Urteil des BSG vom 06.10.2016

Sozialgerichtliches Verfahren - Anfrageverfahren - Antwort auf die Anfrage des 12. Senats des BSG - Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG - Anforderungen an die Revisionsbegründung - Rüge der Verletzung materiellen Rechts - Darstellung des entscheidungserhebl

BUNDESSOZIALGERICHT Beschluß vom 6.10.2016, B 5 SF
3/16 AR
Sozialgerichtliches Verfahren - Anfrageverfahren - Antwort
auf die Anfrage des 12. Senats des BSG - Auslegung des §
164 Abs 2 S 3 SGG - Anforderungen an die
Revisionsbegründung - Rüge der Verletzung materiellen
Rechts - Darstellung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts - Verfassungsrecht - keine Übertragung der
gesteigerten Anforderungen an die Begründung einer
Verfahrensrüge oder Nichtzulassungsbeschwerde
Tenor
Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den
von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen
Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist.
Gründe
1 I. Dem anfragenden 12. Senat des BSG liegt ein Rechtsstreit vor, in
dem darüber zu befinden ist, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als
Synchronsprecher als Beschäftigter versicherungspflichtig in der
gesetzlichen Rentenversicherung war, und ob er insoweit als
"unständig" Beschäftigter zu qualifizieren ist. Der 12. Senat
beabsichtigt die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das LSG zurückzuverweisen. Er sieht sich hieran durch die vom
5. Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen
an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung gehindert. Würde
der 12. Senat dem 5. Senat folgen, wäre die Revision des Klägers
nach Ansicht des 12. Senats als unzulässig zu verwerfen. Er hat
daher beim 5. Senat mit Beschluss vom 27.4.2016 (
B 12 KR 16/14 R - Juris) angefragt,
"ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, dass die
formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2
S 3 SGG in Bezug auf die Darstellung des
entscheidungserheblichen Sachverhalts
a) die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den
vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen
um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im
angefochtenen Urteil festgestellt hat, und 'an welcher
genauen Stelle' er dem Berufungsurteil die von ihm
genannten Tatumstände entnehmen möchte (Beschluss vom
5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8;
Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7),
b) es erfordert, das Bundessozialgericht in die Lage zu
versetzen, 'ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten
allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im
Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den
festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet
worden sind' (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R -
BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R
32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom 22.7.2015 - B
5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f)."
2 II. Im Mittelpunkt der Anfrage des 12. Senats steht die Auslegung
des § 164 Abs 2 S 3 SGG und die sich hieraus ergebende Pflicht zur
Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im
Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
3 1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei
Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die
Zulassung der Revision zu begründen. Nach Satz 3 muss die
Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte
Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die
Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
4
a) § 164 Abs 2 S 3 SGG ist dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO
(idF der Bekanntmachung vom 5.6.1905, RGBl S 536, 537)
nachgebildet
(vgl BSG Urteil vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164
SGG und Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu §
164 SGG)
; die für das Verfahren nach der ZPO gültigen Maßstäbe gelten
daher auch für die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG
(vgl BSG Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49
zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269
f).
5 aa) Anlass der Einfügung des § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF war die -
trotz Vergrößerung des Personalbestandes - bestehende
Arbeitsbelastung des Reichsgerichts (RG), die sich durch die
Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum 1.1.1900 weiter
verschärft hatte (vgl RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 4).Der
Gesetzesentwurf der Reichsregierung betreffend Änderungen der
ZPO sah einen Grund hierfür auch in der Ausgestaltung der auf die
Begründung der Revision bezogenen Bestimmung des § 554 ZPO
(idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl 514 f) als
Sollvorschrift. Der Umstand, dass ohne Nachteil für den Erfolg des
Rechtsmittels eine Begründung der Revision unterbleiben durfte,
hatte nämlich zur Folge, dass eine solche häufig entweder gar nicht
oder zu einem Zeitpunkt einging, in welchem sie zur Vorbereitung
des Berichterstatters wie des Revisionsgegners nicht mehr dienen
konnte, bzw Revisionen kurz vor der mündlichen Verhandlung
zurückgenommen wurden, nachdem der Berichterstatter seine
Bearbeitung bereits abgeschlossen hatte
(RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 9 f). Gleichwohl sah der
Regierungsentwurf den Weg zur Entlastung des RG nicht in der
Einführung eines Revisionsbegründungszwangs, sondern in der
Erhöhung der Revisionssumme, um auf diese Weise die Zahl der zu
bearbeitenden Fälle zu vermindern
(RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 10 ff).Auch von Mitgliedern der im
(RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 10 ff).Auch von Mitgliedern der im
Weiteren mit dem Gesetzesentwurf befassten XII. Kommission des
Reichstages wurde die Auffassung vertreten, dass die fehlende
Pflicht zur Revisionsbegründung in unnötiger Weise die Vorarbeit
des Senatspräsidenten und des Berichterstatters erschwere, weil
diese die gesamten Akten auch ihrerseits darauf zu prüfen hätten,
ob eine Rechtsverletzung vorliege, gleichviel ob diese gerügt
worden sei oder nicht (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 26). Anders
als die Regierungsvorlage sprach sich die Kommission für die
Einführung eines Begründungszwangs aus
(RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 81). Dieser würde mehr wie bisher
davon abhalten, ohne genauere Prüfung eine Revision einzulegen,
und dazu führen, dass aussichtslose Revisionen früher
zurückgezogen würden. Dem Gericht werde dadurch unnötiges
Aktenstudium erspart; die Vorbereitung des Berichterstatters würde
erheblich erleichtert und könnte eine viel gründlichere sein, da das
gesamte Vorbringen des Revisionsklägers in seinen wesentlichen
Punkten rechtzeitig schriftlich vorliege
(RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 59 f). In den anschließenden
Verhandlungen des Reichstags wurde die mit der Einführung des
Begründungszwangs bezweckte Entlastung des RG nochmals
hervorgehoben und auch auf die für die Anwälte einhergehende
Mehrbelastung hingewiese
n (vgl Stenographische Berichte über die Verhandlungen des RT
1903/1905, S 6031, 6043 und 6090)
.
6
bb) Die Rechtsprechung des RG hat in der Pflicht zur Begründung
der Revision ein formales Erfordernis erblickt, deren notwendiger
Inhalt nicht ohne Rücksicht auf den gesamten Zweck der
Vorschriften zur Revisionsbegründung zu bestimmen sei
(RG Urteile vom 11.1.1907 - II 357/06 - RGZ 65, 81, 84; vom
3.6.1907 - VI 418/06 - RGZ 66, 178, 180 und vom 3.5.1915 - VI
547/14 - RGZ 87, 5, 6)
. Die Revisionsbegründungspflicht sei eingeführt worden, um eine
Entlastung des RG herbeizuführen
(RG Urteile vom 12.12.1918 - VI 251/18 - RGZ 95, 70, 72 und vom
22.3.1926 - IV 362/25 - RGZ 113, 166, 168)
. Diesem Zweck entsprechend sei die Formvorschrift des § 554 ZPO
streng auszulegen und anzuwenden
(RG Urteile vom 26.11.1929 - VII 256/29 - RGZ 126, 245, 249 und
vom 16.6.1921 - VI 84/21 - RGZ 102, 280, 281 f)
. Insoweit hat das RG in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis
aufgestellt, dass nicht nur für die verfahrensrechtlichen Rügen die
Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, in der
Begründungsschrift im Einzelnen bestimmt bezeichnet werden
müssen, sondern auch den sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen
eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keinen Zweifel
lassende Begründung zuteilwerden muss, die erkennen lässt, dass
der die Revisionsbegründung einreichende Rechtsanwalt sich einer
Nachprüfung des angegriffenen Urteils unterzogen hat
(RG Urteil vom 27.5.1927 - III 390/26 - RGZ 117, 168, 170 und
Beschluss vom 6.11.1928 - VII 514/28 - RGZ 123, 38).
7 In den 1950er und 1960er Jahren hat das BSG im Anschluss an
diese Rechtsprechung des RG die grundlegenden Maßstäbe für die
Anwendung und Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG
herausgearbeitet. § 164 Abs 2 S 3 SGG sei dem § 554 Abs 3 Nr 2
ZPO aF nachgebildet, diene demselben rechtspolitischen Zweck,
nämlich der Entlastung des Revisionsgerichts, und sei zu dessen
Erreichung streng auszulegen
(BSG Urteile vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 -SozR Nr 53 zu § 164
SGG und vom 28.2.1962 - 2 RU 271/58 - BSGE 16, 227 = SozR Nr
48 zu § 164 SGG; Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr
27 zu § 164 SGG)
. Die Revisionsbegründung soll die Vorarbeiten des Berichterstatters
erleichtern; außerdem soll erreicht werden, dass der
Prozessbevollmächtigte die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er
durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision
übernimmt und dass er infolgedessen unter Umständen von der
Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht
(BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO; Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9
RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9
RV 1126/55 - BSGE 6, 269, 270)
. Eine die Zulässigkeitsschwelle überwindende
Revisionsbegründung muss aus sich heraus erkennen lassen, dass
der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil nachgeprüft hat
(BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO und Beschlüsse vom 17.1.1958,
aaO und 24.9.1957, aaO).
8
Hieran anknüpfend und unter Bezugnahme auf die Entscheidung
des RG vom 27.5.1927 (RGZ 117, 168) hat im Weiteren der
anfragende Senat mit Beschluss vom 13.12.1976
(12 RK 46/76 - SozR 1500 § 164 Nr 5 S 5) die an eine
ordnungsmäßige Revisionsbegründung zu stellenden
Anforderungen dahingehend konkretisiert, dass auch bei materiell-
rechtlichen Revisionsangriffen die Revision sorgfältig und nach
Umfang und Zweck zweifelsfrei zu begründen sei. Wie im Rahmen
von Verfahrensrügen seien auch bei materiell-rechtlichen
Revisionsrügen die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel
ergeben. Das Revisionsgericht müsse nämlich anhand der
Revisionsbegründung erkennen können, dass der
Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das
Rechtsmittel der Revision überprüft hat, um so dem
gesetzgeberischen Zweck des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen,
aussichtslose Revisionen nach Möglichkeit von vornherein zu
verhindern. Als Ergebnis der eigenen Nachprüfung habe der
Prozessbevollmächtigte dem Revisionsgericht die Gründe
darzulegen, die das Urteil als unrichtig erscheinen lassen.
9
Eine weitere Präzisierung erfuhr diese Rechtsprechung schließlich
durch den Beschluss des 11. Senats vom 2.1.1979
(11 RA 54/78 - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17),der ausgeführt hat:
"die Revision ist deshalb - auch bei materiell-rechtlichen
Rügen - sorgfältig zu begründen; sie muss jedenfalls die
Gründe
aufzeigen,
die
nach
Auffassung
des
Prozessbevollmächtigten das Urteil im oder in den
verbleibenden Streitpunkten unrichtig erscheinen lassen;
hierzu bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung
mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl BSG
SozR Nr 27 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 164 Nr 5 mwH;
BVerwG, Buchholz 310. § 139 VwGO Nr 34, BFHE 88, 230;
101, 356, 357; 102, 217, 219). Bei alledem sind stets die
Voraussetzungen im Auge zu behalten, unter denen das
Gesetz dem Revisionsgericht überhaupt eine Korrektur von
unrichtigen Urteilen erlaubt; die Revisionsbegründung muss
daher grundsätzlich von tatsächlichem Vorbringen frei sein;
sie muss bei materiell-rechtlichen Rügen darlegen, dass und
warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten
Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (§
550 ZPO), dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen zu
dieser Vorschrift geschehen (vgl RGZ 117, 168, 171; BVerwG
aaO)."
10
Der Entscheidung des 11. Senats vom 2.1.1979(aaO) haben sich in
der Folge alle Senate des BSG
(der anfragende Senat mit Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R -
Juris RdNr 11)
ausdrücklich angeschlossen. Bereits mit Ende der 1970er Jahre war
damit in der Rechtsprechung des BSG abschließend geklärt, welche
Anforderungen an die Begründung einer Revision in Bezug auf
materiell-rechtliche Rügen über Antrag und Bezeichnung der
verletzten Norm hinaus zu stellen sind. Im Weiteren erfuhr die
Ausgestaltung des Begründungerfordernisses lediglich neue
sprachliche Aus- und Umformungen; eine inhaltliche Abkehr von
früheren Entscheidungen - und insbesondere von BSG SozR 1500
§ 164 Nr 12 - verband sich hiermit nicht
(vgl exemplarisch BSG Urteil vom 8.2.2000 - B 1 KR 18/99 R - SozR
3-1500 § 164 Nr 11 S 19 unter Verweis auf BSG SozR 1500 § 164
Nr 12)
.
11
2. Diese die Vorschrift des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG mit Inhalt
füllende Rechtsprechung bildet auch die Grundlage der ständigen
Spruchpraxis des erkennenden Senats.
12
Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des
materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck
zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen
Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht
oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich
die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt.
"Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des
Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer -
zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen;
er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen
Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der
angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist
(Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016,
66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242
RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978
RdNr 7)
.
13
3. Will man diese in ständiger Rechtsprechung aufgestellten
strengen Anforderungen nicht als bloße Leerformeln begreifen, kann
eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts diesen logisch und
rechtlich nur dann genügen, wenn sie den vom Vordergericht
festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im
Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände)
vollständig darlegt.
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a) Diese Notwendigkeit folgt aus dem Wesen deduktiver
Rechtsanwendung als einem Zusammenfügen von Sätzen über
Realitätsausschnitte und normativen Größen (aa) sowie der Bindung
des BSG als Revisionsgericht an die vom Vordergericht
festgestellten Tatsachen (bb), wird durch den Sinn und Zweck der
zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhobenen Revisionsbegründung
getragen (cc) und entspricht in vergleichbarer Weise den vom
BVerfG an die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1
S 1 Alt 2 GG gestellten Anforderungen (dd).
15
aa) Nach § 162 SGG kann die Revision allein darauf gestützt
werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen
Rechts beruht. Wann eine Rechtsverletzung vorliegt, ist in § 546
ZPO geregelt, der iVm § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren
Anwendung findet
(Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 162 RdNr 2).
Danach ist das Recht verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder
nicht richtig angewendet worden ist. Gleichbleibender Rahmen bzw
logisches Gerüst jeder Rechtsanwendung ist die Figur des
"Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung"; der juristische
Denkprozess beim Anwenden einer Norm auf die Beschreibung
eines Lebenssachverhalts vollzieht sich nach seinen logischen
Schlussregeln
(Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S
271 f; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982,
S 395; Schmidt, JuS 2003, 649)
. In ihm bildet ein vollständiger Rechtssatz den Obersatz, die
Unterordnung eines festgestellten und verbal umschriebenen
Sachverhalts unter den Tatbestand des Rechtssatzes den
Untersatz. Die Schlussfolge wiederum besagt, dass für den
beschriebenen Sachverhalt die im Rechtssatz genannte
Rechtsfolge gilt. Mit der Verneinung der Zuordnung der
Beschreibung eines Sachverhalts zum Tatbestand eines
Rechtssatzes ist indes nicht stets die Verneinung der hieraus
ableitbaren konkreten Rechtsfolge verbunden; denn diese lässt sich
möglicherweise in Anwendung eines anderen Tatbestands
begründen. Ebenso bedarf es der Prüfung, ob der beschriebene
Sachverhalt nicht unter den Tatbestand einer einschränkenden
Norm fällt, welche die einstweilen gewonnene
Rechtsfolgenanordnung begrenzt oder ausschließt.
16
Innerhalb dieses logischen Schlussverfahrens können Fehler nicht
nur im Obersatz, sondern auch im Untersatz und in der
Schlussfolgerung selbst auftreten
(Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 546 RdNr 7; Seer in
Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Juli 2016, § 118 FGO RdNr 32 f; für
eine Unterteilung nur in Interpretations- und Subsumtionsfehler etwa
BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - Juris RdNr 14 - zur
Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen; Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 8
mwN;
Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 118 FGO RdNr 6).
Unrichtige Rechtsanwendung besteht danach zunächst darin, dass
die abstrakten Tatbestandsmerkmale einer Norm unzutreffend
ausgelegt wurden oder eine anzuwendende Norm übersehen wurde
(Interpretationsfehler = Fehler im Obersatz). Fehler können aber
auch beim Feststellen von Tatsachen unterlaufen
(Feststellungsfehler = Fehler im Untersatz).Derartige Fehler sind,
soweit sie die Feststellung selbst betreffen, als "ureigene
tatrichterliche Aufgabe"
(BSG vom 11.3.2016 - B 9 V 3/16 B - Juris RdNr 6)und Teil der
Urteilsfindung allein des Berufungsgerichts einer
revisionsgerichtlichen Überprüfung zur Gänze entzogen.
Beanstandungen des im Einzelfall gefundenen Ergebnisses und
Versuche, es mit revisionsrechtlichen Angriffen durch ein eigenes
abweichendes zu ersetzen, sind damit grundsätzlich unbeachtlich
(BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 13/99 R - Die Beiträge Beilage 2002,
380 ff = Juris RdNr 14 und vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris
RdNr 20).
Eine Überprüfung kommt insofern allein auf Rüge eines
verfahrensfehlerhaften äußeren Zustandekommens einer
Tatsachenfeststellung (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) in Betracht, wenn also
im Einzelfall gegen das Gebot der Vollständigkeit
(§ 128 Abs 1 S 1 SGG) bzw gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze verstoßen wurde
(vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 21 RdNr 26; BSG SozR Nr 34 und 56
zu § 128 SGG)
zu § 128 SGG)
. Schließlich kommt in Betracht, dass festgestellte Tatsachen
fehlerhaft einer bestimmten Norm unterstellt oder zu Unrecht einem
an sich verwirklichten Normtatbestand nicht unterstellt wurden
(Subsumtionsfehler = Fehler im Schlusssatz).
17
Die zur Gewinnung eines Sachverhalts notwendige Abstrahierung
von Unwesentlichem kann dabei immer nur in Bezug auf bestimmte
Rechtsnormen vorgenommen werden. Umgekehrt können in
Betracht zu ziehende Rechtsnormen nur bezüglich eines
bestimmten Sachverhalts ausgewählt werden
(Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S 109). Ober- und Untersatz
stehen demnach nicht beziehungslos nebeneinander, sondern
greifen wechselwirksam ineinander oder anders gewendet: Für den
Obersatz ist wesentlich, was auf den konkreten Fall Bezug hat, und
für den konkreten Fall ist nur von Bedeutung, was auf den Obersatz
Bezug hat
(Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl 1963,
S 14 f).
Für die Prüfung der Frage, ob die getroffene Entscheidung
(Konklusion) von ihren beiden Prämissen getragen wird, dem
Gesetz als Obersatz (normative Prämisse) und dem festgestellten
Sachverhalt als Untersatz (tatsächliche Prämisse), bedarf es
demnach stets und denknotwendig des Wissens um den
entscheidungserheblichen Sachverhalt.
18
bb) Der konkret-individuelle Sachverhalt, für den die Rechtsfolgen
ermittelt werden sollen und der den Untersatz des Syllogismus
bildet, muss anders als der Obersatz, der regelmäßig in formulierten
Sätzen vorgegeben ist, erst in solchen beschrieben, also festgestellt
werden (Bydlinski, aaO, S 43 f). Der für das Revisionsverfahren
relevante Sachverhalt, die tatsächlichen Feststellungen iS von § 163
SGG, findet seinen Ausdruck in dem Untersatz, den die
Tatsachengerichte auf der Grundlage ihrer Ermittlungen unter
Heranziehung der Beteiligten (§§ 103, 128 Abs 2 SGG)als Ausdruck
ihrer begründeten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens
gewonnenen freien Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1, 2 SGG) im Urteil
zum Ausdruck gebracht haben
(§§ 128 Abs 1 S 2, 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Die identische
Tatsachengrundlage des Berufungs- wie des Revisionsurteils ist
Tatsachengrundlage des Berufungs- wie des Revisionsurteils ist
damit rechtlich abschließend und unvertretbar der "Überzeugung"
des Tatsachengerichts zugewiesen. Das BSG als Revisionsgericht
ist demgegenüber grundsätzlich weder befugt noch verpflichtet,
eigene Tatsachen zu ermitteln; es prüft nur, ob im angefochtenen
Urteil das revisible Recht richtig angewandt worden ist oder nicht.
Dieser Eigenart des Revisionsgerichts als Rechtskontrollinstanz
trägt § 163 SGG Rechnung
(vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 1 und 4)und
berücksichtigt dabei zugleich, dass das individuelle geistige
Internum der "Überzeugung" (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) externer
Kontrolle schon faktisch weitgehend entzogen ist. Nach § 163 SGG
ist das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen
tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug
auf diese Feststellungen zulässige und begründete
Revisionsgründe vorgebracht sind. Diese gesetzlich vorgegebene
Bindung legt für das BSG die tatsächliche Grundlage fest, auf der
die Revisionsentscheidung allein getroffen werden darf. Es darf und
kann seiner rechtlichen Beurteilung grundsätzlich nur den vom
Vordergericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legen
(vgl Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 137 RdNr
142; zur ausnahmsweise möglichen Tatsachenfeststellung durch
das BSG vgl Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Juni 2015, §
163 RdNr 38 ff mit RsprNachw)
. Die revisionsrechtliche Prüfungsgrundlage muss demnach
identisch mit dem Sachverhalt sein, der dem Urteil des
Vordergerichts zugrunde liegt und von diesem festgestellt worden
ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Revisionsgericht
erkennen und darüber befinden, ob dem Tatsachengericht bei
seiner Entscheidung Fehler in der Rechtsanwendung unterlaufen
sind oder nicht.
19
cc) Die Pflicht zur Revisionsbegründung dient - wie dargelegt - dem
Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten, indem sie zum einen die
Vorbereitung bzw Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtert; zum
anderen soll erreicht werden, dass der Rechtsanwalt die Rechtslage
genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die
Verantwortung für die Revision übernimmt, und dass er
infolgedessen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen
infolgedessen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen
absieht
(Senatsbeschluss vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014,
71436 RdNr 9; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in
Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 206 f; Bley, Festschrift 25
Jahre BSG, 1979, S 817, 846)
. Vor allem die zweite Zielrichtung des
Revisionsbegründungszwangs wäre unvollkommen und weniger
effektiv, wenn in der Revisionsbegründung nicht die im Hinblick auf
die gerügte Rechtsverletzung gerade vom Vordergericht und im
angegriffenen Urteil
(exemplarisch BSG SozR 1500 § 164 Nr 28 S 44 ff; BSG SozR 3-
2500 § 106 Nr 12 S 65 und vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris
RdNr 16)
festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend
mitgeteilt werden müssten. Denn erst so wird zum einen
sichergestellt, dass der Revisionsführer die
Entscheidungserheblichkeit seiner Ausführungen im Blick behält
(vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 - Juris RdNr 17 - zur Veröffentlichung
in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen)
, und zum anderen vermieden, dass er seine materiell-rechtlichen
Beanstandungen nicht an dem vom Vordergericht festgestellten
Sachverhalt darstellt, sondern einen konstruierten Sachverhalt zur
Grundlage seines - so möglicherweise leichter "begründbaren" -
Vorbringens macht; eine solche, auf einen "erfundenen" Sachverhalt
gestützte - und damit keine sachliche Auseinandersetzung mit dem
angefochtenen Urteil zeigende - Revision wäre indes aussichtslos
und als unzulässig zu verwerfen
(vgl auch BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - 1 BvL 21/83 - BVerfGE
66, 226 Leitsatz; aA BSG Urteil vom 24.2.2016, aaO, Juris RdNr 19
aE).
Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt
daher nach der Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des
Bundes, dass der Revisionskläger den Streitstoff in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss
(BVerwG vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr
61 - Juris RdNr 3)
.
dd) In vergleichbarer Weise fordert auch das BVerfG für die
20
dd) In vergleichbarer Weise fordert auch das BVerfG für die
Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG
die Darlegung des für die rechtliche Beurteilung wesentlichen
Sachverhalts
(vgl BVerfG Beschlüsse vom 15.2.2016 - 1 BvL 8/12 - Juris RdNr 18
und vom 12.9.2012 - 1 BvL 11/12 - Juris RdNr 6)
. Nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG hat ein Gericht das Verfahren
auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn
es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung
ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs 2 S 1
BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine
Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und
mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar
ist. Dadurch soll das vorlegende Gericht ua gezwungen werden, die
mit dem Vorlagegegenstand verbundenen Rechtsfragen,
insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage und
die Vereinbarkeit der vorzulegenden Rechtsnorm mit höherrangigem
Recht, sorgfältig zu durchdenken. Unnötige Vorlagen sollen so
vermieden, die Arbeit des BVerfG dementsprechend erleichtert und
entlastet werden
(Müller-Terpitz in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG,
Stand Februar 2016, § 80 RdNr 238 mit RsprNachw)
. Um dem Entlastungszweck gerecht werden zu können, muss nach
der Rechtsprechung des BVerfG der Vorlagebeschluss aus sich
heraus, dh ohne Beiziehung der Akten, verständlich sein
(BVerfG Beschlüsse vom 6.9.2012 - 1 BvL 13/12 - NVwZ 2013, 61,
62 und vom 25.6.1974 - 1 BvL 13/69, 1 BvL 23/69, 1 BvL 25/69 -
BVerfGE 37, 328, 333 und vom 3.11.1987 - 1 BvL 28/87 - BVerfGE
77, 259, 261; Dederer in Maunz/Dürig, GG, Stand Juli 2016, Art 100
RdNr 191 mit RsprNachw)
. Das vorlegende Gericht hat deshalb in den Gründen seines
Beschlusses den Sachverhalt darzustellen, soweit er für die
rechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die rechtlichen
Erwägungen darzulegen, nach denen es für die von ihm zu treffende
Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten
gesetzlichen Vorschrift ankommt
(BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65,
308, 314 f und Beschluss vom 2.12.2013 - 1 BvL 5/12 - Juris RdNr
6)
. Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht der
. Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht der
Funktion eines Normenkontrollverfahrens entspricht und nicht seine
Aufgabe sein kann, Rechtsfragen zu beantworten, die erkennbar für
die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage bedeutungslos sind
(BVerfG Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvL 5 bis 22/81 - BVerfGE
65, 265, 277)
; daher darf dem Vorlagebeschluss auch kein konstruierter
Sachverhalt zugrunde liegen
(BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz).
Ohne zutreffende Sachverhaltsdarstellung kann nicht davon
ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht die Rechtslage
umfassend gewürdigt, insbesondere die rechtlichen
Voraussetzungen für die Vorlage zutreffend festgestellt hat
(BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65,
308, 315)
. Genügt eine Vorlage diesen Anforderungen an die Sachdarstellung
nicht, ist sie als unzulässig zu verwerfen
(vgl BVerfG Beschluss vom 16.11.1992 - 1 BvL 31/88, 1 BvL 10/92
und 1 BvL 11/92 - BVerfGE 87, 341, 346 f)
.
21
b) Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung
in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen
Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung
materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer
verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität
des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich
nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten,
wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung
ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des
Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es
demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers
wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform
abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner
Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass
allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von
welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die
Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit
(BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr
17 - Juris RdNr 15)
- und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie
dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen
geistigen Gehalt entnimmt.
22
aa) Zutreffend geht der anfragende Senat
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 20)daher davon aus,
dass eine formgerechte Revisionsbegründung nicht stets eine
geschlossene Darstellung des Streitstoffes und der angegriffenen
Entscheidung als Ganzes erfordert. Auch bedarf sie nicht zwingend
der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten,
rechtlich relevanten Tatumstände. Entsprechendes wird bisweilen
auch gar nicht möglich sein, da bindende Feststellungen in der
Entscheidung des Tatsachengerichts nicht ausdrücklich getroffen
sein müssen; sie können sich auch mittelbar aus den Ausführungen
in den Entscheidungsgründen ergeben
(BFH Urteil vom 22.1.2013 - IX R 18/12 - HFR 2013, 783, 785; vgl
auch BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 11 AL 83/99 R - Juris RdNr 21)
. Ebenso vertritt der anfragende Senat
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 20)die zutreffende
Rechtsauffassung, dass das bloß punktuelle Ansprechen einzelner
Sachverhaltselemente und Feststellungen des Vordergerichts
ebenso wenig wie deren Behandlung mit eigenen tatsächlichen und
rechtlichen Wertungen bzw deren Vermischung mit nicht
berücksichtigungsfähigem neuen Tatsachenvorbringen ausreichend
ist
(vgl Senatsbeschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS
2015, 70865 RdNr 9)
.
23
bb) Soweit der anfragende Senat unter Buchst a) seines Tenors
indes ausführt, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
sei für eine formgerechte Revisionsbegründung "die ausdrückliche
Angabe erforderlich, dass es sich bei den vom Revisionsführer
angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt,
den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat und an
welcher genauen Stelle er dem Berufungsurteil die von ihm
genannten Tatumstände entnehmen möchte", geht er von
unzutreffenden Annahmen aus.
24
Die Revisionsbegründung muss nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats allein erkennen lassen, dass der geschilderte
Sachverhalt ganz oder teilweise mit demjenigen des angegriffenen
Urteils identisch ist
(Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/11 R - Juris RdNr 17),bzw
keine Zweifel lassen, dass sie die Anwendung revisiblen Rechts
allein und gerade hinsichtlich des entscheidungserheblichen, vom
Tatsachengericht auf der Grundlage der diesem vorbehaltenen
Überzeugung festgestellten Sachverhalts durch das
Revisionsgericht überprüft wissen will
(vgl Senatsbeschluss vom 16.3.2016 - B 5 RE 3/15 R - BeckRS
2016, 67705 RdNr 9)
. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der revisionsgerichtlichen
Auslegung des Revisionsvorbringens im Einzelfall
(Senatsbeschluss vom 16.3.2016, aaO); dabei ist die
"Revisionsbegründung als Willenserklärung" der Auslegung
grundsätzlich zugängig
(so schon RG Urteil vom 7.4.1933 - I 303/33 - RGSt 67, 197, 198).
Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des anfragenden Senats. Nach dieser kann von
einer notwendigen Durchdringung der Sach- und Rechtslage (erst
dann) nicht mehr ausgegangen werden, wenn anhand der
Revisionsbegründung nicht erkennbar wird, dass der
Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das
BSG bindenden (§ 163 SGG) - wesentlichen tatsächlichen
Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst, diese zutreffend
mitgeteilt und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 18, 26).
25
Die Rechtsprechung des erkennenden Senats fordert hingegen
nicht - was der anfragende Senat verkennt - die "ausdrückliche
Angabe", dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten
tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, sondern erachtet
hierauf bezogene Hinweise als ausreichend
(vgl etwa Senatsbeschlüsse vom 22.7.2015 - BeckRS 2015, 70865
RdNr 9 und vom 13.2.2013 - B 5 R 28/12 R - BeckRS 2013, 66976
RdNr 9)
. Angaben, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil
bestimmte Tatumstände zu entnehmen sind, bedarf es regelmäßig
nur dann, wenn nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welchen
Lebenssachverhalt sich das Tatsachengericht als für seine
Entscheidung maßgeblich vorgestellt hat und dieser erst ermittelt
werden muss, weil die Urteilsgründe einer entsprechenden
Interpretation bedürfen (vgl Berchtold, aaO, § 8 RdNr 92, 257). Der
erkennende Senat hat die vom anfragenden Senat unter Buchst a)
des Tenors zitierte Formulierung im Kontext von Fällen gebraucht, in
denen der festgestellte Sachverhalt lediglich bruchstückhaft oder in
Ansätzen wiedergegeben wurde
(vgl Senatsbeschlüsse vom 13.2.2013, aaO, vom 16.4.2013 - B 5 R
98/11 R - BeckRS 2013, 68747 RdNr 11 aE, vom 24.9.2013 - B 5 R
66/11 R - BeckRS 2013, 73558 RdNr 8, vom 16.7.2014 - BeckRS
2014, 71436 RdNr 12, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS
2014, 73306 RdNr 8, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS
2014, 73307 RdNr 9 und vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS
2014, 74155 RdNr 8; Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R -
Juris RdNr 7)
. Es handelt sich hierbei um auf die Würdigung des Einzelfalles
bezogene Aussagen, die nicht als unverzichtbares Element eines
bezogene Aussagen, die nicht als unverzichtbares Element eines
abstrakten Rechtssatzes, sondern nur als "Indizien" im Rahmen der
Subsumtion unter diesen Verwendung finden. Eine Divergenz und
damit eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen käme lediglich
dann in Betracht, wenn den Entscheidungen des erkennenden
Senats ein fallübergreifender Rechtssatz des vom anfragenden
Senats zitierten Inhalts entnommen werden könnte
(vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 65/11 R - SozR 4-1500 §
163 Nr 6 RdNr 30 f; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41
RdNr 11)
. So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
26
c) Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats ist
verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie macht die
Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren
Voraussetzungen abhängig.
27
Zu Recht weist der anfragende Senat
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 25) darauf hin, dass
nach der Rechtsprechung des BVerfG der Zugang zum jeweils
vorgesehenen gerichtlichen Instanzenzug mit Rücksicht auf Art 19
Abs 4 S 1 GG nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr
zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf. Dies müssen die
Gerichte auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten.
Sie dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes
Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung
verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den
Beschwerdeführer leerlaufen lassen
(BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.7.2016 - 2 BvR 2040/15 -
Juris RdNr 13)
. Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren
Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des
Rechtsschutzes abhängt
(BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015 - 2 BvR 2577/14 -
Juris RdNr 6)
. Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 164 Abs 2
S 3 SGG, die nicht derart erschwert werden dürfen, dass sie von
einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige
Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand
nicht mehr erfüllt werden können.
28
Indes sind die vom erkennenden Senat aufgestellten Erfordernisse
an eine materiell-rechtliche Revisionsrüge verfassungsrechtlich
unbeanstandet geblieben
(Senatsbeschluss vom 18.2.1980 - 5 RKn 1/78 - und nachgehend
BVerfG
Beschluss vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S
29 f)
. Nach Auffassung des BVerfG steht es in Übereinstimmung mit
Verfassungsrecht, wenn das BSG im Einklang mit seiner eigenen
ständigen Rechtsprechung und mit der Rechtsprechung der
anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes die Begründung der
Revision nur dann als formgerecht erachtet, wenn sie die Prüfung
und Durcharbeitung des Prozessstoffes durch den zugelassenen
Prozessbevollmächtigten erkennen lässt. Diese an den Zwecken
des Revisionsverfahrens ausgerichtete Auslegung der
einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften verletze weder Art 3
Abs 1 GG noch Art 103 Abs 1 GG; letztere Bestimmung schließe es
nicht aus, dass ein Gericht das sachliche Vorbringen eines
Beteiligten aus prozessrechtlichen Gründen unberücksichtigt lässt.
Auch im Hinblick auf die durch Art 19 Abs 4 S 1 GG gewährleistete
Rechtsweggarantie bestehen nach Ansicht des BVerfG keine
grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die
Beschreitung des Rechtswegs könne in den Prozessordnungen von
der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig
gemacht werden; durch die vom BSG für notwendig erachteten
Anforderungen an die Begründung der Revision werde der Zugang
zum Revisionsgericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht
mehr zu rechtfertigender Weise behindert.
29
Insbesondere kann das - in konkreter Umsetzung der ständigen
Rechtsprechung des BSG - vom erkennenden Senat aufgestellte
Erfordernis der Darstellung des entscheidungserheblichen
Lebenssachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung
materiellen Rechts mit zumutbaren Aufwand nicht allein von einem
spezialisierten Rechtsanwalt erfüllt werden. Im Gegenteil ist die
Wiedergabe der rechtlich relevanten Tatumstände idealiter das mit
dem geringsten Aufwand verbundene Element der
Revisionsbegründung. Es bedarf im Wesentlichen nur der
allgemeinen Erkenntnis, dass Rechtsanwendung in seiner
grundlegendsten Form darin besteht, dass ein Lebenstatbestand
unter die maßgebende Rechtsnorm subsumiert wird, so dass sich
eine bestimmte Rechtsfolge ergibt
(vgl Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen
Rechts, 1. Halbband, 15. Aufl 1959, S 311)
, sowie des Wissens, dass ein Revisionsgericht grundsätzlich an die
tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts gebunden ist. Von
einer Überforderung eines durchschnittlichen Rechtsanwalts kann
bei den Darlegungsanforderungen des skizzierten Inhalts keine
Rede sein.
30
d) Entgegen dem anfragenden Senat
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 26 f)überträgt der
erkennende Senat durch Anwendung des unter Buchst b) des
Tenors zitierten Rechtssatzes nicht die in der Rechtsprechung des
BSG entwickelten strengen Anforderungen an die Begründung einer
Nichtzulassungsbeschwerde bzw an den Inhalt einer
Revisionsbegründung im Falle von Verfahrensrügen auf die Rüge
der Verletzung materiellen Rechts.
31
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind im
Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die
Revisionszulassungsgründe
(§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG) substantiiert
und schlüssig dazulegen bzw zu bezeichnen
(Senatsbeschlüsse vom 7.6.2016 - B 5 AL 1/16 B - BeckRS 2016,
71174 RdNr 8 f und vom 25.3.2014 - B 5 R 416/13 B - BeckRS
2014, 68316 RdNr 10, 13, 17; vgl auch Karmanski in
Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 43)
. Durch die hohen Anforderungen an die Begründung der
Nichtzulassungsbeschwerde soll das Beschwerdegericht der Mühe
enthoben sein, selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe zu
durchsuchen; die Beschwerdebegründung muss es in die Lage
versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten
allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den
Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen
Streitpunkte zu machen
(Senatsbeschluss vom 7.6.2016, aaO RdNr 11; vgl auch Karmanski,
aaO, § 160a RdNr 44)
.
32
Soweit im Rahmen der Revision die tatsächlichen Feststellungen
des Vordergerichts angefochten werden (vgl § 163 SGG), sind nach
der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Bezug auf diese
Feststellungen zulässige Revisionsgründe vorzubringen und
vollständig und schlüssig zu begründen. Dies erfordert zur
Bezeichnung der Tatsachen, die den (behaupteten) Mangel
ergeben, alle relevanten Verfahrensvorgänge so genau und
widerspruchsfrei zu bezeichnen, dass das BSG allein aufgrund der
Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber zu
entscheiden, ob das Urteil des LSG auf dem gerügten
Verfahrensmangel beruhen kann, dh das Vordergericht ohne den
gerügten Verfahrensmangel ggf anders entschieden hätte
(Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13). Diese
gesteigerten Anforderungen folgen aus dem Wortlaut des § 164 Abs
2 S 3 SGG und dienen zusammen mit der sich aus § 202 SGG iVm
§ 557 Abs 3 S 2 ZPO ergebenden Rügepflicht dem Zweck der
Entlastung des Revisionsgerichts, welches andernfalls gehalten
wäre, das gesamte vorhergehende Verfahren auf das
Vorhandensein von Mängeln zu überprüfen
(BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231; Behn in
Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 164 RdNr 224)
.
33
bb) Werden materiell-rechtliche Rügen erhoben, stellt das Gesetz -
worauf der anfragende Senat zu Recht hinweist
(Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 27) - keine so hohen
Anforderungen an die Begründung der Revision
(vgl Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 14).
Das ergibt sich bereits daraus, dass insofern allein der Rückgriff auf
die im Urteil ohnehin getroffenen Feststellungen möglich und
zulässig ist (§ 163 SGG), während dies bei den tatsächlichen
Grundlagen von Verfahrensmängeln, die erst zusammengetragen
werden müssen, gerade nicht in Betracht kommt. Dennoch
entspricht es der ständigen Rechtsprechung bereits des RG und
des BSG, dass auch die Begründungserfordernisse bei materiell-
rechtlichen Rügen ungeachtet der erst im Rahmen der
Begründetheit zu klärenden Frage, ob die Revisionsbegründung
den Revisionsangriff auch trägt
(BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 - Juris RdNr
8),
ua der Entlastung des Revisionsgerichts und seines
Berichterstatters dienen
(exemplarisch RGZ 87, 5, 6; BSG Urteil vom 20.1.2005 - B 3 KR
22/03 R - USK 2005-95 - Juris RdNr 16 und Beschluss vom
28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr 8 mwN)
. Es bedarf daher als Teil einer sorgfältigen sowie nach Umfang und
Zweck zweifelsfreien Begründung zur Individualisierung des
Lebenssachverhalts, aus dem sich die behauptete
Lebenssachverhalts, aus dem sich die behauptete
Rechtsverletzung herleitet
(BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11),in
der Begründungsschrift selbst aus sich heraus erkennbar ua der
Darlegung des im angegriffenen Urteil festgestellten Sachverhalts
(BSG Beschluss vom 17.1.1958 - BSGE 6, 269, 270; BSG Urteil
vom 30.6.1964 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG = Juris RdNr 8; BSG
Urteil vom 13.10.1983 - 11 RAz 3/82 - Juris RdNr 11; BSG Urteil vom
28.1.1981 - 9 RV 1/80 - Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6
RKa 16/80 - USK 82242 = Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom
24.11.1983 - 3 RK 7/83 - Juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 164 Nr 25
= Juris RdNr 7; BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 = Juris RdNr 9 f; BSG
Beschluss vom 21.7.1988 - 3 RK 17/87 - Juris RdNr 6; BSG
Beschluss vom 18.6.1990 - 9a RVs 2/90 - Juris RdNr 3; BSG
Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BSG
Beschluss vom 10.4.1991 - 6 RKa 7/90 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-
2500 § 106 Nr 12 = Juris RdNr 20; BSG Urteil vom 29.8.1996 - 4 RA
105/95 - Juris RdNr 12; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 = Juris RdNr 7;
BSG Beschluss vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16,
stRspr; ebenso BFH Urteil vom 28.4.1987 - IX R 9/83 - BFH/NV
1988, 151 = Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 11.12.1986 - V R
135/85 - BFH/NV 1988, 92 = Juris RdNr 21 f; BFH Urteil vom
5.10.1999 - VII R 25/98 - BFH/NV 2000, 235 = Juris RdNr 14;
BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139
VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 6.12.1984 - 9
C 41/84 - NJW 1985, 1235 = Juris RdNr 3, stRspr; BAG Urteil vom
29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 = Juris RdNr 14, stRspr)
. Nur so kann der Revisionsführer dem Revisionsgericht "erklären",
warum er nach Durcharbeitung des Prozessstoffs und der
gebotenen Selbstüberprüfung seines Vorbringens in der Vorinstanz
mit der angefochtenen Entscheidung nicht einverstanden ist
(BFH Beschluss vom 17.7.1985 - II R 122/83 - BFH/NV 1986, 164 =
Juris RdNr 9).
34
Wie ausgeführt hat dies mit der Begründetheitsprüfung noch nichts
zu tun. Vielmehr entspricht es auch der Rechtsprechung des
Senats, dass es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung in einem
Revisionsverfahren nicht darauf ankommt, ob die materielle Rüge
den Revisionsangriff im Ergebnis trägt bzw die Auseinandersetzung
mit dem angefochtenen Urteil aus der Sicht des Revisionsgerichts
überzeugend oder gar schlüssig ist; dies ist allein eine Frage der
Begründetheit der Revision
(Senatsurteil vom 25.6.1975 - 5 RKn 41/74 - SozR 2600 § 54 Nr 1 =
Juris RdNr 16; vgl auch BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa
17/89 - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 17.12.1990 - 5 CB
42/90 - Juris RdNr 2;
BGH Urteil vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453;
Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2016, § 164 RdNr 27d;
Neumann in Sodan/Ziekow, aaO, § 139 RdNr 95, 102; Krüger in
MüKo zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 551 RdNr 20 aE)
. Die Pflicht zur Begründung der Revision zielt nicht darauf ab, eine
qualifizierte Erfolgsprognose über das Rechtsmittel in der
Hauptsache zu einem Bestandteil der Sachurteilsvoraussetzungen
desselben zu erheben und die Begründetheitsprüfung gleichsam in
die Zulässigkeitsprüfung vorzuverlagern
(BSG Urteile vom 24.2.2016 - Juris RdNr 13 - zur Veröffentlichung in
SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen und vom 3.9.2014 - B 10 ÜG
12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12)
.
35
Den
Beschlüssen
des
Senats
vom
16.7.2014
(BeckRS 2014, 71436 RdNr 12),
vom
25.9.2014
(B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8 und B 5 RE 15/14
R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9)
, vom 5.11.2014 (BeckRS 2014, 74155 RdNr 8) und dem Urteil vom
23.7.2015 (B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7) kann nichts anderes
entnommen werden. Der dortige Hinweis, dass die Darstellung des
entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der
Verletzung materiellen Rechts es ermöglichen muss, das BSG in
die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und
Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu
prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf
den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet
worden sind", vermittelt nur vordergründig und bei isolierter
Orientierung am Wortlaut den unzutreffenden Eindruck einer
vorgezogenen Begründetheitsprüfung. Es gehört zu den
Grundsätzen der allgemeinen Hermeneutik, dass in sich
geschlossene Ausführungen als Einheit zu begreifen sind; dh der
Inhalt eines einzelnen Satzes kann nicht losgelöst vom
Textganzen, sondern nur aus diesem heraus bestimmt werden
(vgl Coing, Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte,
Rechtsphilosophie und Zivilrecht, Bd 1, 1982, S 208, 217)
. Der maßgebende und entscheidungstragende Rechtssatz, der
die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG präzisiert, findet sich
in den vorbezeichneten Entscheidungen jeweils vorangehend
(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 10, vom 25.9.2014 -
B 5 RE 14/14 R - aaO RdNr 6, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R -
aaO RdNr 6 und vom 5.11.2014, aaO RdNr 7; Senatsurteil vom
23.7.2015, aaO RdNr 5)
. Er lautet:
"Um anhand der Revisionsbegründung nachvollziehen zu
können, ob der Revisionskläger bzw sein Prozessvertreter
das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel
überprüft und die Rechtslage genau durchdacht hat, muss die
Revision daher sowohl bei prozessualen als auch bei
materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig begründet werden".
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Dieser öffnende Obersatz - zu dem alle weiteren Sätze in Beziehung
zu setzen sind - macht deutlich, dass nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats die materiell-rechtliche Rüge im
Revisionsverfahren nicht den gesteigerten Anforderungen einer
Verfahrensrüge oder Nichtzulassungsbeschwerde genügen und die
Revisionsentscheidung im Einzelnen auch nicht gleichsam
vorwegnehmen muss; es ist ausreichend, dass die Begründung
rechtliche Erwägungen anstellt, die das angegriffene Urteil als
unrichtig, somit eine Rechtsnorm als verletzt erscheinen lassen
können. Nach alldem mag allein eine zu kurz greifende, isolierte
Betrachtung für die vom anfragenden Senat gezogene
Schlussfolgerung sprechen; die gebotene Kontextualisierung des
streitbefangenen Rechtssatzes trägt eine solche Interpretation indes
nicht.
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Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieser vom
anfragenden Senat unter Buchst b) des Tenors zitierte Rechtssatz
auch nicht der die bezeichneten Entscheidungen allein tragende
rechtliche Gesichtspunkt war. Tragend sind diejenigen
Rechtsauffassungen, die nicht hinweggedacht werden können,
ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der
Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele.
Stützt sich ein konkretes Ergebnis der Entscheidung auf mehrere
selbständig tragfähige Begründungen und will der anfragende Senat
nur von einer dieser Begründungen abweichen, liegt keine die
Anrufung des Großen Senats des BSG begründende Divergenz vor
(vgl BFH Beschluss vom 22.7.1977 - III B 34/74 - BFHE 123, 112,
116; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 41 RdNr 29; vgl auch
BVerfG Beschluss vom 3.7.2012 - 2 PBvU 1/11 - BVerfGE 132, 1, 4
f)
. So liegen die Dinge hier. Der erkennende Senat hat die
. So liegen die Dinge hier. Der erkennende Senat hat die
Notwendigkeit der Darstellung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts in den vorbezeichneten Entscheidungen durchgehend
vor allem damit begründet, dass eine Revision auch bei materiell-
rechtlichen Rügen sorgfältig zu begründen ist und ohne Angaben
zum festgestellten Sachverhalt eine Überprüfung des
vorgenommenen Subsumtionsschlusses von vornherein
ausgeschlossen ist
(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014 - BeckRS 2014, 71436 RdNr 10
f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 6 f,
vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 6, 9
und vom 5.11.2014 - BeckRS 2014, 74155 RdNr 7 f, Senatsurteil
vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 5 f)
; zudem wurde in diesen Entscheidungen das Rechtsmittel auch
deshalb als unzulässig verworfen, weil die jeweilige
Revisionsbegründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils
nicht in der gebotenen Weise eingegangen ist
(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 13 f, vom 25.9.2014 -
B 5 RE 14/14 R, aaO RdNr 9 ff, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R,
aaO RdNr 10 ff und vom 5.11.2014, aaO RdNr 9 f, Senatsurteil vom
23.7.2015, aaO RdNr 8 f)
. Die vorerwähnten Entscheidungen des Senats wären mithin nicht
anders ausgefallen, wenn die zweite vom anfragenden Senat
aufgeworfene Rechtsfrage in den Gründen dieser Entscheidungen
unerwähnt geblieben wäre. Ihre Niederlegung trägt diese nicht
derart, dass sie jeweils ein unabdingbares Glied in der
Gedankenkette des Senats darstellten
(vgl BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - Juris RdNr 23).
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Worin nach alldem der zusätzliche rechtliche Ertrag eines
Anrufungsverfahrens bestehen könnte, vermag sich dem
erkennenden Senat nicht zu erschließen.