§ 5 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung zur Durchführung des
Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-
Verordnung - FMStFV)
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Bryde,
Schluckebier
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 26. März 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Vorschriften des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes
(Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz
und
Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz)
sowie
der
Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung,
die
die
Möglichkeit
einer
Beteiligung
des
Finanzmarktstabilisierungsfonds an der Rekapitalisierung von Unternehmen des Finanzsektors vorsehen. Der
Beschwerdeführer ist Aktionär der C. AG, der der Finanzmarktstabilisierungsfonds 10 Mrd. € Eigenkapital durch
Ausgabe und Übernahme von Stammaktien sowie im Wege einer stillen Einlage zur Verfügung stellen will. Die
Verfassungsbeschwerde wirft in der Sache insbesondere die Frage auf, ob einige der in dem Gesetz und der
Verordnung vorgesehenen Regelungen mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Aktieneigentums
vereinbar sind.
I.
2
1. Die seit Mitte 2007 anhaltende Finanzmarktkrise (vgl. zu den Hintergründen etwa Bartsch, NJW 2008, S. 3337
sowie Horn, BKR 2008, S. 452 <457 ff.>) veranlasste die Bundesregierung, am 13. Oktober 2008 den Entwurf eines
Gesetzes
zur
Umsetzung
eines
Maßnahmenpakets
zur
Stabilisierung
des
Finanzmarktes
(Finanzmarktstabilisierungsgesetz - FMStG) zu verabschieden. Dieses Gesetz wurde bereits vier Tage später, am
17. Oktober 2008, von Bundestag und Bundesrat beschlossen und - nach Unterzeichnung durch den
Bundespräsidenten - am selben Tag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ziel des Gesetzes ist es, das Vertrauen in
das Finanzsystem wiederherzustellen und den Geschäftsverkehr zwischen den Finanzinstitutionen zu normalisieren
(Pressemitteilung des Bundesministeriums für Finanzen vom 20. Oktober 2008).
3
Das Artikelgesetz umfasst unter anderem in Artikel 1 das Gesetz zur Errichtung eines
Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz - FMStFG) und in Artikel 2 das Gesetz zur
Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des
Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds - FMS“ (bislang nicht amtliche Kurzbezeichnung:
Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz - FMStBG); auch eine konkretisierende, am 20. Oktober 2008
erlassene Verordnung (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung - FMStFV) ist Teil des Maßnahmenpakets.
4
Das unter Artikel 1 FMStG angeführte Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz sieht neben der Garantieermächtigung
(§ 6 FMStFG) und der Risikoübernahme (§ 8 FMStFG) die Rekapitalisierung von Finanzunternehmen durch den
Finanzmarktstabilisierungsfonds (§ 7 FMStFG) vor. Danach besteht für den Fonds die Möglichkeit, sich an einem
Unternehmen des Finanzsektors mit bis zu 10 Mrd. € im Einzelfall zu beteiligen. Die Beteiligung kann in jeder
geeigneten Form erfolgen. Damit wird insbesondere der Erwerb von Aktien sowie von stillen Beteiligungen ermöglicht.
Die Beteiligung an einer Rekapitalisierung soll nur dann erfolgen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt
und der vom Bund angestrebte Zweck sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt (§ 7
Abs. 2 Satz 2 FMStFG).
5
Die genannten Stabilisierungsmaßnahmen setzen gemäß § 10 Abs. 1 FMStFG voraus, dass die sie in Anspruch
nehmenden Unternehmen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten. Dazu sind in § 10 Abs. 2
FMStFG mehrere Anforderungen bezeichnet, die ihre nähere Ausgestaltung in der Finanzmarktstabilisierungsfonds-
Verordnung (FMStFV) erfahren haben. Diese ist unter anderem auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung
mit § 7 Abs. 3 sowie § 10 Abs. 2 FMStFG ergangen. Vorgesehen sind in § 5 Abs. 2 FMStFV unter anderem die
Überprüfung der Geschäftspolitik, die Begrenzung der Vergütungen von Organmitgliedern sowie das Gebot, während
der Dauer der Stabilisierungsmaßnahmen keine Dividenden auszuschütten. Diese Bedingungen für die
Stabilisierungsmaßnahmen, die dem Unternehmen aufgegeben werden sollen, können vertraglich vereinbart oder
durch Abgabe einer Verpflichtungserklärung oder mittels verwaltungsrechtlicher Instrumente festgelegt werden (§ 10
Abs. 2 Satz 3 FMStFG; § 5 Abs. 8 FMStFV).
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Mit dem durch Art. 2 FMStG eingeführten Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) werden die
aktien- und kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen insbesondere für die in § 7 FMStFG vorgesehene
Rekapitalisierung geschaffen. Eines der Kernelemente ist die Schaffung eines gesetzlich genehmigten Kapitals (§ 3
FMStBG). Danach ist der Vorstand eines als Aktiengesellschaft verfassten Unternehmens des Finanzsektors bis zum
31. Dezember 2009 ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital um bis zu 50 % des bisherigen
Kapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen an den Finanzmarktstabilisierungsfonds zu erhöhen, ohne dass
es hierfür der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Zugleich ist das Bezugsrecht der Aktionäre für die an den
Finanzmarktstabilisierungsfonds auszugebenden Aktien ausgeschlossen (§ 3 Abs. 3 FMStBG). Über den Inhalt der
Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, insbesondere den Ausgabebetrag entscheidet ebenfalls allein
der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 5 FMStBG). Alternativ zur Erhöhung des Grundkapitals durch
Beschluss des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats (gesetzlich genehmigtes Kapital) besteht nach § 7
FMStBG die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung und des Ausschlusses des Bezugsrechts zugunsten des Fonds durch
Beschlussfassung der Hauptversammlung. Deren Einberufung unterliegt in diesem Falle erleichterten Bedingungen;
die Einberufungsfrist beträgt mindestens einen Tag.
7
2. Der Beschwerdeführer ist - seiner anwaltlichen Versicherung zufolge - Aktionär der C. AG mit Sitz in Frankfurt am
Main. Diese verfügt derzeit über ein Grundkapital in Höhe von ca. 2,3 Mrd. €, das in auf den Inhaber lautende
Stückaktien eingeteilt ist.
8
In einer Presseerklärung vom 8. Januar 2009 teilte die C. AG mit, der Finanzmarktstabilisierungsfonds beabsichtige
- vorbehaltlich der notwendigen Gremienbeschlüsse -, der aus der Übernahme der D. Bank AG durch die C. AG
hervorgegangenen neuen C. zusätzlich Eigenkapital in Höhe von 10 Mrd. € zur Verfügung zu stellen. Dies erfolge
durch die Emission von rund 295 Mio. Stück Stammaktien zu einem Ausgabepreis von 6 € pro Aktie sowie durch eine
stille Einlage in Höhe von 8,2 Mrd. €. Durch die Kapitalerhöhung erhalte „der Bund“ 25 % plus eine Aktie am
Grundkapital der Bank. Die Konditionen der stillen Einlage würden sich an einer bereits zuvor im November 2008
gewährten entsprechenden Beteiligung orientieren.
9
Die Aktien der C. AG wurden am 8. Januar 2009 an der Börse in Frankfurt am Main zu einem Eröffnungskurs von
5,98 € gehandelt. Zwischenzeitlich war der Kurs auf unter 3 € gesunken.
II.
10
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 19
Abs. 1 Satz 2 GG durch § 7 Abs. 3 und § 10 Abs. 2 FMStFG, §§ 3 und 5 FMStBG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV.
11
Ihm, dem Beschwerdeführer, seien zwar keine Einzelheiten über die zwischen der C. AG und dem
Finanzmarktstabilisierungsfonds getroffenen Vereinbarungen bekannt. Es stehe jedoch zu vermuten, dass sie sich an
dem durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz geschaffenen Gesetzesrahmen orientieren würden. Die genannten
Vorschriften dieses gesetzlichen Rahmens verletzten vornehmlich sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes
Eigentumsrecht als Aktionär der Bank. Hierdurch werde in den Kernbestand seiner damit verbundenen
Mitgliedschafts- und Vermögensrechte eingegriffen. Beseitigt werde das Recht der Hauptversammlung, über jede
Form der Kapitalerhöhung sowie den damit in Zusammenhang stehenden Ausgabebetrag neuer Aktien zu
entscheiden. Überdies werde das regelmäßig jedem Aktionär zukommende Bezugsrecht ausgeschlossen; ihm werde
überdies der ihm grundsätzlich zustehende Anspruch auf Teilhabe am Bilanzgewinn entzogen.
12
Die als grundrechtswidrig gerügten Vorschriften griffen unmittelbar in sein Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ein. Die
Unmittelbarkeit sei spätestens zum jetzigen Zeitpunkt zu bejahen, zu dem die C. AG die vom Staat zur Verfügung
gestellten Stabilisierungshilfen in Anspruch nehmen wolle.
13
Die Schöpfung gesetzlich genehmigten Kapitals sei der Beanstandung durch die Aktionäre verschlossen; der
Rechtsweg sei versperrt. Da die Entscheidung nicht über einen Beschluss der Hauptversammlung herbeigeführt
werde, sondern ausschließlich dem Vorstand und dem Aufsichtsrat vorbehalten bleibe, fehle die Möglichkeit der
Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gemäß §§ 245, 249 AktG. Ferner sehe das
Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz vor, dass die Kapitalerhöhung nicht im Wege der Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen rückgängig gemacht werden könne. Schließlich werde die Verweigerung jeglichen
Rechtsschutzes dadurch dokumentiert, dass das Gesetz in § 3 Abs. 5 Satz 4 FMStBG dem Registerrichter
ausdrücklich untersage, die Eintragung der Kapitalerhöhung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
III.
14
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a
Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
15
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Rechtsnormen bereits selbst,
gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfGE 1, 91, <101 ff.>).
Insbesondere ist noch offen, ob tatsächlich ohne Beschluss der Hauptversammlung entschieden werden wird.
Jedenfalls lässt sich dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht entnehmen, dass er der Subsidiarität der
Verfassungsbeschwerde genügt und vor ihrer Erhebung alle ihm zumutbaren Möglichkeiten fachgerichtlichen
Rechtsschutzes ausgeschöpft hat (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG; BVerfGE 90, 128 <136 f.>). Fachgerichtlicher
Rechtsschutz steht hier hinlänglich zur Verfügung (1.). Eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist
nicht angezeigt. Auch dem Vortrag des Beschwerdeführers lassen sich keine Umstände entnehmen, die dies
rechtfertigen würden (2.).
16
1. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert, dass der Beschwerdeführer zunächst den
hier in Betracht kommenden fachgerichtlichen Rechtsschutz sucht, um auf diesem Wege auch eine inzidente
Kontrolle der mit seiner Rechtssatzverfassungsbeschwerde angegriffenen Normen zu erreichen.
17
a) Für die Annahme einer bestehenden fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit - auch im Blick auf eine inzidente
Normenkontrolle - ist ausreichend, dass eine zulässige Anrufung der Fachgerichte in Betracht kommt und nicht von
vornherein ausgeschlossen erscheint. Selbst wenn zweifelhaft ist, ob ein Rechtsmittel statthaft ist und im konkreten
Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann oder eingelegt werden konnte, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich
gehalten, von dem etwaigen fachgerichtlichen Rechtsschutz Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 91, 93 <106 f.>).
Dabei genügt der Umstand, dass Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene
Fallgestaltung noch nicht vorliegt, regelmäßig nicht, um die Anrufung der Fachgerichte für von vornherein aussichtslos
zu erachten (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>).
18
b) Hier besteht die Möglichkeit einer Klage zu den Fachgerichten, in deren Rahmen es zu einer wenn auch nicht
prinzipalen, also unmittelbaren, so aber doch inzidenten Kontrolle der angegriffenen Vorschriften kommen kann.
19
aa) Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, dass, wenn es nicht zu einer Beschlussfassung durch die
Hauptversammlung kommt, weder eine aktienrechtliche Anfechtungs- noch eine aktienrechtliche Nichtigkeitsklage in
Betracht kommen. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 245, 249 AktG finden - die bestehende fachgerichtliche
Rechtsprechung zugrunde gelegt - keine, auch keine analoge Anwendung auf die für eine Kapitalerhöhung gemäß § 7
FMStFG erforderlichen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat. Eine direkte Anwendung der aktiengesetzlichen
Anfechtungsvorschriften scheidet aus, weil der entsprechende Abschnitt des Aktiengesetzes - bereits seiner
Überschrift zufolge - nur Hauptversammlungsbeschlüsse betrifft. Auch eine analoge Anwendung ist nicht ohne
Weiteres möglich. Sie liefe dem System der Aufgabenverteilung in einer Aktiengesellschaft zuwider, wonach die
Geschäftsführung allein dem Vorstand zugewiesen ist und dessen Kontrolle grundsätzlich dem Aufsichtsrat obliegt
(vgl. für die entsprechenden Zustimmungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat im Fall einer durch die
Hauptversammlung genehmigten Kapitalerhöhung BGHZ 164, 249 <252 f.> sowie BGHZ 122, 342 <347 ff.>; Dörr, in:
Spindler/Stilz, AktG, § 249 Rn. 5; a.A. für die hier in Rede stehenden Beschlüsse im Fall des gesetzlich genehmigten
Kapitals - ohne nähere Begründung - Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, S. 1 <8>). Zutreffend ist ebenso, dass dem
Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz zufolge eine rechtliche Prüfung der Kapitalerhöhung durch den
Handelsregisterrichter zu unterbleiben hat (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 4 FMStBG) und eine einmal erfolgte Eintragung auch
im Wege des Schadensersatzes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 5 FMStBG i.V.m.
§ 246a Abs. 4 Satz 2 AktG).
20
bb) Die hieraus vom Beschwerdeführer gezogene Folgerung, es fehle an jeglicher Möglichkeit, die angegriffenen
Normen einer Prüfung durch die Fachgerichte im Rahmen einer inzidenten Kontrolle zu unterziehen, greift indessen zu
kurz (vgl. § 16 FMStFG). Vielmehr sind andere zivilprozessuale Klagemöglichkeiten nahe liegend und nicht
offensichtlich unzulässig (für die Zulässigkeit etwa Spindler, ZIP 2008, S. 2268 <2274>). Daher kann hier
offenbleiben, ob darüber hinaus auch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle im Blick auf die Entscheidungen des
Finanzmartkstabilisierungsfonds in Betracht zu ziehen ist.
21
(1) Vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister kommt für den Aktionär in Betracht, die
Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats, und damit inzident auch die zu Grunde liegenden Vorschriften
über ein gesetzlich genehmigtes Kapital im Wege einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage zur Prüfung zu stellen.
Eine solche Klage zielte darauf ab, dem Finanzunternehmen und insbesondere dessen Vorstand zu untersagen, durch
die weitere Durchführung der Kapitalerhöhung in die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs einzugreifen (vgl. dazu
BGHZ 164, 249 <253 ff.>; weiter: BGHZ 136, 133 <141>; 83, 122 <133 ff.>; MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl., § 203
Rn. 175; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 203 Rn. 38 f.; Wiesner, in: MünchHdbGesR, Bd. IV, 3. Aufl., § 18 Rn. 8 ff.,
Schlitt/Seiler, ZHR 2002, S. 544 <575 f.>; Bayer, NJW 2000, S. 2609 <2610 f.>). Da die Anmeldung der
Kapitalerhöhung bei solcher Fallgestaltung unmittelbar bevorsteht und nach erfolgter Eintragung in das
Handelsregister nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 5 FMStBG i.V.m. § 246a Abs. 4 Satz 2 AktG),
wird eine solche Klage - um wirksamen Rechtsschutz bieten zu können - regelmäßig mit einem Antrag auf vorläufigen
Rechtsschutz verbunden werden (vgl. hierzu BGHZ 164, 249 <255>; OLG Frankfurt, WM 2001, S. 206;
MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl., § 203 Rn. 175; Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, § 203 Rn. 116; Hüffer, AktG,
8. Aufl., § 203 Rn. 39; Waclawik, ZIP 2008, S. 2339; Seiler/Wittgens, ZIP 2008, S. 2245 <2250>). Da die
Handelsregistereintragung - so der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung - noch nicht vorgenommen
worden ist, steht dem Beschwerdeführer seinem eigenen Vortrag zufolge die Option einer vorbeugenden
Unterlassungsklage noch offen. Dem steht nicht entgegen, dass die Eintragung gemäß § 3 Abs. 5 Satz 4 FMStBG
ohne rechtliche Prüfung zu erfolgen hat. Die genannte Regelung richtet sich an den Registerrichter. Die
Unterlassungsklage hingegen wäre gegen die Gesellschaft zu erheben. Eine erfolgreiche, auf Unterlassung gerichtete
Klage kann mithin dazu führen, dass die Kapitalerhöhung bereits nicht beim Handelsregister angemeldet wird, so dass
es in einem solchen Fall auf das Fehlen einer rechtlichen Prüfung durch den Registerrichter nicht mehr ankommt.
22
(2) Auch nach Vollzug der Handelsregisteranmeldung erscheint eine inzidente Kontrolle von § 3 und § 5 FMStFG auf
dem Gebiet des Zivilrechts weiter möglich. Eine solche Kontrolle kommt auch im Wege einer allgemeinen
Feststellungsklage in Betracht. Die Feststellungsklage ist schon nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zulässig, soweit es um die Ausnutzung des von der Hauptversammlung zuvor genehmigten
Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss nach §§ 203 f. AktG geht (BGHZ 164, 249; vgl. auch Wamser, in:
Spindler/Stilz, AktG, § 203 Rn. 110; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 203 Rn. 39; kritisch Bungert, BB 2005, S. 2757 <2758>).
Es liegt nicht fern, die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage ebenfalls für das hier unmittelbar durch das
Gesetz statt durch die Hauptversammlung genehmigte Kapital zu bejahen (so etwa Waclawik, ZIP 2008, S. 2339).
Denn ein maßgebliches Argument für die Zulässigkeit einer solchen Klage, wonach die Kontrolle des Vorstands in
erster Linie zwar dem Aufsichtsrat überlassen sei, diese Kontrolle im Falle des genehmigten Kapitals aber nicht
greife, weil Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, beansprucht ebenso
Gültigkeit für die hier gegebene Konstellation der nicht durch die Hauptversammlung, sondern durch das Gesetz
genehmigten, vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossenen Kapitalerhöhung.
23
cc) Soweit mit Blick auf die Regelung über den Ausschluss der Zahlung von Dividenden die Möglichkeit einer
inzidenten Normenkontrolle von § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV sowie der Ermächtigungsgrundlagen (§ 7 Abs. 3 und § 10
Abs. 2 FMStFG) in Rede steht, richtet sich ein etwaiger fachgerichtlicher Rechtsschutz auch nach dem rechtlichen
Vorgehen des Finanzmarktstabilisierungsfonds im konkreten Fall. Dieser hat nach § 5 Abs. 8 FMStFV die
Möglichkeit, die Erfüllung von Bedingungen für die Stabilisierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 2 FMStFV durch
Vertrag, Verwaltungsakt und Nebenbestimmungen oder durch Verpflichtungserklärungen sicherzustellen. Trotz der
Bedeutung der Handlungsform für den fachgerichtlichen Rechtsschutz hat der Beschwerdeführer hierzu keine
Angaben gemacht und ebenfalls nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen ihm ein entsprechender Vortrag nicht
möglich wäre. Die Verfassungsbeschwerde ist deshalb insoweit nicht hinreichend substantiiert (vgl. zur
Vortragsobliegenheit im Blick auf das Erfordernis materieller Subsidiarität BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Ersten Senats vom 20. Dezember 2002 - 1 BvR 2305/02 -, NJW 2003, S. 418, sowie Magen, in:
Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 92 Rn. 19 m.w.N.).
24
2. Obgleich auch im Fall der bestehenden Rechtsschutzmöglichkeit durch die Fachgerichte dem
Bundesverfassungsgericht entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG die Option einer sofortigen Entscheidung
eröffnet ist, ist vorliegend davon kein Gebrauch zu machen. Es liegt zwar nahe, dass der Verfassungsbeschwerde
allgemeine Bedeutung zukommt. Selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für
eine Vorabentscheidung ist das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht in jedem Falle gehalten, vor Erschöpfung des
Rechtswegs - und dementsprechend hier vor Herbeiführung einer inzidenten Normenkontrolle durch die Fachgerichte -
in der Sache zu entscheiden; es hat vielmehr auch andere für und gegen eine Vorabentscheidung sprechende
Umstände zu berücksichtigen und alle Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 8, 222 <226 f.>; 86,
15 <26>). Die gebotene Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer vorliegend zunächst an
die Fachgerichte zu verweisen ist.
25
a) Bei der Abwägung fällt - dem Sinn des Subsidiaritätsprinzips entsprechend (vgl. BVerfGE 90, 128 <137>) -
entscheidend ins Gewicht, dass eine vorherige Klärung der tatsächlichen, namentlich aber der rechtlichen Fragen bei
der Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden Normen im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG wie auch des Rechts
der Europäischen Gemeinschaft durch die Fachgerichte geboten erscheint.
26
So ist es vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte, entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Fragen
aufzuarbeiten und zu prüfen, ob eine Normenkollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht besteht (vgl. BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2004 - 1 BvR 2016/01 -, NVwZ 2004, S. 977 <979>).
Derartige gemeinschaftsrechtliche Fragen stellen sich hier im Hinblick auf die Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom
13. Dezember 1976 „zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im
Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der
Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen
gleichwertig zu gestalten“.
27
Überdies ist die Tatsachengrundlage einer etwaigen Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bislang
ungesichert, soweit es um die Auslegung und Anwendung der angegriffenen Vorschriften im konkreten Fall geht (vgl.
BVerfGE 79, 1 <20>). So ist nicht verlässlich geklärt, ob und unter welchen Bedingungen eine Beteiligung an der
Rekapitalisierung der C. AG bewilligt worden ist. Der Beschwerdeführer selbst hat hierzu nur vorgetragen, über die
Struktur und den Inhalt der geschlossenen Verträge sei ihm nichts bekannt. Nicht sicher ist bislang überdies, ob die
vornehmlich angegriffene Regelung über die Erhöhung des Grundkapitals durch Vorstandsentscheid mit Zustimmung
des Aufsichtsrats, aber ohne vorwegige Befassung der Hauptversammlung (§ 3 FMStBG, gesetzlich genehmigtes
Kapital) überhaupt zur Anwendung kommt, oder ob der Weg über eine kurzfristige Einberufung der Hauptversammlung
(nach § 7 FMStBG) beschritten werden soll. Des Weiteren sind - über den Inhalt von Pressemeldungen hinaus - die
genauen Erwägungen gerade für den in Rede stehenden Weg der Rekapitalisierung der C. AG, die konkrete
Ausgestaltung der auszugebenden Aktien und die weiteren Einzelheiten klärungs- und feststellungsbedürftig, um eine
justiziable Entscheidungsgrundlage zu schaffen, die eine Prüfung der angegriffenen Normen in ihrer konkreten
Fallrelevanz hinreichend zu fundieren vermögen.
28
Schließlich ist der Verweis auf den fachgerichtlichen Rechtsweg auch mit Blick auf die im angegriffenen Gesetz den
Gerichten eingeräumten Entscheidungsspielräume geboten, da es nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass sie für die
Frage seiner Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können (vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>; 97, 157 <165>). Derartige
Spielräume bestehen unter anderem mit Blick auf den Ausschluss der Dividenden nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV
sowie die konkrete Ausgestaltung der neu zu begebenden Aktien gemäß § 5 FMStBG. Vor allem gilt dies auch ganz
allgemein hinsichtlich der Voraussetzungen, die vorliegen müssen oder von den Organen der Gesellschaft noch zu
schaffen sind, damit die Gesellschaft die Stabilisierungshilfen in Anspruch nehmen kann (vgl. Seiler/Wittgens, ZIP
2008, S. 2245 <2246>). Zu denken ist überdies daran, einfachrechtliche Vorgaben für die im Gesetz nicht näher
ausgestaltete Wahlmöglichkeit des Vorstands zwischen einer Kapitalerhöhung nach § 3 FMStBG und einer solchen
nach § 7 FMStBG zu entwickeln, die die Befassung der Hauptversammlung einschließt.
29
b) Den vorstehenden Erwägungen zur Zweckmäßigkeit eines vorgelagerten fachgerichtlichen Verfahrens steht nicht
etwa dessen Unzumutbarkeit für den Beschwerdeführer entgegen (vgl. dazu BVerfGE 77, 275 <282>; 85, 80 <86>).
Anhaltspunkte für eine mit einer vorherigen Anrufung der Fachgerichte verbundene unzumutbare Belastung des
Beschwerdeführers sind weder seinem Vortrag zu entnehmen noch aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts sonst
nahe liegend.
30
Mangels entgegenstehender Angaben in der Verfassungsbeschwerdeschrift kann davon ausgegangen werden, dass
vornehmlich vermögensrechtliche Interessen des Beschwerdeführers betroffen sind, denen hier kein herausragendes
Gewicht beizumessen sein dürfte. Anhaltspunkte für ein über das finanzielle Interesse hinausgehendes gewichtiges
Anliegen bestehen nicht. Vielmehr kann bei einem Aktionär, der nicht geltend macht, einen namhaften Anteil an der
Aktiengesellschaft zu halten, regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es typischerweise die
Vermögenskomponente seines Aktieneigentums ist, die im Vordergrund seines Interesses steht (vgl. BVerfGE 14,
263 <283>; 100, 289 <305>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2007 - 1 BvR 390/04 -, NJW
2007, S. 3268 <3270>). Überdies ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass angesichts des finanziellen
Zuflusses, den die Aktiengesellschaft aufgrund der Kapitalerhöhung erhalten und der indirekt auch ihren Aktionären
zugute kommen soll, die Maßnahme für den einzelnen Aktionär mit schwerwiegenden finanziellen Einbußen
verbunden wäre. Es ist nicht erkennbar, dass die hier - im Blick auf die Frage einer Vorabentscheidung - vornehmlich
in Rede stehenden wirtschaftlichen Nachteile für den Beschwerdeführer existentielles Gewicht hätten und zugleich
einen schweren Nachteil im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG zu begründen vermöchten (vgl. BVerfGE 8, 222
<226>; 9, 120 <122>).
31
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
32
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Bryde
Schluckebier