Urteil des BSG vom 24.01.2018

Urteil vom 24.01.2018

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 24.1.2018, B 6 KA
48/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:240118UB6KA4816R0
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. März 2016
und des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. August 2012
aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 3. März 2009,
vom 29. Juni 2009 und vom 7. Juli 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 werden mit der
Maßgabe aufgehoben, dass die Beklagte über die sachlich-
rechnerische Berichtigung wegen Überschreitung der Job-
Sharing-Obergrenze in den Quartalen II/2008 bis IV/2008 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu
entscheiden hat. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 2/3 und die Beklagte trägt 1/3 der Kosten in
allen Rechtszügen.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische
Richtigstellung wegen Überschreitung der im Rahmen des Job-
Sharing festgesetzten Punktzahlobergrenzen in den Quartalen
II/2008 bis IV/2008.
2
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die
zunächst aus den beiden Ärzten für Innere Medizin mit dem
Schwerpunkt Kardiologie, Dr. R. und Dr. R., bestand. Zum
1.4.2002 trat die Kardiologin Dr. E. im Rahmen eines sog Job-
Sharing als Partnerin des Dr. R. in die BAG ein. Zusammen mit
der Zulassung der Dr. E. setzte der Zulassungsausschuss (ZA)
mit Bescheid vom 27.5.2002 (Beschluss vom 27.3.2002) die
quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlen, die bei Abrechnung der
ärztlichen Leistungen nach der Zulassung von Frau Dr. E.
gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind, sowie -
nach Addition eines Überschreitungsvolumens von 3 % des
Fachgruppendurchschnitts - die Gesamtpunktzahlvolumina fest,
bei deren Überschreitung eine Honorarkürzung zulässig ist (Job-
Sharing-Obergrenze). In den folgenden Jahren passte die
beklagte KÄV die Gesamtpunktzahlvolumina entsprechend der
Honorarentwicklung der Gruppe der "invasiv tätigen Kardiologen"
an.
3 Mit Bescheiden vom 3.3.2009 und vom 29.6.2009 verfügte die
Beklagte sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen
Überschreitung der Job-Sharing-Obergrenzen in den Quartalen
II/2008 bis IV/2008. Den Bescheid vom 3.3.2009 korrigierte die
Beklagte zugunsten der Klägerin mit weiterem Bescheid vom
7.7.2009 und setzte die Rückforderung wegen Überschreitung der
Job-Sharing-Grenzen für die drei genannten Quartale auf
insgesamt 9125,83 Euro fest. Bei der Berechnung der
Rückforderung saldierte die Beklagte Unterschreitungen der Job-
Sharing-Grenze in den Quartalen II und III/2008 mit einer
Überschreitung im Quartal IV/2008.
4
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte
die Klägerin geltend, dass die Job-Sharing-Obergrenze
unzutreffend berechnet worden sei, weil dabei die Fachgruppe der
Kardiologen (allgemein) und nicht - wie früher - die Gruppe der
invasiv tätigen Kardiologen zugrunde gelegt worden sei.
Außerdem sei die Berechnung auch deshalb unzutreffend, weil
eine Saldierung lediglich bezogen auf drei Quartale erfolgt sei.
Richtig wäre die Einbeziehung von vier Quartalen (II/2008 bis
I/2009) gewesen. Zudem habe sie eine Neubestimmung der
Gesamtpunktzahlvolumina im Rahmen des Job-Sharing
beantragt; darüber sei noch nicht entschieden worden. Mit
Widerspruchsbescheid vom 19.8.2010 wies die Beklagte den
Widerspruch der Klägerin zurück. Die Berechnung der Job-
Sharing-Obergrenze sei zutreffend unter Heranziehung der
Gruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Kardiologie erfolgt.
Eine gesonderte Untergruppe für invasiv-kardiologisch tätige Ärzte
gebe es nicht mehr. Die Saldierung habe lediglich bezogen auf
drei Quartale (II/2008 bis IV/2008) vorgenommen werden können,
weil die Honorierung in der vertragsärztlichen Versorgung zum
1.1.2009 neu geordnet worden sei.
5 Das SG hat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung
stattgegeben, dass der ZA die Job-Sharing-Obergrenzen unter
Heranziehung der Punktzahlanforderung der bereits aus zwei
Ärzten bestehenden BAG unzutreffend festgelegt habe
(SG Urteil vom 9.8.2012). Nach § 23d S 3 Bedarfsplanungs-
Richtlinie in der hier noch maßgebenden Fassung vom 15.2.2007
(BAnz 2007, 3491; im Folgenden: BedarfsplRL aF) hätte der ZA
die Berechnung nach § 23c BedarfsplRL aF entsprechend der
die Berechnung nach § 23c BedarfsplRL aF entsprechend der
Zahl der bereits in der BAG tätigen Vertragsärzte mindern und
somit das hälftige Punktzahlvolumen der BAG zugrunde legen
müssen. An den rechtswidrigen Bescheid sei die Beklagte
gebunden, da dieser bestandskräftig geworden sei. Zur Ermittlung
des Überschreitensbetrages müsse das vom ZA rechtswidrig für
die gesamte BAG und damit zu hoch festgesetzte
Punktzahlvolumen dem hälftigen im Prüfzeitraum erzielten
Punktzahlvolumen der BAG gegenübergestellt werden. Diese
Grenze werde zweifellos nicht überschritten, sodass die sachlich-
rechnerische Richtigstellung zu Unrecht erfolgt sei. Lediglich
ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die
Berechnung des Anpassungsfaktors zu Recht gerügt habe. Die
Anpassungsfaktoren seien zunächst mittels Division des
quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumens der klägerischen
Praxis durch den quartalsbezogenen
Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe der invasiv tätigen
Kardiologen in Nordbaden ermittelt worden. Ab dem Quartal
I/2008 habe die Beklagte als quartalsbezogenen
Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe nicht mehr die
Gruppe invasiv tätiger Kardiologen, sondern sämtliche
Kardiologen zugrunde gelegt. Aufgrund der in der
Verwaltungsakte dokumentierten statistischen Daten sei davon
auszugehen, dass das durchschnittliche Punktzahlvolumen der
Fachgruppe sämtlicher Kardiologen niedriger sei als dasjenige der
rein invasiv tätigen Kardiologen. Aufgrund dieser veränderten
Zusammensetzung der Fach- bzw Prüfgruppe könne es zu
Verwerfungen zuungunsten der Klägerin bei der Berechnung der
Punktzahlobergrenzen kommen. Nähere Angaben zur
Zusammensetzung der für die Neuberechnung des
Anpassungsfaktors zugrunde gelegten Fachgruppe habe auch der
Bevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen
Verhandlung nicht machen können.
6
Die dagegen erhobene Berufung hat das LSG Baden-
Württemberg im Wesentlichen aus den Gründen des
sozialgerichtlichen Urteils zurückgewiesen
(LSG Urteil vom 16.3.2016). Der ZA habe bei der Bestimmung der
maßgeblichen Punktzahlobergrenze im Bescheid vom 27.5.2002
nicht berücksichtigt, dass diese in Höhe des hälftigen
Punktzahlvolumens der BAG hätte festgesetzt werden müssen.
Stattdessen habe der ZA in dem bestandskräftigen Bescheid eine
Festsetzung in Höhe des gesamten Volumens der Arztpraxis
vorgenommen. Dass diese Berechnungsweise des ZA
rechtswidrig gewesen sei, ändere nichts an der Bestandskraft des
Bescheides. Das rechtswidrig zu hoch festgesetzte
Punktzahlvolumen sei somit dem Abrechnungsvolumen des "Job-
Sharing-Pärchens" und damit dem hälftigen Punktzahlvolumen der
Praxis gegenüberzustellen. Bei dieser Betrachtung habe die
Klägerin die Punktzahlobergrenze in keinem der
streitgegenständlichen Quartale überschritten.
7 Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, zu deren
Begründung sie die Verletzung der §§ 23c, 23d BedarfsplRL aF
geltend macht. Der ZA habe in seinem Bescheid vom 27.5.2002
die Punktzahlobergrenze zu Recht für die gesamte BAG und nicht
lediglich für die beiden Job-Sharing-Partner Dr. R. und Dr. E.
festgesetzt. Die vom LSG zur Begründung seiner Auffassung
herangezogenen Formulierungen aus einem Urteil des BSG vom
21.3.2012 (B 6 KA 15/11 R) bezögen sich allein auf die
Berechnung des Überschreitungsvolumens von 3 % und nicht auf
die Ermittlung des bisherigen Ausgangsvolumens. Nach §§ 23c,
23d BedarfsplRL aF seien die Gesamtpunktzahlvolumina auf der
Grundlage der Gesamtheit der in der bisherigen BAG
abgerechneten Leistungen zu bilden.
8 Selbst wenn der ZA das Gesamtpunktzahlvolumen unzutreffend
festgesetzt hätte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der
sachlich-rechnerischen Richtigstellung folgen. Der ZA habe in dem
Bescheid vom 27.5.2002 klar zum Ausdruck gebracht, dass sich
die quartalsbezogenen Punktzahlvolumina auf die BAG bezögen.
In dem Bescheid werde ausgeführt, dass sich die Ärzte schriftlich
bereit erklärt hätten, den zum Zeitpunkt der Antragstellung
bestehenden Umfang der Praxis nicht wesentlich zu
überschreiten. Außerdem sei auf das quartalsbezogene
Gesamtpunktzahlvolumen der in den vier vorangegangenen
Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheide der BAG abgestellt
worden. Es werde zudem lediglich auf § 23c BedarfsplRL aF
verwiesen. Ein Hinweis, dass das Gesamtpunktzahlvolumen nach
§ 23d BedarfsplRL aF gemindert werde, finde sich nicht. Zudem
sei den Ärzten auch anhand ihrer Abrechnungsunterlagen der vier
vorangegangenen Quartale klar gewesen, dass Bezugspunkt der
Punktzahlobergrenzen die gesamte Praxis sei. Damit werde auf S
5 des Bescheides des ZA eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass
sich die dort genannten quartalsbezogenen
Gesamtpunktzahlvolumina auf die BAG bezögen. Der
bestandskräftige Bescheid des ZA entfalte Bindungswirkung, und
zwar nicht nur hinsichtlich der vom ZA ermittelten
Punktzahlobergrenzen, sondern auch bezogen auf die
Heranziehung der Punktzahlvolumina der gesamten Praxis als
Berechnungsgrundlage.
9 Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 16.3.2016 und des
SG Stuttgart vom 9.8.2012 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
10
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11
Nach dem Wortlaut des § 23d S 3 BedarfsplRL aF sei bei
Aufnahme eines Job-Sharing-Partners in eine bereits bestehende
fachgleiche BAG die das Job-Sharing kennzeichnende
Abrechnungsobergrenze (Gesamtpunktzahlvolumen)
"entsprechend der Zahl der bereits tätigen Vertragsärzte" zu
mindern. Bei einer (hier nicht vorliegenden) fachverschiedenen
BAG sei Bezugsgröße für die Obergrenze das Leistungsvolumen
des zum Job-Sharer fachidentischen Vertragsarztes. Diese
Formulierung beziehe sich nicht allein auf die Ermittlung des 3 %-
igen Überschreitungsvolumens, sondern auf sämtliche
Berechnungen nach § 23c BedarfsplRL aF. Besonders deutlich
werde dies anhand der für fachverschiedene BAG gültigen
Bestimmung des § 23d S 3 Halbs 2 BedarfsplRL aF. Wenn man
die Regelung, nach der allein das Leistungsvolumen des jeweils
fachidentischen Vertragsarztes maßgebend sein solle, auf das 3
%-ige Überschreitungsvolumen beziehen wollte, ergäbe sie keinen
Sinn, weil das 3 %-ige Überschreitungsvolumen ausnahmslos
nicht auf praxis- oder arztindividuelle Größen zu beziehen sei,
sondern auf den Fachgruppendurchschnitt. Dies entspreche im
Übrigen auch der früheren Parallelvorschrift in der BedarfsplRL-
Zahnärzte. Daraus folge, dass der ZA die Job-Sharing-
Obergrenze hier nur in Höhe des hälftigen
Gesamtpunktzahlvolumens hätte festsetzen dürfen. Die
erforderliche Halbierung habe der zuständige ZA in seinem
bestandskräftigen Bescheid vom 27.5.2002 unterlassen. Etwas
anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des 6.
Senats des BSG vom 21.3.2012 (B 6 KA 15/11 R). Zutreffend
habe der Senat in seinem Urteil die Einheitlichkeit sowohl der BAG
als auch des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) betont.
Ungeachtet der erforderlichen "Pärchenbildung" erfasse die
Verpflichtung zur Einhaltung der ("pärchenbezogenen")
Obergrenze dementsprechend immer die gesamte BAG bzw das
gesamte MVZ. Auch beim "Pärchenbezug" ergebe sich mithin
eine Bescheidung des Job-Sharings durch den ZA, bei dem die
Verpflichtung auf die quartalsbezogenen
Gesamtpunktzahlvolumina und deren Festlegung sich zwingend
Gesamtpunktzahlvolumina und deren Festlegung sich zwingend
auf die BAG als Ganzes beziehe. Vom "Pärchenbezug" betroffen
sei insoweit allein der den quartalsbezogenen
Gesamtpunktzahlvolumina zugrundeliegende Berechnungsweg.
Durch die Durchschnittsbildung beim "fachgleichen Pärchen"
werde einer etwaigen pflichtwidrigen Fehlzuordnung von
Leistungen zum Zwecke der Umgehung der Leistungsobergrenze
im Rahmen des Job-Sharings vorgebeugt. § 23d S 3 BedarfsplRL
aF müsse sachlogisch von der KÄV auch im Rahmen der
sachlich-rechnerischen Richtigstellung berücksichtigt werden. Der
Betrag der sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei auf das
"Job-Sharing-Pärchen" zu beziehen und damit in einer
Konstellation wie der vorliegenden zu halbieren.
12
Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Richtigstellungsbescheides spreche im Übrigen die Bestandskraft
des Bescheides des ZA vom 27.5.2002. Mit diesem Bescheid sei
die Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings bindend
festgesetzt worden. Der Umstand, dass der ZA die
Punktzahlobergrenze zu Unrecht bezogen auf die gesamte BAG
berechnet habe, ändere nichts an der Bindungswirkung der
Festsetzung. Das Übergehen der Minderungsregelung des § 23d
S 3 BedarfsplRL aF sei dem Bescheid des ZA vom 27.5.2002
nicht zu entnehmen gewesen.
13
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat in einer vom
Senat angeforderten Stellungnahme vom 28.7.2017 ausgeführt,
der Sinn der Regelung des § 23d S 3 BedarfsplRL aF
(entsprechend § 43 S 3 BedarfsplRL in der Neufassung vom
20.12.2012, BAnz AT 31.12.2012 B7)
bestehe darin, dass sich die Leistungsgrenze im Falle des Job-
Sharings in einer bereits bestehenden BAG nicht aufgrund der
Zahl der dort bereits tätigen Ärzte erhöhe. Auch wenn bereits
mehrere Ärzte in der BAG tätig seien, sei das
Überschreitungsvolumen in Höhe von 3 % des
Fachgruppendurchschnitts nur bezogen auf einen Arzt und nicht
bezogen auf alle Ärzte der BAG zu erhöhen. Auf den
Berechnungsweg, der dazu führe, dass die 3 %-ige Erhöhung auf
einen Arzt und nicht auf alle Ärzte der BAG bezogen werde,
komme es im Ergebnis nicht an.
Entscheidungsgründe
14
Die Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg, als die sachlich-
rechnerische Richtigstellung nicht insgesamt, sondern nur
hinsichtlich einiger Berechnungselemente zu beanstanden ist, die
sich allein auf die Höhe des Richtigstellungsbetrags auswirken
werden. Entgegen der Auffassung des LSG war die Beklagte nicht
verpflichtet, die Überschreitung der Job-Sharing-Obergrenze in
der Weise zu ermitteln, dass sie die vom ZA für die gesamte BAG
ermittelte und später fortgeschriebene Obergrenze der Hälfte des
tatsächlichen Abrechnungsvolumens der Praxis gegenüberstellt.
Die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist aber jedenfalls der
Höhe nach rechtswidrig, weil die Beklagte Über- und
Unterschreitungen der Abrechnungsobergrenzen nur innerhalb
der drei hier streitgegenständlichen Quartale II bis IV/2008
miteinander verrechnet und damit das Quartal I/2009 nicht in die
Saldierung einbezogen hat. Zudem ist die Anpassung der Job-
Sharing-Obergrenze, die jährlich entsprechend der
Honorarentwicklung der jeweiligen Fachgruppe vorzunehmen ist,
fehlerhaft erfolgt, weil die Beklagte ohne erkennbaren sachlichen
Grund im Zusammenhang mit der Vereinigung der KÄVen in
Baden-Württemberg die Fachgruppenzuordnung der Klägerin
geändert hat, ohne sicherzustellen, dass nachteilige
Auswirkungen dieser Umstellung auf den Honoraranspruch der
Klägerin so weit wie möglich vermieden werden. Bezogen auf
diese beiden Berechnungsschritte wird die Beklagte eine
Neuberechnung der Honorarrückforderung vorzunehmen haben.
15
1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung
und Rückforderung ist § 106a Abs 2 S 1 SGB V
(in der hier noch maßgebenden Fassung des Gesetzes zur
Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 14.11.2003, BGBl I 2190)
. Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Die Prüfung auf
sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des
Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen
rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen
oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts -
mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und
abgerechnet worden sind. Dazu gehört auch die Beachtung
verbindlich festgesetzter Gesamtpunktzahlvolumina durch eine
Praxis mit Job-Sharing-Partner
(BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 =
SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 14)
. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits
erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie
bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine
teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten
Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 S 1
SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X
verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-
rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des
Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach §
50 Abs 1 S 1 SGB X eine entsprechende
Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus
(stRspr, vgl BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE
114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 13; BSG Urteil vom
14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85
Nr 22, RdNr 11 - jeweils mwN)
.
16
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine sachlich-
rechnerische Richtigstellung liegen hier vor. Die der Klägerin
erteilten Honorarbescheide für die Quartale II/2008 bis IV/2008
waren richtigzustellen, weil die BAG die im Zusammenhang mit
der Zulassung der Ärztin Dr. E für die BAG festgelegten
Gesamtpunktzahlobergrenzen überschritten hat. Grundlage der
Leistungsbeschränkung für Job-Sharing-Praxen ist § 92 Abs 1 S 2
Nr 9, § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V iVm §§ 23a ff BedarfsplRL aF.
§ 92 Abs 1 S 2 Nr 9 SGB V ermächtigt den GBA, Richtlinien über
die Bedarfsplanung zu beschließen. Einzelheiten dazu regelt §
101 SGB V. Nach Abs 1 S 1 Nr 4 dieser Vorschrift beschließt der
GBA in Richtlinien Bestimmungen über Ausnahmeregelungen für
die Zulassung eines Arztes in einem Planungsbereich, für den
Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, sofern der Arzt die
vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam mit einem dort bereits
tätigen Vertragsarzt desselben Fachgebiets oder, sofern die
Weiterbildungsordnungen Facharztbezeichnungen vorsehen,
derselben Facharztbezeichnung ausüben will und sich die Partner
der BAG gegenüber dem ZA zu einer Leistungsbegrenzung
verpflichten, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich
überschreitet. Dies gilt für die Anstellung eines Arztes in einer
Einrichtung nach § 311 Abs 2 S 1 SGB V und in einem MVZ
entsprechend; bei der Ermittlung des Versorgungsgrades ist der
Arzt nicht mitzurechnen.
17
Diese Vorgaben hat der GBA in §§ 23a ff BedarfsplRL aF
umgesetzt. Eine der Voraussetzungen einer Job-Sharing-
Zulassung ist nach § 23a Nr 4 BedarfsplRL aF, dass sich der
bereits zugelassene Vertragsarzt und der Antragsteller (Bewerber
um die Job-Sharing-Zulassung) gegenüber dem ZA schriftlich
bereit erklären, während des Bestandes der BAG mit dem
Antragsteller den zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden
Praxisumfang nicht wesentlich zu überschreiten und die dazu
nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen vom ZA
festgelegte Leistungsbeschränkung anzuerkennen; soll der
Antragsteller in eine bereits gebildete BAG aufgenommen werden,
so sind die Erklärungen von allen Vertragsärzten abzugeben.
18
Die Berechnung der Leistungsbegrenzung ist in § 23c
BedarfsplRL aF näher geregelt. Danach legt der ZA vor der
Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung
Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung
zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der
gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den
vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen
Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene
Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung der
ärztlichen Leistungen im Rahmen der BAG von dem Vertragsarzt
sowie dem Antragsteller nach seiner Zulassung gemeinsam als
Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese
Gesamtpunktzahlvolumina sind so festzulegen, dass die in einem
entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem
erstzugelassenen Vertragsarzt anerkannten
Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 % überschritten
werden. Das Überschreitungsvolumen von 3 % wird jeweils auf
den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals bezogen.
Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen
(Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen) wird nach
§ 23f BedarfsplRL aF durch die KÄV angepasst. Bei Internisten ist
zur Ermittlung des Fachgruppendurchschnittes auf die
Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur
hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im
Übrigen gilt für Anpassungen § 23e BedarfsplRL aF.
Außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie zB Krankheit
eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine Saldierung von
Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen
im Vergleich zum Vorjahresvolumen ist zulässig. Der ZA trifft
seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die KÄV
übermittelten Angaben. Für den Fall, dass der Antragsteller in
eine bereits bestehende BAG aufgenommen werden soll,
bestimmt § 23d S 3 BedarfsplRL aF, dass der ZA die
Berechnungen nach § 23c BedarfsplRL aF entsprechend der Zahl
der bereits tätigen Vertragsärzte in der BAG zu mindern hat;
handelt es sich um eine fachverschiedene BAG, so ist
Bezugsgröße für die Leistungsbeschränkung das
Leistungsvolumen des fachidentischen Vertragsarztes.
19
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Klägerin ist
die Festsetzung der Obergrenze nach § 23c BedarfsplRL aF
durch den ZA rechtmäßig erfolgt. Insbesondere hat er die
Obergrenze zutreffend bezogen auf die gesamte BAG berechnet
und nicht - mit Blick auf den Eintritt der Job-Sharing-Partnerin in
eine bereits aus zwei Ärzten bestehende BAG - lediglich in Höhe
des halben Betrages.
20
a) Aus dem Bescheid des ZA vom 27.5.2002 geht eindeutig
hervor, dass die festgesetzte Obergrenze auf die gesamte BAG
bezogen wird. So wird auf S 5 des Bescheides formuliert: "Die
Ärzte der Gemeinschaftspraxis und Frau Dr. E. haben sich
gegenüber dem ZA schriftlich bereit erklärt, während des
Bestands der Gemeinschaftspraxis den zum Zeitpunkt der
Antragstellung bestehenden Umfang der Praxis nicht wesentlich
zu überschreiten. […] Der ZA hat vor der Erteilung der Zulassung
von Frau Dr. E. in einer verbindlichen Feststellung zur
Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der
gegenüber den Ärzten der Gemeinschaftspraxis in den
vorausgegangenen vier Quartalen ergangenen
Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlen
festgelegt, welche bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen
nach der Zulassung von Frau Dr. E. gemeinsam als
Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese
quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina lauten wie folgt:
[…]". Einen Verfügungssatz, der die nachfolgend genannten
"Vergleichspunktzahlvolumen, bei dessen Überschreitung eine
Honorarkürzung zulässig ist", allein auf das "Job-Sharing-
Pärchen" Dr. R. und Dr. E. beziehen würde, enthält der Bescheid
nicht.
21
An die davon abweichenden Annahmen der Vorinstanzen zum
Inhalt der mit Bescheid des ZA vom 27.5.2002 getroffenen
Regelungen ist der Senat nicht gebunden. Vielmehr obliegt die
Auslegung von Bescheiden auch dem Revisionsgericht
(stRspr, vgl BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a V 1/06 R - Juris
RdNr 22; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 13 R 15/13 R - Juris RdNr
20, jeweils mwN)
. Maßstab der Auslegung ist der "Empfängerhorizont" eines
verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt,
welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB)
erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat
(hierzu BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-
1500 § 192 Nr 2 RdNr 18 mwN)
. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der ZA die von
ihm festgesetzten Obergrenzen auf die gesamte Praxis bezogen
hat.
22
b) Diese auf die gesamte Praxis bezogene Festsetzung der
Obergrenzen ist rechtmäßig. Wie der Senat bereits mit Urteil vom
21.3.2012 (B 6 KA 15/11 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 12)
entschieden hat, ist mit dem Begriff des
Gesamtpunktzahlvolumens in § 23c BedarfsplRL aF die Zahl der
Punkte gemeint, die von der Praxis insgesamt abgerechnet
werden. Im Falle einer BAG betrifft das Gesamtpunktzahlvolumen
(Punkzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen) also nicht
das von dem einzelnen Mitglied der BAG abgerechnete
Punktzahlvolumen, sondern das Volumen der von allen Ärzten der
BAG abgerechneten Punkte.
23
Für diese Auslegung spricht bereits die gesetzliche Vorgabe in §
101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, nach der sich "die Partner der BAG"
verpflichten müssen, den "bisherigen Praxisumfang" nicht
wesentlich zu überschreiten, sowie die ergänzende Vorgabe in §
23a Nr 4 BedarfsplRL aF, nach der die Erklärungen bei der
Aufnahme eines Arztes in eine bereits gebildete BAG von allen
Vertragsärzten abzugeben sind. Die erkennbar angestrebte
Begrenzung des "Praxisumfangs" könnte nicht gewährleistet
werden, wenn das Gesamtpunktzahlvolumen nach § 23c
BedarfsplRL aF nur bezogen auf den Antragsteller (auf die neue
Zulassung) und seinen Job-Sharing-Partner, nicht aber bezogen
auf weitere BAG-Partner erstreckt würde. In dem og Urteil vom
21.3.2012 (B 6 KA 15/11 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 12 RdNr 29),
das sich auf Honoraransprüche für das Jahr 2006 und damit auf
einen Zeitraum vor Einführung der lebenslangen Arztnummer
(LANR) zum 1.7.2008 bezog
(vgl § 37a, § 44 Abs 7 Bundesmantelvertrag Ärzte sowie die
Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 Abs
7 SGB V zur Vergabe der Arzt-, Betriebsstätten- sowie der
Praxisnetznummern)
, hat der Senat zur Begründung dieses Ergebnisses auch darauf
abgestellt, dass die KÄV nicht erkennen könne, welcher Arzt in
einem MVZ eine bestimmte Leistung erbracht habe. Aber auch
unabhängig davon führt jede Individualisierung auf einzelne Ärzte
zu praktischen Schwierigkeiten, die auf der Grundlage der
bestehenden Regelungen schwer lösbar sind. Insbesondere
könnte die Beschränkung auf ein allein für die Job-Sharing-
Partner innerhalb der BAG festgelegtes Punktzahlvolumen gerade
bei fachgleichen BAGen, aber auch bei fachverschiedenen
BAGen mit ähnlichem Leistungsspektrum, verhältnismäßig leicht
umgangen werden, indem die Erbringung von besonders hoch
bewerteten Leistungen regelmäßig von einem BAG-Partner
übernommen wird, auf den sich die Beschränkung nicht bezieht.
Der Senat hält vor diesem Hintergrund auch für die Zeit nach
Einführung der LANR daran fest, dass die Bildung von
Teilabrechnungsvolumina mit Obergrenzen, die sich allein auf das
"Job-Sharing-Pärchen" innerhalb einer größeren BAG beziehen,
voraussetzen würde, dass der GBA Regelungen trifft, die
gewährleisten, dass die gesetzliche Vorgabe des § 101 Abs 1 S 1
Nr 4 SGB V auch unter Berücksichtigung der angesprochenen
Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragspartner einer BAG
umgesetzt werden kann. Darauf hat der Senat bereits in seiner
Entscheidung vom 21.3.2012
(B 6 KA 15/11 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 12 RdNr 33 f)
hingewiesen. Die maßgebenden Bestimmungen der §§ 23a ff
BedarfsplRL aF
(bzw die damit inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden
Regelungen der §§ 40 BedarfsplRL vom 20.12.2012, BAnz AT
Regelungen der §§ 40 BedarfsplRL vom 20.12.2012, BAnz AT
31.12.2012 B7)
sind seitdem jedoch nicht entsprechend umgestaltet worden.
Dass die durch den Eintritt eines Job-Sharing-Partners in eine
BAG bewirkte Beschränkung der abrechenbaren Punktzahl für die
gesamte BAG die Attraktivität des Job-Sharing gerade für größere
BAGen einschränken kann, hat der Senat bereits in seiner
Entscheidung vom 21.3.2012 nicht übersehen. Dies betrifft jedoch
nicht eine Frage der Auslegung des geltenden Rechts, sondern
der möglichen Fortentwicklung durch den GBA (aaO RdNr 32 f).
24
Solange Bestimmungen zum Umgang mit den og praktischen
Schwierigkeiten bei der Begrenzung von Leistungen innerhalb
einer aus mehr als zwei Ärzten bestehenden Job-Sharing-BAG
nicht getroffen worden sind, kann die in § 23d S 3 BedarfsplRL aF
geregelte Halbierung nicht auf das von einer BAG insgesamt
abrechenbare Gesamtpunktzahlvolumen, sondern nur auf den
Rechenweg bei der Ermittlung des Überschreitungsvolumens von
3 % bezogen werden. Der von der Klägerin im Grundsatz
zutreffend hervorgehobene Umstand, dass die in § 23d S 3 Halbs
2 BedarfsplRL aF für fachverschiedene Gemeinschaftspraxen
getroffene Regelung, nach der Bezugsgröße für die
Leistungsbeschränkung das Leistungsvolumen "des
fachidentischen Vertragsarztes" ist, eher gegen eine Anwendung
allein auf das Überschreitungsvolumen von 3 % spricht, weil
dieses gerade nicht arztindividuell, sondern nach § 23c S 3
BedarfsplRL aF fachgruppenbezogen berechnet wird, zwingt aus
den bereits im Urteil des Senats vom 21.3.2012 dargelegten
Gründen nicht zu einer anderen Auslegung. Die Auffassung des
Senats wird im Übrigen durch die vom GBA im vorliegenden
Verfahren abgegebene Stellungnahme vom 28.7.2017 bestätigt.
Danach bewirkt die in § 23d S 3 BedarfsplRL aF
(heute inhaltsgleich in § 43 Abs 1 S 3 BedarfsplRL) getroffene
Regelung, nach der "die Berechnung nach § 23c entsprechend
der Zahl der bereits tätigen Vertragsärzte in der
Gemeinschaftspraxis zu mindern" ist, dass sich das
Überschreitungsvolumen in Höhe von 3 % bei Eintritt eines Job-
Sharing-Partners in eine BAG betragsmäßig nicht nach der Größe
der BAG richtet, sondern allein auf einen Arzt bzw den
entsprechenden Fachgruppendurchschnitt
(vgl § 23c S 3 BedarfsplRL aF) zu beziehen ist. Anderenfalls
würde der Betrag des Überschreitungsvolumens von der Zahl der
vor dem Job-Sharing bereits in der BAG tätigen Ärzte abhängen.
Zudem könnte der sukzessive Eintritt mehrerer Job-Sharing-
Partner in eine größere BAG zu einer Erhöhung des
Überschreitungsvolumens auf ein Mehrfaches der vorgesehenen
3 % führen. In Übereinstimmung damit hat der ZA das
Überschreitungsvolumen vorliegend in dem Bescheid vom
27.5.2002 ersichtlich in Höhe von 3 % der durchschnittlichen
Abrechnung nur eines invasiv tätigen Kardiologen festgelegt,
obwohl in der Praxis zum Zeitpunkt des Eintritts von Dr. E. bereits
zwei Kardiologen tätig waren.
25
Dass der Eintritt eines Job-Sharing-Partners in eine BAG im
Ergebnis zu einer Begrenzung der abrechenbaren Punktzahlen
bezogen auf die gesamte BAG führen muss, zieht im Übrigen
auch die Klägerin nicht in Zweifel. Sie macht allein geltend, dass
die Gesamtpunktzahlvolumina, die der ZA nach § 23c
BedarfsplRL aF festzusetzen hat, gemäß § 23d BedarfsplRL aF
zu halbieren seien und dass der ZA diesen Rechenschritt hier
unterlassen habe. Nach §§ 23c bis 23e BedarfsplRL aF ist der ZA
sowohl für die erstmalige Festsetzung des
Gesamtpunktzahlvolumens als auch für eine erforderlich
werdende Neubestimmung zuständig. Der KÄV kommt nach §
23c S 4, § 23f BedarfsplRL aF die Aufgabe zu, auf dieser
Grundlage den quartalsbezogenen Anpassungsfaktor und
hiernach die jährlich anzupassenden Gesamtpunktzahlvolumina
zu ermitteln. Wenn diese Gesamtpunktzahlvolumina nicht die
Punktzahlobergrenze der Praxis abbilden würden, sondern auf
dem nach § 23d S 3 BedarfsplRL aF um die Zahl der vor Eintritt
des Job-Sharing-Partners bereits tätigen Ärzte geminderten Wert
beruhen würde, würde sich die Frage stellen, durch wen und auf
welcher normativen Grundlage die Festlegung der Obergrenze für
die gesamte Praxis erfolgen soll. Schließlich kann nicht
angenommen werden, dass sich alle Mitglieder der BAG nach §
101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, § 23a Nr 4 Halbs 2 BedarfsplRL aF
zur Einhaltung einer Obergrenze bereit erklären müssen, die nicht
für alle Mitglieder der BAG festgelegt wird.
26
Wie auch der GBA in seiner Stellungnahme vom 28.7.2017
erläutert hat, handelt es sich bei der Frage der Umsetzung der
Vorgabe nach § 23d S 3 BedarfsplRL aF - jedenfalls wenn es wie
hier um eine fachgleiche BAG geht - allein um eine solche des
Berechnungsweges ohne Auswirkungen auf die Höhe der letztlich
für die gesamte BAG festzulegenden Obergrenze. Entgegen der
Auffassung der Klägerin würde sich eine Berechnung in der
Weise, dass das Gesamtpunktzahlvolumen in einem ersten
Schritt lediglich für das "Job-Sharing-Pärchen" und nicht für die
gesamte Praxis ermittelt würde, auch nicht auf den Betrag
auswirken, um den die Honorarforderung sachlich-rechnerisch zu
berichtigen ist. Insbesondere kann § 23d S 3 BedarfsplRL aF
keine Wertung dahin entnommen werden, dass der
Regressbetrag allein auf das "Job-Sharing-Pärchen" zu beziehen
wäre, mit der Folge, dass sich der Regressbetrag in Fällen wie
dem vorliegenden (Eintritt eines Job-Sharing-Partners in eine
bereits aus zwei Partnern bestehende fachgleiche BAG) halbieren
würde. Der Regress, der wegen Überschreitung der Job-Sharing-
Obergrenze festgesetzt wird, ist nicht auf einzelne Ärzte einer
BAG, sondern auf die BAG als Ganzes zu beziehen. In der
Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass Adressat des
Honorarbescheides im Falle der gemeinschaftlichen Ausübung der
ärztlichen Tätigkeit die BAG und nicht der einzelne Arzt ist, der
der BAG angehört
(BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 22/10 R - SozR 4-2500 § 85
Nr 65 RdNr 12)
. Die BAG tritt der KÄV wie ein Einzelarzt als einheitliche
Rechtspersönlichkeit gegenüber. Dementsprechend ist sie
rechtlich gesehen eine Praxis
(BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33
Nr 2 RdNr 18; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 22/10 R -
SozR 4-2500 § 85 Nr 65 RdNr 12; BSG Urteil vom 20.10.2004 - B
6 KA 41/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom
8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R - MedR 2011, 823 RdNr 23; BSG
Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 15/04 R - SozR 4-1930 § 6 Nr 1
RdNr 14; Engelmann in von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre
BSG, S 429, 435)
. Sie erwirbt gegenüber der KÄV Honoraransprüche und ist ggf
zur Rückzahlung überzahlten Honorars verpflichtet
(BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 24/15 R - BSGE 121, 154 =
SozR 4-2500 § 103 Nr 19, RdNr 14; BSG Urteil vom 16.7.2003 -
B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 23; zur
gesamtschuldnerischen Haftung jedes ihrer Mitglieder vgl BSG
Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 41/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 6
RdNr 22)
. Für die sachlich-rechnerische Richtigstellung der
Honorarfestsetzung kann im Grundsatz nichts anderes gelten als
für die erstmalige Festsetzung. Dementsprechend hat die
sachlich-rechnerische Richtigstellung wegen Überschreitung der
Job-Sharing-Obergrenze in der Höhe zu erfolgen, in der die von
der BAG als Ganzes abgerechneten Leistungen in Punkten
(oder in Euro, vgl die Anmerkung zu § 23c BedarfsplRl aF;
entsprechend § 42 Abs 2 BedarfsplRL Fassung 2012)
die Obergrenze überschreiten.
27
3. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist jedoch der Höhe
nach rechtswidrig, weil die Beklagte Über- und Unterschreitungen
der abrechenbaren Gesamtpunktzahl nur innerhalb der Quartale
II/2008 bis IV/2008 verrechnet und das Quartal I/2009 nicht
einbezogen hat. Nach § 23c S 7 Halbs 2 BedarfsplRL aF
(entsprechend § 42 S 7 Halbs 2 BedarfsplRL Fassung 2012) ist
eine Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der
Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
"zulässig". Damit wird der KÄV kein Ermessen zu der Frage
eingeräumt, ob sie eine Saldierung vornehmen möchte, sondern
es wird eine Pflicht zur Saldierung begründet, soweit die
Möglichkeit dazu besteht. Eine Saldierung kann danach zB in
Fällen, in denen die BAG aufgelöst wird, ausgeschlossen sein.
Gegen die Einräumung eines Ermessensspielraums spricht nicht
zuletzt der Umstand, dass Gesichtspunkte, die in die
Ermessensausübung einfließen könnten, nicht ersichtlich sind. Die
Beklagte hat hier auch kein Ermessen ausgeübt, sondern sie ist
davon ausgegangen, dass eine Saldierung unter Einbeziehung
des Quartals I/2009 "mangels Vergleichbarkeit nicht möglich"
gewesen sei. Das trifft indes nicht zu. Allein der Umstand, dass
die Obergrenzen im Hinblick auf eine Neuregelung der
vertragsärztlichen Vergütung neu festgelegt wurden, begründet
noch keine Notwendigkeit, von einem Ausgleich abzusehen. Dabei
kann offenbleiben, ob der ZA die Job-Sharing-Obergrenze mit
Bescheid vom 25.10.2010 anknüpfend an die tatsächlich in
diesem Quartal durch die BAG abgerechneten Leistungen
zuzüglich 3 % des Fachgruppendurchschnitts (entsprechend
2455,31 Euro) auf 215 224,19 Euro rechtmäßig neu festgesetzt
hat
(zur Neufestsetzung im Zusammenhang mit der Neuordnung der
vertragsärztlichen Vergütung zum 1.1.2009 vgl BSG Urteil vom
15.7.2015 - B 6 KA 26/14 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 18)
15.7.2015 - B 6 KA 26/14 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 18)
. Der entsprechende Bescheid des ZA ist jedenfalls
bestandskräftig geworden. Danach hat die Klägerin die Job-
Sharing-Obergrenze im Quartal I/2009 um 2455,31 Euro
unterschritten. Dementsprechend hätte die Unterschreitung in die
Saldierung einbezogen werden müssen mit der Folge, dass die
sachlich-rechnerische Richtigstellung um diesen Betrag zu
reduzieren ist. Eine "Vergleichbarkeit" der Vergütungssystematik
in den einzubeziehenden vier Quartalen wird nach § 23c S 7
Halbs 2 BedarfsplRL aF nicht vorausgesetzt.
28
4. Die Berechnung der Honorarrückforderung ist darüber hinaus
auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Klägerin bezogen
auf die nach § 23f BedarfsplRL aF im Jahresrhythmus
vorzunehmende Anpassung einer anderen Fachgruppe
zugeordnet hat, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund dargelegt
oder eine nachvollziehbare Umstellung vorgenommen worden
wäre. Hintergrund für die Änderung der Fachgruppenzuordnung
der Klägerin war die nach § 77 Abs 1 S 3 SGB V idF des GMG
vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) verbindlich vorgegebene
Vereinigung der ursprünglich vier KÄVen im Land Baden-
Württemberg zur KÄV Baden-Württemberg. Die Klägerin hatte
ihren Sitz zum Zeitpunkt des Eintritts der Job-Sharing-Partnerin
Dr. E. im Bezirk der KÄV Nordbaden. Der Anpassungsfaktor nach
§ 23f BedarfsplRL aF war von der KÄV Nordbaden auf der
Grundlage einer Zuordnung der Klägerin zur Fachgruppe der
"invasiv tätigen Kardiologen" mit Sitz im Bezirk Nordbaden
vorgenommen worden.
29
Die Beklagte hat den Anpassungsfaktor mit der Begründung neu
festgesetzt, dass die ursprüngliche "Prüfgruppe 1932" nach der
Vereinigung von vier KÄVen zur KÄV Baden-Württemberg nicht
mehr existiere. Eine gesonderte Untergruppe der invasiv tätigen
Kardiologen habe es ab 2008 nicht mehr gegeben. Dieses
Vorbringen spricht für Änderungen bezogen auf die
Gruppenbildung bei der Durchführung von
Wirtschaftlichkeitsprüfungen, erklärt aber nicht, weshalb für die
jährliche Anpassung der Job-Sharing-Obergrenze der Klägerin
nicht mehr an die Fachgruppe der "invasiv tätigen Kardiologen"
angeknüpft werden konnte. Zwar sah der im Bezirk der Beklagten
für das Jahr 2008 vereinbarte Honorarverteilungsvertrag (HVV)
die Bildung eines einheitlichen "Honorartopfes" für die Gruppe der
Kardiologen vor. Verschiedene Regelungen zur
Honorarbegrenzung
(Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung nach § 3 HVV,
Punktzahlgrenzvolumen nach § 4 Abs 1 HVV,
arztgruppenspezifische Zusatzmodule nach § 4 Abs 2 HVV)
unterschieden jedoch weiterhin zwischen invasiv tätigen
Kardiologen und nicht invasiv tätigen Kardiologen, sodass nicht
nachvollzogen werden kann, aus welchem Grund der
Anpassungsfaktor für die Klägerin ohne Berücksichtigung dieser
Differenzierung ab 2008 neu festgelegt worden ist.
30
Allerdings können sich auch im Falle einer Beibehaltung der
Zuordnung zur Gruppe der invasiv tätigen Kardiologen durch die
Zusammenlegung der KÄV-Bezirke und dadurch bedingte
Änderungen in der Zusammensetzung der Gruppe der invasiv
tätigen Kardiologen Verwerfungen ergeben, die im
Zusammenhang mit der Berechnung der Anpassung nach § 23f
BedarfsplRL aF nicht unberücksichtigt bleiben können. Die
Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den quartalsbezogenen
Fachgruppendurchschnitt speziell bezogen auf die in Nordbaden
niedergelassenen invasiv tätigen Kardiologen zeitlich unbegrenzt
zugrunde zu legen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass das
Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zur Änderung der
Fachgruppenzuordnung einer Neuberechnung des
Anpassungsfaktors unter den hier gegebenen besonderen
Umständen nicht generell entgegensteht. Die Folgen einer
Vereinigung von KÄVen sind bei der Fassung des § 23f
BedarfsplRL aF ersichtlich nicht bedacht worden, sodass insoweit
von einer Regelungslücke ausgegangen werden kann.
31
Wenn die Beklagte nicht weiterhin an einer Anpassung
entsprechend der Honorarentwicklung der invasiv tätigen
Kardiologen mit Sitz im Bezirk der ehemaligen KÄV Nordbaden
festhält, wird sie indes die Neuberechnung so vorzunehmen
haben, dass sich diese nicht zum Nachteil der Klägerin auswirkt:
Der Anpassungsfaktor entspricht dem Grad, mit dem die Praxis
im Zeitpunkt des Eintritts des Job-Sharing-Partners den
Fachgruppendurchschnitt unter- oder überschreitet. Er
gewährleistet damit, dass die Job-Sharing-BAG nicht statisch an
dem bei ihrer Gründung erreichten Honorar festgehalten wird,
sondern ihr Honorar entsprechend dem Durchschnitt der zum
Vergleich herangezogenen Fachgruppe steigern kann. Die
bezweckte kontinuierliche Dynamisierung der Job-Sharing-
Obergrenze parallel zur Honorarentwicklung der Fachgruppe
würde durch eine Änderung der Fachgruppenzuordnung, die in
der Zeit nach der Ermittlung des Anpassungsfaktors
der Zeit nach der Ermittlung des Anpassungsfaktors
vorgenommen wird, durchbrochen. Durch die Orientierung an
einer Arztgruppe mit höherem Durchschnittshonorar würde die
Job-Sharing-BAG bei unverändertem Anpassungsfaktor
ungerechtfertigt begünstigt und durch die Orientierung an einer
Arztgruppe mit niedrigerem Honorar ungerechtfertigt
benachteiligt. Wie sich auch aus den Anlagen 1 und 2 des im
Bezirk der Beklagten geltenden HVV 2008 ergibt, sind die
durchschnittlichen Fallzahlen der invasiv tätigen Kardiologen zwar
etwas geringer als die durchschnittlichen Fallzahlen der
Kardiologen (allgemein). Andererseits sind die Fallpunktzahlen der
invasiv tätigen Kardiologen deutlich höher, was bei der Umstellung
von der Gruppe der invasiv tätigen Kardiologen zur Gruppe der
Kardiologen (allgemein) zu berücksichtigen wäre. Das hat auch
die Beklagte im Grundsatz nicht verkannt und zum Ausgleich für
die Änderung der Fachgruppenzuordnung die Job-Sharing-
Obergrenze in den Basisquartalen um 60 Punkte pro
Ordinationskomplex und um 130 Punkte pro Fall der Quartale
IV/2006 bis III/2007 erhöht. Zu der Frage, wie diese
Berechnungsfaktoren zustande gekommen sind und ob die mit
der Änderung der Fachgruppenzuordnung für die Klägerin
vermutlich verbundenen Nachteile dadurch vollständig
ausgeglichen werden konnten, konnte die Beklagte jedoch
während des gesamten Verfahrens und auch auf Nachfrage des
Senats im Revisionsverfahren keine nachvollziehbaren Angaben
machen.
32
Die Beklagte wird den Betrag der sachlich-rechnerischen
Richtigstellung daher für die drei streitbefangenen Quartale
II/2008 bis IV/2008 auch insoweit neu zu berechnen haben. Für
den Fall, dass die Beklagte von der hier ausnahmsweise
bestehenden Möglichkeit Gebrauch macht, die als Maßstab für
die Weiterentwicklung der Job-Sharing-Obergrenze
heranzuziehende Fachgruppe neu zu bestimmen
(vgl oben RdNr 30), wird sie den neuen Anpassungsfaktor so zu
ermitteln haben, dass sich die Job-Sharing-Obergrenze in den
vier Umstellungsquartalen nicht zuungunsten der Klägerin
verändert. Dem könnte Rechnung getragen werden, indem das
Produkt aus dem bisherigen quartalsbezogenen
Anpassungsfaktor und dem Punktzahlvolumendurchschnitt der
bisherigen Fachgruppe der invasiv tätigen Kardiologen in
Nordbaden durch den Punktzahlvolumendurchschnitt der neu
herangezogenen Fachgruppe in demselben Zeitraum geteilt wird.
33
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO.
Sie berücksichtigt, dass die Klägerin bezogen auf zwei von drei
geltend gemachten Aspekten, die bei der Neubescheidung zu
berücksichtigen sein werden, Erfolg gehabt hat. Bezogen auf den
wirtschaftlich bedeutsamsten Aspekt ist die Klägerin jedoch
unterlegen. Da zudem nicht absehbar ist, ob sich die
Neuberechnung des Anpassungsfaktors im Ergebnis überhaupt
zugunsten der Klägerin auswirken wird, hat die Klägerin 2/3 und
die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen
(§ 155 Abs 1 VwGO).