Urteil des BVerfG vom 14.03.2017

BVerfG: mindeststrafe, verfassungskonforme auslegung, brandstiftung, abstraktes gefährdungsdelikt, nulla poena sine culpa, gebäude, allein erziehende mutter, freiheit der person, wohnung, straftat

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Gericht:
LG Itzehoe
Jugendstrafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
jug 3 KLs 19/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 306b Abs 2 Nr 2 StGB, Art 1
Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG
Verfassungswidrigkeit des § 306b Abs.2 Nr. 2 StGB;
Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt. Der § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB (BGBl. I 1998, 164)
wird gem. Art 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht - Zweiter
Senat - zur Entscheidung über seine Verfassungswidrigkeit vorgelegt.
Gründe
Das vorlegende Gericht ist davon überzeugt, dass der § 306b Abs. 2 Nr. 2 des
Strafgesetzbuchs, auf dessen Gültigkeit es bei der zu treffenden Entscheidung
ankommt, das Grundgesetz verletzt.
I. Zum Sachverhalt
1. Anklage und Eröffnungsbeschluss
Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat unter dem 23.07.2008 Anklage zum
Landgericht Itzehoe - Jugendkammer - gegen die am ... geborene ..., die am ...
geborene ... (die zur Zeit der Anklageerhebung noch ... hieß) und den am ...
geborenen ... erhoben. Mit der Anklage wird den drei Angeklagten unter Ziffer 1)
eine gemeinschaftliche besonders schwere Brandstiftung zur Ermöglichung einer
anderen Straftat - nämlich eines Betruges - gem. § 306b Abs. 2 Nr. 2, 306a Abs. 1
Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB vorgeworfen. Der Angeklagten ... wird darüber hinaus unter
den Ziffern 2) und 3) in zwei Fällen tatmehrheitlich ein Betrug gem. § 263 Abs. 1,
Abs. 3 Nr. 5 StGB vorgeworfen, wobei es im Fall 3) beim Versuch geblieben sein
soll. Konkret wird den Angeklagten in der Anklage der folgende Sachverhalt zur
Last gelegt:
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Diese Anklage wurde den Verteidigern der drei Angeklagten jeweils am
11.08.2008, den Angeklagten ... persönlich am 09.08.2008 und der Angeklagten ...
am 19.08.2008 zugestellt. Durch Beschluss der Kammer vom 06.01.2009 wurde
die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der 3.
(Großen) Jugendkammer des Landgerichts Itzehoe eröffnet. Zugleich wurde
beschlossen, dass die Kammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern,
einschließlich des Vorsitzenden, und zwei Schöffen besetzt sein werde.
2. Hauptverhandlung
Am 18.02.2009, 26.02.2009 und am 12.03.2009 hat die Kammer an insgesamt
drei Verhandlungstagen die Hauptverhandlung durchgeführt. Am 12.03.2009
wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Der Staatsanwalt beantragte für den
Angeklagten ... wegen besonders schwerer Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von 5
Jahren, für die Angeklagte ... wegen besonders schwerer Brandstiftung eine
Jugendstrafe von 2 Jahren und deren Aussetzung zur Bewährung sowie für die
Angeklagte ... für die Tat 1) der Anklage wegen besonders schwerer Brandstiftung
eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren, für die Taten 2) und 3) jeweils wegen (im Fall 3)
versuchten) Betruges im besonders schweren Fall eine Freiheitsstrafe von 6
Monaten und eine aus diesen Einzelstrafen zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe von
5 Jahren und 9 Monaten. Die Verteidiger beantragten für ihre Mandanten jeweils
milde Strafen.
3. Feststellungen
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Kammer folgende
Feststellungen getroffen:
Vorgeschichte und Tatplanung
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Im Jahr 2002 wurde die Angeklagte ... von ihrer Mutter, die zu dieser Zeit
selbst mehrere Kinderheime betrieb, gefragt, ob sie das ihr gehörende Haus in ...,
erwerben und dort gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten ein Kinderheim
betreiben wolle. Die Angeklagte ..., die eine Ausbildung zur Sozialpädagogin
durchlaufen hatte, ging auf diesen Vorschlag ein und schloss mit ihrer Mutter
schließlich einen Kaufvertrag, der im Jahr 2004 erfüllt wurde, nachdem die
Angeklagte ... zwei Banken gefunden hatte, über die sie den Kauf des Hauses
finanzieren konnte. Zunächst betreute die Angeklagte ... in dem Haus gemeinsam
mit ihrem Lebensgefährten Kinder, die ihr von der Arbeiterwohlfahrt zugewiesen
worden waren. Im September 2004 wechselte sie den Träger und betreute fortan
Kinder und Jugendliche für den ..., die gemeinsam mit der Angeklagten, ihrem
Sohn und ihrem Lebensgefährten in dem Haus der Angeklagten ... lebten. Vom ...
erhielt die Angeklagte pro Tag für jedes Kind 70 EUR zzgl. Taschengeld und
Bekleidungsgeld. Nachdem diese Tätigkeit und das Zusammenleben in der ersten
Zeit weitgehend unproblematisch verlaufen waren, kam es Ende 2006 vermehrt zu
Schwierigkeiten, da sich der Lebensgefährte der Angeklagten zurückzuziehen
begann und den größten Teil der Zeit vor seinem PC verbrachte. Infolgedessen
trennte sich die Angeklagte ... im Mai 2007 von ihrem Lebensgefährten, der
schließlich am 30.07.2007 aus dem Haus in ... auszog. Etwa drei Wochen später,
nach dem Ende der Sommerferien, verstärkten sich die Probleme der
Angeklagten, die das Haus zu dieser Zeit gemeinsam mit ihrem sechsjährigen
Sohn, dem 19 Jahre alten ... und den Kindern bzw. Jugendlichen ..., ... und ...
bewohnte. Insbesondere gelang es ihr immer weniger, sich gegenüber den ihr
anvertrauten Kindern durchzusetzen, so dass sie schließlich nahezu vollständig die
Kontrolle über diese verlor und es zu Sachbeschädigungen durch die Kinder bzw.
Jugendlichen kam - u.a. wurde eine Hintertür des Hauses angezündet und
Autoscheiben eingeschlagen - und ein Jugendlicher mit dem Messer auf den
anderen losging. Auch gelang es der Angeklagten teilweise nicht mehr, die Kinder
zum Schulbesuch zu veranlassen. Wenn sie sie morgens zur Bushaltestelle
geschickt hatte, kamen sie zurück, schlugen gegen die Fensterscheiben und
kletterten aufs Dach. Bisweilen verließen sie auch das Haus entgegen den
Weisungen der Angeklagten zu beliebigen Tages- und Nachzeiten über eine Leiter.
Als schließlich im September 2007 überdies in den persönlichen häuslichen
Bereich der Angeklagten eingebrochen wurde, begann die Angeklagte mehr und
mehr zu verzweifeln. Erschwerend kam in dieser Phase hinzu, dass ihr aufgrund
einer Kontopfändung monatlich nur noch 2.000 EUR zur Verfügung standen, mit
denen sie sämtliche Bewohner des Hauses ernähren musste. Da sie sich
gegenüber den Kindern nicht mehr zu helfen wusste, blieb sie sowohl nachts als
auch tagsüber teilweise stundenlang dem Haus fern und hielt sich beispielsweise in
einem Imbiss auf, nur um nicht nach Hause zu müssen und den Kindern und
Jugendlichen gegenüberzustehen. In dieser Phase begann die Angeklagte
ernsthaft darüber nachzudenken, sich das Leben zu nehmen, sprach hiervon auch
gegenüber der Angeklagten ... und schrieb Abschiedsbriefe. Sie verfiel in eine
Stimmung, in der sie sich nicht mehr aufraffen konnte, irgendetwas zu verändern
und aß nur noch wenig. Für ihre verzweifelte Lage, für alles, was sie belastete,
macht die Angeklagte innerlich das Haus verantwortlich, das sie nur noch als
„Horror-Haus“ ansah. Hierbei sah sie sich nicht in der Lage, sich Hilfe zu
verschaffen, da sie meinte, mit dem ... nicht reden zu können und gegenüber ihrer
Mutter den Gesichtsverlust fürchtete. Außerdem benötigte sie die für die
Betreuung der Kinder erhaltenen Gelder dringend, um die Darlehensraten für das
Haus bezahlen zu können. Nachdem der Angeklagten seitens des ... bereits im Juli
2007 gesagt worden war, dass sich etwas ändern müsse und man sonst die
Zusammenarbeit beenden werde, teilte der Zeuge ... der Angeklagten am
18.10.2007 mit, dass der ... die Zusammenarbeit bis zum Schulhalbjahresende
auslaufen lassen werde. Damit war für die Angeklagte klar, dass sie nunmehr
definitiv nicht mehr in der Lage sein würde, die Darlehensraten für das Haus zu
begleichen. In dieser Situation entwickelte sie den Gedanken, dass sie sich all ihrer
Probleme mit einem Schlag entledigt hätte, wenn das Haus weg wäre. Hierüber
sprach sie wiederholt mit ihrem Halbbruder, dem Angeklagten ... und dessen
damaliger Verlobten und jetzigen Ehefrau ..., die mehrere Jahre im Heim der
Angeklagten ... gelebt hatte und für die die Angeklagte ... eine Art „Ersatzmutter“
darstellte. Die Angeklagten ... und ... waren sich über den Zustand der
Angeklagten ... - im Groben auch über ihre finanzielle Lage - im Klaren. Im Verlauf
dieser Gespräche verfielen die Angeklagten irgendwann auf den Gedanken, das
Haus in Brand zu setzen, um so die Angeklagte ... von ihren Problemen zu
befreien und ihr zu ermöglichen, infolge der Anzeige des Schadensfalls die
Versicherungssummen aus der Gebäude- und der Hausratsversicherung zu
erlangen und hiermit die bei den Banken bestehenden Darlehen und
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erlangen und hiermit die bei den Banken bestehenden Darlehen und
Grundpfandrechte abzulösen. Die Angeklagte ... hatte nämlich bei der ... die
Gebäudeversicherung ... und bei der ... die Hausratsversicherung ...
abgeschlossen. Dass eine derartige Versicherung bestand, die der Angeklagten ...
im Falle eines Brandes zugute kommen würde, war auch den Angeklagten und ...
bekannt, da hierüber zwischen den Beteiligten im Zuge ihrer Überlegungen
gesprochen wurde, wenn auch davon auszugehen ist, dass den Angeklagten ...
und ... die genaue Höhe der Versicherungssummen nicht bekannt war. Die
Angeklagten entwickelten die Idee, dass die Angeklagten ... und ... das Haus für
die Angeklagte ... anzünden könnten. Bereits bei den Vorbesprechungen waren
sich die Angeklagten einig, dass dafür gesorgt werden müsse, dass bei dem Brand
kein Mensch und auch kein Tier zu Schaden kommt.
Tatausführung
(1) Als einziger geeigneter Zeitpunkt für die Tatbegehung erschien der
Angeklagten ... das letzte Wochenende im Oktober 2007. An diesem Wochenende
sollten nämlich die in dem Haus wohnenden Kinder - wie grundsätzlich am letzten
Wochenende des Monats - ihre Angehörigen besuchen. Die Angeklagte ... wollte
gemeinsam mit ihrem Sohn zu ihrem Vater nach Kiel fahren und dort nächtigen.
Den Bewohner ... überredete die Angeklagte ..., das Wochenende bei seiner
Freundin in A.Dorf zu verbringen. Seine Bitte, im Haus in ... bleiben zu dürfen,
lehnte die Angeklagte ... ab. Sodann telefonierte die Angeklagte ... mit dem
Angeklagten ... und teilte ihm mit, dass sämtliche Bewohner des Hauses an
diesem Wochenende weg seien und dieses Wochenende somit die einzige
Gelegenheit sei, den Brand zu legen. Zudem ließ die Angeklagte ... den
Angeklagten ... wissen, dass sie den Haustürschlüssel unter der Fußmatte
deponieren werde. Nachdem sämtliche anderen Bewohner außer der Angeklagten
..., ihrem Sohn und ... das Haus bereits verlassen hatten und - da sie nicht im
Besitz eines Schlüssels waren - auch nicht ohne Weiteres zurückkehren konnten,
fuhr die Angeklagte ... am 26.10.2007 ..., der - ebenso wie die Kinder und
Jugendlichen - etliche persönliche Gegenstände in dem von ihm bewohnten
Zimmer in dem Haus in ... zurückgelassen hatte, nach ... und sagte ihm
eindringlich, dass sie jetzt noch eine halbe Stunde im Haus sei und er dann nicht
mehr in das Haus gelangen könne. Unklar geblieben ist, ob die Angeklagte ... sich
von dem Angeklagten ... außerdem einen Schlüssel für die Hintertür des Hauses
herausgeben ließ oder ob ... ohnehin nicht mehr über einen Schlüssel für eine
Außentür verfügte und die Angeklagte ... sich von ihm lediglich den Schlüssel für
sein Zimmer aushändigen ließ. Jedenfalls verfügte ..., nachdem er von der
Angeklagten in ... abgesetzt worden war, nicht mehr über einen Schlüssel für eine
Außentür des Hauses. Anschließend begab sich die Angeklagte zurück in das Haus
in ..., packte einige Sachen zusammen, schloss sämtliche Außentüren des Hauses
ab, wobei sie an der Außentür der Küche den Schlüssel von innen stecken ließ,
deponierte einen Haustürschlüssel unter der Fußmatte und fuhr gemeinsam mit
ihrem Sohn zu ihrem Vater nach ....
In der Nacht vom 26.10.2007 auf den 27.10.2007 etwa um Mitternacht
begaben sich die Angeklagten ... und ... absprachegemäß zu dem Haus der
Angeklagten ... in ..., um dieses in Brand zu setzen. Mit der Brandlegung wollten
die Angeklagten ... und ... der Angeklagten ..., um deren Wohlergehen sie sich
große Sorgen machten, entsprechend dem zuvor gemeinsam mit der
Angeklagten ... gefassten Tatplan helfen, indem sie sie von dem als Belastung
empfundenen Haus „befreiten“ und ihr die Möglichkeit verschafften, die
Versicherungssummen aus der Gebäudeversicherung und der
Hausratsversicherung zu erlangen. Mittels des von der Angeklagten ... unter der
Fußmatte hinterlegten Schlüssels verschafften sie sich Zutritt zu dem Haus, das
aus einem Erd- und einem ausgebauten Dachgeschoss sowie einem
Flachdachanbau bestand und als Dachkonstruktion ein Walmdach mit einer
Eindeckung aus Dachpfannen aufwies. In einem fensterlosen Raum im
Obergeschoss befüllten die Angeklagten ... und ... mehrere Plastikflaschen mit
Benzin und befestigten sodann mit Klebeband Kerzen an den Flaschen. Während
es sich bei dem Benzin um im Haus bzw. im dazugehörigen Schuppen
vorhandenen Treibstoff für den Rasenmäher handelte, den die Angeklagte ... in der
Vergangenheit besorgt hatte und der nach den Absprachen der Angeklagten als
Brandbeschleuniger benutzt werden sollte, hatte der Angeklagte ... die Kerzen am
26.10.2007 erworben und zum Zwecke der Brandlegung mitgebracht. Sodann
verteilte der Angeklagte ... noch etwas Benzin im Obergeschoss des Hauses.
Anschließend stellten die Angeklagten ... und ... die mit den Kerzen versehenen
Flaschen verteilt in den Eingangsbereichen der Zimmer auf. In der Mitte des
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Flaschen verteilt in den Eingangsbereichen der Zimmer auf. In der Mitte des
Wohnzimmers im Erdgeschoss stellten die Angeklagten eine Propangasflasche
auf, die sie anschließend öffneten, um so eine schnelle Ausdehnung des Feuers im
Erdgeschoss zu erreichen. Auch die Propangasflasche hatte sich bereits zuvor in
dem Haus oder in dem dazugehörigen Schuppen befunden und war in der
Vergangenheit von dem Angeklagten ... zur Unkrautbeseitigung verwendet
worden. Vor dem Anzünden der Kerzen vergewisserten sich die Angeklagten durch
einen Rundgang durch das Haus, dass sich niemand mehr darin aufhielt. Nachdem
sie die Kerzen angezündet und die Gasflasche geöffnet hatten, verließen die
Angeklagten ... und ... das Haus durch die Küchentür, die sie geschlossen, aber
nicht abgeschlossen zurückließen.
Gegen 00:45 Uhr brach das Feuer zunächst im Dachgeschoss aus und
erfasste dort schließlich die gesamte Dachkonstruktion, die durch den Brand
praktisch vollständig zerstört wurde. Vom Dachgeschoss breitete sich das Feuer
nach unten aus, wo es im Wohn- und Esszimmer - möglicherweise aufgrund der
aus der Propangasflasche ausströmenden Gase - zu einem sog. Flash-over, einem
sehr schnellen Übertritt der Flammen zwischen den betroffenen
Einrichtungsgegenständen kam, so dass in diesem Raum die Vollbrandphase
erreicht wurde und das Mobiliar weitgehend verbrannte. Auch die linksseitig von
der Haupteingangstür liegenden Wohnräume im Erdgeschoss waren vom
Schadensfeuer umfangreich und intensiv betroffen. Die Decke zwischen Erd- und
Dachgeschoss fehlte vielerorts großflächig.
Nachdem sie das Haus verlassen hatten, fuhren die Angeklagten ... und ...
nach ..., wobei sie unterwegs ihre gesamte Oberbekleidung wechselten und
entsorgten. Auf der Rückfahrt aus ... verließen sie die Autobahn an der Abfahrt ...
und konnten das Feuer von weitem sehen. Am nächsten Morgen ca. um 10 Uhr
informierte der Angeklagte ... die Angeklagte ... telefonisch darüber, dass ihr Haus
abgebrannt sei.
Bei keinem der drei Angeklagten war im Tatzeitraum die Fähigkeit, das
Unrecht seines Handelns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln,
aufgehoben oder erheblich vermindert. Auch wenn sich die Angeklagte ... in einer
verzweifelten Lage befand, litt sie weder unter einer psychischen Erkrankung noch
unter einer der Schwere nach einer psychischen Krankheit gleichzusetzenden
psychischen Störung.
(2) Am 28.10.2007 meldete die Angeklagte ... ihrer Hausratsversicherung,
der ..., dass die versicherte Sache - das Inventar des Hauses in ... - am 27.10.2007
von einem Brandschaden betroffen worden sei, um hierdurch die Auszahlung der
Versicherungssumme zu erreichen, auf die die Angeklagte - wie sie wusste -
wegen ihrer Beteiligung an der Brandlegung keinen Anspruch hatte. Am
16.11.2007 fand in ... eine Verhandlung zwecks Schadenaufnahme statt, zu der
eine von der Angeklagten ... unterschriebene Niederschrift aufgenommen wurde.
In der Verhandlung verschwieg die Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, dass das
Haus aufgrund der von ihr im Zusammenwirken mit den Angeklagten ... und ...
verübten Brandstiftung niedergebrannt war und erklärte zudem bewusst
wahrheitswidrig, dass der Vertrag mit dem Träger des Kinderheims ungekündigt
sei. Aufgrund der Schadensmeldung erhielt die Angeklagte eine Sofortzahlung von
5.000 EUR. Der Schaden wurde aufgrund der von Frau ... eingereichten
Aufstellungen seitens der ... auf 75.819 EUR geschätzt. Zu einer Auszahlung
weiterer Beträge kam es jedoch nicht mehr.
(3) Am 29.10.2007 meldete die Angeklagte ... ihrer Gebäudeversicherung,
der ..., dass das versicherte Haus abgebrannt sei, um hierdurch die Auszahlung
der Versicherungssumme zu erreichen, auf die sie - wie sie wusste - keinen
Anspruch hatte. Am 05.11.2007 fand in ... eine Verhandlung zwecks
Schadensaufnahme statt, zu der eine von der Angeklagten ... unterschriebene
Niederschrift aufgenommen wurde. In der Verhandlung verschwieg die Angeklagte
gegenüber dem Mitarbeiter der Versicherung bewusst wahrheitswidrig, dass das
Haus aufgrund der gemäß dem gemeinsam mit ihr gefassten Tatplan und den von
ihr getroffenen Vorbereitungen von den Angeklagten ... und ... durchgeführten
Brandlegung niedergebrannt war. Außerdem behauptete sie, den einzigen
Schlüssel für die Haupteingangstür im Besitz gehabt zu haben, obwohl ihr bewusst
war, dass sie den Schlüssel unter der Fußmatte deponiert hatte, damit die
Angeklagten ... und ... mit diesem die Haustür öffnen und den Brand legen
konnten. Der Sachverständige ... schätzte den Schaden auf insgesamt 374.412,50
EUR. Zu einer Auszahlung kam es nicht, da der wahre Sachverhalt bekannt wurde.
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Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Geständnissen der drei
Angeklagten, die diese bereits unabhängig von Vorhalten aus den polizeilichen
Vernehmungen in der Hauptverhandlung abgelegt haben. Auf die Frage der
Verwertbarkeit der polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten ... und ... kommt
es somit nicht an. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die detaillierten
Einlassungen der Angeklagten, die in allen wesentlichen Punkten miteinander in
Einklang standen, das Geschehen zutreffend wiedergegeben haben. Insbesondere
ist kein Grund zu der Annahme ersichtlich, dass sich die Angeklagten zu Unrecht
belastet haben könnten. Zudem stehen die Einlassungen der Angeklagten ... und
... zur Brandlegung auch in Einklang mit den sich aus dem verlesenen Gutachten
des ... vom 19.12.2007 ergebenden Feststellungen zum Verlauf des Brandes und
den durch diesen entstandenen Schäden.
II. Zur Entscheidungserheblichkeit
Für die zu treffende Entscheidung ist die Frage der Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr.
2 StGB erheblich.
1. Zu den Auswirkungen auf den Schuldspruch (Verwirklichung des
Tatbestandes des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB)
Die Frage der Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist hinsichtlich aller drei
Angeklagten für den Schuldspruch erheblich. Im Falle der Gültigkeit der Norm wäre
jeder der drei Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu
verurteilen, im Falle seiner Ungültigkeit lediglich wegen schwerer Brandstiftung.
Durch die Tat zu Ziffer 1) hat jeder der drei Angeklagten durch gemeinschaftliche
Begehungsweise den Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung gem. §§
306b Abs. 2 Nr. 2, 306a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht.
a) Voraussetzung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist zunächst, dass es sich
um eine Tat nach § 306a StGB handelt. Im vorliegenden Fall haben alle drei
Angeklagten in Mittäterschaft den § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, nämlich ein
Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt. Erforderlich
und ausreichend für die Erfüllung dieser Alternative des § 306a Abs. 1 StGB ist,
dass die Räumlichkeit zum Zeitpunkt der Tat tatsächlich zur Wohnung dient, also
als Ort des Wohnens, insbesondere auch zum Übernachten (Fischer, StGB, 56.
Auflage, § 306a Randziffer 4 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht auf eine generelle
Eignung oder auf eine Bestimmung durch den Eigentümer an, sondern allein
darauf, ob es von Bewohnern zumindest vorübergehend als Mittelpunkt ihrer
privaten Lebensführung benutzt wird (Fischer a.a.O. m.w.N.). Eine nur
vorübergehende Abwesenheit ist bedeutungslos (Fischer, § 306a Randziffer 4 mit
Nachweisen zur Rechtsprechung; Heine in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, §
306a Randziffer 5 m.w.N.).Bei dem Haus der Angeklagten ... handelte es sich zur
Tatzeit um ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen diente, denn es wurde
außer von der Angeklagten ... und ihrem Sohn von den Personen ..., ..., ... und ...
als ständige Wohnung genutzt. Zwar dürfte hinsichtlich der Angeklagten ... und
ihres Sohnes eine Aufhebung der Zweckbestimmung des Dienens zur Wohnung
anzunehmen sein, nicht aber hinsichtlich der übrigen vier Personen. Diese hatten
das Haus nur vorübergehend verlassen, um ihre Familien bzw. - im Fall des ... - die
Freundin zu besuchen, persönliche Gegenstände in dem Haus zurückgelassen und
damit den Wohnzweck des Hauses, das auch im Bereich der Zimmer dieser vier
Personen vom Feuer erfasst wurde, nicht aufgegeben. Auch die Tatsache, dass die
betreffenden Personen das Haus nicht ohne Weiteres eigenständig wieder
betreten konnten, da sie nicht über einen Haustürschlüssel verfügten, vermag
nichts daran zu ändern, dass es ihnen nach ihrer Vorstellung weiterhin als
Wohnung dienen sollte. Auch eine Aufhebung der Zweckbestimmung für die
Personen ... durch die Angeklagte ... kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich muss
die Zweckbestimmung des Dienens zur Wohnung von allen tatsächlichen
Bewohnern aufgegeben werden (vgl. Fischer § 306a Randziffer 4a). So kann ein
Täter den Wohnzweck nicht von sich aus auch für Familienmitglieder oder andere
Bewohner ohne deren Kenntnis aufgeben (Fischer a.a.O.). Eine andere Auslegung
der Vorschrift des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB würde sowohl dem Wortlaut
widersprechen, der - unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtsstellung - nur
darauf abstellt, dass ein Gebäude der Wohnung von Menschen dient. Zudem
würde durch eine Auslegung, bei der etwa der Eigentümer auch für alle anderen
Bewohner die Wohnung aufgeben könnte, der Schutzzweck des § 306a Abs. 1
StGB unterlaufen. Dieser ist nämlich als abstraktes Gefährdungsdelikt
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StGB unterlaufen. Dieser ist nämlich als abstraktes Gefährdungsdelikt
ausgestaltet, wobei geschütztes Rechtsgut Leib und Leben von Menschen sind
(Fischer § 306a Randziffer 1). Dies ist auch der Begründung der Bundesregierung
zu dem im Gesetzgebungsverfahren zunächst eingebrachten Entwurf zu
entnehmen, wo es heißt: „In Übereinstimmung mit dem bisherigen § 306 StGB
und § 320 Abs. 1 E 1962 geht Absatz 1 davon aus, dass für Gebäude, die
Menschen als Wohnung oder sonst zum Aufenthalt dienen, auf einen absoluten
strafrechtlichen Schutz nicht verzichtet werden kann“ (BT-Drucks. 13/8587 Seite
47). Eine Ausnahme kann nach BGH NStZ 1992, 541 für die Aufgabe des
Wohnzwecks durch Eltern für ihre minderjährigen Kinder gelten. Ein solcher
Ausnahmefall kann jedoch im Hinblick auf den Wortlaut und das Schutzgut der
Vorschrift nicht auf andere Fälle ausgedehnt werden, in denen der Täter befugt ist,
über den Aufenthalt anderer Personen zu befinden. Zudem stand der Angeklagten
... im vorliegenden Fall auch nicht etwa das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht
hinsichtlich der vier weiteren Bewohner zu. Hinsichtlich ... folgt dies bereits daraus,
dass er zur Tatzeit volljährig war, und hinsichtlich der anderen drei Bewohner hatte
die Angeklagte eine Verpflichtung gegenüber dem ... zu erfüllen und war überdies
nicht gesetzliche Vertreterin der Kinder. Der Erfüllung des Tatbestandes des §
306a Abs. 1 Nr. 1 StGB steht auch nicht entgegen, dass eine konkrete Gefährdung
anderer Personen nicht eingetreten ist und aufgrund der Vorkehrungen der
Angeklagten auch nicht zu erwarten war. Zwar kommt nach vielfach vertretener
Ansicht eine teleologische Reduktion in Betracht, wenn der Täter sich vergewissert,
dass eine konkrete Gefährdung ausgeschlossen ist (Fischer § 306a Randziffer 2a
m.w.N.). Eine solche Einschränkung des Tatbestandes ist nach Überzeugung der
Kammer jedoch allenfalls dann gerechtfertigt, wenn eine Gefährdung von
Menschenleben nach der tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist (so schon
BGHSt 26, 121, 124f zum alten § 306 StGB). Dies bedeutet, dass sich der Täter
durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert haben muss,
dass die durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verbotene Gefährdung mit Sicherheit
nicht eintreten kann (BGH a.a.O.), was nur bei kleinen, insbesondere einräumigen
Hütten oder Häuschen möglich ist, bei denen auf einen Blick übersehbar ist, dass
sich Menschen dort nicht aufhalten können (BGH a.a.O.; BGH NJW 1982, 2329).
Eine weitergehende Einschränkung des Tatbestandes dahin, dass § 306a Abs. 1
Nr. 1 StGB auch dann ausscheidet, wenn eine Gefährdung von Menschen nach
den tatsächlichen Umständen nicht zu erwarten ist, liefe der gesetzlichen
Konzeption der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt zuwider und ist daher
nicht gerechtfertigt. Auch im Gesetzgebungsverfahren wurde unter Bezugnahme
auf die entsprechende Rechtsprechung des BGH eine Einschränkung des
Tatbestandes für Fälle erörtert, in denen eine Gefährdung von Menschenleben mit
Sicherheit ausgeschlossen werden kann, mit der klaren Positionierung, dass der
Entwurf der Rechtsprechung folge und von einer tatbestandseinschränkenden
Klausel absehe, weil Anwendungsbereich und Schutzzweck des § 306 Abs. 1 E
(entspricht dem Gesetz gewordenen § 306a Abs. 1 StGB) erheblich beeinträchtigt
würden, wenn die bloße - nicht zu widerlegende - Behauptung des Täters, er habe
sich vor der Brandlegung vergewissert, dass in dem Gebäude keine Menschen
anwesend waren und sich dort zur Tatzeit tatsächlich niemand aufhielt, eine
Bestrafung nach § 306 (entspricht § 306a Abs. 1 StGB) ausschlösse (BT-Drucks.
13/8587 Seite 47). Die nach allem allenfalls denkbare teleologische Reduktion
dahin, dass § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheidet, wenn der Täter sich
vergewissert, dass eine konkrete Gefährdung von Menschen nach der
tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist, greift im vorliegenden Fall
hinsichtlich aller drei Angeklagten nicht ein. Dies folgt schon daraus, dass es sich
bei dem Tatobjekt um ein zweigeschossiges Haus mit Anbau gehandelt hat, das
nicht auf einen Blick zu überschauen ist. Des Weiteren haben die Angeklagten
auch nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass einer der anderen Bewohner
in das Haus zurückkehrt, zumal die Angeklagten ... und ... nach der Brandlegung
die Küchentür nicht abgeschlossen haben, so dass sie von außen zu öffnen
gewesen wäre.
b) Voraussetzung des § 306b Abs. 1 Nr. 1 StGB ist weiter, dass der Täter in
der Absicht gehandelt hat, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu
verdecken. Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es also aus, dass die Tat in
irgendeiner Form eine andere Straftat - sei es des Täters selbst, sei es einer
anderen Person - ermöglichen oder verdecken soll (vgl. Fischer § 306b Randziffer
8). Teilweise wird vertreten, der Tatbestand sei (nicht zuletzt im Hinblick auf die
hohe Mindeststrafandrohung) restriktiv dahin auszulegen, dass eine nur allgemein
kausal-funktionale Beziehung zwischen Brandstiftung und ermöglichter Straftat
nicht ausreicht, sondern vorauszusetzen ist, dass in den Fällen des § 306a Abs. 1
StGB gerade die spezifischen Auswirkungen der Gemeingefahr (Verwirrung, Panik,
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StGB gerade die spezifischen Auswirkungen der Gemeingefahr (Verwirrung, Panik,
Flucht aus Gebäuden unter Zurücklassung von Wertgegenständen,
Unübersichtlichkeit der Situation etc.) die Begehung der anderen Tat begünstigen
sollen (vgl. die Nachweise bei Fischer Randziffer 9). Eine solche Auslegung ist
jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht haltbar (so im Ergebnis auch BGHSt
45, 211, 216ff; BGH NStZ 2000, 197, 198; BGH NStZ 2008, 571). Ihr stehen der
klare Wortlaut der Vorschrift und der deutlich erkennbare Wille des Gesetzgebers
entgegen. Der Gesetzeswortlaut knüpft gerade nicht an eine durch den Brand als
solches zu ermöglichende oder zu verdeckende Tat an, sondern lässt ganz
allgemein ein Handeln in entsprechender Absicht genügen. Dass es sich bei dieser
Formulierung nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt,
sondern um eine bewusste Ausweitung des Tatbestandes, ist schon an der
vollständig neu gefassten Formulierung im Vergleich zum alten § 307 Nr. 2 StGB
zu erkennen, der darauf abstellte, dass „der Täter in der Absicht handelt, die Tat
zur Begehung eines Mordes (§ 211), eines Raubes (§§ 249, 250), eines
räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255)
auszunutzen“, wobei nach herrschender Auffassung mindestens ein enger
zeitlicher, räumlicher und sachlicher Zusammenhang mit der Brandsituation
bestehen musste (vgl. etwa Wolff in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Auflage,
§ 307 Randziffer 6 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Auch aus der Begründung
des ersten Entwurfs der Bundesregierung zum 6. Strafrechtsreformgesetz (StrRG)
geht hervor, dass gegenüber § 307 Nr. 2 und 3 a.F. unter Herabsetzung des
Strafrahmens eine Erweiterung des Qualifikationstatbestandes beabsichtigt war
(BT-Drucks. 13/8587 Seite 49; vgl. auch die Ausführungen hierzu in BGHSt 45, 211,
217), hieran wurde im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens festgehalten
(vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des
Bundesrates BT-Drucks. 13/8587 Seite 88 sowie die Stellungnahme des
Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages BT-Drucks. 13/9064 Seite 22).
Da die teilweise vertretene einschränkende Auslegung des § 306b Abs. 2 Nr. 2
StGB aus den vorstehenden Gründen abzulehnen ist, ist der Tatbestand auch
dann erfüllt, wenn der Täter - wie hier die drei Angeklagten - den Brand legt, um
sich selbst oder dem Eigentümer zu ermöglichen, von der Gebäude- oder
Hausratsversicherung die Versicherungssumme dadurch zu erlangen, dass er den
angeblichen Brandschaden anzeigt, ohne die vorsätzliche Brandlegung durch ihn
(oder unter seiner Mitwirkung) zu erwähnen. So liegt es hier. Die Angeklagten
haben gemeinsam geplant, das Haus der Angeklagten ... niederzubrennen, um
der Angeklagten ... auf diese Weise zu ermöglichen, die Versicherungssumme zu
erlangen und sodann die Tat arbeitsteilig in bewusstem und gewolltem
Zusammenwirken ausgeführt.
c) Die Anwendung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auf einen Fall des mit der
Brandlegung beabsichtigten Versicherungsbetruges wird auch nicht durch die
Neuregelung der §§ 265 und 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB ausgeschlossen; ein
Vorrang dieser Tatbestände - etwa unter dem Gesichtspunkt der Exklusivität oder
einer Gesetzeskonkurrenz - besteht nicht (BGHSt 45, 211, 218). Hiergegen
spricht, wie der BGH zutreffend hervorgehoben hat, dass es sich bei § 263 Abs. 3
Satz 2 Nr. 5 StGB um keinen echten Straftatbestand, sondern um eine bloße
Strafzumessungsregel handelt und dass dann angesichts des in § 263 Abs. 3 Satz
2 Nr. 5 StGB vorgesehenen Strafrahmens die Strafandrohung für die mit dem Ziel
eines Versicherungsbetruges begangene schwere Brandstiftung in Umkehrung der
gesetzgeberischen Wertung noch hinter dem Grundtatbestand des § 306a StGB
zurückbliebe (BGH 45, 211, 219). Zudem ergibt sich aus der Stellungnahme des
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf der Bundesregierung,
dass eine Einschränkung des § 306b Abs. 1 Nr. 2 StGB durch die §§ 265, 263 Abs.
3 Satz 2 Nr. 5 StGB nicht gewollt war, wenn es dort in Bezug auf die
Strafandrohung des neuen § 265 Abs. 1 StGB heißt: „Dem gesteigerten Unrecht
solcher Handlungen, die eine Gemeingefahr auszulösen vermögen, wird wie schon
bisher durch die Anwendung des jeweils einschlägigen gemeingefährlichen Delikts
Rechnung getragen“ (BT-Drucks. 13/9064 Seite 20).
d) § 306b Abs. 2 StGB setzt nicht voraus, dass auch der Tatbestand des §
306b Abs. 1 StGB erfüllt ist (Fischer § 306b Randziffer 6). Zum Einen bezieht sich
der Gesetzeswortlaut in Abs. 2 ausdrücklich nur auf die Fälle des § 306a und nicht
zusätzlich auf die Fälle des § 306b Abs. 1. Zum anderen ergibt sich aus den
bereits zitierten Gesetzesmaterialien, wonach der Tatbestand des § 307 Nr. 2 und
3 StGB a.F. ausgeweitet werden sollte (BT-Drucks 13/8587 Seite 49) und in diesem
Zusammenhang die Höhe der Mindeststrafe diskutiert wurde (BT-Drucks. 13/8587
Seiten 70 und 88) eindeutig, dass der Gesetzgeber den § 306b Abs. 2 StGB als
von § 306b Abs. 1 StGB unabhängigen Qualifikationstatbestand ausgestalten
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von § 306b Abs. 1 StGB unabhängigen Qualifikationstatbestand ausgestalten
wollte. Nach allem ist eine Auslegung dahin, dass Voraussetzung des § 306b Abs.
2 StGB nicht nur die Erfüllung des Tatbestandes des § 306a StGB, sondern auch
des § 306b Abs. 1 StGB sei, ausgeschlossen.
Im Falle der Nichtigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB würde die Tat zu Ziffer 1)
hinsichtlich aller drei Angeklagten lediglich den Tatbestand der schweren
Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen, da die Voraussetzungen des
§ 306b Abs. 1 StGB und der übrigen Ziffern des § 306b Abs. 2 StGB ersichtlich
nicht erfüllt sind.
2. Zu den Auswirkungen auf die Strafzumessung
Jedenfalls hinsichtlich der Angeklagten ... und ... ist die Frage der Gültigkeit des §
306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch unmittelbar für die Strafzumessung erheblich.
Im Falle der Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wäre hinsichtlich der
Angeklagten ... und ... für Tat 1) der in dieser Vorschrift normierte Strafrahmen,
der Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren vorsieht, zu Grunde zu legen.
Eine Milderung gem. § 49 StGB kommt nicht in Betracht. § 306b Abs. 2 StGB
verweist nicht auf § 49 StGB. Auch eine - im Urteil des BGH vom 22.04.2004 (3 StR
428/03 (zitiert nach Juris)) erwähnte und vom 3. Senat offenbar für denkbar
gehaltene - analoge Anwendung der auf § 49 Abs. 1 StGB verweisenden
Vorschriften (z.B. §§ 13, 17, 21, 23 Abs. 2, 35 Abs. 1 Satz 2 StGB) in Anlehnung an
die Rechtsprechung des BGH zum Heimtückemord scheidet aus. Es fehlt nämlich
insoweit an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Die für den Fall
heimtückischer Tötung angenommene Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung
gem. § 49 Abs. 1 StGB hat der Große Strafsenat des BGH in dem Beschluss vom
10.05.1981 (BGHSt 30, 105, 121) darauf gestützt, das Bundesverfassungsgericht
habe auf Grund der Wertvorstellungen der Verfassung und des sich aus dem
Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine
Regelungslücke festgestellt, die zwar nicht als ursprüngliche planwidrige
Unvollständigkeit des Gesetzes angesehen werden könne, die aber einer solchen
Unvollständigkeit auf Grund eines Wandels der Rechtsordnung gleichzuachten sei.
Von einer derartigen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes
gleichzuachtenden Regelungslücke kann indessen in Bezug auf die neu gefassten
Vorschriften der §§ 306 ff StGB und insbesondere im Hinblick auf den § 306b Abs.
2 StGB nicht ausgegangen werden. Wie sich aus den zitierten Gesetzesmaterialien
ergibt, hat der Gesetzgeber bewusst den Tatbestand des § 306b Abs. 2 StGB
gegenüber dem früheren § 307 Nr. 2 und 3 StGB a.F. unter Herabsetzung der
Mindeststrafe erweitert und ebenfalls bewusst davon abgesehen, einen
reduzierten Strafrahmen für minder schwere Fälle vorzusehen (BT-Drucks. 13/8587
Seite 80), wobei auch die Höhe des Strafrahmens diskutiert wurde (BT-Drucks.
13/8587 Seiten 70 und 88). Von einem Bewertungswandel der Rechtsordnung
kann angesichts der vergleichsweise neuen Regelung aus dem Jahr 1998 keine
Rede sein. Für eine Analogie zu den gesetzlich vertypten Milderungsgründen und
eine Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB bei Vorliegen gewichtiger sonstiger
Milderungsgründe ist daher bei § 306b Abs. 2 StGB kein Raum.
Auch für eine Analogie zu anderen Straftatbeständen, die bei einer Mindeststrafe
von fünf Jahren einen herabgesetzten Strafrahmen für minder schwere Fälle
vorsehen, ist - ungeachtet der weiteren Voraussetzungen einer solche Analogie -
schon deshalb kein Raum, weil der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat,
einen herabgesetzten Strafrahmen für minder schwere Fälle des § 306b Abs. 2
StGB zu normieren (vgl. BT-Drucks. 13/8587 Seite 80), so dass es an einer
planwidrigen Regelungslücke fehlt.
Demnach würde die Kammer im Falle der Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB
für den Angeklagten ... wegen der von ihm begangenen besonders schweren
Brandstiftung auf die gesetzliche Mindeststrafe von fünf Jahren erkennen. Für die
Angeklagte ... würde die Kammer im Falle der Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2
StGB wegen der besonders schweren Brandstiftung ebenfalls auf eine
Freiheitsstrafe von fünf Jahren erkennen. Für die Betrugstaten würde die Kammer
jeweils auf eine Einzelstrafe von sechs Monaten erkennen. Die aus diesen
Einzelstrafen zu bildende Gesamtstrafe würde die Kammer mit fünf Jahren und
sechs Monaten bemessen.
Im Falle der Unwirksamkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB käme hingegen
hinsichtlich der Angeklagten … und … für die Tat 1) der Strafrahmen des § 306a
Abs. 1 StGB zur Anwendung, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn
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Abs. 1 StGB zur Anwendung, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn
Jahren vorsieht. Dabei läge nach Auffassung der Kammer eine Freiheitsstrafe von
fünf Jahren weit oberhalb des schuldangemessenen Bereichs. Bei der konkreten
Bemessung der Strafe ist zu Lasten beider Angeklagten zu berücksichtigen, dass
sie ein Feuer erheblichen Ausmaßes gelegt haben, das auch umfangreiche
Löscharbeiten erforderlich gemacht hat. Auch die von den Angeklagten bei der
Tatausführung verfolgte Absicht, die Gebäude- und Hausratsversicherung zu
betrügen, wäre im Falle der Unwirksamkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB
strafschärfend zu berücksichtigen. Dem stehen jedoch bei beiden Angeklagten
erhebliche mildernde Umstände gegenüber. Beide sind nicht vorbestraft und
haben die Tat vollen Umfangs gestanden und hierdurch die Beweisaufnahme
erheblich erleichtert. Eine konkrete Gefährdung anderer Menschen ist nicht
eingetreten und war aufgrund der seitens der Angeklagten getroffenen
Vorkehrungen auch nicht zu erwarten, wenn sie auch andererseits nicht gänzlich
ausgeschlossen war. Hinzu kommt bei der Angeklagten ..., dass sie sich in einer
verzweifelten Lage und psychischen Ausnahmesituation befand und es nach
Überzeugung der Kammer nur deshalb zu der Tat kommen konnte. Weiterhin ist
bei der Angeklagten ... zu berücksichtigen, dass eine hohe Haftstrafe in ihrem Fall
voraussichtlich eine erheblich schwerer wiegende Wirkung haben wird, da in
Anbetracht der Tatsache, dass die Angeklagte ... allein erziehende Mutter eines
sieben Jahre alten Kindes ist, von einer deutlich erhöhten Haftempfindlichkeit
auszugehen ist. Auf den Angeklagten ... treffen die zuletzt genannten Umstände
zwar nicht zu. Bei ihm ist aber strafmildernd zu berücksichtigen, dass er aus
uneigennützigen Motiven gehandelt hat, um seiner in verzweifelter Lage
befindlichen Schwester zu helfen. Unter Abwägung sämtlicher für und gegen die
Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte würde die Kammer im Falle der
Ungültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB für die Angeklagte ... für Tat 1) auf eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten erkennen und die mit den
Einzelstrafen für die Betrugstaten von jeweils sechs Monaten zu bildenden
Gesamtstrafe mit zwei Jahren bemessen und für den Angeklagten ... auf eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten erkennen.
III. Zur Vereinbarkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit dem Grundgesetz
Die vorlegende Jugendkammer ist davon überzeugt, dass der § 306b Abs. 2 Nr. 2
StGB gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art 20 Abs. 3 GG, nämlich gegen
das aus der in Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art.2 Abs. 1 GG verankerten Würde und
Eigenverantwortlichkeit des Menschen und dem in Art 20 Abs. 3 GG verankerten
Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot schuldangemessenen Strafens verstößt.
Dadurch schränkt der § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB in unzulässiger Weise das Recht
auf persönliche Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ein.
Grundsätzlich stellt das materielle Strafrecht ebenso wie das Strafverfahrensrecht
im Hinblick auf die gewichtigen Gründe des Rechtsgüterschutzes eine zulässige
Einschränkung der Freiheit der Person dar (Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein,
Kommentar zum GG, 10. Auflage, Art. 2 Randziffer 54; Theune in: Leipziger
Kommentar zum StGB, 12. Auflage, Vor §§ 46-50 Randziffer 31). Zulässiges
oberstes Ziel des Strafens ist es, die Gesellschaft vor sozialschädlichem Verhalten
zu bewahren und die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen
(BVerfGE 45, 187, 254f). Allerdings unterliegt die Zulässigkeit staatlichen Strafens
wiederum verfassungsrechtlichen Einschränkungen. Dies gilt auch für die
gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 45, 187, 223). So schützt Art 1
Abs. 1 GG vor unangemessener Bestrafung (Hofmann a.a.O. Art. 1 Randziffer 44;
vgl. BVerfGE 1, 332, 348). Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt der Grundsatz nulla
poena sine culpa (BVerfGE 25, 269, 285; Hofmann a.a.O. Art. 20 Randziffer 63).
Aus diesem Grundsatz ergibt sich wiederum, dass die Strafe im gerechten
Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen muss
(BVerfGE 50, 125, 133; Hofmann a.a.O.; Theune a.a.O. Randziffer 32). Die Strafe
ist somit nach dem Maß der Schuld und der Strafbedürftigkeit zu bestimmen
(BVerfGE 92, 277, 326 ff; Theune a.a.O.). Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz
in seiner die Strafe begrenzenden Auswirkung mit dem Verfassungsgrundsatz des
Übermaßverbots (BVerfGE 86, 288, 313; Theune a.a.O.). Nach dem
Schuldgrundsatz, der aus Art. 1 Abs. 1 und Art 2 Abs. 1 GG (Würde und
Eigenverantwortlichkeit des Menschen) sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt,
müssen damit auch Tatbestand und Rechtsfolge einer strafrechtlichen Norm -
gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt
sein (BVerfGE 45, 187, 259f; BVerfGE 54, 100, 108). Bereits die angedrohte Strafe
hat daher in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der
Schuld des Täters zu stehen; die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht
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Schuld des Täters zu stehen; die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht
übersteigen (BVerfGE 45, 187, 260; BVerfG Beschluss v. 07.10.2008 2 BvR 578/07
- zitiert nach Juris).
In der Regel ist die Einhaltung und Bemessung dieser Grundsätze Sache des
Gesetzgebers (Dürig in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 1 Abs. 1 Randziffer
32; vgl. BVerfGE 45, 187, 267f), von dessen grundlegenden Wertungen der
Strafrichter bei der Prüfung der Schuldangemessenheit der gesetzlich
angedrohten Strafe für den Täter und dessen konkrete Tat auszugehen hat
(BVerfGE 54, 100, 113f). Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ
festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters.
Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen
Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus
der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen (BVerfGE 25, 269, 286). Demnach
hat der Strafgesetzgeber innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens
erhebliche Spielräume, ob und in welchem Umfang er bestimmte
Verhaltensweisen unter Strafe stellen will (Joeks in: Münchener Kommentar zum
StGB, 1. Auflage 2003, Einl. Randziffer 18). Das Bundesverfassungsgericht kann
die Entscheidung des Gesetzgebers nicht darauf prüfen, ob er dabei die
zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat; es hat
lediglich darüber zu wachen, dass die Norm materiell im Einklang mit der
Verfassung steht und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen und
Grundentscheidungen des Grundgesetztes entspricht (BVerfGE 80, 244, 255; Joeks
a.a.O. Randziffer 22).
Der Gesetzgeber darf aber keine Strafvorschriften erlassen, die unverhältnismäßig
in den grundrechtlich geschützten Lebensbereich eingreifen (Weigend in: Leipziger
Kommentar zum StGB, 12. Auflage Einl. Randziffer 15). Dem Richter muss von
Gesetzes wegen die Möglichkeit offen bleiben, bei der Subsumtion konkreter Fälle
unter die abstrakte Norm zu einer schuldangemessenen Strafe zu kommen, ihm
muss hierfür ein hinreichender Spielraum verbleiben (BVerfG Beschluss v.
07.10.2008 2 BvR 578/07 - zitiert nach Juris; BVerfGE 105, 135, 154), er darf also
nicht durch das Gesetz gezwungen sein, eine Strafe zu verhängen, die nach seiner
aufgrund der getroffenen Feststellungen gewonnenen Überzeugung der Schuld
des Täters nicht angemessen wäre (BVerfGE 54, 100, 109; BVerfGE 105, 135,
154). Wo die Tat verschiedene Grade des Verschuldens und der Schwere
aufweisen kann, muss dem Richter demnach grundsätzlich die Möglichkeit
gelassen werden, die Strafe dem anzupassen (BVerfGE 45, 187, 260; BVerfGE 54,
100, 108f; vgl. Dannecker in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, § 1
Randziffer 232). Das aus Art. 1 Abs. 1 und Art 20 Abs. 3 GG folgende
verfassungsrechtliche Gebot einer sachgerechten Abstimmung von Tatbestand
und Rechtsfolge, insbesondere eines gerechten Verhältnisses der angedrohten
Strafe zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters, beinhaltet auch, dass
der Täter nicht unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen
Wertanspruchs und Achtungsanspruchs zum bloßen Objekt der
Verbrechensbekämpfung gemacht werden darf (vgl. BVerfGE 50, 125, 133).
Daraus folgt, dass die gesetzliche Androhung einer Verschärfung der Strafe
typischerweise erhöhte Schuld voraussetzt, wobei die verschärfte Sanktion
wiederum nicht außer Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld stehen darf
(BVerfGE 50, 125, 133f; Joeks Einl. Randziffer 25). Dem muss der Gesetzgeber bei
der Androhung einer gegenüber dem Regelstrafrahmen erhöhten Mindeststrafe
Rechnung tragen (BVerfGE 50, 125, 134; Joeks a.a.O.).
Nach Überzeugung der Kammer hat der Gesetzgeber mit der Schaffung der
Vorschrift des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB den ihm von Verfassungs wegen
zustehenden Spielraum bei der Bestimmung der angedrohten Strafe
überschritten. Tatbestand und Rechtsfolge sind insofern nicht sachgerecht
aufeinander abgestimmt, als dem Richter in Ansehung der hohen Mindeststrafe
und in Ermangelung eines herabgesetzten Strafrahmens für minder schwere Fälle
kein ausreichender Spielraum verbleibt, um im Einzelfall zu einer
schuldangemessenen Strafe kommen zu können. Jedenfalls in den Fällen, in denen
erhebliche (nicht gesetzlich vertypte) Milderungsgründe zusammentreffen, ist der
Richter durch § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gezwungen, eine Strafe zu verhängen, die
im Verhältnis zur Schuld des Täters unangemessen hoch ist. Die
Unangemessenheit der den Richter- soweit nicht ein gesetzlich vertypter
Milderungsgrund eingreift - in allen Fällen bindenden Mindeststrafe ergibt sich
dabei auch daraus, dass die Verschärfung der Strafe im Vergleich zum
Grundtatbestand und den übrigen Qualifizierungen des § 306a StGB nicht mehr in
einem sachgerechten Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld steht und sich
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einem sachgerechten Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld steht und sich
jedenfalls in Ermangelung eines herabgesetzten Strafrahmens für minder
schwerer Fälle nicht in sachgerechter Weise in das Sanktionssystem des
Strafgesetzbuches einfügt.
1. Der Strafrahmen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB im Allgemeinen
Eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder darüber greift nachhaltig in den
Lebensweg des Betroffenen ein und ist daher nur im Falle einer entsprechend
gravierenden Schuld gerechtfertigt. Das tatbestandsmäßige Unrecht des § 306b
Abs. 2 Nr. 2 StGB besteht indessen lediglich in einer - wenn auch erheblichen -
abstrakten Gefährdung mit überschießender Innentendenz. Dass, soweit § 306b
Abs. 2 Nr. 2 StGB auf § 306a Abs. 1 StGB Bezug nimmt, bei einem abstrakten
Gefährdungsdelikt allein wegen einer überschießenden Innentendenz - also ohne
zwingende Erhöhung des Erfolgsunwerts der Tat - die Mindeststrafe um das
fünffache angehoben wird, ist nicht nachvollziehbar und steht auch nicht mit
anderen Wertungen des Strafgesetzgebers in Einklang. Zwar hebt der BGH
insofern zutreffend hervor, der besondere Unwert der schweren Brandstiftung,
„um eine anderen Straftat zu ermöglichen“, liege darin, dass sie der Begehung
kriminellen Unrechts dienen soll, wobei sich die erhöhte Verwerflichkeit aus der
Bereitschaft, zur Durchsetzung krimineller Ziel ein abstrakt (§ 306a Abs. 1 StGB)
oder konkret (§ 306a Abs. 2) StGB gefährliches Brandstiftungsdelikt zu begehen,
mithin aus der Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter
ergebe (BGH NJW 2000, 3581; BGHSt 45, 211, 217). Soweit der BGH jedoch
hierdurch die hohe Mindeststrafe als gerechtfertigt ansieht (vgl. BGH NJW 2000,
3581, wo ebenso wie in BGH NStZ 2000, 197, 198 die Herabsetzung der
Mindeststrafe von zehn Jahren im § 307 StGB a.F. auf fünf Jahre hervorgehoben
wird), wird dies im Hinblick auf die - nach dem Gesetzeswortlaut unumgängliche -
Einbeziehung der Fälle, bei denen es bei einer abstrakten Gefährdung verbleibt,
von der Kammer nicht geteilt. Eine Steigerung der situationsbedingten
Gemeingefährlichkeit (vgl. Heine in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 306b
Randziffer 10) gegenüber dem Grundtatbestand des § 306a Abs. 1 StGB, ist mit
den Fällen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB allenfalls im Einzelfall, nicht aber
typischerweise verbunden. Es ist der Kammer nicht ersichtlich, inwiefern eine
Brandstiftung, die der Täter in der Absicht begeht, die Gebäudeversicherung zu
betrügen, - es dürfte sich hierbei um den in der Praxis häufigsten Fall des § 306b
Abs. 2 Nr. 2 StGB handeln -, mit einer höheren Gemeingefahr verbunden sein
sollte, als beispielsweise das nicht unter § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB fallende
Inbrandsetzen eines kombinierten Wohn- und Geschäftshauses, durch das der
Täter einen Konkurrenten ausschalten möchte. Als nicht mehr mit sachlichen
Gründen zu rechtfertigen erscheint dabei insbesondere das Verhältnis zum § 306b
Abs. 1 StGB, der für die Fälle des § 306a StGB, in denen der Täter durch die
Brandstiftung eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder
eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht - in
denen sich also in den Fällen des § 306a Abs. 1 StGB die dort unter Strafe
gestellte abstrakte Gefährdung in erheblichem Maße realisiert hat -, lediglich
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht.
Auch die Gesetzgebungsgeschichte und die Materialien zum 6. StrRG lassen die
Mindeststrafe des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht als sachgerecht erscheinen.
Richtig ist zwar, dass im Zuge der Erweiterung des Qualifizierungstatbestandes
des § 307 StGB a.F. die Mindeststrafe von zehn auf fünf Jahre herabgesetzt wurde.
Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass für einen großen Teil der von § 306b
Abs. 2 Nr. 2 StGB erfassten Taten die Mindeststrafe ganz erheblich erhöht wurde.
So begründete nämlich die Absicht, die Versicherung zu betrügen, beim
Inbrandsetzen eines Wohngebäudes nach dem alten Recht keine Qualifizierung
des § 306 a.F., so dass die Tat lediglich mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr
bedroht war. Der tateinheitlich verwirklichte Versicherungsbetrug gem. § 265 StGB
a.F. sah lediglich Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Zwar ist es
zweifellos verfassungsrechtlich noch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber
einen Qualifizierungstatbestand geschaffen hat, durch den die schwere
Brandstiftung in den Fällen, in denen der Täter in der Absicht handelt, eine andere
Straftat zu verdecken oder zu ermöglichen, mit schwererer Strafe bedroht ist. Für
eine Anhebung der Mindeststrafe um das fünffache lassen sich hingegen nach
Auffassung der Kammer keine sachgerechten Gründe mehr erkennen. Auch in den
Gesetzesmaterialien findet sich keine spezifizierte Begründung für diese Erhöhung
der Mindeststrafe in den Fällen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, soweit diese nicht
von dem früheren § 307 StGB a.F. erfasst waren. Es findet sich dort lediglich die
Feststellung, die Herabsetzung der Mindeststrafe im Vergleich zum § 307 StGB
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Feststellung, die Herabsetzung der Mindeststrafe im Vergleich zum § 307 StGB
a.F. sei geboten, weil die Qualifikationsmerkmale in § 306a Nr. 2 und 3 des
Entwurfs der Bundesregierung (entspricht dem Gesetz gewordenen § 306b Abs. 2
Nr. 2 und 3 StGB) weiter gefasst seien als im bisherigen § 307 Nr. 2 und 3 StGB
und der neue Qualifikationstatbestand in § 306a Nr. 1 E (entspricht § 306b Abs. 2
Nr. 1 StGB) anderen vergleichbaren Vorschriften angepasst werden müsse (so die
Begründung der Bundesregierung zu dem von ihr vorgelegten Entwurf, BT-Drucks.
13/8587 Seite 49; siehe auch BT-Drucks. 13/7164, Seite 49 (Entwurf der Fraktionen
von CDU/CSU und FDP)). Das erhöhte Mindestmaß in § 306a E (entspricht dem
Gesetz gewordenen § 306b Abs. 2 StGB) sei im Hinblick auf die besondere
Schutzbedürftigkeit der in § 306 Abs. 1 E (entspricht § 306a Abs. 1 StGB)
aufgeführten Räumlichkeiten gerechtfertigt (BT-Drucks. 13/8587 Seite 49). Der
Bundesrat hat die vorgeschlagene Mindeststrafe von fünf Jahren als
unangemessen hoch angesehen (BT-Drucks. 13/8587 Seite 70), woraufhin die
Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung lediglich ausgeführt hat, diese
Auffassung des Bundesrates teile sie nicht (BT-Drucks. 13/8587 Seite 88). Das
Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit der in § 306a StGB genannten
Gebäude vermag aber ersichtlich die Anhebung der Mindeststrafe um das
Fünffache in den Fällen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gegenüber § 306a StGB nicht
zu rechtfertigen, da die Tathandlung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gerade nicht
typischerweise eine Erhöhung der Gefährdung dieser Gebäude im Vergleich zu
sonstigen Taten nach § 306a StGB zur Folge hat. Zudem bleibt bei diesem
Argument auch das Verhältnis zwischen Absatz 1 und Absatz 2 des § 306b StGB
unerklärt. Die Erhöhung der Mindeststrafe für die zuvor nicht von § 307 Nr. 2 und 3
StGB a.F. erfassten Fälle fügt sich auch nicht in die dem Gesetzesvorhaben des 6.
StrRG zu Grunde liegende Konzeption ein. So heißt es im Gesetzesentwurf der
Bundesregierung - insoweit in Übereinstimmung mit dem vorherigen Entwurf der
Fraktionen (BT-Drucks. 13/7164 Seiten 1 und 18-20) -, Schwerpunkt sei das
Anliegen, höchstpersönlichen Rechtsgütern wie Leben, körperlicher Unversehrtheit,
Freiheit und sexueller Selbstbestimmung gegenüber materiellen Rechtsgütern wie
Eigentum, Vermögen und Sicherheit des Rechtsverkehrs ein größeres Gewicht zu
verleihen (BT-Drucks. 13/8587 Seite 1; siehe auch BT-Drucks. 13/8991 Seite 2 und
BT-Drucks. 13/9064 Seite 7). Hierauf ziele die von dem Entwurf verfolgte
Harmonisierung der Strafrahmen in erster Linie ab (BT-Drucks. 13/8587 Seite 18).
Die Wertordnung des Grundgesetzes, insbesondere der hohe
verfassungsrechtliche Rang des menschlichen Lebens und der körperlichen
Unversehrtheit lege es nahe, Wertungswidersprüche zwischen Eigentums- und
Vermögensdelikten einerseits und Körperverletzungsdelikten andererseits
aufzuheben (BT-Durcks. 13/8587 Seite 19). Diese Konzeption beinhaltet keine
Erklärung für den Strafrahmen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB. Darüber hinaus
scheint die Gewichtung des § 306b Abs. 1 StGB einerseits, in dem für eine schwere
Brandstiftung nach § 306a StGB im Falle einer schweren Gesundheitsschädigung
eines Menschen oder im Falle der Gesundheitsschädigung einer Vielzahl von
Menschen - also einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen
Unversehrtheit - nur eine Erhöhung des Mindeststrafe auf zwei Jahre vorgesehen
ist, und des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB andererseits, durch den nicht
notwendigerweise die körperliche Unversehrtheit von Menschen betroffen ist und
dessen die Tat qualifizierende Absicht sich häufig auf ein Vermögensdelikt bezieht,
zu der gesetzgeberischen Grundkonzeption in Widerspruch zu stehen.
Die aufgezeigten Wertungswidersprüche und Systemwidrigkeiten bewegen sich
nicht mehr im Rahmen des dem Gesetzgeber bei der Bemessung sachgerechter
Strafrahmen zustehenden Spielraums, der der verfassungsrechtlichen
Überprüfung entzogen ist. Denn die gegenüber dem Grunddelikt verschärfte
Sanktion steht nach Überzeugung der Kammer aus den genannten Gründen im
Falle des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB außer Verhältnis zum Maß der vermehrten
Schuld, so dass hierdurch das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen
Strafens verletzt ist (vgl. BVerfGE 50, 125, 134).
2. Das Fehlen einer Regelung für minder schwere Fälle im Besonderen
Ein derartiger Verfassungsverstoß ergibt sich, selbst wenn man ihn entgegen den
obigen Ausführungen im Hinblick auf den Regelstrafrahmen als solchen noch
verneinen sollte, nach Überzeugung der Kammer jedenfalls daraus, dass der §
306b Abs. 2 Nr. 2 StGB keinen herabgesetzten Strafrahmen für minder schwere
Fälle vorsieht. Hierdurch wird der Strafrichter in einer nicht unerheblichen Anzahl
von Fällen gezwungen, eine Strafe festzusetzen, die in verfassungswidriger Weise
das Maß der Schuld des Täters übersteigt. Insbesondere ist hier an die Fälle zu
denken, in denen eine konkrete Gefährdung von Menschen nicht eingetreten ist
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denken, in denen eine konkrete Gefährdung von Menschen nicht eingetreten ist
(und auch nicht zu erwarten war) und weitere gewichtige Milderungsgründe
hinzutreten. Denn anders als bei anderen Tatbeständen, die eine Mindeststrafe in
diesem oder in einem höheren Bereich androhen, ohne eine minder schweren Fall
vorzusehen (etwa §§ 211 (lebenslange Freiheitsstrafe), 176b, 178, 251
(Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe), § 176a
Abs. 5 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren)), erfasst § 306b Abs. 2 Nr. 2
StGB eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen, die einen Unwertgehalt, durch
dessen Ausmaß auch gewichtige Milderungsgründe so weit in den Hintergrund
treten könnten, dass eine derart hohe Freiheitsstrafe gerechtfertigt wäre,
schlechterdings nicht mehr erkennen lassen. In den Fällen, in denen eine konkrete
Gefährdung von Menschen nicht eingetreten ist, auch nicht zu erwarten war und
das abgebrannte Haus im Alleineigentum des einen Versicherungsbetrug
erstrebenden Täters stand, beschränkt sich der Unwertgehalt auf eine in
Betrugsabsicht begangene abstrakte Gefährdung. Wenn in dieser Konstellation der
Erhöhung des Unrechts durch die kriminelle Absicht (zur Ermöglichung einer
anderen Straftat) wiederum gewichtige Milderungsgründe gegenüberstehen, steht
eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder darüber, die in gravierender Weise in den
Lebensweg des Täters eingreift, nach Überzeugung der Kammer nicht mehr in
einem angemessenen Verhältnis zur Schuld. Dies gilt auch unter Berücksichtigung
der Tatsache, dass es dem Gesetzgeber, insbesondere in Anbetracht des
Ausmaßes der von einer Brandstiftung ausgehenden Gefahr, grundsätzlich
unbenommen bleiben muss, für derartige Konstellationen eine hohe Strafe
anzudrohen. Gerade unter Berücksichtigung des Verhältnisses zu den übrigen
Strafandrohungen, insbesondere zum Grundtatbestand des § 306a Abs. 1 StGB,
durch den die abstrakte Gefährdung bereits abgedeckt ist und der als
Mindeststrafe lediglich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht und einen
reduzierten Strafrahmen für minder schwere Fälle enthält, und zum Strafrahmen
des § 306b Abs. 1 StGB erscheint es in den genannten Fällen nicht mehr sachlich
begründbar, den Täter auch bei Vorliegen gewichtiger Milderungsgründe
mindestens zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilen zu müssen. Insofern
kann eine solche Strafe auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums nicht mehr als schuldangemessen angesehen werden.
Auch eine Auswertung der Materialien des Gesetzgebungsverfahrens macht das
Fehlen eines herabgesetzten Strafrahmens für minder schwere Fälle in Bezug auf
§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht nachvollziehbar. So hat die Bundesregierung in der
Begründung des von ihr eingebrachten Entwurfs, bezogen auf den Tatbestand der
schweren Brandstiftung (jetzt § 306a Abs. 1 StGB) selbst ausgeführt, der Einwand
des Täters, er habe sich vor der Tat vergewissert, dass kein Menschenleben
gefährdet werde, könne für die Strafzumessung bedeutsam sein und insbesondere
zur Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle führen (BT-Drucks.
13/8587 Seite 47 und Seite 48, wo dieser Fall als Beispiel eines minder schweren
Falles der schweren Brandstiftung angeführt wird). Auf den Einwand des
Bundesrates, die dem Fehlen minder schwerer Fälle in einigen Vorschriften - u.a.
bei § 306a des Entwurfs der Bundesregierung (entspricht § 306b Abs. 2 StGB) -
zugrunde liegenden Überlegungen würden nicht deutlich (BT-Drucks. 13/8587
Seite 56), hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung lediglich geantwortet,
bei Tatbeständen mit Mindeststrafandrohungen von fünf und mehr Jahren
Freiheitsstrafe würden Strafzumessungsregeln für minder schwere Fälle nur
ausnahmsweise normiert und im Übrigen entziehe sich die Frage einer
schematisierenden Regelung (BT-Drucks. 13/8587 Seite 80). Damit lässt die
Bundesregierung eine Erklärung dafür, weshalb gerade im Fall des später Gesetz
gewordenen § 306b Abs. 2 StGB eine Regelung für minder schwere Fälle fehlen
soll, vermissen. Darüber hinaus trifft die Aussage, minder schwere Fälle würden bei
Mindeststrafandrohungen von fünf Jahren Freiheitsstrafe nur ausnahmsweise
normiert, nicht zu. Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist vielmehr das Gegenteil
der Fall. Minder schwere Fälle mit einer Absenkung der Mindeststrafe von fünf
Jahren auf ein Jahr Freiheitsstrafe sind z.B. vorgesehen für die besonders schwere
sexuelle Nötigung (§ 177 Abs. 4 und 5 StGB), für den Totschlag (§§ 212, 213
StGB), für den erpresserischen Menschenraub (§ 239a Abs. 1 und 2 StGB), für die
Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 und 2 StGB i.V.m. § 239a Abs. 2 StGB), für den
besonders schweren Raub (§ 250 Abs. 2 und 3 StGB). In § 30a BtMG ist die
Mindeststrafe für minder schwere Fälle von fünf Jahren auf sechs Monate
herabgesetzt.
3. Keine verfassungskonforme Auslegung möglich
Da die gegenüber dem Grundtatbestand erhöhte Sanktion des § 306b Abs. 2 Nr. 2
StGB außer Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld steht und da § 306b Abs.
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StGB außer Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld steht und da § 306b Abs.
2 Nr. 2 StGB den Richter in vielen Fällen dazu zwingt, eine Strafe zu verhängen, die
in verfassungswidriger Weise das Gebot schuldangemessenen Strafens verletzt, ist
diese Vorschrift mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die verfassungswidrigen
Auswirkungen der Norm können nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung
vermieden werden. Zwar ist es grundsätzlich geboten, eine gesetzliche Vorschrift
zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Resultats - soweit möglich -
verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfGE 90, 145, 193). Die
verfassungskonforme Auslegung ist aber nicht unbegrenzt möglich. Sie darf
insbesondere nicht so weit gehen, dass sie mit dem Wortlaut der interpretierten
Norm nicht mehr vereinbar ist (Weigend a.a.O. Einl. Randziffer 15). Die Kammer
sieht sich außerstande, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB in einer Weise
verfassungskonform auszulegen, durch die dessen verfassungswidrige Resultate
vermieden werden könnten. Bereits unter Ziffer II.1. wurde die Auffassung der
Kammer zur Auslegung des Grundtatbestandes des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB und
des Tatbestandes des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB dargelegt. Andere, hiervon
abweichende Auslegungsmöglichkeiten hält die Kammer trotz der hierzu in Teilen
der Literatur vertretenen Auffassungen auch unter dem Blickwinkel einer zur
Vermeidung eines verfassungswidrigen Resultats vorzunehmenden
verfassungskonformen Auslegung aus den bereits unter Ziffer II. 1 dargelegten
Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht für gegeben. Noch einmal
hervorgehoben sei an dieser Stelle, dass eine weitergehende teleologische
Reduktion des § 306a Abs. 1 StGB dahingehend, dass bereits der Umstand, dass
eine Gefährdung anderer Menschen aufgrund der Vorkehrungen des Täters nicht
zu erwarten ist, zum Ausschluss des Tatbestandes führt, nach Auffassung der
Kammer schon an der Wortlautgrenze scheitert, da die Vorschrift gerade nicht auf
den aktuellen Aufenthalt von Menschen abstellt, sondern nur allgemein auf das
Dienen zur Wohnung. Einer solchen Auslegung stehen ferner der aus den
Gesetzesmaterialien deutlich erkennbare Wille des Gesetzgebers und der
Schutzzweck des § 306a Abs. 1 StGB zwingend entgegen (vgl. BT-Drucks. 13/8587
Seite 47). Auch der teilweise vertretenen einschränkenden Auslegung des § 306b
Abs. 2 Nr. 2 StGB dahingehend, dass eine allgemein kausal-funktionale Beziehung
zwischen Brandstiftung und ermöglichter Straftat nicht ausreicht, sondern
vorauszusetzen ist, dass in den Fällen des § 306a Abs. 1 StGB gerade die
spezifischen Auswirkungen der Gemeingefahr die Begehung der anderen Tat
begünstigen sollen, steht der Wortlaut des Gesetzes unter Berücksichtigung der
Gesetzgebungsgeschichte entgegen. Auf die Ausführungen unter II.1.b) wird
insoweit Bezug genommen.
Auch einschränkende verfassungskonforme Auslegungen auf der
Rechtsfolgenebene - etwa durch Analogien zu anderen eine Herabsetzung des
Strafrahmens ermöglichenden Vorschriften - kommen wegen der Eindeutigkeit der
gesetzlichen Regelung und des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke nicht in
Betracht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer II.2. verwiesen.