Urteil des BSG vom 21.03.2018

Sozialgerichtliches Verfahren - Feststellungsinteresse - Wiederholungsgefahr - Verletzung von nicht mehr gültigen Rechtsvorschriften - Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung - Unvereinbarkeit des Vertrags mit gesetzlichen Vorgaben - keine Schadens- od

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 21.3.2018, B 6 KA 44/16
R
ECLI:DE:BSG:2018:210318UB6KA4416R0
Sozialgerichtliches Verfahren - Feststellungsinteresse -
Wiederholungsgefahr - Verletzung von nicht mehr gültigen
Rechtsvorschriften - Vertrag zur hausarztzentrierten
Versorgung - Unvereinbarkeit des Vertrags mit gesetzlichen
Vorgaben - keine Schadens- oder Rückforderungsansprüche
für Krankenkasse gegen Vertragspartner und teilnehmende
Ärzte - Berücksichtigung - Wirtschaftlichkeitsgebot
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 14. September 2016 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
1 Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen
Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur
hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Vertrag) nach § 73b SGB V
zwischen ihr und dem beklagten Hausärzteverband festgelegt
worden ist.
2 Die Klägerin schloss mit dem Beklagten am 12.2.2009 einen Vertrag
zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b SGB V, der ab 1.4.2009 umgesetzt wurde. Am 26.6.2009
schloss die Klägerin ferner mit der BVKJ-Service GmbH, einer
Gesellschaft des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte
(BVKJ), einen "Vertrag zur Durchführung einer pädiatrie-zentrierten
Versorgung" gemäß § 73b SGB V, der am 6.12.2011 mit Wirkung
zum 1.1.2012 geändert wurde.
3
Nachdem der frühere Vorstand des Beklagten Ende des Jahres
2010 alle Hausärzte Bayerns zum "Systemausstieg" aufgerufen
hatte, kündigte die Klägerin den HzV-Vertrag außerordentlich mit
Wirkung zum 31.12.2010. Einstweilige Rechtsschutzanträge des
Beklagten zur Fortführung des Vertrages blieben erfolglos
(SG München Beschluss vom 19.1.2011 - S 39 KA 1248/10 ER;
Bayerisches LSG Beschluss vom 22.2.2011 - L 12 KA 2/11 B ER -
NZS 2011, 386)
. Die anschließend bis Juli 2011 geführten Gespräche unter
Beteiligung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und
Gesundheit mit dem Ziel des Abschlusses eines neuen Vertrages
wurden ergebnislos beendet. Daraufhin beantragte der Beklagte die
Einleitung eines Schiedsverfahrens nach § 73b Abs 4a S 1 SGB V.
4 Die Schiedsperson setzte mit Schiedsvertrag vom 13.2.2012 den
Inhalt des HzV-Vertrages fest. Zur Begründung des Vertrages führte
die Schiedsperson ua aus, dass es sich um einen Anschlussvertrag,
nicht um einen "Neuvertrag" handele. Die außerordentliche
Kündigung aus wichtigem Grunde des HzV-Altvertrages durch die
Klägerin zum 31.12.2010 stehe dieser Wertung als
Anschlussvertrag nicht entgegen. Der Vertrag sei in Ausübung
billigen Ermessens als sog Vollversorgungs- oder
Bereinigungsvertrag und nicht als Add-on-Vertrag festgesetzt
worden. Um einem zentralen Anliegen der Klägerin Rechnung zu
tragen, würden die Mehrausgaben gegenüber der Regelversorgung
auf 70 Millionen Euro pro Jahr begrenzt.
5 Die Klägerin hat den HzV-Vertrag zum 30.6.2014 gekündigt. Für die
folgende Zeit ist durch eine weitere Schiedsperson wiederum ein
HzV-Vertrag festgesetzt worden
(vgl das Verfahren vom selben Tag zum Az B 6 KA 59/17 R).
6
Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des
Schiedsspruchs und hilfsweise die Feststellung seiner
Rechtswidrigkeit geltend gemacht hat, abgewiesen. Die dagegen
gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Die
Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V
unterliege nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von
Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten
Maßstäben nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen
Kontrolle.
7 Der HzV-Vertrag sei nicht auf der Grundlage des § 73b SGB V idF
des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen
Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG vom 22.12.2010, BGBl I
2309)
festzusetzen gewesen, sondern auf der Grundlage des § 73b SGB
V in der bis zum 21.9.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur
Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen
Krankenversicherung (vom 15.12.2008, BGBl I 2426), weil es sich
bei dem Vertrag um eine Anschlussvereinbarung iS des § 73b Abs
5a S 5 SGB V aF handele. Dass der neue HzV-Vertrag in zeitlicher
Hinsicht nicht unmittelbar an den früheren HzV-Vertrag anknüpfe,
stehe der Einordnung als Anschlussvereinbarung nicht entgegen.
Es liege auch kein Verstoß gegen das Gebot der Selbsttragung
eines Wahltarifs (§ 53 Abs 9 SGB V) vor, der vorsehe, dass die
Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die HzV
grundsätzlich über Einsparungen und Effizienzsteigerungen
finanziert werden müssten. Der von der Schiedsperson festgesetzte
HzV-Vertrag verletze auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot
(§§ 12 Abs 1, 70 SGB V). Ausschlaggebend sei insoweit, dass die
für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen
Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander abgewogen worden
seien und Eingang in die Begründung gefunden hätten. Diesen
Anforderungen werde der Schiedsspruch gerecht. Die Klägerin gehe
zu Unrecht davon aus, dass die Hausärztliche
Vertragsgemeinschaft Aktiengesellschaft (HÄVG) und die "HÄVG-
Rechenzentrum AG" (richtig: HÄVG-Rechenzentrum GmbH) als
"faktische Vertragspartner" rechtswidrig in den Vertrag einbezogen
"faktische Vertragspartner" rechtswidrig in den Vertrag einbezogen
worden seien. Entscheidend sei, dass nach dem Inhalt des
gesamten HzV-Vertrages lediglich die Krankenkasse und der
Hausärzteverband Vertragspartner seien. Es sei auch nicht zu
beanstanden, dass der durch Schiedsspruch vom 13.2.2012
festgesetzte Vertrag unmittelbare Leistungs- und
Abrechnungsbeziehungen zwischen der Klägerin und den einzelnen
an dem Vertrag teilnehmenden Hausärzten begründe. Dies
widerspreche insbesondere nicht der Konzeption des § 73b SGB V.
Keinen Bedenken begegne, dass sich die Schiedsperson für die
Ausgestaltung des HzV-Vertrages als Vollversorgungsvertrag und
nicht lediglich als Add-on-Vertrag entschieden habe. Die
Schiedsperson habe ihren Entscheidungsspielraum damit jedenfalls
nicht überschritten. Der festgesetzte Vertrag sei auch nicht insofern
unbillig und mit der Satzungshoheit der Klägerin unvereinbar, als er
in § 1 Abs 9 den Geltungsbereich auf alle Versicherten der Klägerin
erstrecke. Zu Unrecht entnehme die Klägerin § 73b Abs 4 S 3 SGB
V aF ein Wahlrecht der Krankenkassen dahingehend, die HzV von
Kindern und Jugendlichen entweder über Verträge mit
"Gemeinschaften, die mindestens die Hälfte der an der
hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten"
gemäß § 73b Abs 4 S 1 SGB V anzubieten oder über gesonderte
Verträge mit Kinderärzten. Eine Mehrfachinanspruchnahme durch
die Versicherten könne die Klägerin ohne Weiteres dadurch
verhindern, dass sie in dem freiwilligen Vertrag zur Versorgung
entsprechende Ausschlussbestimmungen vorsehe. Das Wahlrecht,
an welchem Vertrag sie teilnehmen wollen, stehe allein den
Versicherten zu. Der HzV-Vertrag sei nicht deshalb rechtswidrig, weil
er keine Möglichkeit für die Klägerin vorsehe, Hausärzte, die sich ihr
gegenüber illoyal verhielten oder wiederholt Falsch- oder
Doppelabrechnungen von Leistungen vornähmen, von der
Teilnahme am Vertrag auszuschließen. Es sei nicht zu
beanstanden, dass sich die Schiedsperson stattdessen für eine
Kündigungsmöglichkeit allein des Beklagten entschieden habe.
Gemäß § 5 Abs 3 HzV-Vertrag sei der Hausärzteverband berechtigt
und gegenüber der Krankenkasse verpflichtet, diesen HzV-Vertrag
gegenüber dem Hausarzt mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn
ein wichtiger Grund vorliege.
8 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen
vor: Die bei Schiedssprüchen zu prüfende Unbilligkeit könne auch
darin bestehen, dass das gefundene Ergebnis materiell unrichtig sei
oder gegen Treu und Glauben verstoße. Die von der Schiedsperson
getroffenen Festsetzungen verstießen gegen das
Refinanzierungsgebot und den Grundsatz der Beitragssatzstabilität.
Bei der Festsetzung des Vertragsinhalts sei die Schiedsperson zu
Unrecht davon ausgegangen, dass die Vorgaben nach § 73b Abs
5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG keine Anwendung fänden, weil
es sich um eine Anschlussvereinbarung iS des § 73b Abs 5a S 5
SGB V handele. Der vorangegangene HzV-Vertrag sei bereits mit
Wirkung vom 31.12.2010 außerordentlich gekündigt worden. Die
Wirksamkeit dieser Kündigung sei in einem Eilverfahren bestätigt
worden. Der von der Schiedsperson festgesetzte HzV-Vertrag wäre
daher nur rechtmäßig, wenn eine höhere Vergütung als in der
Regelversorgung durch Einsparungen oder Effizienzsteigerungen
finanziert würde. Das sei jedoch nicht der Fall. Der
streitgegenständliche HzV-Vertrag sehe Mehraufwendungen
gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung in Höhe von jährlich
70 Millionen Euro vor. Hinzu kämen Nebenkosten für eine nicht
vertragskonforme Inanspruchnahme in Höhe von 3,15 Millionen
Euro pro Quartal. Weitere Nebenkosten würden für den Notdienst
und für die Doppelabrechnung extrabudgetärer Leistungen
ausgelöst.
9
Weiterhin verstoße der HzV-Vertrag gegen das
Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB
V. Der Nutzen des Vertrages stehe in keinem angemessenen
Verhältnis zu den ausgelösten Mehraufwendungen in Höhe von 70
Millionen Euro jährlich. Bei der Festlegung dieser
Mehraufwendungen sei die Schiedsperson von 1,5 Millionen
eingeschriebenen Versicherten ausgegangen. Tatsächlich sei
zuletzt jedoch nur etwa ein Drittel der von der Schiedsperson
prognostizierten Zahl von Versicherten (576 000) in den HzV-Vertrag
eingeschrieben gewesen. Die Mehrkosten stünden damit in keinem
ausgewogenen Verhältnis zu der Zahl der eingeschriebenen
Versicherten. Auch die im HzV-Vertrag vereinbarten "Zuschläge für
den erhöhten Betreuungsaufwand definierter Krankheitsbilder" in
Höhe von 10 Euro, 27,50 Euro und 55 Euro seien in ihrer konkreten
Ausgestaltung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar. Der
Nachweis eines tatsächlich erhöhten Betreuungsaufwands sei nach
dem Inhalt des Vertrages gerade nicht erforderlich. Auch die
zusätzliche Vergütung für eine sog Arzneimitteltherapieoptimierung
sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, welche
zusätzlichen Leistungen Hausärzte im Rahmen der
Arzneimitteltherapieoptimierung zu erbringen hätten. Darüber hinaus
werde eine vertragswidrige Inanspruchnahme etwa von mehreren
Hausärzten durch den HzV-Vertrag nicht wirksam ausgeschlossen.
10
Ferner verstießen die Festsetzungen des HzV-Vertrages gegen das
Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs nach § 53 Abs 9 SGB V.
Nach § 73b Abs 5 S 4 SGB V könnten HzV-Verträge nur
abweichende Regelungen zu den Vorschriften des 4. Kapitels
enthalten. § 53 SGB V stehe aber im 3. Kapitel des SGB V und sei
daher in HzV-Verträgen nicht abdingbar. Soweit das
Berufungsgericht darauf abstelle, dass § 53 Abs 9 SGB V nur das
Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das
Leistungserbringungsrecht betreffe, ändere dies nichts daran, dass
der vorliegende HzV-Vertrag gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoße,
weil die Klägerin ihn nur durch einen rechtswidrig kalkulierten
Wahltarif umsetzen könne.
11
Der HzV-Vertrag verstoße außerdem insoweit gegen § 73b Abs 4 S
1 SGB V, als die HÄVG und die HÄVG-Rechenzentrum GmbH als
faktische Vertragspartner in den Vertrag einbezogen wurden. Es
könne auch nicht nachvollzogen werden, in welchem Umfang
Versichertengelder, die in die HzV investiert würden, systemfremden
Dritten zufließen würden. Dies widerspreche dem
Wirtschaftlichkeitsgebot wie dem Gebot einer transparenten und
sparsamen Verwendung von Versichertengeldern. Der festgesetzte
Vertrag verstoße des Weiteren gegen zwingende Vorgaben des
Sozialdatenschutzes. Rechtswidrig sei der HzV-Vertrag auch
insoweit, als dort unmittelbare Leistungs- und
Abrechnungsbeziehungen zwischen ihr als Krankenkasse und den
einzelnen, an der HzV teilnehmenden Hausärzten begründet
würden. Dies widerspreche der gesetzlichen Konzeption des § 73b
Abs 4 SGB V, wonach die Krankenkassen HzV-Verträge mit
Gemeinschaften von Leistungserbringern schließen müssten.
Abweichend davon erfolge die Auszahlung der HzV-Vergütung an
die einzelnen Hausärzte zwar durch den beklagten
Hausärzteverband; Erstattungsansprüche aufgrund fehlerhafter
Abrechnungen müssten aber von der Klägerin direkt gegenüber den
Hausärzten geltend gemacht werden. Zudem sei es unbillig, dass
der beklagte Hausärzteverband eine Verwaltungskostenpauschale
erhalte, in die aufwendige Abrechnungskorrektur aber gerade nicht
eingebunden werden solle.
12
Rechtswidrig sei ferner die Ausgestaltung des HzV-Vertrages als
Vollversorgungsvertrag. Mit den Vorteilen eines Add-on-Vertrages
setze sich der Schiedsspruch und in der Folge das Berufungsgericht
nicht auseinander. Durch den Vollversorgungsvertrag entstünden
ungerechtfertigte Mehrkosten sowie erhebliche Schwierigkeiten bei
der erforderlichen Bereinigung der kollektivvertraglichen
Gesamtvergütung.
13
Als unwirtschaftlich erweise sich der HzV-Vertrag auch deshalb, weil
er eine Abrechnung von Leistungen für eingeschriebene Versicherte
im Kollektivvertragssystem nicht wirksam ausschließe. Sog
"hausarztuntypische" Leistungen, die nicht explizit im
Leistungsverzeichnis des HzV-Vertrages erfasst seien, könnten trotz
der Ausgestaltung als Vollversorgungsvertrag weiterhin gegenüber
der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Bayerns abgerechnet
werden. Diese Differenzierung zwischen hausarzttypischen und
hausarztuntypischen Leistungen sei willkürlich und widerspreche
der Struktur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für
vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä). Der HzV-Vertrag sei auch
insofern unbillig, als sie als Krankenkasse verpflichtet werde, auch
Kindern und Jugendlichen eine Teilnahme an der HzV anzubieten,
obwohl diese in Bayern die Möglichkeit hätten, an einer pädiatrie-
zentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V teilzunehmen.
14
Unbillig und rechtswidrig sei der HzV-Vertrag schließlich deshalb,
weil er keine Möglichkeit vorsehe, solche Hausärzte, die sich ihr
gegenüber vertragswidrig oder in sonstiger Weise illoyal verhalten,
von der Teilnahme am HzV-Vertrag auszuschließen. Die allein
bestehende Kündigungsmöglichkeit durch den beklagten
Hausärzteverband stelle keine sachgerechte Lösung dar.
15
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.
September 2016 und des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2014
aufzuheben und festzustellen, dass der durch Schiedsspruch vom
13. Februar 2012 festgesetzte Vertrag zur Durchführung einer
hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs 4 S 1 SGB V
unbillig und rechtswidrig ist, insbesondere insoweit als
a) der festgesetzte Vertrag gegen § 73b Abs 5a S 1 bis 4, Abs 8
SGB V idF des GKV-FinG verstößt;
b) der festgesetzte Vertrag mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 2
Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V unvereinbar ist;
c) der festgesetzte Vertrag gegen das aus § 53 Abs 9 SGB V
folgende Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs verstößt;
d) systemfremde Dritte, insbesondere die HÄVG und die HÄVG
Rechenzentrum AG, als faktische Vertragspartner am festgesetzten
Vertrag gegen den Willen der Klägerin beteiligt werden;
e) der festgesetzte Vertrag mit datenschutzrechtlichen Vorgaben
aus § 295a SGB V unvereinbar ist, soweit für eingeschriebene
Versicherte nicht erkennbar ist, an welches Rechenzentrum ihre
Daten übertragen werden;
f) der festgesetzte Vertrag unmittelbare Vergütungsansprüche der
teilnehmenden Hausärzte gegenüber der Klägerin begründet;
g) der als "Vollversorgungsvertrag" festgesetzte Vertrag eine
Abrechnung von Leistungen für eingeschriebene HzV-Versicherte
im Kollektivvertragssystem nicht wirksam ausschließt;
h) sich der Geltungsbereich des festgesetzten Vertrags auf alle
Versicherten der Klägerin erstreckt, ohne eine Mehrfachteilnahme
an verschiedenen Vertragsangeboten der Klägerin zur
hausarztzentrierten Versorgung auszuschließen;
i) der festgesetzte Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit der Klägerin
bei vertragswidrigem Verhalten eines Hausarztes vorsieht.
16
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
17
Soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des HzV-
Vertrages mit der Begründung begehre, dass dieser gegen § 73b
Abs 5a S 1 bis 4, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verstoße, sei die
Klage bereits unzulässig, weil das erforderliche
Feststellungsinteresse fehle. Die maßgebliche Vorschrift des § 73b
Abs 5a SGB V sei durch das 14. SGB V-Änderungsgesetz (14. SGB
V-ÄndG) vom 27.3.2014 mWv 1.4.2014 gestrichen worden. Ein
berechtigtes Interesse an der isolierten Feststellung einer
Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages unter Zugrundelegung einer
nicht mehr geltenden Rechtslage bestehe nicht. Eine
Wiederholungsgefahr sei ausgeschlossen. Auch ein
Rehabilitierungsinteresse habe die Klägerin nicht dargelegt. Die
bloße Behauptung, Schadensersatzansprüche geltend machen zu
wollen, begründe kein berechtigtes Feststellungsinteresse. Der HzV-
Vertrag 2012 sei nicht nur beendet, sondern die Schlussabrechnung
sei vollständig durchgeführt worden. Weitere Ansprüche der Klägerin
auf dieser Grundlage seien von den Vertragspartnern durch einen
Vergleich vom 28.9.2016 ausgeschlossen worden und im Übrigen
bereits verjährt.
18
Auch soweit die Klägerin geltend mache, dass der streitbefangene
HzV-Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar
sei, weil für eingeschriebene Versicherte nicht erkennbar sei, an
welches Rechenzentrum ihre Daten übertragen würden, fehle das
erforderliche Feststellungsinteresse. Der HzV-Vertrag 2012 sei nicht
mehr in Kraft, und im Folgevertrag 2014 werde das Rechenzentrum
in den Informationen zum Datenschutz ausdrücklich benannt. Im
Übrigen hätte die Klägerin jederzeit während der Laufzeit des HzV-
Vertrages 2012 mit dem Beklagten eine Ergänzung der
Datenschutzerklärung vornehmen können, wenn sie diese für
erforderlich hielte. Die Klägerin habe sich aber jeder Anpassung und
Optimierung der Anlagen zum HzV-Vertrag mit dem Hinweis
verweigert, dass sie das laufende gerichtliche Verfahren nicht
gefährden wolle.
19
Im Übrigen sei die Revision nicht begründet. Die Maßstäbe für die
gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die
Schiedsperson seien mit der Entscheidung des BSG vom 25.3.2015
(B 6 KA 9/14 R) geklärt. Eine Billigkeitsprüfung sei danach nicht
vorzunehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten
Rechtsverstöße lägen nicht vor. Die Angaben der Klägerin zur nicht
vertragskonformen Inanspruchnahme von Leistungen seien nicht
belegt und nicht nachvollziehbar. Angesichts der im HzV-Vertrag
enthaltenen Vergütungsbegrenzungsklausel liege kein Verstoß
gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Die im HzV-Vertrag
getroffenen Regelungen seien auch deshalb wirtschaftlich, weil
zahlreiche Verbesserungen gegenüber der Regelversorgung etwa
bei der Betreuung von Versicherten mit chronischen Krankheiten
oder bezogen auf die Arzneimitteltherapie vorgesehen seien. Die im
streitbefangenen HzV-Vertrag getroffenen Regelungen zum
Sozialdatenschutz stünden im Einklang mit den gesetzlichen
Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG. Es
existierten keine gesetzlichen Vorgaben, die unmittelbare
Vertragsbeziehungen zwischen den an der HzV teilnehmenden
Ärzten und der Klägerin als Krankenkasse ausschließen würden.
Der Abschluss des Vertrages als Vollversorgungsvertrag sei nicht zu
beanstanden. Unbedenklich sei auch, dass die an der HzV
teilnehmenden Ärzte Leistungen, die nicht im HzV-Ziffernkranz
abgebildet seien, weiterhin gegenüber der KÄV abrechnen könnten.
Dass die Klägerin auch Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an
dem streitbefangenen HzV-Vertrag anbieten müsse, stehe im
Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Nicht zu beanstanden sei
ferner, dass die Klägerin keine Möglichkeit habe, einem Arzt, der
sich vertragswidrig verhalte, zu kündigen. Die Rechte der Klägerin
seien ausreichend dadurch gewahrt, dass sie gegenüber der
Klägerin verpflichtet sei, einem sich vertragswidrig verhaltenden Arzt
zu kündigen. Dieser Verpflichtung sei er - der Beklagte - auch
nachgekommen, wenn ein entsprechender Verstoß nachgewiesen
worden sei.
Entscheidungsgründe
20
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat es zu
Recht abgelehnt, eine Feststellung dahin zu treffen, dass der von
der Schiedsperson am 13.2.2012 festgesetzte Vertrag zur HzV
rechtswidrig war.
21
A. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
22
I. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG
sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten
Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der LSGe für eine
Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt
(vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 =
SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 21 mwN)
.
23
II. Die Feststellungsklage ist statthaft. Da die Schiedsperson als
Vertragshelfer tätig wird und der Schiedsspruch dementsprechend
nicht als Verwaltungsakt ergeht, kann die Rechtswidrigkeit nicht mit
der Anfechtungsklage geltend gemacht werden
(vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 =
SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 22 ff)
. Auch kann die Klägerin nicht die Ersetzung der Regelungen des
Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319
Abs 1 S 2 Halbs 1 BGB iVm § 69 Abs 1 S 3 SGB V erreichen.
Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke wie den
streitbefangenen HzV-Vertrag festsetzen, Regelungen über den
Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der
Verträge untereinander vollständig regeln
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 50 mwN; vgl auch BSG Urteil vom
23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a
Nr 10, RdNr 21, 27)
. Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten
Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind,
bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die
Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen.
24
Die Klägerin hat die Klage auch in Übereinstimmung mit § 73b Abs
4a S 5 SGB V gegen den Beklagten als Partei des HzV-Vertrages
gerichtet.
25
III. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Vertrag
gegen Vorgaben zur Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5a S 1 bis
4, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verstoße und außerdem mit
datenschutzrechtlichen Vorgaben aus § 295a SGB V unvereinbar
sei, weil für eingeschriebene Versicherte nicht erkennbar sei, an
welches Rechenzentrum ihre Daten übertragen werden, ist die
Klage jedoch unzulässig, weil es am erforderlichen
Feststellungsinteresse fehlt.
26
Nach § 55 Abs 1 SGG setzt die Zulässigkeit einer Feststellungklage
voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der
alsbaldigen Feststellung hat. Der Umstand, dass der von der
Schiedsperson festgesetzte streitbefangene HzV-Vertrag bereits
durchgeführt worden und nicht mehr in Kraft ist, steht dem nicht von
vornherein entgegen. Auch vergangene Rechtsverhältnisse können
Gegenstand der Feststellungsklage sein
(BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 36/93 - BSGE 76, 48, 50 = SozR
3-2500 § 120 Nr 5 S 27 f, Juris RdNr 15; Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 8)
. In entsprechender Anwendung der zur
Fortsetzungsfeststellungsklage entwickelten Grundsätze genügt ein
durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das
rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann
(BSG Urteil vom 10.7.1996 - 3 RK 27/95 - BSGE 79, 33 = SozR 3-
2500 § 126 Nr 2, Juris RdNr 15)
. Ein Feststellungsinteresse kommt - wenn es wie hier um
vergangene Rechtsverhältnisse geht - insbesondere bei
Wiederholungsgefahr und zur Durchsetzung von Folgeansprüchen
(Präjudizialität) in Betracht. Maßgebender Zeitpunkt für die
Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Entscheidung durch
die Revisionsinstanz
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 57, 90 mwN; für die
Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 131 RdNr
10, 10i)
.
27
1. Weder unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr noch
mit dem Interesse an der Durchsetzung von Folgeansprüchen kann
ein berechtigtes Interesse an der Feststellung begründet werden,
dass der HzV-Vertrag den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus §
73b Abs 5a SGB V idF des GKV-FinG oder das
Refinanzierungsgebot aus § 73b Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG
verletzt.
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a) Einer Wiederholungsgefahr steht bezogen auf die geltend
gemachte Verletzung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität
entgegen, dass die mit dem GKV-FinG eingeführten Regelungen zur
Beitragssatzstabilität in der HzV (§ 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V aF)
bereits mit dem 14. SGB V-ÄndG mWv 1.4.2014 wieder aufgehoben
worden sind.
29
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 25.3.2015
(B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr
51)
dargelegt hat, ist die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der
Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V darauf gerichtet, "ob die
von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit
höherrangigem Recht unvereinbar sind". Das Gericht "bezeichnet
ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der
Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen". Ausdrücklich
hat der Senat vor diesem Hintergrund ein fortbestehendes
Feststellungsinteresse in einer Konstellation, in der der Vertrag
während des um seine Rechtmäßigkeit geführten gerichtlichen
Verfahrens noch nicht durchgeführt worden war, nur anerkannt,
"soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung
des Vertrags ankommt"
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 90)
. Mit dieser Begründung hat der Senat die Feststellung von
Verstößen gegen so nicht mehr existierende datenschutzrechtliche
Bestimmungen abgelehnt (BSG, aaO, RdNr 98). In einer
Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der der Vertrag zwar
durchgeführt worden, aber nicht mehr in Kraft ist und in der sich das
Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr nur auf den Inhalt von Folgeverträgen
beziehen kann, gilt nichts anderes.
30
Eine Wiederholungsgefahr kann auch nicht erfolgreich damit
begründet werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität
unabhängig von § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG für
die HzV gelten würde. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom
25.3.2015 (aaO RdNr 67 ff) im Einzelnen dargelegt hat, galt der
Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur für HzV-Verträge, die nach
der Einführung des § 73b Abs 5a SGB V und der Änderung des Abs
8 der Vorschrift durch das GKV-FinG zum 22.9.2010 zustande
gekommen waren
(vgl die entsprechende Übergangsregelung in § 73b Abs 5a S 1
SGB V idF des GKV-FinG)
. Dies folgt aus § 73b Abs 5 S 4 SGB V, der Abweichungen von den
Vorschriften des Vierten Kapitels und damit auch von dem in § 71
Abs 1 S 1 SGB V verankerten Grundsatz der Beitragssatzstabilität
zulässt
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 72)
. Mit dem 14. SGB V-ÄndG ist der Gesetzgeber mit der Begründung
zu der Rechtslage aus der Zeit vor den Änderungen durch das GKV-
FinG zurückgekehrt, dass sich § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V aF als
"Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine
hausarztzentrierte Versorgung erwiesen" (BT-Drucks 18/606 S 11)
hätten. Vor diesem Hintergrund kann es auf die Frage, ob der hier
von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag gegen das in § 73b Abs
5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verankerte Gebot der
Beitragssatzstabilität verstieß, in Zukunft nicht mehr ankommen.
Damit besteht kein Feststellungsinteresse mehr unter dem
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.
31
b) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann bezogen auf den
geltend gemachten Verstoß gegen das Gebot der
Beitragssatzstabilität auch nicht erfolgreich mit möglichen
Erstattungs- oder Schadensersatzansprüchen begründet werden.
32
Feststellungsklagen sind gegenüber Klagen auf Schadensersatz
grundsätzlich subsidiär. Ein Feststellungsinteresse für
Folgeansprüche kann jedoch grundsätzlich damit begründet
werden, dass beabsichtigt ist, auf der Grundlage der getroffenen
Feststellungen zur Rechtswidrigkeit Schadensersatzansprüche
geltend zu machen und zB konkret Amtshaftungsklage zu erheben.
Der Prozess muss mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein.
Dass nur allgemein auf eine erleichterte Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen vor dem zuständigen Zivilgericht
hingewiesen wird, genügt nicht
(BFH Urteil vom 30.7.1975 - I R 153/73 - BFHE 116, 459). Wenn der
Kläger allerdings konkret vorträgt, er beabsichtige zB
Amtshaftungsklage zu erheben, kann in der Regel davon
ausgegangen werden, dass ein Amtshaftungsprozess mit
hinreichender Sicherheit zu erwarten ist
(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl
2017, § 131 RdNr 10e mwN)
.
33
aa) Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin innerhalb der
Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 SGG) nur ganz allgemein
angegeben, dass die Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages
festzustellen sei, "um der Klägerin die Geltendmachung eines
entsprechenden Schadensersatzes zu ermöglichen und
vergleichbare rechtswidrige und unbillige Festsetzungen in Zukunft
zu verhindern". Die konkrete Absicht, Schadensersatz geltend zu
machen, ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen und die Klägerin
trifft auch keine Aussage zu der Frage, gegenüber wem ein
Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden soll. Für ein
berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität
bestehen danach keine konkreten Anknüpfungspunkte.
34
bb) Erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Klägerin
das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt des
präjudiziellen Interesses näher begründet und geltend gemacht,
dass die Durchführung des Vertrages zu Mehrkosten gegenüber der
Regelversorgung geführt habe, ohne dass eine signifikante
Erhöhung der Qualität der Leistung erreicht worden sei. Der
einzuklagende Schaden entspreche der Summe aller im
Zusammenhang mit der Durchführung des HzV-Vertrages
geleisteten Zahlungen abzüglich der im selben Zeitraum ersparten
Aufwendungen der kollektivvertraglichen Regelversorgung. Soweit
der durch die Schiedsperson festgesetzte HzV-Vertrag rechtswidrig
und unwirksam sei, habe kein Rechtsgrund für die Leistung der
HzV-Vergütung bestanden. Diese Ansprüche bestünden
unabhängig davon, dass die Schlussabrechnung des HzV-
Vertrages inzwischen durchgeführt worden sei. Zudem stehe ihr ein
vertraglicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten
wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu.
35
Selbst wenn das Vorbringen der Klägerin aus der Zeit nach Ablauf
der Revisionsbegründungsfrist hier zu berücksichtigen sein sollte,
könnte ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der HzV-
Vertrag gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verstoßen
habe, nicht angenommen werden, weil die genannten Ansprüche
nicht ernsthaft in Betracht kommen:
36
(1) Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 25.3.2015
(B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr
35 f)
im Einzelnen dargelegt hat, ist ein durch Festsetzung der
Schiedsperson zustande gekommener Vertrag auch dann
umzusetzen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren die Feststellung
der Rechtswidrigkeit dieses Vertrages geltend gemacht wird. Etwas
anderes gilt allein im Falle der Nichtigkeit des Vertrages - für die es
hier keine Anhaltspunkte gibt und die von der Klägerin auch nicht
geltend gemacht wird - oder wenn die Pflicht zur Umsetzung des
Vertrages durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach §
86b Abs 2 SGG beseitigt wird. Von der Möglichkeit, den Erlass einer
entsprechenden einstweiligen Anordnung zu beantragen, hat die
Klägerin als Ergebnis einer entsprechenden Entscheidung ihres
Verwaltungsrats keinen Gebrauch gemacht. Dabei hätte der
Umstand, dass Rechtsschutz hier in der Hauptsache mit einer
Feststellungsklage zu erreichen ist, dem Erlass einer einstweiligen
Anordnung nicht entgegengestanden. Das hat der Senat bereits in
anderem Zusammenhang klargestellt
(vgl BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - SozR 4-5540 Anl
9.1 Nr 12 RdNr 35, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen)
und dies gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot
lückenlosen und wirksamen Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG)
auch bezogen auf Feststellungsbegehren, die die Rechtswidrigkeit
von HzV-Verträgen zum Gegenstand haben.
37
Aus der - rechtlich gebotenen - Umsetzung des Vertrages kann
unter den gegebenen Umständen ein zivilrechtlicher
Schadensersatzanspruch gegenüber dem beklagten
Hausärzteverband, gegenüber den an der HzV teilnehmenden
Ärzten oder gegenüber den teilnehmenden Versicherten nicht
hergeleitet werden. Zur Frage der entsprechenden Anwendbarkeit
wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (ua zum Schadensersatz)
auf die in § 69 Abs 1 S 1 SGB V geregelten Rechtsverhältnisse hat
der Senat bereits entschieden, dass diese zur Kompensation einer
unterlassenen oder im Ergebnis erfolglosen Inanspruchnahme
gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem
gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem
Rechtsschutz nach § 86b SGG, von vornherein nicht zur Verfügung
stehen
(BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - zur Veröffentlichung
für BSGE und SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 12 vorgesehen, RdNr 28)
. Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der
Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten,
Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen
Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der
Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der
Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V grundsätzlich
abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64
SGB V geregelt
(BSG Urteil vom 25.9.2001 - B 3 KR 3/01 R - BSGE 89, 24, 32 f =
SozR 3-2500 § 69 Nr 1 S 9 f; zur Frage der Anwendbarkeit von
zivilrechtlichen Bestimmungen aus dem GWB oder dem UWG vgl
BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046,
RdNr 23; BGH Urteil vom 2.10.2003 - I ZR 117/01 - NZS 2004, 478 =
GesR 2004, 151, Juris RdNr 27; BGH Beschluss vom 16.1.2008 -
KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 = NZS
2008, 653, 654, RdNr 18)
. Auch über eine - nach § 69 Abs 1 S 3 SGB V nicht vollständig
ausgeschlossene - entsprechende Heranziehung von Vorschriften
des BGB können Schadensersatzansprüche einer Krankenkasse
gegenüber einem Hausärzteverband oder den an der HzV
teilnehmenden Ärzten unter diesen Umständen nicht begründet
werden
(zu Schadensersatzansprüchen zwischen Leistungserbringern vgl
BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - zur Veröffentlichung für
BSGE und SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 12 vorgesehen, RdNr 31)
.
38
(2) Von der Klägerin ist auch keine Gesamtvergütung an den
Beklagten gezahlt worden, die ggf nachträglich von diesem
zurückgefordert werden könnte. Die Zahlung einer
Gesamtvergütung ist im Bereich der kollektivvertraglichen
Versorgung gesetzlich vorgesehen, nicht jedoch in der HzV.
39
Die kollektivvertragliche Versorgung ist dadurch gekennzeichnet,
dass Rechtsbeziehungen grundsätzlich nur in dem Viereck-
Verhältnis Versicherter-Krankenkasse-KÄV-Arzt bestehen, eine
Rechtsbeziehung unmittelbar zwischen Krankenkasse und Arzt
hingegen nicht. Die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen
sowie KÄV auf der einen Seite und KÄV sowie Vertragsarzt auf der
anderen Seite sind zu trennen
(vgl BSG Urteil vom 18.12.1996 - 6 RKa 66/95 - BSGE 80, 1, 6 =
SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 11, Juris RdNr 22; BSG Urteil vom
17.9.2008 - B 6 KA 48/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; BSG
Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - BSGE 122, 112 = SozR 4-
2500 § 75 Nr 18, RdNr 46)
. Das vertragsarztrechtliche Beziehungsgeflecht vermeidet
grundsätzlich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den
Krankenkassen als Leistungsträgern und den (Vertrags-)Ärzten als
Leistungserbringern
(BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR
4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130, Juris RdNr 143)
. Insbesondere sind unmittelbare Honoraransprüche der einzelnen
Ärzte gegenüber den Krankenkassen nicht vorgesehen. Vielmehr
zahlen die Krankenkassen die durch ihre Landesverbände und die
Ersatzkassen nach § 87b Abs 3 S 1 SGB V vereinbarte
Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die KÄVen, die die
Vergütung wiederum an die Ärzte verteilen. Dementsprechend hat
die Krankenkasse im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt
unmittelbar und ohne Tätigwerden der vertragsarztrechtlichen
Gremien in Regress zu nehmen
(BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr
28 RdNr 44; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 17/12 R - SozR 4-
5540 § 48 Nr 2 RdNr 24; zum zahnärztlichen Bereich vgl BSG Urteil
vom 25.3.2003 - B 1 KR 29/02 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 1 RdNr 3 f,
Juris RdNr 9 f)
.
40
Damit vergleichbare kollektivvertragliche Strukturen bestehen im
Bereich der HzV nicht; diese ist im Wesentlichen selektivvertraglich
strukturiert. Nach § 73b Abs 1 SGB V hat die Krankenkasse - und
strukturiert. Nach § 73b Abs 1 SGB V hat die Krankenkasse - und
damit nicht die KÄV - ihren Versicherten die HzV anzubieten. Soweit
die HzV durch Verträge nach § 73b Abs 4 SGB V durchgeführt wird,
ist der Sicherstellungsauftrag der KÄV und der KÄBV nach § 75
SGB V eingeschränkt (§ 73b Abs 4 S 6 SGB V). Zwar ist der HzV-
Vertrag nach § 73b Abs 4 S 1 SGB V nicht mit dem einzelnen an der
HzV teilnehmenden Hausarzt, sondern mit der Gemeinschaft der
Hausärzte (Hausärzteverband) zu schließen. Dieser in der Literatur
so bezeichnete Semikorporatismus
(vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 136, 139 f; Bogan, Der
Sicherstellungsauftrag der KÄVen, 2012, S 236)
hat jedoch nicht zur Folge, dass der Hausärzteverband bezogen auf
die HzV vollständig die Funktion zu übernehmen hätte, die der KÄV
als Körperschaft des öffentlichen Rechts in der kollektivvertraglichen
Versorgung zukommt. Eine damit vergleichbare Honorarverteilung
durch den Hausärzteverband ist im System der HzV gesetzlich nicht
vorgesehen und auch der hier streitbefangene HzV-Vertrag regelt
keine dem Kollektivvertragssystem entsprechende Trennung der
Rechtskreise. Vielmehr bestimmt § 10 Abs 1 S 1 HzV-Vertrag, dass
der Hausarzt gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf
Vergütung nach Maßgabe der dazu getroffenen Bestimmungen hat.
Zwar zahlt die Krankenkasse die Vergütung nicht unmittelbar an die
einzelnen Hausärzte aus, sondern an den Hausärzteverband. In der
äußeren Form ergeben sich damit durchaus Parallelen zur
kollektivvertraglichen Versorgung. Der Hausärzteverband nimmt die
Vergütung von der Krankenkasse aber ausdrücklich im fremden
Namen und für fremde Rechnung entgegen und ist verpflichtet,
diese zu Abrechnungszwecken getrennt von seinem sonstigen
Vermögen zu verwalten (§ 13 Abs 1 HzV-Vertrag). Trotz der
Abwicklung über den Hausärzteverband bzw der von ihm
beauftragten Stellen bleibt es dabei, dass mit der Zahlung der
Vergütung durch die Krankenkasse keine Ansprüche des
Hausärzteverbandes, sondern Ansprüche der einzelnen Hausärzte
erfüllt werden. Für die in der mündlichen Verhandlung von der
Klägerin erhobene Forderung, dass der Hausärzteverband
Rückstellungen hätte bilden müssen, um spätere
Regressansprüche der Krankenkasse befriedigen zu können, gibt
es unter diesen Umständen keine rechtliche Grundlage.
41
(3) Für Ansprüche, die die Klägerin gegenüber den einzelnen Ärzten
geltend machen könnte, die während des etwa zweijährigen
Geltungszeitraums ab 2012 an dem HzV-Vertrag teilgenommen
haben, kann der Senat auch unter Berücksichtigung des
Vorbringens der Klägerin nach Ablauf der Revisionsbegründungfrist
keine konkreten Anhaltspunkte erkennen. Auf entsprechendes
Vorbringen des Beklagten im Revisionsverfahren hat die Klägerin
eingeräumt, dass zu dem hier streitbefangenen HzV-Vertrag bereits
eine Schlussabrechnung durchgeführt worden sei, die insbesondere
Fragen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung gegenüber den
einzelnen Vertragsärzten zum Gegenstand hatte. Die dazu
zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene
Vereinbarung vom 28.9.2016 schließt mit den Sätzen: "Über die
Schlussabrechnung HzV-Vertrag 2012 hinausgehende Ansprüche
der AOK-Bayern aufgrund Nachreichungen und sachlich-
rechnerischer Korrekturen sind ausgeschlossen. Hiervon
ausgenommen sind ehemals teilnehmende Hausärzte, die das
Vergleichsangebot nicht angenommen und nicht bezahlt haben."
Unter diesen Umständen hätte die Klägerin zur Begründung eines
auf Schadensersatzansprüche gestützten Feststellungsinteresses
angeben müssen, ob es auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung - etwa 1 ½ Jahre nach Abschluss
der genannten Vereinbarung - noch offene Verfahren gibt, auf die
sich mögliche Regressansprüche im Zusammenhang mit der
geltend gemachten Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages beziehen
könnten. Die Klägerin hat jedoch im Gegenteil mit Schriftsatz vom
12.3.2018 bestätigt, dass die Schlussabrechnung inzwischen
durchgeführt worden sei. Ihre damit verbundene Angabe,
Erstattungs- und Schadensersatzansprüche bestünden
"unabhängig davon", hat sie nicht näher begründet. Soweit sie
zunächst auch Schadensersatzansprüche gegen die
Schiedsperson in Betracht gezogen hat, hat sie daran in der
mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Die
Frage, ob Ansprüche der Klägerin gegenüber einzelnen Hausärzten
oder gegenüber der Schiedsperson ggf bereits verjährt wären,
bedarf unter diesen Umständen keiner näheren Erörterung.
42
(4) Im Übrigen dürfte auch unabhängig von der durchgeführten
Schlussabrechnung eine Rückabwicklung des gesamten HzV-
Vertrages auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen. Nach ständiger
Rechtsprechung wirken Statuserteilungen und -aufhebungen im
Vertragsarztrecht nur ex nunc und nicht ex tunc
(BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B - Juris RdNr 10
mwN; BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 7/05 R - SozR 4-5520 § 24
Nr 2 RdNr 13 zur Genehmigung einer Verlegung des Praxissitzes;
BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 15/08 R - SozR 4-2500 § 96 Nr 1
RdNr 15 f, 22; BSG Urteil vom 29.1.1997 - 6 RKa 24/96 - BSGE 80,
48, 49/50 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119/120, Juris RdNr 15
bezogen auf eine Großgeräte-Genehmigung)
. Im Falle einer rechtswidrig erteilten Zulassung behält der Arzt
Honoraransprüche solange die vertragsärztliche Tätigkeit erlaubt
ausgeübt wird. Das gilt zB wenn der Arzt seine vertragsärztliche
Tätigkeit vorläufig als Ergebnis eines gerichtlichen Eilverfahrens
oder infolge der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage
gegen eine Zulassungsentziehung ausüben darf
(vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119, 79 =
SozR 4-5520 § 19 Nr 3, RdNr 46 ff; BSG Beschluss vom 5.6.2013 -
B 6 KA 4/13 B - Juris RdNr 10 mwN)
.
43
Zwar entscheidet die Teilnahme an der HzV - anders als eine
Zulassung, eine Ermächtigung oder eine Anstellungsgenehmigung
(vgl dazu BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 15/08 R - SozR 4-2500
§ 96 Nr 1, RdNr 15 f, 22; BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA
4/13 B - Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R -
BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 36; BSG Urteil vom
28.11.2007 - B 6 KA 26/07 R - BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103
Nr 3, RdNr 25)
- nicht darüber, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des
Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt
werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu
vergüten sind. Auch bei der HzV muss jedoch zu jedem Zeitpunkt
klar sein, welcher Arzt Versicherte nach den speziell dafür geltenden
Bedingungen zulasten der vertragschließenden gesetzlichen
Krankenkasse behandeln kann. Der HzV-Vertrag ist Grundlage
sowohl des Teilnahmestatus des Arztes als auch des
Teilnahmestatus des Versicherten. In der HzV gelten nicht nur
besondere Voraussetzungen für die Leistungserbringung etwa in
Gestalt von Qualitätsanforderungen, die nach § 73b Abs 2, Abs 5 S
1 SGB V im HzV-Vertrag zu regeln sind, sondern es kommt -
jedenfalls bei dem hier streitbefangenen Vollversorgungsvertrag -
auch ein eigenständiges Leistungs- und Vergütungssystem zur
Anwendung, das sich nicht nur bezogen auf die Honorarhöhe,
sondern auch bezogen auf Inhalt und Umfang der dafür zu
erbringenden Leistungen von der Regelversorgung unterscheidet.
Nach § 73b Abs 5 S 3 SGB V können in den HzV-Verträgen sogar
Ausnahmen von dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1
SGB V für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
vereinbart werden. Die Sachleistungsansprüche der an der HzV
teilnehmenden Versicherten werden damit entsprechend erweitert.
Der Senat geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass dem
Honoraranspruch eines an der HzV teilnehmenden Arztes die
Rechtswidrigkeit eines bereits vollzogenen HzV-Vertrages
grundsätzlich nicht entgegengehalten werden kann.
44
2. Auch soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der HzV-
Vertrag gegen die Vorgaben aus § 295a SGB V verstoße, weil für
die eingeschriebenen Versicherten nicht erkennbar sei, an welches
Rechenzentrum ihre Daten übermittelt würden, fehlt das
erforderliche Feststellungsinteresse. Zwar ist seit der Festsetzung
des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson keine im vorliegenden
Zusammenhang relevante Änderung der Rechtslage eingetreten,
die das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr entfallen lassen würde; die gesetzliche
Grundlage für die an der HzV teilnehmenden Hausärzte ist mit der
Einfügung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur
Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom
28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 eingeführt und
seitdem nur redaktionell geändert worden. Wie die Klägerin im
Einzelnen dargelegt hat, wird das mit der Verarbeitung der
Abrechnungsdaten betraute Rechenzentrum jedoch in dem seit
2014 geltenden Vertrag konkret mit Namen und Anschrift (HÄVG-
Rechenzentrum GmbH,
) bezeichnet. Außerdem hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt,
dass sie auch schon früher bereit gewesen wäre, dem auf eine
genauere Bezeichnung des Rechenzentrums gerichteten Begehren
der Klägerin Rechnung zu tragen, wenn dies geltend gemacht
worden wäre. Diesem Vorbringen ist die Klägerin nicht
entgegengetreten. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer
entsprechenden gerichtlichen Feststellung ist unter diesen
Umständen weder unter dem Gesichtspunkt des
Rehabilitationsinteresses noch im Hinblick auf eine
Wiederholungsgefahr ersichtlich.
45
IV. Im Übrigen ist die erhobene Feststellungsklage zulässig. Das
erforderliche Feststellungsinteresse besteht unter dem
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Diese hat sich bereits
realisiert. Unter dem 5.5.2014 hat eine andere Schiedsperson die
Fortgeltung des hier streitbefangenen und zum 30.6.2014
gekündigten HzV-Vertrages bis zum Wirksamwerden eines neuen
HzV-Vertrages bestimmt und mit weiterem Schiedsspruch vom
19.12.2014 einen neuen HzV-Vertrag ebenfalls als
Vollversorgungsvertrag festgesetzt. Aufgrund der insoweit im
Wesentlichen unveränderten Rechtslage stellen sich vergleichbare
Fragen zur Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarungen. Die Frage der
Rechtmäßigkeit einer Anordnung, mit der die Klägerin (AOK) durch
ihre Aufsichtsbehörde zur Umsetzung des unter dem 19.12.2014
festgesetzten HzV-Vertrages verpflichtet wird, ist Gegenstand einer
ebenfalls am heutigen Tag (21.3.2018) ergangenen Entscheidung
des Senats (B 6 KA 59/17 R).
46
B. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet.
47
I. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson
nach § 73b Abs 4a SGB V orientiert sich an den zur Kontrolle von
Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten
Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der
Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem
Umfang der gerichtlichen Kontrolle
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; ähnlich zur Schiedsperson nach §
132a SGB V: BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - BSGE
121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 32; vgl auch die stRspr
zu § 89 SGB V:
BSG Urteile vom 10.5.2017 - B 6 KA 14/16 R - SozR 4-2500 § 87a
Nr 3 RdNr 52 und - B 6 KA 5/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 4, zur
Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 30
; BSG Urteil vom 9.4.2008 - B 6 KA 29/07 R - BSGE 100, 144 =
SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG Urteil vom 29.11.2006 - B 6
KA 4/06 R - SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSG Urteil vom
16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr
3, RdNr 11 mwN)
. Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass
Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter -, deren Sprüche
Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen
Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies
trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf
Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben
Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben
(vgl BSG Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R - BSGE 87, 199,
202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; dazu auch Schnapp in
Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen
Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 13)
. Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die
grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und
in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben
eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das
Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem
fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt
hat und der Schiedsspruch die Gründe für das
Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen
lässt
(stRspr zu § 89 SGB V, vgl etwa: BSG Urteil vom 10.5.2017 - B 6 KA
5/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 4, zur Veröffentlichung auch für
BSGE vorgesehen, RdNr 31; BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA
6/14 R - BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60 mwN)
. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde
gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr
zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die
maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat
(zum Schiedsamt vgl BSG Urteil vom 19.3.1997 - 6 RKa 36/96 -
SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSG Urteil vom 10.5.2000 - B 6 KA
20/99 R - BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295;
BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR
4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11)
.
48
Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der
genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des
Vertragsinhalts - soweit die Klägerin ein Feststellungsinteresse
geltend machen kann - nicht zu beanstanden ist.
49
II. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt der Vertrag nicht
gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot. Das
Wirtschaftlichkeitsgebot hat seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs
1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 S 4
SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch
in § 2 Abs 4, § 12 SGB V. Es ist daher auch bei der Vereinbarung
von HzV-Verträgen sowie bei deren Festsetzung durch eine
Schiedsperson zu beachten
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 82)
. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und
wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht
überschreiten.
50
Bei der Beurteilung, ob der festgesetzte Vertrag den an die
Wirtschaftlichkeit zu stellenden Anforderungen entspricht, ist zu
berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der
flächendeckenden HzV, die zum Zeitpunkt der Festsetzung des
streitbefangenen Vertrages auch in Bayern noch nicht
abgeschlossen war, keine hohen Anforderungen an die Prognose
der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die
Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist
ausschlaggebend, ob die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit
wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander
abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden
haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen
eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden
(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR
4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 83; BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR
1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38)
.
51
1. Den so definierten Anforderungen wird die Entscheidung der
Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Sie hat sich mit den
finanziellen Auswirkungen des HzV-Vertrages in der Begründung
des Schiedsspruchs eingehend befasst (S 32 ff). Den
Wirtschaftlichkeitserfordernissen hat sie insbesondere durch eine
Begrenzung des an die teilnehmenden Hausärzte zu leistenden
Honorars Rechnung getragen, die Gegenstand des Anhangs 6 zur
Anlage 3 des HzV-Vertrages ist. Dadurch werden die Mehrkosten,
die der Klägerin durch das Angebot der HzV entstehen - unabhängig
von der Zahl der teilnehmenden Versicherten - auf 70 Millionen Euro
im Jahr begrenzt. Ziel der Vergütungsbegrenzungsklausel war es,
unkalkulierbare Kostenrisiken der Klägerin zB aufgrund einer
erhöhten Anzahl von Versicherteneinschreibungen oder einer
Leistungsmengenausweitung zu vermeiden
(S 32 der Begründung zum HzV-Vertrag). Gerade vor dem
Hintergrund der zusätzlichen Kosten in Höhe von 400 Millionen
Euro, die der Klägerin nach ihren Angaben im Jahr 2010 auf der
Grundlage des im Jahr 2009 frei vereinbarten HzV-Vertrages für die
Durchführung der HzV-Leistungen entstanden sein sollen, erscheint
die genannte Vergütungsobergrenze geeignet, einen wesentlichen
Beitrag zu einer wirtschaftlichen Leistungserbringung zu leisten.
Dabei hat die Schiedsperson nicht verkannt, dass unter Beachtung
der Obergrenze von 70 Millionen Euro pro Jahr bei einer
angenommenen Zahl von 1,5 Millionen teilnehmenden Versicherten
Mehrkosten für die Klägerin in Gestalt einer Erhöhung des Fallwerts
gegenüber der Regelversorgung (63 Euro pro Quartal) um 11,67
Euro entstehen. Diese Mehrkosten durfte die Schiedsperson im
Hinblick auf die angestrebten, in der Begründung des Bescheides im
Einzelnen dargestellten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung (ua
besondere Anforderungen an die Praxisausstattung der
teilnehmenden Ärzte, Verbesserung der Versorgung sterbender
Versicherter, Verbesserung der Arzneimittelversorgung
multimorbider Versicherter, Verpflichtung der Hausärzte zur
Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen sowie zur
Teilnahme an Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie, Angebot von
Früh- und Abendsprechstunden ua) als wirtschaftlich ansehen.
52
Mit ihrem Vorbringen, nach der die hausärztliche Versorgung im
Rahmen der Regelversorgung gleich wirksam, aber kostengünstiger
erbracht werden kann als im Rahmen der HzV, macht die Klägerin
deutlich, dass sie die Bewertungen der Schiedsperson nicht teilt.
Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber die Klägerin
verpflichtet hat, ihren Versicherten die HzV anzubieten und dafür -
jedenfalls für die Zeit seit Inkrafttreten der Änderungen durch das 14.
SGB V-ÄndG mWv 1.4.2014 - auch Mehrkosten gegenüber der
Regelversorgung in Kauf nimmt. Anderenfalls hätte es der
Aufhebung der mit dem GKV-FinG eingeführten Regelungen zur
Beitragssatzstabilität nicht bedurft. Dass die von der Schiedsperson
angestellten Erwägungen, nach denen die Teilnahme an der HzV
zur Erhöhung der Qualität der hausärztlichen Versorgung beiträgt,
die Klägerin nicht überzeugen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der
Festsetzung des Vertragsinhalts. Hohe Anforderungen an die
Begründung der Entscheidung der Schiedsperson können im
Übrigen auch insofern nicht gestellt werden. Ob sich Erwartungen
hinsichtlich einer Erhöhung der Qualität im Vergleich zur
Regelversorgung erfüllen, kann sich ohnehin erst im Rahmen einer
Evaluation erweisen. Dass die Möglichkeiten der Vertragsparteien
oder der an ihrer Stelle handelnden Schiedsperson bezogen auf die
Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses begrenzt sind und dass eine gesicherte
Bewertung erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums der
praktischen Durchführung des Vertrages vorgenommen werden
kann, kommt auch in § 73b Abs 9 SGB V idF des Gesetzes zur
Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) zum Ausdruck, der allerdings nur
Verträge betrifft, die nach dem 31.3.2014 zustande kommen und
deshalb für den streitbefangenen Vertrag noch keine Anwendung
finden konnte. Danach muss die Einhaltung der nach § 73b Abs 5 S
1 SGB V zu vereinbarenden Wirtschaftlichkeitskriterien spätestens
vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden
Verträge nachweisbar sein.
53
2. Im Grundsatz zutreffend wendet die Klägerin ein, dass die
Schiedsperson bei der Begrenzung des Honorars der an der HzV
teilnehmenden Versicherten von einer deutlich höheren Zahl
teilnehmender Versicherter ausgegangen ist, als später tatsächlich
teilgenommen haben. Die von der Schiedsperson angestrebte
Vermeidung unkalkulierbarer Kostenrisiken der Klägerin ist dadurch
aber nicht beeinträchtigt worden. Zwar wird damit die Annahme der
Schiedsperson zur Erhöhung des Fallwerts von 63 Euro in der
Regelversorgung um nur 11,67 Euro in der HzV infrage gestellt. Das
führt jedoch nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Vertrages, sondern ist
Folge der von der Schiedsperson - gerade im Interesse der Klägerin
- verfolgten Konzeption zur Vermeidung unkalkulierbarer
Kostenrisiken eine Belastungsobergrenze unabhängig von der Zahl
der teilnehmenden Versicherten festzulegen. Die Frage, ob eine an
der Zahl der Versicherten orientierte (ergänzende) Begrenzung
möglicherweise vorzugswürdig gewesen wäre, muss hier nicht
entschieden werden, weil die Schiedsperson ihren gerade in der
Anfangsphase weiten Gestaltungsspielraum (vgl oben RdNr 47)
jedenfalls nicht überschritten hat.
54
Der Umstand, dass die Zahl der teilnehmenden Versicherten mit 576
000 (Quartal IV/2013) deutlich geringer war, als von der
Schiedsperson prognostiziert, macht die Prognose entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht fehlerhaft. Maßgeblich für die
Prognose sind die im Zeitpunkt der Entscheidung der
Schiedsperson bekannten und erkennbaren Umstände. Später
bekannt werdende Tatsachen können die Richtigkeit einer
Prognose nicht widerlegen
(vgl BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264,
RdNr 29 mwN; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE
108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 41 mwN)
. Ausgangspunkt der Einschätzung der Schiedsperson zur Zahl der
Versicherten war der Umstand, dass an dem vorangegangenen
HzV-Vertrag 2,595 Millionen der insgesamt 4,3 Millionen
Versicherten der Klägerin teilgenommen haben
(S 2 der Begründung zur Festlegung des Vertrages). Die
Schiedsperson ist nachvollziehbar davon ausgegangen, dass die
Zahl der Versicherten, die an dem streitbefangenen HzV-Vertrag
teilnehmen wird, deutlich geringer sein wird. Das war bereits deshalb
naheliegend, weil die Klägerin die Befreiung von der damals noch
geltenden Praxisgebühr, die sie für die an dem vorangegangenen
HzV-Vertrag teilnehmenden Versicherten vorgesehen hatte,
zurückgenommen hat (vgl S 35 der Begründung). Die Prognose der
Schiedsperson, nach der sich die Zahl der teilnehmenden
Versicherten von ehemals über 2,5 Millionen auf 1,5 Millionen
verringern und damit fast halbieren würde, trägt den damals
bekannten Umständen ausreichend Rechnung. Dass die
Praxisgebühr mit der Aufhebung des § 28 Abs 4 SGB V durch Art 1
Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in
stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom
20.12.2012 (BGBl I 2789) vollständig abgeschafft würde, war zum
Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsperson noch nicht bekannt
und konnte deshalb auch nicht berücksichtigt werden.
55
Im Übrigen gibt es auch keine Hinweise, dass bei den von der
Schiedsperson getroffenen Festlegungen sachfremde Erwägungen
eine Rolle gespielt haben könnten. Vielmehr bestätigt das von der
Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2015 gegenüber dem Beklagten
unterbreitete Angebot einer Übergangsregelung, das eine Erhöhung
der im streitgegenständlichen HzV-Vertrag enthaltenen 70-Millionen-
Grenze um 10 % für die Zeit ab 1.4.2015 und eine weitere
Anpassung dieser Obergrenze für die Zeit ab dem Jahr 2016 "zur
Vermeidung untragbarer Finanzrisiken der AOK-Bayern"
entsprechend der Veränderungsrate gemäß § 71 Abs 3 SGB V
vorsah, dass der Schiedsspruch den berechtigten Interessen der
Klägerin angemessen Rechnung getragen haben dürfte.
56
3. Die Klägerin kann die Unwirtschaftlichkeit des HzV-Vertrages
auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die dort geregelten
"Zuschläge für den erhöhten Betreuungsaufwand definierter
Krankheitsbilder" (sog Chronikerzuschläge) geltend machen. Allein
dem Umstand, dass die sog Chronikerzuschläge bereits zu zahlen
sind, wenn ein einziger Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal
stattgefunden hat, kann kein Hinweis auf eine Unwirtschaftlichkeit
entnommen werden. Der Zuschlag unterscheidet sich insofern nicht
von anderen Pauschalen, die im EBM-Ä geregelt sind. Für den
EBM-Ä sieht § 87 Abs 2b S 1 bis 3 SGB V die Abbildung von
Leistungen in Form von Versichertenpauschalen sogar ausdrücklich
im Sinne einer Sollregelung vor. Vor diesem Hintergrund erscheint
es fernliegend, dass die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum
überschreiten könnte, wenn sie Pauschalen auch für die Vergütung
im Rahmen des HzV-Vertrages vorsieht. Die durch Art 1 Nr 5 des
Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG)
vom 4.4.2017 (BGBl I 778) mWv 11.4.2017 in § 73b Abs 5 S 7 SGB
V eingeführte Regelung, nach der zusätzliche Vergütungen für
Diagnosen nicht Gegenstand der HzV-Verträge sein können, galt
noch nicht für den hier streitbefangenen Vertrag. Im Übrigen sind
Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Pauschalen nicht in erster
Linie für die Verbesserung der Qualität der Betreuung und
Behandlung der Patienten, sondern für das Codieren bestimmter
Diagnosen gezahlt worden sein könnten, nicht vorgetragen worden
und auch nicht ersichtlich. Die Frage, ob Regelungen zur Vergütung
des Codierens im Rahmen der HzV bereits in Verträgen, die - wie
der vorliegende - vor den Änderungen durch das HHVG zustande
gekommen sind, rechtswidrig waren
(vgl Orlowski, ZMGR 2009, 124, 132), stellt sich daher hier nicht.
57
4. Auch mit den getroffenen Regelungen zur
Arzneimitteltherapieoptimierung ("AMTHO"), die höchstens zweimal
jährlich mit 85 Euro (ohne Anwesenheit einer Begleitperson) bzw
130 Euro (mit Anwesenheit einer Begleitperson) vergütet wird, hat
die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Voraussetzung für die Vergütung ist ua, dass der Versicherte
dauerhaft mindestens sechs verschreibungspflichtige Arzneimittel
einnimmt. Zusätzlich zu einem Beratungsgespräch muss der Arzt
die Medikation auf einem dafür vorgesehenen Formblatt
(Anhang 5 zu Anlage 3 des HzV-Vertrages) dokumentieren. Nach
der Begründung der Schiedsperson zum HzV-Vertrag soll damit auf
das allgemein bekannte Problem der Polypharmazie reagiert
werden, indem dem Arzt ein Anreiz gegeben wird, mit dem Patienten
Beratungsgespräche zur Arzneimitteloptimierung zu führen. Als
Nebeneffekt könne damit im Einzelfall auch eine gewisse
Reduzierung der Arzneimittelkosten erreicht werden. Auch diese von
der Schiedsperson angestellten Erwägungen sind aus Sicht des
Senats nachvollziehbar und sachgerecht.
58
5. Soweit die Klägerin auf eine vertragswidrige Inanspruchnahme
von Leistungen durch teilnehmende Versicherte (insbesondere in
Gestalt der Inanspruchnahme von weiteren Hausärzten, die ihre
Leistungen innerhalb des Kollektivvertragssystems abrechnen)
hinweist, könnte daraus auf die Rechtswidrigkeit des Vertrages
selbst nur geschlossen werden, wenn dieser dazu Anreize geben
würde oder naheliegende Vorkehrungen zu ihrer Verhinderung
unterlassen hätte. Dafür bestehen keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Die Vertragspartner müssen kontinuierlich darauf
hinwirken, dass unerwünschte Doppelversorgungen unterbleiben,
indem sie Ursachen für vertragswidrige Inanspruchnahmen
identifizieren und auf dieser Grundlage gemeinsam Lösungen
erarbeiten. Die Möglichkeiten der Schiedsperson, das Problem bei
der Festsetzung des Vertragsinhalts zu lösen, sind jedoch begrenzt.
Unter diesen Umständen ist die in § 9a Abs 4 des Vertrages
getroffene allgemeine Regelung nicht zu beanstanden, nach der die
Vertragspartner "alle Möglichkeiten" wahrnehmen, "um
auszuschließen, dass Honorarforderungen eines Hausarztes für
einen HzV-Versicherten für Leistungen, die im EBM-Ziffernkranz
gemäß Anhang 1 zu Anlage 3 enthalten sind, von der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vergütet werden." Auch in
der Begründung des HzV-Vertrages wird die gemeinsame
Verpflichtung der Vertragspartner betont, Maßnahmen mit dem Ziel
zu ergreifen, die Kosten einer vertragswidrigen Inanspruchnahme
von Leistungen zu reduzieren. Nach dem Vorbringen des Beklagten,
dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat sie inzwischen
gemeinsam mit der KÄV Bayerns ein Konzept zur
Regelwerksprüfung mit dem Ziel entwickelt, die Kosten einer
vertragswidrigen Inanspruchnahme von Leistungen zu senken.
59
III. Der Vertrag verstößt auch nicht gegen das Gebot der
Selbsttragung eines Wahltarifs nach § 53 Abs 9 SGB V. Nach § 53
Abs 3 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, in ihrer Satzung
zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen
Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife
angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse
Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran
anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 S 1 SGB V vor, dass die
Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen,
Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf
Dauer finanziert werden müssen. Wie der Senat bereits in seiner
Entscheidung vom 25.3.2015
(B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr
77 f)
im Einzelnen dargelegt hat, ist § 53 Abs 9 SGB V bezogen auf die
Durchführung der HzV einschränkend auszulegen. Soweit die
Vertragspartner des HzV-Vertrages von der Gestaltungsfreiheit
Gebrauch machen, die ihnen § 73b Abs 5 S 4 SGB V einräumt,
indem Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels
zugelassen werden, kann allein darin kein Verstoß gegen das
Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9
SGB V liegen. Daran hält der Senat fest. Die Klägerin kann dagegen
nicht mit Erfolg einwenden, dass § 73b Abs 5 S 4 SGB V
Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V,
nicht aber von den Vorschriften des Dritten Kapitels - zu denen § 53
nicht aber von den Vorschriften des Dritten Kapitels - zu denen § 53
Abs 9 SGB V gehört - zulasse. Ausschlaggebend ist, dass die an die
Wirtschaftlichkeit von Verträgen zur HzV zu stellenden
Anforderungen in § 73b SGB V geregelt sind. Diese Vorgaben zur
Wirtschaftlichkeit sind - jedoch nur für HzV-Verträge, die nach dem
31.3.2014 zustande kommen - mit der Änderung von § 73b Abs 5 S
1, Abs 9 SGB V durch Art 1 Nr 1b Buchst a DBuchst aa, Art 1 Nr 1b
Buchst d 14. SGB V-ÄndG konkretisiert worden. Darüber
hinausgehenden Anforderungen zur Beitragssatzstabilität
(§ 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG)sind mit dem 14.
SGB V-ÄndG ausdrücklich mit dem Ziel zurückgenommen worden,
die Handlungsspielräume der HzV-Vertragspartner - und damit auch
der Schiedsperson - zu erweitern (vgl BT-Drucks 18/606 S 11).
Diese Zielsetzung darf nicht durch eine Auslegung des § 53 Abs 9
SGB V unterlaufen werden, die die HzV-Vertragspartner letztlich
doch an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität binden würde.
60
IV. Die Angabe der Klägerin, dass der HzV-Vertrag - abweichend
von der gesetzlichen Vorgabe in § 73b Abs 4 S 1 SGB V, nach der
Verträge mit Gemeinschaften von Hausärzten zu schließen sind -
der HÄVG oder der HÄVG Rechenzentrum GmbH die Stellung eines
Vertragspartners oder eine "faktische Vertragspartnerstellung"
vermitteln würde, trifft nicht zu. Nach § 1 Abs 3 des Vertrages sind
Vertragspartner des HzV-Vertrages allein die Krankenkasse
(Klägerin des vorliegenden Verfahrens) und der Hausärzteverband
(Beklagter des vorliegenden Verfahrens). Diese werden im Vertrag
durchgehend als Vertragspartner bezeichnet, und nach § 2 Abs 3
des Vertrages ist "der Hausärzteverband gemäß § 295a Abs. 2 SGB
V i.V.m. § 80 SGB X berechtigt, eine andere Stelle zu beauftragen".
§ 2 Abs 4 des Vertrages stellt klar, dass die HÄVG ausschließlich in
der Funktion als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) des
Hausärzteverbandes tätig wird. Dass der Vertrag die Verwendung
einer von der HÄVG entwickelten Software und eines bestimmten
Prüfmoduls vorschreibt, macht die HÄVG entgegen der Auffassung
der Klägerin nicht zu einem Vertragspartner der Klägerin. Dass
Vorgaben zur verwendeten Software erforderlich sind, um die
Abrechnung durchführen zu können, unterliegt im Übrigen keinem
Zweifel. Die HÄVG-Rechenzentrum GmbH wird nach § 1 Abs 11,
Anlage 3 § 5 von dem Hausärzteverband und nicht von der HÄVG
zu Abrechnungszwecken beauftragt, sodass auch keine - mit §
295a Abs 2 S 2 SGB V unvereinbare
(vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 =
SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 99)
- Unterbeauftragung eines Unternehmens mit der Datenverarbeitung
vorliegt.
61
V. Soweit die Klägerin geltend macht, dass nicht nachvollzogen
werden könne, in welchem Umfang Versichertengelder, die sie in die
HzV investiere, systemfremden Dritten zuflössen, ist zuzugestehen,
dass für Hausärzteverbände keine Vorgaben und
aufsichtsrechtlichen Regelungen existieren, die mit den für die
Krankenkassen (§§ 87 ff SGB IV) oder die KÄVen (§§ 78 ff SGB V)
geltenden Bestimmungen vergleichbar wären. Dabei übernimmt der
Hausärzteverband - trotz aller Unterschiede (vgl RdNr 38 ff) - bei der
Durchführung der HzV teilweise ähnliche Aufgaben, wie die KÄVen
in der kollektivvertraglichen Versorgung. Auch eine Kontrolle zB von
Vorstandsentscheidungen zu Beteiligungen an Einrichtungen und
Dienstleistungsgesellschaften durch Selbstverwaltungsorgane, wie
sie etwa § 77b SGB V für die KÄBV vorsieht, ist für den Beklagten
als privatrechtlich organisiertem Verband und für die von diesem zur
Umsetzung der HzV-Verträge in Anspruch genommenen
Dienstleistungsgesellschaften bisher gesetzlich nicht geregelt.
Insofern kann der Einwand der Klägerin nachvollzogen werden,
dass die Verwendung der für die HzV bereitgestellten Beitragsmittel
für sie nicht transparent sei. Gleichwohl besteht keine Verpflichtung
der Vertragspartner des HzV-Vertrages oder der an ihrer Stelle tätig
werdenden Schiedsperson, diese vom Gesetzgeber offenbar
hingenommenen Strukturen durch entsprechende Bestimmungen im
HzV-Vertrag zu kompensieren.
62
VI. Auch der Umstand, dass nach dem Inhalt des Vertrages
Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und den einzelnen
Hausärzten - sowohl bezogen auf Vergütungsansprüche als auch
bezogen auf die Korrektur einer unrichtigen Abrechnung - bestehen,
ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Vertrages zu begründen.
Der Umstand, dass Grundlage des vorliegenden Vertrages § 73b
Abs 4 S 1 SGB V ist, der die Krankenkassen zum Abschluss von
Verträgen mit Gemeinschaften verpflichtet, die mindestens die Hälfte
der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden
Allgemeinärzte des KÄV-Bezirks vertreten, ändert - wie oben im
Einzelnen dargelegt - nichts daran, dass durch den HzV-Vertrag als
Selektivvertrag Rechtsverhältnisse unmittelbar zwischen
Krankenkassen und den einzelnen Ärzten begründet werden
können. Dass die Krankenkassen die Abrechnung auch der an der
HzV teilnehmenden Ärzte auf Rechtmäßigkeit prüfen, folgt aus § 73b
Abs 5 S 5 iVm § 106a Abs 3 SGB V
(aF; heute entsprechend § 106d Abs 3 SGB V).
63
VII. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 25.3.2015
(B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr
85)
im Einzelnen dargelegt hat, ist die Schiedsperson ferner nicht
gehindert, den Vertrag als sog Vollversorgungs- bzw
Bereinigungsvertrag festzulegen. Daran hält der Senat fest. Von
einem sog Add-on-Vertrag unterscheidet sich der
Vollversorgungsvertrag dadurch, dass die Erbringung und
Abrechnung von Leistungen auf der Grundlage des HzV-Vertrages
(jedenfalls weitgehend) an die Stelle der Regelversorgung tritt und
diese nicht nur ergänzt. Auf die Frage, ob ein sog Add-on-Vertrag
den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde, kommt es auch für
die vorliegende Entscheidung nicht an (vgl dazu bereits BSG aaO).
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der HzV-Vertrag bezogen
auf Leistungen, denen in der hausärztlichen Versorgung nur
untergeordnete Bedeutung zukommt und für die deshalb keine
Vergütungspositionen in der Anlage 3 HzV-Vertrag festgelegt
worden sind, eine Abrechnung des Hausarztes gegenüber der KÄV
nicht ausschließt (vgl § 12 Abs 1 HzV-Vertrag). Auch insoweit hat die
Schiedsperson ihren weiten Gestaltungsspielraum nicht
überschritten.
64
VIII. Ebenfalls vom Gestaltungsspielraum der Schiedsperson
umfasst sind die getroffenen Regelungen zur Kündigung der
Teilnahme von Vertragsärzten. § 5 Abs 3 HzV-Vertrag bestimmt,
dass der Hausärzteverband berechtigt und gegenüber der
Krankenkasse verpflichtet ist, den Vertrag bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes gegenüber dem teilnehmenden Hausarzt mit
sofortiger Wirkung zu kündigen. Daneben treten die automatischen
Beendigungsgründe gemäß § 5 Abs 2 HzV-Vertrag, die ua im Falle
des Ruhens oder der Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung
eingreifen. Es bestand keine Verpflichtung, der Klägerin unmittelbar
die Möglichkeit zur Kündigung von Hausärzten einzuräumen. Der
Umstand, dass die Klägerin die Möglichkeit zur Kündigung durch
den Beklagten nicht als "sachgerechte Lösung" ansieht, begründet
nicht das Vorliegen einer Rechtsverletzung, und Anhaltspunkte
dafür, dass der HzV-Vertrag in diesem Punkt gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben verstoßen könnte, vermag der Senat nicht zu
erkennen.
65
IX. Der HzV-Vertrag ist auch nicht insofern rechtswidrig, als er
grundsätzlich allen bei der Klägerin krankenversicherten
Versicherten die Teilnahme ermöglicht. Die Auffassung der Klägerin,
dass der Vertrag Kinder und Jugendliche von der Teilnahme hätte
ausschließen müssen, trifft nicht zu. Richtig ist, dass die Klägerin am
26.6.2009 einen Vertrag nach § 73b SGB V mit einer Gesellschaft
des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte abgeschlossen
hat, der die Versorgung von Kindern und Jugendlichen zum
Gegenstand hat. Daraus folgt aber kein vertraglich nicht
abdingbares Wahlrecht der Klägerin bezogen auf die Frage,
welchem Personenkreis sie die Möglichkeit zur Teilnahme am
streitbefangenen HzV-Vertrag geben möchte. Mit ihrer Forderung
nach einem Ausschluss von Kindern und Jugendlichen aus der HzV
kann sich die Klägerin insbesondere nicht auf § 73b Abs 4 S 3 SGB
V stützen, der die Voraussetzungen für einen Vertragsschluss der
Krankenkasse mit den in Nr 1 bis 4 genannten Vertragspartnern
(Leistungserbringer, KÄV, ua) regelt, nicht aber die Personenkreise
bestimmt, denen die Krankenkasse die Teilnahme an einem HzV-
Vertrag anzubieten hat. Einschlägig ist insoweit vielmehr § 73b Abs
1 SGB V, der die Krankenkassen verpflichtet "ihren Versicherten"
eine HzV anzubieten.
66
Im Übrigen wäre der vollständige Ausschluss von Kindern und
Jugendlichen von der Inanspruchnahme eines Hausarztes im
Rahmen der HzV auch unter fachlichen Gesichtspunkten nicht
sinnvoll. Bereits in ihrer Begründung (S 29 f)zur Festsetzung des
Vertragsinhalts hat die Schiedsperson zutreffend darauf
hingewiesen, dass Kinder- und Jugendärzte in ländlichen Regionen
für die Versicherten nicht immer in erreichbarer Nähe zur Verfügung
stehen. Aber auch unabhängig davon kann es unter fachlichen
Gesichtspunkten sinnvoll sein, dass Jugendliche bereits vor
Erreichen der Volljährigkeitsgrenze einen Hausarzt aufsuchen.
Besonders bezogen auf Jugendliche und junge Erwachsene mit
chronischen Krankheiten werden Anforderungen an die Gestaltung
des Übergangs von kinderzentrierten zu erwachsenenorientierten
Versorgungssystemen formuliert, die mit einem Wechsel zu einem
festgelegten Stichtag nicht in Einklang zu bringen sind
(vgl dazu zB das Gutachten 2009 des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen "Koordination
und Integration - Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des
längeren Lebens", BT-Drucks 16/13770 S 219 ff mwN; vgl auch
BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 §
116 Nr 11 = MedR 2016, 475)
.
67
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2
VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg
eingelegten Rechtsmittels zu tragen.