Urteil des BSG vom 21.03.2018

Vertragsärztliche Versorgung - Gebot der persönlichen Leistungserbringung - ermächtigter Facharzt für Pathologie - Befund von nachgeordneten Ärzten

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 21.3.2018, B 6 KA 47/16
R
ECLI:DE:BSG:2018:210318UB6KA4716R0
Vertragsärztliche Versorgung - Gebot der persönlichen
Leistungserbringung - ermächtigter Facharzt für Pathologie -
Befund von nachgeordneten Ärzten
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. März 2016 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische
Richtigstellung seiner Honorarbescheide für die Quartale II/2005 bis
III/2007 und eine Honorarrückforderung in Höhe von 497 302,41
Euro.
2 Der Kläger ist Facharzt für Pathologie und war bis 2015 Direktor des
Instituts für Allgemeine Pathologie der Universität Seit 1993 war er
zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Die
Ermächtigung erstreckte sich auf die Erbringung und Abrechnung
von histologischen und zytologischen Leistungen
(Beschlüsse des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 25.6.2003,
29.6.2005 und 13.6.2007)
. Ab dem 1.1.2008 bestand eine Institutsermächtigung; seit dem
10.7.2008 werden die Leistungen von einem Medizinischen
Versorgungszentrum erbracht. In den streitbefangenen Quartalen
erzielte der Kläger ein Honorar von insgesamt 932 442,01 Euro.
3
Im September 2006 teilte die beklagte KÄV dem Kläger mit, es seien
Auffälligkeiten in seinen Abrechnungen für die Quartale II/2005 bis
IV/2005 festgestellt worden. Histologische oder zytologische
Untersuchungen nach Gebührenordnungsposition (GOP) 19310
des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für Ärzte - EBM-Ä -
(Zytologische oder histologische Untersuchung eines Materials)
seien bis zu 350 mal (19.10.2005) an einem einzigen Arbeitstag in
Ansatz gebracht worden, was bei einer zeitlichen Mindestvorgabe
von vier Minuten einer Arbeitszeit von über 23 Stunden entspreche.
Der Kläger wies darauf hin, dass er als erfahrener Pathologe
weniger Zeit benötige und der größte zeitliche Aufwand auf die
nichtärztlichen Labortätigkeiten entfalle. Ein wesentlicher Teil der
von ihm zu beurteilenden Proben stamme aus dem Bereich der
gastroenterologischen Endoskopie sowie der urologischen
Stanzbiopsien. Gerade bei letzteren Proben seien oft zehn bis zwölf
getrennte Biopsien einer Prostata zu beurteilen, sodass für einen
einzigen Fall zwar theoretisch Prüfzeiten von 40 Minuten anfielen,
die Beurteilung praktisch aber viel weniger Zeit erfordere.
4
Im Juni 2007 erstattete die Beklagte eine Strafanzeige wegen des
Verdachts des Abrechnungsbetrugs gegen den Kläger. Die
Beklagte holte auf Bitten der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme
bei der KÄBV ein zu den Fragen, ob nach der Leistungslegende der
GOP 19310 EBM-Ä eine Aufspaltung dieser Untersuchung in einen
laborchemischen und einen befundenden Teil zulässig sei und ob in
einem solchen Fall die veranschlagte Zeit von vier Minuten auch
dann realistisch sei, wenn der Arzt bis zu zehn Materialien eines
Organs befunde. Die KÄBV führte in ihrem Antwortschreiben aus,
der durch nichtärztliches Personal erbrachte labortechnische Anteil
fließe in die Bewertung der Leistung mit 123 Punkten ein und der
durch den Arzt erbrachte Leistungsanteil sei mit 113 Punkten
bewertet. Hierbei sei zu beachten, dass in dem ärztlichen Anteil
auch die Überwachung der labortechnisch erbrachten Untersuchung
durch das nichtärztliche Personal enthalten sei. Die
mischkalkulatorisch im ärztlichen Leistungsanteil eingerechnete
makroskopische Untersuchung des eingegangenen Materials werde
im Falle der überdurchschnittlichen Erbringung von Untersuchungen
eines Organs möglicherweise überschätzt. Auf eine Rückfrage des
Bevollmächtigten des Klägers teilte die KÄBV ergänzend mit, es sei
ausreichend, dass der Pathologe die Schnittproben selbst
mikroskopiere. Der Arzt müsse den Befund selbst erheben und dürfe
nicht nur kontrollierend tätig sein.
5 Nachdem eine von der Staatsanwaltschaft angestrebte
einvernehmliche Erledigung des Verfahrens nicht zustande kam,
erhob die Staatsanwaltschaft am 18.1.2011 Anklage. Das
Landgericht stellte das Verfahren mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft durch Beschlüsse vom 27.1.2012 und 7.5.2012
gegen Leistung einer Geldauflage in Höhe von 135 000 Euro gemäß
§ 153a Strafprozessordnung (StPO) ein.
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Mit Bescheid vom 14.2.2012 hob die Beklagte die
Honorarbescheide für die Quartale II/2005 bis III/2007 auf und setzte
eine Honorarrückforderung in Höhe von 497 302,41 Euro fest. Die
vom Kläger abgegebenen Sammelerklärungen seien unrichtig
gewesen. In allen Prüfquartalen seien an zahlreichen Tagen auffällig
hohe Tagesprofilzeiten mit mehr als sieben Stunden Arbeitszeit
festgestellt worden, wofür die Abrechnung der GOP 19310 und
19312 EBM-Ä
(Zuschlag zu den GOP 19310 und 19311 für die histologische oder
zytologische Untersuchung eines Materials unter Anwendung von
Sonderverfahren)
ursächlich sei. An vielen Tagen liege die Tagesprofilzeit über 12
Stunden. Dies lasse den Schluss einer zumindest grob fahrlässigen
Falschabrechnung zu, zumal es sich beim Kläger um einen
Krankenhausarzt mit vielen weiteren beruflichen Funktionen
handele. Der Kläger leite das Pathologische Institut, betreue einen
Lehrstuhl an der Universität und halte bei Kongressen Vorträge. Bei
dem für die Prüfung zugrunde gelegten Zeitaufwand von vier
Minuten für die GOP 19310 EBM-Ä handele es sich um einen
realistischen durchschnittlichen Zeitaufwand. Eine Auswertung von
Arztbriefen aus der Abteilung des Klägers habe ergeben, dass diese
teilweise gar nicht oder nicht von ihm unterzeichnet worden seien.
Die Staatsanwaltschaft habe auch festgestellt, dass von 58 437
ausgewerteten Befunden keiner durch den Kläger, sondern alle
durch nachgeordnete Fachärzte des Instituts für Pathologie erstellt
worden seien. Die Überprüfung der Abwesenheitszeiten des Klägers
habe ergeben, dass er im Prüfzeitraum mit 638 Arbeitstagen an 350
Tagen nicht im Klinikum anwesend gewesen sei. Insgesamt sei zu
konstatieren, dass er kaum Primärbefundungen durchgeführt und
bestenfalls die Befunde der im Institut tätigen Fachärzte kontrolliert
und ggf deren Briefe korrigiert habe.
7 Mit Bescheid vom 20.2.2013 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Der Kläger habe den Grundsatz der persönlichen
Leistungserbringung in erheblichem Maße verletzt. Die auffälligen
Zeitprofile hätten zunächst als Aufgreifkriterium für die Einleitung der
Plausibilitätsprüfung gedient. Auch unter Berücksichtigung der
Neubewertung der Prüfzeit für die GOP 19312 von zwei Minuten auf
eine Minute werde ein Quartalsprofil von 156 Stunden erheblich
überschritten.
8
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger insbesondere
geltend gemacht, er habe sich zur Erbringung von Leistungen im
Rahmen seiner Ermächtigung für die notwendigen
Vorbereitungstätigkeiten auch der im Institut für Pathologie
vorgehaltenen sachlichen und personellen Mittel bedient und hierfür
auch Mitarbeiter auf eigene Kosten angestellt. Nach Eingang einer
Probe sei diese zunächst durch nichtärztliche Mitarbeiter des
Instituts entgegengenommen und von diesen allein oder gemeinsam
mit einem im Institut tätigen Assistenzarzt weiterverarbeitet worden,
um ein fertiges Präparat (so genannter Dünnschnitt) zu erhalten, das
am Mikroskop untersucht werden könne. Die Präparate seien dann
in einem ersten Schritt durch die am Institut tätigen Assistenz- oder
Fachärzte am Mikroskop beurteilt worden, die auch einen
entsprechenden Befundbericht diktiert hätten. Dies sei regelmäßig
während der Zeiträume erfolgt, in denen er seinen weiteren
Verpflichtungen (Forschungs- und Lehrtätigkeiten sowie
Verwaltungsaufgaben) nachgegangen sei. Bei Befundberichten, die
von Assistenzärzten im Rahmen ihrer Weiterbildung vorformuliert
worden seien, sei in jedem Fall die zugehörige Probe nochmals
durch einen der Fachärzte unter dem Mikroskop untersucht worden.
Bei Patienten, die aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung zu
beurteilen gewesen seien, seien die Präparate in einem letzten
Schritt regelhaft ihm selbst zur erneuten persönlichen Untersuchung
am Mikroskop vorgelegt worden. Er habe sich dann den Entwurf
entweder durch Unterschrift oder Freigabe zu eigen gemacht oder
diesen korrigiert. Diese Tätigkeit habe er regelmäßig nachmittags
und abends ausgeführt. Die Befundberichte seien vielfach ohne
Unterschrift vorab als Computerfax versandt worden. Er habe
regelmäßig mehr als 12 Stunden täglich gearbeitet, weshalb er sich
auch im Mai 2007 eine Herzmuskelentzündung zugezogen habe,
die ihm nur noch eine reduzierte Tätigkeit erlaubt habe. Während der
krankheits-, urlaubs- oder fortbildungsbedingten Abwesenheit seien
die Präparate und vorbereiteten Befundberichte seinen Vertretern
zur abschließenden Befunderhebung und Unterzeichnung vorgelegt
worden.
9 Mit Urteil vom 15.4.2015 hat das SG den Bescheid der Beklagten
aufgehoben. Die Beklagte habe den Nachweis einer fehlerhaften
Abrechnung durch den Kläger nicht erbracht. Ausreichend für die
Leistungen nach GOP 19310 und 19312 EBM-Ä sei, dass der
Pathologe die Schnittproben selbst mikroskopiere; beim schriftlichen
Befund könne auf vorbereitete Texte zurückgegriffen werden, sofern
dafür Sorge getragen werde, dass der schriftlich mitgeteilte Befund
dem tatsächlich erhobenen histologischen Befund entspreche. Der
Kläger habe angegeben, dass er die durch seine Mitarbeiter
vorbereiteten Materialien jeweils nochmals selbst mikroskopisch
untersucht und den vorbereiteten Arztbrief dann freigegeben bzw
korrigiert habe. Eine solche Tätigkeit halte die Kammer für
ausreichend, um dem Grundsatz der persönlichen
Leistungserbringung zu genügen. Die Auswertung von
Namenskürzeln auf Arztbriefen durch die Staatsanwaltschaft
ermögliche keine Aussage darüber, ob der Kläger die Leistungen
selbst erbracht habe. Der Hinweis der Beklagten auf die von ihr
erstellten Zeitprofile sei ebenfalls nicht geeignet, den behaupteten
Verstoß gegen die persönliche Leistungserbringung zu belegen. Der
Kläger habe erklärt, er habe täglich mehrere Stunden für die
Erbringung der Leistungen der GOP 19310 und 19312 EBM-Ä
verwandt. Aufgrund der vorbereitenden Tätigkeiten seiner Mitarbeiter
und seiner besonderen Fachkunde habe er nicht die angesetzten
Prüfzeiten für die tatsächliche Leistungserbringung benötigt.
10
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte die Bedeutung der
Zeitprofile vor dem Hintergrund der anderweitigen Verpflichtungen
des Klägers hervorgehoben. Die Prüfzeit als solche entspreche der
Mindestzeit, die ein besonders geübter oder erfahrener Arzt zur
Erbringung der betreffenden Leistungen benötige. Während die
Kalkulationszeit für die Ermittlung der Punktzahlen im EBM-Ä die
benötigte Durchschnittszeit für die jeweilige Leistung beziffere und
auch den Zeitaufwand für delegierbare Leistungsbestandteile
umfasse, beschränkten sich die - für die Plausibilitätsprüfung
ausschließlich relevanten - Prüfzeiten auf die reine Arztleistung und
lägen in der Regel 20 % niedriger als die Kalkulationszeiten. Auch
bei einer Neuberechnung unter Zugrundelegung der für die GOP
19312 EBM-Ä ab dem II. Quartal 2008 festgesetzten Prüfzeit seien
weiterhin deutliche Überschreitungen sowohl in den Quartals- als
auch in den Tageszeitprofilen zu konstatieren. Daneben habe auch
die Auswertung der Befundberichte, die größtenteils nicht vom
Kläger unterschrieben gewesen seien, belegt, dass der Kläger die
von ihm abgerechneten Leistungen nicht persönlich erbracht habe.
Die vom Kläger maximal ausgeübte Kontrollfunktion genüge dem
Gebot der persönlichen Leistungserbringung nicht.
11
Das LSG hat mit Urteil vom 3.3.2016 die Berufung zurückgewiesen
und zur Begründung auf die Ausführungen des SG Bezug
genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, es sei zwar eine Vielzahl
hoher Tagesprofilzeiten nachgewiesen worden, wobei zutreffend die
in der Anlage 3 des EBM-Ä im streitbefangenen Zeitraum
vorgegebenen Zeiten zugrunde gelegt worden seien. In
Übereinstimmung mit der KÄBV sei als ausreichend anzusehen,
dass der Pathologe die Schnittprobe selbst mikroskopiere und dafür
Sorge trage, dass der übermittelte Befund dem tatsächlichen
Präparat und dem histologischen Befund entspreche. Inwieweit er
dafür vorhandene Textbausteine variiere oder den Text frei
formuliere, sei ihm freigestellt. Hier habe der Kläger die von den
Oberärzten vorbereiteten Befunde geprüft und sich zu eigen
gemacht. Er habe sichergestellt, dass ihm im letzten Arbeitsschritt
die Präparate zur eigenen Befundung vorgelegt worden seien. Damit
habe er die Leistung persönlich erbracht. Zu berücksichtigen sei
auch, dass ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in Bereichen
gelegen habe, in denen jeweils eine Reihe von Materialproben aus
verschiedenen Stellen desselben Organs zu beurteilen gewesen
sei. Dies führe zu wesentlichen Synergieeffekten sowohl im Bereich
der Befunderhebung als auch bei der Abfassung des
Befundberichts. Schließlich sei auch zu beachten, dass der Kläger
als besonders qualifizierter und erfahrener Pathologe in der Lage
gewesen sei, die Prüfung schneller als weniger routinierte
Pathologen durchzuführen.
12
Auch aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft
ergebe sich nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Bescheides. Grundsätzlich könne die Beklagte zwar Ergebnisse
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten. Da das Landgericht
das Verfahren jedoch gemäß § 153a StPO eingestellt habe,
erscheine es fraglich, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, ihre
Entscheidung allein auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu
stützen. Unabhängig hiervon sei auch auf dieser Grundlage nicht
nachgewiesen, dass die Abrechnungen des Klägers in den
streitgegenständlichen Quartalen unrichtig gewesen seien. Wie sich
aus den Aussagen sämtlicher von der Staatsanwaltschaft als
Zeugen vernommenen Ärzte ergebe, sei der Kläger üblicherweise
von den frühen Morgenstunden bis zum Abend im Institut anwesend
gewesen. Soweit die Beklagte auf die Abwesenheitszeiten des
Klägers hinweise, halte der Senat die polizeilichen Auswertungen für
wenig aussagekräftig, weil beispielsweise als Abwesenheitszeiten
auch Wochenenden berücksichtigt worden seien.
13
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, die
Vorgehensweise des Klägers werde dem Gebot der persönlichen
Leistungserbringung nicht gerecht. Der Kläger hätte bereits die
Anfertigung der Zuschnitte, jedenfalls aber eine vollständige eigene
Befundung vornehmen müssen. Es reiche nicht aus, dass er die ihm
vorgelegten Ergebnisse lediglich auf richtig oder falsch geprüft habe.
Es gehöre auch zur Kernleistung einer Befunderhebung, den
Befund schriftlich zu dokumentieren. Die bloße Übernahme der von
einem nachgeordneten Arzt geschriebenen Dokumentation erfülle
den Tatbestand der persönlichen Leistungserbringung nicht. Mit den
Tagesprofilzeiten sei bewiesen, dass der Kläger die Leistungen
nicht persönlich erbracht habe. Ob der Kläger tatsächlich in der Lage
gewesen sei, die Untersuchungen besonders schnell
durchzuführen, habe das LSG nicht ermittelt. Die vierjährige
Ausschlussfrist für den Erlass des Richtigstellungsbescheides sei
gewahrt. Nachdem dem Kläger bei einem Gespräch am 16.4.2009
der maßgebliche Sachverhalt und die rechtliche Bewertung
bekanntgegeben worden sei, sei eine Hemmung der Frist
eingetreten.
14
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 3. März 2016 und des SG
Mainz vom 15. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
16
Er trägt vor, die Beklagte überspanne die Anforderungen an den
Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Die Vorbereitung
der Präparate einschließlich der Vornahme der Dünnschnitte werde
regelmäßig durch nichtärztliches Praxispersonal durchgeführt. Die
Zulässigkeit dieses Vorgehens ergebe sich auch aus dem
gemeinsamen Positionspapier der Bundesärztekammer (BÄK) und
der KÄBV zur persönlichen Leistungserbringung aus dem Jahr 2008
und aus der Anlage 24 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä).
Die Erhebung eines eigenen Befundes schließe nicht aus, auf
Erkenntnisse anderer Ärzte zurückzugreifen.
Entscheidungsgründe
17
Die Revision der Beklagten ist erfolglos. Die Vorinstanzen haben im
Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig
angesehen. Zwar lagen die materiellen Voraussetzungen für eine
sachlich-rechnerische Richtigstellung vor. Die Aufhebung der
Honorarbescheide erfolgte jedoch außerhalb der Ausschlussfrist
von vier Jahren. Auch die Jahresfrist des § 45 Abs 4 S 2 SGB X war
nicht gewahrt.
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1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist §
106a Abs 2 SGB V
(hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003
, in den streitbefangenen Quartalen nur für die
vertragszahnärztliche Versorgung verändert; nunmehr § 106d SGB
V)
. Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die
arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität.
Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist
insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im
Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes
(S 2 aaO). Bei der Prüfung nach S 2 ist ein Zeitrahmen für das pro
Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zugrunde zu legen;
zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden
höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zugrunde gelegt
werden (S 3 aaO). Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs
2 S 1 zweiter Halbs bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen
nach S 2 zugrunde zu legen (S 4 aaO). Die Prüfung auf sachlich-
rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt
auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang
mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen
Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des
Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind
(vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 §
117 Nr 6 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 14;
BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12 RdNr 17; BSGE 114, 170 = SozR
4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 13, jeweils mwN)
. Auch für Leistungen, die ein Arzt abrechnet, obwohl das Gebot der
persönlichen Leistungserbringung missachtet wurde, steht ihm nach
ständiger Rechtsprechung kein Honorar zu
(BSGE 80, 1 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2; zu Laborleistungen vgl BSG
Beschluss vom 8.9.2004 - B 6 KA 25/04 B - Juris)
.
19
a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen lagen die
Voraussetzungen für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vor,
weil der Kläger gegen das Gebot der persönlichen
Leistungserbringung verstoßen und Leistungen abgerechnet hat,
die er nicht selbst erbracht hat. Dabei geht der Senat gemäß § 163
SGG von dem von den Vorinstanzen zugrunde gelegten, auf dem
Vortrag des Klägers fußenden Sachverhalt aus, dass dieser
regelmäßig die von den ihm nachgeordneten Ärzten vorbereiteten
Befunde geprüft hat.
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aa) Nach § 15 Abs 1 S 1 SGB V, § 32 Abs 1 S 1
Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), § 15 Abs 1 S 1
BMV-Ä hat der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende
Arzt die Pflicht, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben.
Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung dient der
Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung und
ist materielle Voraussetzung für jede ärztliche Tätigkeit in der
vertragsärztlichen Versorgung
(BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 28 f mwN). Dem Gebot kommt
für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung großes
Gewicht zu
(BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 34, 37). Es gilt
nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die
Verordnungstätigkeit des Arztes; Vertragsärzte und ermächtigte
Krankenhausärzte müssen es gleichermaßen beachten.
Ermächtigungen für Krankenhausärzte werden diesen mit Blick auf
einen Versorgungsbedarf und ihre persönliche Qualifikation iVm den
ihnen im Krankenhaus zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
erteilt
(vgl § 116 SGB V iVm § 31a Abs 1 und 2 Ärzte-ZV und dazu BSG
SozR 4-2500 § 116 Nr 8 RdNr 26 aE und RdNr 34)
; eine Ermächtigung berechtigt den ermächtigten Arzt nur persönlich.
Eine Befugnis des im stationären Bereich zuständigen Vertreters,
den Krankenhausarzt auch bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu
vertreten, besteht nicht (BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 43). Auch
der Anspruch auf die Vergütung hängt davon ab, dass die
Leistungen nicht unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen
Leistungserbringung aus § 15 Abs 1 S 1 SGB V, § 32 Abs 1 S 1
Ärzte-ZV, § 15 Abs 1 S 1 BMV-Ä erbracht wurden. Für Leistungen,
die nicht durch den Vertragsarzt persönlich erbracht werden, besteht
ein Anspruch auf Vergütung deshalb nur, wenn die
Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung vorliegen
(BSG SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 21).
Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird in zahlreichen
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Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird in zahlreichen
Fällen modifiziert. So hat der Senat zum Typus der
Berufsausübungsgemeinschaften (BAGen) entschieden, dass -
ungeachtet der mittlerweile gegebenen Nachvollziehbarkeit anhand
der lebenslangen Arztnummer - bei gleicher Qualifikation der
Mitglieder grundsätzlich nicht gekennzeichnet werden musste,
welcher der BAG angehörende Arzt welche Leistung erbracht hat
(vgl BSG SozR 4-5532 Allg Nr 2 RdNr 28; BSGE 91, 164 RdNr 19 =
SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18)
. Gelockert ist das Gebot teilweise auch durch die erweiterten
Möglichkeiten der Anstellung von Ärzten
(BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 27 unter Hinweis auf
§ 95 Abs 9 SGB V und § 32b Ärzte-ZV)
. Als Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen
Leistungserbringung sieht § 25 Abs 3 S 1 BMV-Ä vor, dass bei der
Erbringung von Laborleistungen Teil 3 der Befunderhebung
(Laboratoriumsmedizinische Analyse unter Bedingungen der
Qualitätssicherung, § 25 Abs 1 Nr 3 BMV-Ä)
aus Laborgemeinschaften bezogen werden kann, deren Mitglied der
Arzt ist
(zur Beschränkung dieser Ausnahme auf Ärzte mit unmittelbarem
Patientenkontakt vgl BSG SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 24 ff)
. Die Durchführung von zytologischen Untersuchungen kann nach
der Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie vom Arzt auf
Präparatebefunder delegiert werden, wenn dies mit den
medizinischen Erfordernissen vereinbar ist und die fachliche
Überwachung gewährleistet ist
(dazu BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 29). Hierzu ist jedoch
erforderlich, dass die Präparatebefunder gegenüber der KÄV
namentlich benannt und ihre Qualifikationen nachgewiesen werden.
Zudem setzt die erforderliche fachliche Überwachung grundsätzlich
die Anwesenheit des verantwortlichen Arztes am Ort der
Leistungserbringung voraus
(vgl § 6 Abs 1 S 3 Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-
Zytologie; so auch bereits die Leitlinie der Bundesärztekammer zur
Qualitätssicherung zytologischer Untersuchungen im Rahmen der
Früherkennung des Zervixkarzinoms)
. Soweit delegierbare Leistungen, etwa auch im Laborbereich, von
nachgeordnetem medizinischem Personal erbracht werden, folgt
aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig
aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig
eine Präsenzpflicht des Arztes im Zusammenspiel mit den
Arbeitszeiten der die Leistung durchführenden Mitarbeiter
(vgl BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 30). Die
Delegierbarkeit einer Leistung entlässt nämlich den an der
vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt nicht aus seiner
Verantwortung; er hat vielmehr durch seine Anwesenheit
sicherzustellen, dass er seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion
nachkommen kann und jederzeit bei Fragen und Problemen zur
Verfügung steht.
22
bb) Die Möglichkeit der Leistungserbringung durch nachgeordnetes
ärztliches Personal stand dem Kläger nicht offen. Eine Delegation
von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen
Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder
Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den
Zulassungsgremien genehmigt worden ist. Ansonsten ist nicht
gewährleistet, dass der Angestellte oder Assistent die beruflichen
und sonstigen Voraussetzungen für eine Tätigkeit in der
vertragsärztlichen Versorgung erfüllt
(vgl BSG SozR 4-2500 § 98 Nr 4 RdNr 16). Die
Delegationsmöglichkeiten sind zudem begrenzt durch spezielle
Kenntnisse des Arztes und - vor allem im Bereich der
psychotherapeutischen Behandlung - durch ein besonderes
Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient; so schließt §
14 Abs 3 S 1 BMV-Ä eine Vertretung bei genehmigungspflichtigen
psychotherapeutischen Leistungen grundsätzlich aus
(BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 27). Ein - wie der
Kläger - persönlich nach § 116 SGB V, § 31a Ärzte-ZV ermächtigter
Arzt kann eine solche Delegation nicht vornehmen, weil die
Beschäftigung von Assistenten und angestellten Ärzten für
ermächtigte Ärzte gesetzlich nicht vorgesehen ist.
23
Eine Delegation an nichtärztliches Personal durfte der Kläger
hingegen in dem gleichen Umfang vornehmen wie ein zugelassener
Vertragsarzt. Welche Leistungen im Einzelnen delegierbar sind,
bestimmt sich nach den Erfordernissen und Besonderheiten der
jeweiligen Fachgebiete. Dabei wird regelmäßig in Methodenfächern
ohne unmittelbaren Patientenkontakt ein größerer Spielraum für die
Delegation von Leistungen an nichtärztliches Personal bestehen als
in Organfächern. Die Vereinbarung zwischen der KÄBV und dem
Spitzenverband Bund der Krankenkassen über die Delegation
ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs 1 S 3 SGB V vom
1.10.2013 (Anlage 24 zum BMV-Ä) enthält neben sehr allgemeinen
Bestimmungen einen Beispielkatalog. Das hier maßgebliche
Fachgebiet der Pathologie wird dort nicht ausdrücklich erwähnt. Zu
dem am ehesten vergleichbaren Bereich der Labordiagnostik ist als
Beispiel für eine delegierbare Leistung ua die technische
Aufarbeitung und Beurteilung von Untersuchungsmaterial genannt.
In einem gemeinsamen Papier der BÄK und der KÄBV vom
29.8.2008 zu den "Möglichkeiten und Grenzen der Delegation
ärztlicher Leistungen" ist für den Laborbereich ausgeführt, dass die
technische Beurteilung des Untersuchungsmaterials auf seine
Brauchbarkeit zur ärztlichen Diagnose und die technische
Aufarbeitung histologischen und zytologischen
Untersuchungsmaterials, aber auch die Durchführung von
Untersuchungsgängen an qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter
delegiert werden könne. Soweit der Kläger histologische und
zytologische Untersuchungen durchgeführt hat, gilt, dass ähnlich
wie im Laborbereich auf der Grundlage von § 28 Abs 1 S 3 SGB V
iVm Anlage 24 zum BMV-Ä die Aufbereitung des
Untersuchungsmaterials auch in der Pathologie von entsprechend
qualifiziertem nichtärztlichem Personal durchgeführt werden durfte.
Sofern in der gynäkologischen Zytologie eine weitergehende
Delegationsmöglichkeit besteht, fehlt es zum einen an
Feststellungen des LSG zu den besonderen Voraussetzungen
hierfür und zum anderen an der erforderlichen kontinuierlichen
Anwesenheit des Klägers als verantwortlichem Arzt.
24
Originär ärztlicher Teil der Leistungen der GOP 19310 und 19312
EBM-Ä ist indes die Untersuchung des zu beurteilenden Materials.
Diese Untersuchung muss der Arzt selbst vornehmen.
Dementsprechend heißt es in dem Papier der BÄK und der KÄBV zu
den "Technischen Untersuchungen", die Befundung und
Befundbewertung obliege zwingend dem Arzt. Im Schreiben der
KÄBV an den Bevollmächtigten des Klägers vom 25.11.2009 sowie
im Schreiben der KÄBV an den Senat vom 21.2.2018 ist ausgeführt,
dass der Pathologe die Schnittprobe selbst mikroskopieren und
beurteilen müsse. Dazu genügt es aber nicht, dass er die von
anderen Ärzten vorgenommene Befundung lediglich kontrolliert.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist dem Gebot der
persönlichen Leistungserbringung nicht bereits damit Genüge getan,
dass der Kläger sich nach Überprüfung das Ergebnis einer
Vorbefundung durch einen anderen Arzt zu eigen gemacht hat.
Insofern hat die Beklagte zu Recht ausgeführt, dass es qualitativ
etwas grundsätzlich anderes ist, ob der Arzt selbst einen Erstbefund
erhebt oder ob er die zuvor erfolgte Befundung durch einen anderen
beurteilt. Die Vorbefundung würde tatsächlich und wirtschaftlich
auch keinen Sinn machen, wenn der Kläger den für den
Leistungsinhalt der GOP 19310 und 19312 EBM-Ä erforderlichen
Aufwand in allen Fällen in vollem Umfang wiederholt hätte. Darüber
hinaus obliegt auch die Formulierung des Befundes dem Arzt
höchstpersönlich
(vgl Nr 7 der Präambel des Kapitels 19 EBM-Ä 2005 iVm GOP
01600 und 01601)
. Dabei ist die Verwendung von Textbausteinen nicht
ausgeschlossen, solange der Arzt den Inhalt der schriftlichen
Bewertung aufgrund eigener Befundung originär selbst bestimmt.
25
b) Soweit die Beklagte darüber hinaus auch aus den ermittelten
Zeitprofilen einen Verstoß gegen das Gebot der persönlichen
Leistungserbringung hergeleitet hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Senats können Tages- und
Quartalsprofile ein geeignetes Beweismittel sein
(BSGE 73, 234, 238 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 13 f; BSG
Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 27/11 B - Juris RdNr 9)
. Die Auswertung der Profile kann die Fehlerhaftigkeit einer
Abrechnung aufdecken, wobei der Nachweis nicht notwendig ist,
welche einzelne abgerechnete Leistung nicht ordnungsgemäß
erbracht ist (BSGE 86, 30, 35 = SozR 3-2500 § 83 Nr 1 S 7). Nach
den von der Beklagten ermittelten Tagesprofilen fanden sich in
jedem der hier streitbefangenen Quartale Tage mit erheblichen
Auffälligkeiten. Die Verfahrensordnung der Beklagten zur
Durchführung von Plausibilitätskontrollen für die streitbefangenen
Quartale bestimmte in § 1 Abs 2, dass als implausibel
Abrechnungen zu verstehen seien, die Leistungen enthielten, die
der Abrechnungsteilnehmer als Ergebnis der im Rahmen der
Plausibilitätsprüfung zu berücksichtigenden Aspekte nicht erbracht
haben könne. Dabei seien die in der Anlage festgelegten
Aufgreifkriterien zu berücksichtigen. Aufgreifkriterien waren danach
Tagesprofile von mehr als 12 Stunden an drei Tagen im Quartal
oder - bei ermächtigten Ärzten - ein Quartalsprofil von mehr als 156
Stunden. Das entsprach § 8 Abs 3 der Richtlinie der KÄBV und der
Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur
Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der
Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555). Derartige Auffälligkeiten sind
geeignet, die Unrichtigkeit der Abrechnungen insgesamt zu belegen,
soweit sie sich nicht zugunsten des Arztes erklären lassen.
26
Nach § 106a Abs 2 S 4 SGB V sind bei den Prüfungen nach
Tagesprofilen die Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs 2 S 1
zweiter Halbs SGB V zugrunde zu legen. Die auf dieser Grundlage
erfolgten allgemeinen Festlegungen sind einer gerichtlichen
Überprüfung zugänglich
(BSGE 73, 234, 239 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 14 f). Die
gesetzliche Regelung lässt indes keinen Raum für die
Zugrundelegung von individuellen Zeiten. Ob der Kläger
Befundungen schneller vornehmen kann als Ärzte seines Fachs, ist
unerheblich und musste deshalb nicht ermittelt werden. Bei den im
Anhang 3 zum EBM-Ä mit dem Titel "Angaben für den zur
Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes
gemäß § 87 Abs. 2 S 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB
V" ausgewiesenen Prüfzeiten handelt es sich um durchschnittliche
Zeiten, die auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten für
eine ordnungsgemäße Leistungserbringung benötigt werden
(vgl BSGE 73, 234, 239 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 14 f). Dass sie
im Einzelfall unterschritten werden können, stellt die Werte schon
deshalb nicht in Frage, weil sie - als Durchschnittswerte - ebenso in
schwierigen Fällen überschritten werden können, wie auch der
Oberarzt des Klägers bei seiner Zeugenaussage im Strafverfahren
angegeben hat. Schließlich ist auch bei den Prüfzeiten zu
berücksichtigen, dass den Arzt hinsichtlich der zulässigen
Teilleistungen nichtärztlichen Personals eine Aufsichts- und
Überwachungspflicht trifft. Soweit der Kläger im Übrigen meint, die
Beklagte hätte in den streitbefangenen Quartalen statt zwei Minuten
für die GOP 19312 EBM-Ä die zum 1.4.2008 neu und niedriger
festgesetzte Prüfzeit zugrunde legen müssen, hat die Beklagte im
Widerspruchsbescheid dargelegt, dass auch dies zu auffälligen
Tages- und Quartalsprofilen geführt hätte.
27
c) Zu Recht haben die Vorinstanzen ausgeführt, dass die Beklagte
grundsätzlich nicht gehindert war, für ihre Bewertung die
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft heranzuziehen. Nach der
Rechtsprechung des BSG dürfen die Sozialgerichte bei ihrer
Feststellung, ob der Arzt bzw Zahnarzt seine
vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten gröblich verletzt und sich als
ungeeignet für die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit erwiesen hat,
bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die
Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten
(vgl BSG Beschluss vom 17.1.2018 - B 6 KA 61/17 B - Juris RdNr 9;
BSG Beschluss vom 2.4.2014 - B 6 KA 58/13 B - Juris RdNr 17
mwN; BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr
12 unter Hinweis ua auf BSG SozR 1500 § 128 Nr 40 S 49; BSGE
63, 270, 273 = SozR 1500 § 128 Nr 34 S 31 betr ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren)
. Staatsanwaltliche Ermittlungen vermögen zwar nicht, wie
rechtskräftige Urteile oder ein Strafbefehl, präjudizielle Wirkung zu
entfalten
(vgl zur präjudiziellen Wirkung der Feststellungen in einem
Strafbefehl BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris
RdNr 12)
, sie können aber Grundlage der eigenen Bewertung durch die
Beklagte oder die Zulassungsgremien sein. Für die Feststellung der
Voraussetzungen für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung gilt
nichts anderes.
28
Weitgehend besteht hier im Übrigen Übereinstimmung zwischen den
Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren und dem Vortrag des
Klägers im sozialgerichtlichen Verfahren. So hat er bereits anlässlich
der Durchsuchung der Institutsräume am 22.11.2007 gegenüber der
Staatsanwaltschaft angegeben, er habe die Proben von
Kassenpatienten natürlich nicht selbst befundet, sondern seine ihm
nachgeordneten Oberärzte damit beauftragt. Es sei ihm zeitlich gar
nicht möglich gewesen, die Vielzahl von Proben zu befunden.
Allerdings habe er bis zu seiner Erkrankung im Jahr 2007 sämtliche
Befunde persönlich überprüft und ggf korrigiert. Er sei der
Auffassung gewesen, dass dieses Vorgehen ausreichend gewesen
sei, um die Leistungen gegenüber der KÄV abzurechnen.
29
Die Beklagte durfte dementsprechend auch berücksichtigen, dass
von 253 bei einem Vertragsarzt sichergestellten Berichten nur 85
vom Kläger unterschrieben waren. Das gleiche gilt für den Umstand,
dass nach der Auswertung der schriftlichen Befunde aus den Jahren
2005 bis 2007 kein einziger mit dem Namenskürzel des Klägers
versehen war. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, elektronisch sei
lediglich die Person des "Vorbefunders" gekennzeichnet worden,
bestätigt er damit die praktizierte unzulässige Vorgehensweise.
30
2. Der nachträglichen Korrektur der Honorarbescheide nach § 106a
Abs 2 SGB V stehen aber Vertrauensschutzgesichtspunkte sowie
der Ablauf der Jahresfrist des § 45 Abs 4 S 2 SGB X entgegen.
31
a) Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung ist nicht mehr möglich,
wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen
Honorarbescheides bereits abgelaufen ist
(BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16 mwN; BSGE 96, 1
= SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 §
106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr
60; zuletzt BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 25;
BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12 RdNr 24)
. Den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist
markiert in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung ebenso wie bei
degressionsbedingter Honorarminderung und bei der Überprüfung
der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Erlass des
Honorarbescheides
(s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 31 mwN;
vgl auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 17; BSGE
114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 25; anders für den
Verordnungsregress: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 29 ff)
. Hier wurde mit dem Bescheid vom 14.2.2012 die Ausschlussfrist
nicht gewahrt. Der Honorarbescheid für das letzte hier
streitbefangene Quartal III/2007 datierte vom 31.1.2008 und gilt
damit nach § 37 Abs 2 S 1 SGB X als dem Kläger am Sonntag, dem
3.2.2008, bekanntgegeben (vgl BSG SozR 4-1300 § 37 Nr 1).
32
Rechtshandlungen, die eine Fristenhemmung zur Folge haben
könnten (vgl dazu BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 34 f), sind nicht
ersichtlich. Soweit die Beklagte sich auf den Rechtsgedanken des §
203 BGB beruft und darauf hinweist, dass in einem Gespräch am
16.4.2009 mit dem Kläger der maßgebliche Sachverhalt
einschließlich der rechtlichen Bewertung und der zum damaligen
Zeitpunkt berechneten Korrektursumme erörtert und im Anschluss
daran weitere Gespräche und eine umfangreiche Korrespondenz
geführt worden seien, vermag dies keine Fristenhemmung zu
begründen. Der Senat erkennt zwar in ständiger Rechtsprechung
an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische
Richtigstellungen und Maßnahmen im Zuge von
Wirtschaftlichkeitsprüfungen gehemmt werden können. Eine solche
Wirkung hat der Senat etwa Prüfanträgen der Krankenkassen
beigemessen, sofern diese Voraussetzung einer Prüfung sind und
auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt
(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 40 ff; BSG SozR 4-2500 § 106
Nr 29 RdNr 33 bis 35 iVm 39 f; zur Rechtslage nach der Änderung
des § 106 Abs 5 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 vom 22.12.1999 vgl BSG SozR 4-2500 § 106
Nr 36 RdNr 25)
.
33
In einem Verfahren zur nachträglichen Korrektur der
vertrags(zahn)ärztlichen Vergütung für ein bestimmtes Quartal hat
der Senat entschieden, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den
Erlass eines Bescheides zur Korrektur von Honorarbescheiden
gehemmt ist, solange ein Schiedsverfahren bzw Klageverfahren
gegen die Entscheidung des Schiedsamtes über die Höhe der
Gesamtvergütung anhängig ist
(Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - Juris RdNr 12). Er hat
in diesem Zusammenhang auf den Rechtsgedanken des § 203 S 1
BGB Bezug genommen, wonach eine Verjährungsfrist gehemmt ist,
solange Schuldner und Gläubiger über den Anspruch verhandeln.
Anders als für die Handlungen des Arztes und der antragstellenden
Krankenkasse im Regressverfahren
(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 39) könne diese Vorschrift
im Hinblick auf die besonderen Rechtsbeziehungen zwischen den
Vertrags(zahn)ärzten und der K(Z)ÄV einerseits sowie zwischen der
K(Z)ÄV und den Krankenkassen andererseits herangezogen
werden (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 10 RdNr 14). Eine dieser
Konstellation vergleichbare Lage hat der Senat für den Fall bejaht,
dass eine Prüfung nach Durchschnittswerten nicht durchgeführt
werden kann, weil mangels einer Vereinbarung der
Gesamtvertragspartner nicht klar war, ob eine - gesetzlich
ausdrücklich als vorrangig bezeichnete - Richtgrößenprüfung
durchzuführen war (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 29). Auch
in einem Verfahren wegen der pauschalen Berechnung einer
Honorarminderung zur Finanzierung der Nachvergütung für
psychotherapeutische Leistungen hat der Senat eine Hemmung der
Frist wegen noch schwebender Verhandlungen zwischen KÄV und
Krankenkasse über die Verteilung der Lasten und eines
entsprechenden Hinweises der KÄV angenommen
(BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 14 RdNr 25 ff).
34
Mit den genannten Fallgestaltungen ist die hier zu beurteilende
Konstellation jedoch nicht vergleichbar. Eine entsprechende
Anwendung von § 203 BGB für Verfahren vor den Prüfgremien hat
der Senat schon deshalb abgelehnt, weil es an der Freiwilligkeit
einer Verhandlung im Sinne dieser Vorschrift fehlt
(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 39). Das ist auch hier der Fall.
Wie in dem zum Verordnungsregress entschiedenen Fall
beschränkte sich der Kläger auch hier auf die Zurückweisung der
Forderung der Beklagten. Dass der Kläger nicht am Erlass eines
Richtigstellungsbescheides interessiert war, begründet ebenso
wenig eine Hemmung der Frist wie das Abwarten des Ausgangs des
Strafverfahrens durch die Beklagte. Wie sie selbst vorträgt, hatte sie
bereits im April 2009 eine rechtliche Bewertung des Sachverhaltes
vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt lagen auch schon Erkenntnisse
aus dem Ermittlungsverfahren vor. Dass der Beklagten bewusst war,
dass ein Fristablauf drohte, zeigt ihre Aufforderung an den
Bevollmächtigten des Klägers, einen Verzicht auf die Einrede der
Verjährung zu erklären. Eine solche Erklärung hat der Kläger jedoch
nicht abgegeben.
35
b) Nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist kommt die Korrektur von
Honorarbescheiden nur noch unter Berücksichtigung der
Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs 2 S 3 iVm Abs 4 S
1 SGB X in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der
Honorarbescheide nach Nr 2 oder 3 dieser Vorschrift liegen jedoch
nicht vor. Dabei ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der
Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße
verletzt hat.
36
aa) Es ist bereits fraglich, ob der Kläger in diesem Sinne grob
fahrlässig gehandelt hat. Letztlich handelt es sich um eine Tatfrage,
die von den Tatsacheninstanzen zu entscheiden wäre. Der Senat
hat in einem Beschluss vom 29.8.2007
(B 6 KA 31/07 B - unveröffentlicht) ausgeführt, es könne nicht
zweifelhaft sein, dass die objektiv unkorrekte Abrechnung eines
Vertragsarztes nicht schutzwürdig sei, wenn er von der zuständigen
KÄV und/oder den Kostenträgern darauf hingewiesen worden sei,
dass seine Abrechnungspraxis mit den maßgeblichen
Rechtsvorschriften nicht im Einklang stehe. Der Vertragsarzt wisse
dann, dass seine Abrechnungspraxis von der zuständigen KÄV
nicht gebilligt werde und kenne damit alle maßgeblichen Umstände
für die Beurteilung seiner Abrechnungssammelerklärung.
37
Hier wurde dem Kläger zwar nicht konkret vorgehalten, dass seine
Vorgehensweise nicht korrekt war, er wurde jedoch verschiedentlich
auf das Gebot der persönlichen Leistungserbringung hingewiesen.
Auf seine Mitteilung vom 21.4.2005, dass er in seiner Abwesenheit
von Prof. Dr. B. und bei dessen Verhinderung von Dr. B. vertreten
werde, hat die Beklagte ihn mit Schreiben vom 27.5.2005
ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass er sich nur bei
Krankheit, Urlaub, Teilnahme an einer Fortbildung oder an einer
Wehrübung vertreten lassen dürfe. Eine Vertretung sei
ausgeschlossen, wenn er zB aufgrund seiner Tätigkeit als Direktor
des Instituts oder aufgrund seiner Lehrtätigkeit verhindert sei. Bereits
zuvor war dem Kläger als Reaktion auf die Information über die
Einstellung eines Molekularbiologen ("werden
molekularpathologische Befunde sehr eng mit mir diskutiert und
zusammengefasst") mit Schreiben vom 30.3.2005 mitgeteilt worden,
dass er aufgrund seiner persönlichen Ermächtigung zur
persönlichen Leistungserbringung verpflichtet und eine Delegation
an nachgeordnete Ärzte nicht zulässig sei. Auch in den
Ermächtigungsbescheiden wurde jeweils darauf hingewiesen, dass
die Ermächtigung personenbezogen sei und der ermächtigte Arzt
verpflichtet sei, die Leistungen persönlich zu erbringen. Leistungen,
die von einem Arzt des nachgeordneten Dienstes ausgeführt
würden, seien nicht Gegenstand der Ermächtigung. Der Kläger hätte
aufgrund dieser Hinweise objektiv Anlass gehabt, die Art und Weise
der Leistungserbringung zu ändern.
38
Subjektiv ist dem Kläger hingegen keine grobe Fahrlässigkeit
vorzuwerfen
(vgl zum Maßstab etwa BSG SozR 4-1300 § 41 Nr 3 - zur
Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen, RdNr 33 mwN; Schütze
in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 52 ff)
. Er hat sein Vorgehen gegenüber der Beklagten stets offengelegt.
Den Antrag auf Verlängerung seiner Ermächtigung 2003 hat er
damit begründet, dass er einige Mitarbeiter nur für die Dauer der
Ermächtigung beschäftige. In seinen Schreiben an die KÄV
verwendete er häufig die Pluralform "wir". Seine Abrechnungspraxis
hat er nach seinen Angaben von seinem Vorgänger übernommen.
Sie war von der KÄV seit 1993 nicht beanstandet worden und zum
damaligen Zeitpunkt nicht unüblich. Die hohen Fallzahlen des
Klägers waren der Beklagten bekannt, wurden aber offenbar, da es
sich um eine bedarfsabhängige Ermächtigung handelte, lange nicht
hinterfragt. In der Literatur wurde durchaus die Meinung vertreten,
ermächtigte Ärzte seien berechtigt, Leistungen an nachgeordnete
Ärzte zu delegieren
(vgl etwa Kuhla, Persönliche Leistungserbringung des
Krankenhausarztes bei ambulanten Behandlungen
sozialversicherter Patienten, MedR 2003, 25 ff)
. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger offenbar der in den
Sammelerklärungen abgegebenen Bestätigung, dass er nur
persönlich erbrachte Leistungen abgerechnet habe und Leistungen
nachgeordneter Ärzte nicht in der Abrechnung enthalten seien, nicht
die zutreffende Bedeutung beigemessen. Entscheidend steht der
Annahme einer groben Fahrlässigkeit des Klägers aber entgegen,
dass sowohl das SG als auch der mit 3 Berufsrichtern besetzte
Senat des LSG sein Vorgehen als rechtmäßig angesehen haben.
Wenn ein Kollegialgericht es für eine persönliche
Leistungserbringung als ausreichend erachtet, dass der Kläger die
von nachgeordneten Ärzten erhobenen Befunde überprüft und ggf
korrigiert, kann ihm ein besonders schwerwiegender
Sorgfaltsverstoß nicht vorgehalten werden
(vgl die sog Kollegialgerichts-Richtlinie zu § 839 BGB, BGHZ 97, 97,
107 = Juris RdNr 33; einschränkend für den Bewertungsausschuss
BGHZ 150, 172, 184 = Juris RdNr 21)
.
39
bb) Selbst wenn eine grobe Fahrlässigkeit zu bejahen wäre,
scheitert eine Rücknahme der Honorarbescheide an § 45 Abs 4 S 2
SGB X
(zur Anwendbarkeit der Vorschrift vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr
10)
. Danach muss die Aufhebung eines Bescheides innerhalb eines
Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, die die Rücknahme
rechtfertigen. Die den Beginn der Jahresfrist bestimmende Kenntnis
ist nach der Rechtsprechung des BSG dann anzunehmen, wenn
mangels vernünftiger objektiv gerechtfertigter Zweifel eine
hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für
die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen besteht
(BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 31 mwN). Als
Zeitpunkt der Kenntnis kommt hier der Zeitpunkt der Erstattung der
Strafanzeige im Juni 2007 in Betracht. Die Beklagte hatte spätestens
zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von allen Umständen, die die
Rücknahme der Honorarbescheide rechtfertigten. Das gilt sowohl für
die objektive Unrichtigkeit der Abrechnung als auch für die
Umstände, die für das subjektive Moment der groben Fahrlässigkeit
sprachen
(vgl dazu Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45
RdNr 81 ff)
. Mit ihrer Anzeige ist die Beklagte implizit sogar von einem Vorsatz
bei dem Kläger ausgegangen, weil es einen fahrlässigen Betrug als
Straftatbestand nicht gibt. Als sachnahe und fachkundige Stelle
hatte sie zu diesem Zeitpunkt einen Erkenntnisvorsprung gegenüber
der Staatsanwaltschaft, nach deren Aktivitäten sie in der Folgezeit
ihr eigenes Vorgehen ausrichtete. Selbst wenn man noch nicht auf
die Erstattung der Anzeige abstellen wollte, sondern davon ausgeht,
dass damit nur ein Verdacht geäußert wurde, war der Beklagten
spätestens seit der 96. Sitzung des Vorstandes vom 8.6.2009 klar,
dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung vorlagen. In
einem vorbereitenden Vermerk zu dieser Sitzung heißt es, es sei
eine weitere "Beweiswürdigung" "aufgrund der vorliegenden
Beweise und Indizien" nicht mehr erforderlich. Die zeitliche
Beanspruchung des Klägers habe eine persönliche
Beanspruchung des Klägers habe eine persönliche
Leistungserbringung nicht zugelassen. Die Beklagte entsprach
damit ihrer Pflicht zur eigenständigen Ermittlung und Bewertung des
Sachverhalts. Der Vorstand beschloss daraufhin die Anberaumung
eines Gesprächstermins mit der Staatsanwaltschaft, in dem ein
Regressbetrag in Höhe von 653 157,50 Euro und eine vom Kläger
vorzulegende Erklärung zum Verzicht auf die Einrede der
Verjährung erörtert werden sollte.
40
Dass der Beklagten die Fristenproblematik bewusst war, zeigt auch
ein Schreiben vom 26.11.2009, in dem die Beklagte den
Bevollmächtigten des Klägers dringend darum bat, einen Verzicht
auf die Einrede der Verjährung/Ausschlussfrist zu erklären. In der
102. Sitzung vom 7.12.2009 beschloss der Vorstand dem Grunde
nach eine Honorarrückforderung ab dem III. Quartal 2005. In seiner
112. Sitzung vom 4.10.2010 entschied der Vorstand, dass für die
Quartale II/2005 bis III/2007 ein Regress in Höhe von 497 302,41
Euro festgesetzt werde. Wie sich aus einem Vermerk vom 24.1.2011
ergibt, wurde später jedoch von einer Rückforderung abgesehen,
weil davon ausgegangen wurde, dass das Strafverfahren gegen
eine Schadenswiedergutmachung eingestellt würde. In einem
Vermerk vom 17.1.2011 heißt es, der Kläger habe den mit
Vorstandsbeschluss vom 4.10.2010 festgesetzten Regressbetrag in
Höhe von 497 302,41 Euro nicht gezahlt, es solle daher eine neue
Beschlussvorlage verfasst und ein Bescheid "gesetzt" werden.
Selbst nach Anklageerhebung im Januar 2011 wartete die Beklagte
noch mehr als ein Jahr mit der Bescheiderteilung. Die Aufhebung
der Honorarbescheide erfolgte damit außerhalb der Frist des § 45
Abs 4 S 2 SGB X.
41
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3
SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten
auch für die Revisionsinstanz zu tragen.