Urteil des BSG vom 22.03.2018

Urteil vom 22.03.2018

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 22.3.2018, B 5 RS 8/17 R
ECLI:DE:BSG:2018:220318UB5RS817R0
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 15.12.2016 - B
5 RS 4/16 R.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des
Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 2016 und des
Sozialgerichts Leipzig vom 23. Juni 2015 insoweit aufgehoben,
als die Beklagte verurteilt worden ist, Jahresendprämien für die
Zuflussjahre 1983 und 1985 als weitere Arbeitsentgelte zu
berücksichtigen.
Die Klage wird auch insofern abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in
dem sozialgerichtlichen Verfahren zu 2/3 und im
Berufungsverfahren zur Hälfte zu erstatten. Außergerichtliche
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren noch über die
Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt jährlicher
Jahresendprämien (JEP) für Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
(AVItech) in den Beschäftigungsjahren 1982 und 1984 (Zuflussjahre
1983 und 1985).
2
Dem im Jahre 1936 geborenen Kläger wurde nach einem
Hochschulstudium in der Fachrichtung Konstruktiver Ingenieurbau
an der Hochschule für Bauwesen C. mit Urkunde vom 27.2.1961 der
akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Der Kläger war vom
4.4.1961 bis 31.10.1978 als Statiker und Abteilungsleiter im
volkseigenen Betrieb (VEB) D., vom 1.11.1978 bis 31.8.1983 als
Problemanalytiker im VEB M. sowie vom 1.9.1983 bis 30.6.1990
(und darüber hinaus) als Statiker im VEB B. beschäftigt. Er erhielt zu
Zeiten der DDR keine Versorgungszusage und war auch nicht in ein
Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG einbezogen.
3 Nach einem vorangegangenen, mit einem Anerkenntnis der
Beklagten vom 30.6.2003 endenden Rechtsstreit stellte diese mit
eigenständigem Bescheid vom 10.5.2004 Beschäftigungszeiten des
Klägers vom 4.4.1961 bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der
AVItech sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte fest.
4 Mit Antrag vom 16.7.2008 begehrte der Kläger die Berücksichtigung
von JEP und anderen Sonderzahlungen als Arbeitsentgelt. Diesen
Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.2.2010 ab.
5 Mit Schreiben vom 28.3.2010 (Eingang 30.3.2010) reichte der
Kläger bei der Beklagten Lohnunterlagen ein und führte aus, er habe
jedes Jahr JEP in Höhe von einem einfachen bis zum doppelten
Monatsbruttogehalt erhalten. Zur Höhe der JEP besitze er keine
Nachweise. Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers als
Überprüfungsantrag, den sie nach erfolglosen Ermittlungen bei den
Rechtsnachfolgern der damaligen Beschäftigungsbetriebe sowie der
Archivfirma GmbH mit Bescheid vom 30.5.2011 ablehnte. Der
Widerspruch des Klägers war erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid
vom 11.5.2012 wies die Beklagte darauf hin, der Zufluss von JEP
sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Zudem könne die
Höhe von JEP des Einzelnen ohne entsprechende Unterlagen nicht
mehr nachvollzogen werden.
6
Mit Urteil vom 23.6.2015 hat das SG Leipzig die Beklagte unter
Abänderung der Bescheide vom 22.2.2010 und 30.5.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2012 verurteilt, gezahlte
JEP und Exportprämien in den Jahren 1979 und 1982 bis 1990 als
weitere Arbeitsentgelte anzuerkennen. Mit der hiergegen
eingelegten Berufung hat sich die Beklagte zunächst gegen die
Berücksichtigung der für die Jahre 1979, 1982 bis 1986 und 1990
geschätzten JEP-Beträge gewandt. Während des
Berufungsverfahrens hat sie die ausgeurteilten JEP für die Jahre
1982, 1986 und 1990 "außer Streit gestellt". Mit Urteil vom 19.7.2016
hat das Sächsische LSG unter Zurückweisung der Berufung im
Übrigen das Urteil des SG Leipzig insoweit aufgehoben, als die
Berücksichtigung von JEP für die Zuflussjahre 1979 und 1984 als
weiteres Arbeitsentgelt ausgeurteilt worden sei und die
diesbezügliche Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt:
7 Hinsichtlich der Zuflussjahre 1979 und 1984 sei die Berufung der
Beklagten begründet, hinsichtlich der Zuflussjahre 1983 und 1985
hingegen unbegründet. Der Kläger habe für diese Jahre einen
Anspruch auf Feststellung der JEP als weitere Arbeitsentgelte. JEP
seien Arbeitsentgelte iS von § 14 SGB IV und damit iS von § 6 Abs 1
S 1 AAÜG. Gemäß § 117 Abs 1 AGB-DDR habe ein Anspruch auf
JEP bestanden, wenn deren Zahlung für das Arbeitskollektiv, dem
der Werktätige angehört habe, im Betriebskollektivvertrag vereinbart
worden sei, der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die
vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe
erfüllt hätten und der Werktätige während des gesamten Planjahres
Angehöriger des Betriebs gewesen sei. Um eine Feststellung von
JEP als zusätzliche Entgelte beanspruchen zu können, müsse der
jeweilige Antragsteller nachweisen oder glaubhaft machen, dass
jeweilige Antragsteller nachweisen oder glaubhaft machen, dass
diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt worden seien
und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter berücksichtigungsfähiger
Betrag auch zugeflossen, dh tatsächlich gezahlt worden sei. Gemäß
§ 128 Abs 1 S 1 SGG entscheide das Gericht dabei nach seiner
freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, dh der an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit, sei auch die Möglichkeit der
Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte in
Gestalt von JEP gegeben. Dies könne aus der Vorschrift des § 6
Abs 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach werde, wenn ein Teil des
Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht
werde, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf
Sechsteln berücksichtigt. Der Kläger habe für die
Beschäftigungsjahre 1982 und 1984 (Zuflussjahre 1983 und 1985)
zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht, dass die drei
rechtlichen Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-DDR für den
Bezug einer JEP vorgelegen hätten und ihm jeweils eine JEP
tatsächlich gezahlt worden sei. Die konkrete Höhe der JEP habe der
Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Hinsichtlich
der Höhe habe das SG jedoch zu Recht von der Möglichkeit der
Schätzung Gebrauch gemacht. Nach dem Urteil des BSG vom
4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) dürfe und müsse
das Gericht, wenn der Bezug (irgend)einer JEP für die konkreten
Beschäftigungsjahre dem Grunde nach glaubhaft gemacht worden
sei, deren Höhe aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht
werden könne, diese im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung
schätzen.
8 Die Befugnis hierzu ergebe sich aus § 202 SGG iVm § 287 Abs 2,
Abs 1 S 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Normen seien
gegeben. Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte handele es
sich zumindest mittelbar und sekundär um eine
vermögensrechtliche Streitigkeit. Das von der Beklagten nach § 6
Abs 1 S 1 AAÜG festzustellende und dem für die Feststellung der
Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung
mitzuteilende (§ 8 Abs 1 S 1 und 2 AAÜG) erzielte Arbeitsentgelt sei
Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der
gesetzlichen Rentenversicherung. Auch sei die vollständige
Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen JEP-
Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen JEP-
Beträge maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden,
die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem
Verhältnis stünden. Bei der gebotenen Schätzung lege das Gericht
als jährlichen Basiswert der JEP-Höhe jeweils den im Planjahr
erzielten durchschnittlichen Monatslohn zugrunde. Dieser sei im
Feststellungsbescheid der Beklagten vom 10.5.2004, basierend auf
den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen
Beschäftigungsbetriebes bzw der die Lohnunterlagen verwaltenden
Stelle, jeweils ausgewiesen. Diese Anknüpfung sei auch deshalb
gerechtfertigt, weil die staatlichen Prämienverordnungen für die
Höhe der JEP an den durchschnittlichen Monatsverdienst
anknüpften. Von diesem Wert sei ein Abschlag iHv 30 Prozent
vorzunehmen, weil die Höhe der jeweiligen JEP von einer Vielzahl
verschiedener Faktoren abhängig gewesen sei, die rückschauend
im Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar seien. Von dem danach
geschätzten Betrag (70 Prozent) sei ein weiterer Abzug in Höhe
eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen. Dieser
zusätzliche Abschlag sei aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum
einen werde damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der
Kläger den Zufluss der JEP dem Grunde nach nicht nachgewiesen,
sondern lediglich glaubhaft gemacht habe
(Rechtsgedanke des § 6 Abs 6 AAÜG). Zum anderen sei dieser
Abschlag auch wegen eines Erst-Recht-Schlusses gerechtfertigt:
Wenn schon das Gesetz in § 6 Abs 6 AAÜG eine Berücksichtigung
von fünf Sechsteln bei nur glaubhaft gemachter Höhe des weiteren
Arbeitsentgelts vorsehe, dann müsse dies erst recht gelten, wenn
die Höhe nicht einmal glaubhaft gemacht sei, sondern lediglich vom
Gericht geschätzt werden könne. Das geschätzte Ergebnis (fünf
Sechstel von 70 Prozent = ca 58,33 Prozent) nähere sich damit
stark dem unter Bezugnahme auf verschiedene
Betriebsprämienordnungen einzelner Betriebe angegebenen
Mindestwert von JEP (60 Prozent) an, was die Schätzung zusätzlich
bestätige.
9
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
(Beschluss vom 23.3.2017 - B 5 RS 47/16 B) rügt die Beklagte im
Wesentlichen die Verletzung von § 6 Abs 1 S 1, § 8 Abs 1 S 2
AAÜG. Das Berufungsgericht habe dem Kläger rechtsfehlerhaft für
die Beschäftigungsjahre 1982 und 1984 (Zuflussjahre 1983 und
1985) geschätzte JEP zugesprochen bzw die vom SG in dessen
Urteil schon unrichtig im Wege der Schätzung errechneten JEP
bestätigt. Das Berufungsgericht habe ausgeführt, die vom SG
vorgenommene Schätzung sei statthaft, wobei sich die Befugnis
hierzu aus § 202 SGG iVm §§ 287 Abs 2, 287 Abs 1 S 1 ZPO
ergebe. Im Gegensatz hierzu habe das BSG in seinen Urteilen vom
15.12.2016
(ua B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 7, auch zur Veröffentlichung
in BSGE vorgesehen)
und 23.3.2017 (ua B 5 RS 15/16 R - Juris) ausgeführt, dass die
prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO von vornherein
nicht eingreife. Das LSG sei damit von rechtlich unzutreffenden
Annahmen ausgegangen.
10
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19.
Juli 2016 und des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Juni 2015
aufzuheben,
soweit
sie
verurteilt
worden
ist,
Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1983 und 1985 zu
berücksichtigen, und die Klage auch insofern abzuweisen.
11
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
12
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG hinsichtlich der
noch streitigen Jahre unter Verletzung von Bundesrecht
(§ 162 SGG) zurückgewiesen.
13
1. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 22.2.2010 richtet,
ist sie bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt diesbezüglich ein
Rechtsschutzbedürfnis. Die Aufhebung des Bescheides vom
22.2.2010 ist nicht erforderlich, um die vom Kläger begehrte höhere
Festsetzung der im Bescheid vom 10.5.2004 festgestellten
Arbeitsentgelte erreichen zu können. Die Regelungswirkung des
Bescheides vom 22.2.2010 erschöpft sich in der Ablehnung des
Überprüfungsantrags vom 16.7.2008 und berührt im Übrigen das
Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht.
14
2. Der Bescheid vom 30.5.2011 und der Widerspruchsbescheid vom
11.5.2012 sind hinsichtlich der noch streitigen Jahre rechtmäßig und
beschweren den Kläger nicht (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Beklagte ist
nicht verpflichtet, für die Beschäftigungsjahre 1982 und 1984
(Zuflussjahre 1983 und 1985) zusätzlich geschätzte JEP als weitere
Arbeitsentgelte vorzumerken.
15
Der Kläger begehrt, den Bescheid vom 30.5.2011 und den
Widerspruchsbescheid vom 11.5.2012 (§ 95 SGG) aufzuheben
sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskräftigen
(§ 77 SGG) Verwaltungsakte (§ 31 S 1 SGB X) über die Festsetzung
der Arbeitsentgelte für die Zeiten vom 4.4.1961 bis 30.6.1990 im
Bescheid vom 10.5.2004 zurückzunehmen und höhere
Arbeitsentgelte unter Einbeziehung von JEP festzusetzen.
16
a) Die erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 SGB X, der auch
im Rahmen des AAÜG anwendbar ist
(§ 8 Abs 3 S 2 AAÜG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS
6/09 R - Juris RdNr 13 und ausführlich BSGE 77, 253, 257 = SozR
3-8570 § 13 Nr 1 S 5)
.
17
Nach § 44 SGB X ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht
begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er
(anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit
Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er
noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von § 39 Abs 2 SGB
X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die
Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder
"Beiträge" zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X).
Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten
Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im Übrigen "kann"
(Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in
sonstigen Fällen, also über die Fälle des Abs 1 S 1 aaO hinaus, für
die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).
18
Da sich § 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden
Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden
Verwaltungsakte im Bescheid vom 10.5.2004 - unmittelbar
Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen"
(§ 11 S 1 SGB I) iS der §§ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen
(BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3), kann sich der
Rücknahmeanspruch des Klägers nur aus Abs 2 aaO ergeben.
Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich
bindend) geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Zukunft zurückzunehmen (S 1). Er kann auch für die Vergangenheit
zurückgenommen werden (S 2). Die Feststellungen über die Höhe
der erzielten Arbeitsentgelte im Bescheid vom 10.5.2004, die jeweils
einzelne feststellende Verwaltungsakte iS des § 31 S 1 SGB X sind
und die in Bezug auf die geltend gemachten JEP keinen rechtlich
erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt haben
(nicht begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 Abs 1 SGB X),
waren jedoch im Zeitpunkt ihres Erlasses
(Bekanntgabe iS von § 37 SGB X)rechtmäßig. Denn die geltend
gemachten JEP sind nicht als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt
festzustellen.
19
b) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten rechtlichen
Feststellungen kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1
AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als
Versorgungsträgerin für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1
(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt
der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung
hat ua "das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.
20
c) Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste
den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem
der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. Danach ist den
Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl § 5 aaO) für jedes
Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Der
Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG bestimmt sich
nach § 14 SGB IV, wie der erkennende Senat
(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 6 RdNr 15) im Einklang mit dem 4. Senat
des BSG (SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 24 ff), der früher für das Recht
der Rentenüberleitung zuständig gewesen ist, bereits entschieden
hat. Dabei ist durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der
erkennende Senat anschließt, gleichermaßen geklärt, dass die JEP
einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung iS des § 14 Abs 1 S 1
SGB IV waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch
§ 17 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I 1642)
ausgeschlossen ist (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 27, 33).
Gleichzeitig folgt für die Feststellung von Bezug und Höhe dieser
einmaligen Einkünfte aus der Formulierung "erzieltes Arbeitsentgelt"
in § 6 Abs 1 S 1 AAÜG im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 S 1 AAÜG,
dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten
während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem
"aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also in
bestimmter Höhe tatsächlich gezahlt worden ist
(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 19).
21
d) Für den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der JEP trägt der
Zahlungsempfänger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast
(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 42), dh das Risiko bzw den
Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen
lässt (non liquet). Der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen ist
regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein einschlägiger Sachverhalt
nach Ausschöpfung grundsätzlich aller zur Verfügung stehenden
Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit
(Senatsbeschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9;
BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76.80 - Buchholz 310 § 86 Abs 1
VwGO Nr 147 S 10 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris
RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90
- BVerfGE 101, 106, 123 = Juris RdNr 67)
mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit
(vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291,
293 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7)
im Vollbeweis, dh zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen
Anwenders im Sinne einer subjektiven Gewissheit feststeht. Für das
sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus § 103 S 1 Halbs 1, §
128 Abs 1 S 1 SGG. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende
Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem
Regelbeweismaß bedürfen einer gesetzlichen Grundlage
(BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 = Juris RdNr 4; vgl auch BSG Urteil
vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R - BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1
Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257.88 - NVwZ-RR
1990, 165; Bolay in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 128
RdNr 13 ff; Höfling/Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, §
108 RdNr 87; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl 2017, § 108 RdNr 5;
Kühl in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 118 RdNr 3 ff)
. Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete
Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen Art
zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz
(Art 19 Abs 4 GG)gewährleistet ist. Die in § 6 Abs 6 AAÜG
normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen im
noch anhängigen Umfang nicht zum Erfolg.
22
e) Zwar hat das LSG auf dieser Grundlage für den Senat bindend
(§ 163 SGG) festgestellt, dass dem Kläger in den noch streitigen
Zuflussjahren 1983 und 1985 tatsächlich JEP zugeflossen sind, weil
dies zwar nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen, aber glaubhaft
gemacht, dh "überwiegend wahrscheinlich" sei
(vgl dazu § 23 Abs 1 S 2 SGB X; § 202 S 1 SGG iVm § 294 ZPO).
Dabei geht das LSG zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich
zum Regelbeweismaß - abgesenkte Beweisgrad ausreicht, um im
Einzelfall den tatsächlichen Zufluss von Arbeitsentgelt anzunehmen
und festzustellen
(so auch Bayerisches LSG Urteil vom 23.6.2015 - L 1 RS 3/14 - Juris
LS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 18.2.2015 - L 7 R
147/11 - Juris RdNr 42 ff; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom
9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris RdNr 37; Thüringer LSG Urteil vom
27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris RdNr 19 ff; offengelassen LSG
Sachsen-Anhalt Urteil vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13 - Juris RdNr 25
ff)
. Dies ergibt die Auslegung des § 6 Abs 6 AAÜG. Danach wird der
glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln
berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und
der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der
glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes" und "der andere Teil" sind
prinzipiell weit und ermöglichen es, die Glaubhaftmachung dieses
Verdienstteils sowohl auf dessen Höhe als auch auf dessen Zufluss
oder auf beides zu beziehen, während der Nachweis des übrigen
Verdienstteils schon logisch Zufluss und Höhe erfassen muss.
Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des
Gesamtverdienstes in einen glaubhaft gemachten und einen
nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf
die Höhe des Verdienstes bei nachgewiesenem Zufluss zu
beschränken. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die
Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und Höhe eines
Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und Höhe eines
Verdienstteils im Vollbeweis nachgewiesen sein müssen, bereits
ausdrücklich das strenge Regelbeweismaß anlegt und damit einen
starken Anker schafft, was spiegelbildlich Abstriche beim
Beweismaß für Höhe und Zufluss des anderen Verdienstteils
legitimiert und ggf Rückschlüsse aufgrund zuvor oder anschließend
erzielten Arbeitsentgelts erlaubt
(vgl dazu BSG Urteil vom 28.10.1996 - 8 RKn 19/95 - SozR 3-2600 §
123 Nr 1 S 4; Spegel, MittLVA Württ 1996, 164 jeweils zu § 256c
SGB VI)
. Zudem findet die einschneidende Rechtsfolge, die einen
erheblichen Abschlag in Höhe von einem Sechstel vorsieht, auch
und gerade in Fällen ihre Rechtfertigung, in denen neben der Höhe
auch der Zufluss von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur
glaubhaft gemacht werden kann und damit die Verdienstfeststellung
in ihrer anteiligen Gänze auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen
beruht.
23
f) Ebenso für das Revisionsgericht verbindlich hat das
Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die Höhe der
einschlägigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft
gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil
möglicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht
(vgl dazu BSG Urteil vom 10.11.1993 - 11 RAr 47/93 - BSGE 73, 195
= SozR 3-4100 § 249e Nr 3; Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014,
§ 163 RdNr 15)
.
24
Soweit das LSG die Höhe der JEP auf 58,33 % eines im jeweiligen
Beschäftigungsvorjahr erzielten monatlichen Durchschnittsbetrags
geschätzt hat, ist der Senat an diese weitergehenden Feststellungen
(§ 163 SGG) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht
insofern von rechtlich unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des
Beweismaßes aus, die der sachlichen Prüfung durch das BSG
unterliegen. Das AAÜG enthält jedenfalls für Fälle der vorliegend zur
Entscheidung stehenden Art abschließende Regelungen zu
Möglichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung hinsichtlich der
Höhe des zugrunde zu legenden Verdienstes. Zusätzliche
Beweiserleichterungen des materiellen (aa) oder des sog formellen
Rechts (bb)greifen daneben nicht ein.
25
(aa) § 6 Abs 6 AAÜG erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise,
die Höhe eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der
andere Teil des Verdienstes nachgewiesen ist und eröffnet insoweit
zu seinen Gunsten im beschränkten Umfang eine
Beweismaßreduzierung, allerdings auf Kosten eines Abschlags in
Höhe von einem Sechstel des glaubhaft gemachten Teils des
Verdienstes. Eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im
Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor.
Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so
hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer
Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils
davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten
Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren
Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer
begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat.
26
Auch aus § 6 Abs 5 AAÜG iVm § 256b Abs 1 und § 256c Abs 1 und
3 S 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis.
Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes
ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach
Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im
Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen
Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann
offenbleiben, ob Abs 5 überhaupt neben Abs 6 zur Anwendung
kommen kann (idS BT-Drucks 13/2590 S 33).
27
(bb) Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach §
202 S 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär
und "entsprechend" anzuwenden ist
(vgl zB BSG Urteile vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 §
115 Nr 2, vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750
§ 287 Nr 1, vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr 5, vom
27.7.1978 - 2 RU 37/78 - Juris RdNr 21)
, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs 6 AAÜG regelt als
vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende
Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer
glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine
Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs 6
AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst
pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die
mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die
Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine
einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Andernfalls käme
es zu unauflösbaren Widersprüchen, wie der vorliegende Fall
exemplarisch zeigt: Bei der Schätzmethode des LSG handelt es sich
um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer
nachträglichen Kürzung des Schätzergebnisses (um ein Sechstel)
derart intensiv eingegriffen würde, dass von einer Schätzung nicht
mehr die Rede sein kann. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung
zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter
ausgestalten und festlegen müssen, ob und ggf wie mit dem
Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen
derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten
Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der
Ausnahmeregelung in § 6 Abs 6 AAÜG als geschlossenes
Regelungskonzept.
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Aber selbst wenn man § 287 ZPO in Fällen der vorliegenden Art für
anwendbar hält, scheidet eine Schätzung gemäß § 287 Abs 1 ZPO
schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schließlich sind
auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 287 Abs 2 ZPO nicht
erfüllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grundsätzen
in § 286 ZPO und § 128 Abs 1 S 1 SGG - nur ein, wenn eine
"Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender
"Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit besteht, dh im Vollbeweis belegt ist, und nur
noch ihre "Höhe … streitig ist"
(vgl BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr
1 RdNr 12; BGH Urteile vom 17.12.2014 - VIII ZR 88/13 - NJW 2015,
934 = Juris RdNr 45 und vom 25.10.1984 - IX ZR 76/83 - MDR 1985,
494 = Juris RdNr 13; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, § 63
RdNr 85; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl 2018, § 287 RdNr
11; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl 2018, § 287 RdNr 1; Thole in
Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl 2018, § 287 RdNr 12 und 28; Prütting in
Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 287 RdNr 20;
Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl 2018, § 287 RdNr 7;
Saenger, ZPO, 7. Aufl 2017, § 287 RdNr 11)
. Die Schätzbefugnis und die damit verbundene
Beweismaßreduzierung nach § 287 ZPO beschränkt sich somit auf
die Höhe nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein
die Forderungshöhe streitig ist, darf der Richter insofern
Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen. Abgesehen davon
käme es bei einer Anwendung der Norm im hier maßgeblichen
Zusammenhang zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob" des
Zuflusses (Glaubhaftmachung im Sinne einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die Höhe der Forderung
(Schätzungswahrscheinlichkeit) Erwägungen zu unterschiedlichen
Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen wären. Damit würde aber
das rechtswidrige Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren
in ihrer Überlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich,
sondern lediglich möglich wären. Eine derart weite Loslösung von
der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der
Feststellungslast sieht § 287 Abs 2 ZPO nicht vor; die bloße
Möglichkeit, dass dem Versicherten Arbeitsentgelt in geschätzter
Höhe zugeflossen ist, genügt keinesfalls
(vgl zB BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900
§ 15 Nr 4)
. Schließlich erscheint es methodisch ausgeschlossen, die
Schätzbefugnis nach § 287 Abs 1 S 1 ZPO erst nach mehrfacher
entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zu eröffnen: Über die
Verweisung in § 202 S 1 SGG ist § 287 ZPO überhaupt nur
"entsprechend anzuwenden" und innerhalb dieser zivilprozessualen
Norm ist die Schätzbefugnis in § 287 Abs 1 S 1 ZPO über Abs 2
aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar
aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar
vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf
Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erweitert
worden ist, obgleich die insofern einschlägigen tatsächlichen
Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen
müssen (§ 286 ZPO).
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Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tatsächlich
erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen,
die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 4.5.1999
(B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) zugrunde liegen, waren
vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem
Urteil vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) ging es
dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.
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(cc) Da die Höhe der glaubhaft erzielten JEP für die Zuflussjahre
1983 und 1985 weder im Vollbeweis noch im Wege der
Glaubhaftmachung belegt ist und der Kläger insofern die
Feststellungslast trägt, hat er keinen Anspruch darauf, dass die
Beklagte unter Rücknahme der bisherigen Regelungen weitere
Arbeitsentgelte unter Einbeziehung geschätzter JEP für die
genannten Jahre festsetzt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.