Urteil des BVerfG vom 09.03.2004

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2262/03 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn T...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Silke Scheuch,
Weberstraße 10, 76133 Karlsruhe -
gegen
1.
unmittelbar
a)
den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. September 2003 - VII ZR 86/03 -,
b)
das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Februar 2003 - 12 U 211/01 -,
c)
das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. September 2001 -
18 O 539/99 -,
2.
mittelbar
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 und 2 ZPO in der Fassung des Art. 2 ZPO-RG vom 27.
Juli 2001 (BGBl I S. 1887)
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Haas
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 9. März 2004 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Verurteilungen zum Schadensersatz und den
Beschluss des Bundesgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision. Sie rügt die Verletzung von
Verfahrensgrundrechten, insbesondere durch die Anwendung der Vorschriften über die Zulassung von Revisionen.
II.
2
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten des
Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a und b BVerfGG).
3
Das Bundesverfassungsgericht prüft bei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Anwendung zivilrechtlicher
Normen durch die Fachgerichte wenden, lediglich, ob die angegriffenen Entscheidungen Auslegungsfehler erkennen
lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts,
insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (BVerfGE 7, 198 <207>,; 18, 85 <92>; 102, 347 <362>;
stRspr). Das ist hier nicht der Fall.
4
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass Landgericht und Oberlandesgericht eine Haftung des
Beschwerdeführers wegen fehlerhafter Planung angenommen haben.
5
Soweit die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, erschöpft sich ihr Vortrag im
Wesentlichen darin, dass die Entscheidungen entgegen ihrem Vortrag eine Haftung des Beschwerdeführer
angenommen haben. Dass erheblicher Vortrag des Beschwerdeführer übergangen worden wäre, ist der
Verfassungsbeschwerde nicht zu entnehmen und angesichts der außerordentlich umfassenden und ausführlichen
Entscheidungsgründe nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer wendet sich im Grunde nur gegen die in den
Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, der
Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfGE 64, 1 <12>).
6
2. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstanden.
7
a) Er beruht nicht auf der Anwendung einer verfassungswidrigen Norm (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten
Senats vom 8. Januar 2004 - 1 BvR 864/03).
8
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass weder Art. 19 Abs. 4 GG noch der
Justizgewährungsanspruch die Einrichtung eines Instanzenzuges gebieten (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>; 89, 381
<390>). Die verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgewährleistungen sichern jedenfalls die einmalige Möglichkeit zur
Einholung einer gerichtlichen Entscheidung zur Überprüfung einer behaupteten Rechtsverletzung. Eine weitere Instanz
kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gesetzgeber sie bereitgestellt hat und die Voraussetzungen ihrer
Anrufung erfüllt sind (vgl. BVerfGE 107, 395 <402>).
9
Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten Rechtszüge
einrichtet, welche Zwecke er damit verfolgt und wie er sie im Einzelnen regelt (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>). Der
Gesetzgeber hat dementsprechend auch festzulegen, wie weit die Möglichkeit des Rechtsschutzes durch Revision
reichen soll. Er ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, die Revision vorrangig am Individualrechtsschutzinteresse
auszurichten.
10
Die Klärung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer Revisionszulassung erfüllt sind, ist Aufgabe der
Fachgerichte, hier im Zuge der Auslegung und Anwendung von § 543 Abs. 2 ZPO. Diese Norm verstößt nicht gegen
den rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit. Er sichert im Rechtsmittelrecht, dass der Bürger erkennen kann,
welches Rechtsmittel in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist. Dem
Gesetzgeber ist es nicht grundsätzlich verwehrt, dabei unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden (vgl. BVerfGE 8,
274 <326>; 41, 314 <319 f.>; 90, 1 <16>). Das Bestimmtheitsgebot wäre jedoch dann verletzt, wenn den gesetzlichen
Tatbestandsvoraussetzungen unter Beachtung der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden keine konkreten
Beurteilungsmaßstäbe zu entnehmen wären (vgl. BVerfGE 83, 130 <145>; 90, 1 <16 f.>).
11
Nach einer Neuregelung darf der Gesetzgeber abwarten, ob der neu geschaffene Tatbestand zu einer im
Wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung führt oder ob weitere gesetzliche Konkretisierungen erforderlich sind
(vgl. BVerfGE 90, 145 <191>). Die Verwendung generalklauselartiger und weiter Tatbestandsvoraussetzungen in
§ 543 Abs. 2 ZPO ist vor diesem Hintergrund nicht grundsätzlich zu beanstanden. Es ist Aufgabe der Zivilgerichte,
die benutzten Rechtsbegriffe zu konkretisieren. Verfassungsrechtliche Bedenken würden sich nur dann ergeben, wenn
die Rechtsprechung nicht in der Lage sein sollte, die Rechtsbegriffe so zu konkretisieren, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels für den Rechtsuchenden erkennbar sind. Dass dies nicht
gelingen wird, ist nicht ersichtlich.
12
b) Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision hat der Bundesgerichtshof verneint. Die
Verfassungsbeschwerde weist keine Gesichtspunkte auf, nach denen die Nichtzulassung im vorliegenden Fall
verfassungsrechtlich fehlerhaft wäre.
13
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
14
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Haas
Hoffmann-Riem