Urteil des BSG vom 22.03.2018

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht - approbierter Apotheker - Tätigkeit als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie Qualitätsmanagementbeauftragter in der Pharmaindustrie - Befreiungswirkung - Tätigkeit

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 22.3.2018, B 5 RE 5/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:220318UB5RE516R0
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht - approbierter
Apotheker - Tätigkeit als Verantwortlicher für
Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen
sowie Qualitätsmanagementbeauftragter in der
Pharmaindustrie - Befreiungswirkung -
Tätigkeitsbezogenheit - nach Bundesrecht keine Erfordernis
der Ausübung einer approbationspflichtigen Tätigkeit - keine
Revisibilität der Auslegung von Landesrecht bei
Heranziehung von Bundesrecht als Interpretationshilfe
Leitsätze
1. Der Verwaltungsakt über die Befreiung eines beschäftigten
Apothekers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung bezieht sich grundsätzlich nicht auf den
Apothekerberuf als solchen, sondern auf die konkret ausgeübte
Beschäftigung.
2. Die Befreiung eines beschäftigten Apothekers von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
erfordert nach bundesrechtlicher Vorgabe nicht die Ausübung
einer approbationspflichtigen Tätigkeit.
3. Zieht das Landessozialgericht zur Auslegung von Landesrecht
Bundesrecht als Interpretationshilfe heran, ohne dass dies auf
einem bundesrechtlichen Normbefehl beruht, bleibt die
Auslegung von Landesrecht nicht revisibel.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen
Landessozialgerichts vom 28. April 2016 aufgehoben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses
Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 20.12.2012.
2 Der am 20.6.1956 geborene Kläger ist approbierter Apotheker. Seit
dem 11.12.1984 ist er Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer
Hessen (Beigeladene zu 1) und seit dem 1.1.1985 auch des
Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen
(Beigeladene zu 3). Seit 1984 war der Kläger als Apotheker im
öffentlichen Dienst, in pharmazeutischen Unternehmen und als
selbstständiger Apotheker in öffentlichen Apotheken tätig. Mit
Bescheid vom 21.2.1985 sprach die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
nach § 7 Abs 2 AVG mit Wirkung ab 1.1.1985 aus.
3 Seit 1.10.2009 ist der Kläger für die Firma G. GmbH (Beigeladene zu
2) als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und
Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter
tätig. Die Beigeladene zu 2 entwickelt und validiert Dampf-,
Formaldehyd-, Ethylenoxid- und Wasserstoffperoxid-
Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten (zB
von Operationsbestecken). Sie produziert biologische und
chemische Indikatoren sowie Prüfkörper für die
Sterilisationsüberwachung, stellt Dokumentationsetiketten mit
Behandlungsindikatoren her und entwickelt und fertigt Indikatoren für
die Überwachung von maschinellen Reinigungsprozessen für
Medizinprodukte.
4
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV im August
2012 wurde festgestellt, dass die Beigeladene zu 2 für den Kläger
keine
Rentenversicherungsbeiträge
zur
gesetzlichen
Rentenversicherung abgeführt hat. In dem sich anschließenden
Prüfverfahren legte der Kläger einen befristeten Anstellungsvertrag
vom 26.9.2009 und einen inhaltsgleichen Anschlussvertrag vom
15.6.2010 sowie eine Stellenbeschreibung vor, in der als benötigte
Qualifikation "Apotheker oder gleichwertige Qualifikation mit
langjähriger Berufserfahrung" angegeben ist und die zu
übernehmenden Aufgaben wie folgt beschrieben werden:
- Übernahme der Funktion des Sicherheitsbeauftragten
für Medizinprodukte und des Medizinprodukteberaters
gemäß §§ 30 und 31 MPG
- Registrierung
und
Inverkehrbringen
von
Medizinprodukten gemäß einschlägiger EU-Richtlinien
inkl Klassifizierung und Konformitätsverfahren
- Meldung von Vorkommnissen und Rückrufen nach
Maßgabe
der
Medizinprodukte-
Sicherheitsplanverordnung (MPSV)
- Einbindung aller Regeln zu Medizinprodukten in das G.-
Qualitätssystem
- Sicherstellung der Konformität der G.-Indikatoren mit
den Arzneibuchanforderungen (EuAB und andere
Arzneibücher)
- Erstellung
von
Fachinformationen
und
Produktinformationen für alle G. (Medizin)-Produkte
- Beantwortung von Kundenanfragen zum Thema
Aufbereitung, Sterilisationsverfahren etc und Mitarbeit
an Fachvorträgen.
5
Am 20.12.2012 beantragte der Kläger - vorsorglich - die Befreiung
von der Rentenversicherungspflicht und vertrat die Auffassung, dass
die bereits im Jahr 1985 ausgesprochene Befreiung auch für das
aktuelle Beschäftigungsverhältnis gelte.
6 Die Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht mit Bescheid vom 29.8.2013 ab, weil die
Voraussetzungen einer Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI
nicht vorlägen. Es müsse ein Zusammenhang zwischen der
ausgeübten Tätigkeit und der Pflichtmitgliedschaft bestehen.
Maßgeblich seien § 2 Abs 1 und 3 Bundes-Apothekerordnung
(BApO), die eine pharmazeutische Tätigkeit, insbesondere die
Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln
forderten. Für die Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen
zu 2 sei die Approbation als Apotheker ausweislich der
Stellenbeschreibung gerade nicht die unabdingbare
Einstellungsvoraussetzung gewesen. Der Aufgabenschwerpunkt
liege nicht auf pharmazeutischem Gebiet, sondern im Bereich des
Managements. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 11.3.2014 zurück.
7
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG Gießen mit Urteil vom
28.9.2015 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt,
dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 2 seit dem
1.10.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung befreit sei. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Hessische LSG mit Urteil vom 28.4.2016 die Entscheidung des
SG Gießen geändert und die Beklagte unter Abänderung der
angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Kläger ab dem
20.12.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu befreien. Im Übrigen hat es die Klage
abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat
das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8 Der Kläger habe einen Anspruch auf Befreiung für seine Tätigkeit
bei der Beigeladenen zu 2 gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ab
20.12.2012. "Streitig" sei allein, ob der Kläger eine Beschäftigung
ausübe, wegen der er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten
oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-
rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung
ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und
zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer
berufsständischen Kammer sei. Die weiteren Voraussetzungen
nach § 6 Abs 1 SGB VI lägen "unstreitig" vor. Ob ein Beschäftigter
oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw
Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer
berufsständischen Kammer sei, sei anhand der einschlägigen
versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen.
Maßgeblich sei der Inhalt des jeweiligen konkreten
Beschäftigungsverhältnisses. Die Befreiungsmöglichkeit bestehe
nicht für Personen, die keiner berufsspezifischen, sondern einer
berufsfremden Tätigkeit nachgingen. Ausgangspunkt der Prüfung
einer Befreiung seien daher zunächst die versorgungs- und
kammerrechtlichen Normen. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 4 Hessisches
Heilberufsgesetz (Hess HeilBerG) gehörten Apotheker der
Landesapothekerkammer an. Die Satzung der
Landesapothekerkammer sehe in § 2 Abs 1 S 1 entsprechend vor,
dass alle Apotheker, die in Hessen ihren Beruf ausübten, der
Kammer angehörten. Gemäß § 5a Abs 1 Hess HeilBerG iVm § 12
der Satzung des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer
Hessen seien entsprechend alle Kammerangehörigen, die ihren
Beruf in Hessen ausübten, Pflichtmitglieder des Versorgungswerks.
Der Kläger sei seit 1985 bis fortlaufend Pflichtmitglied im
Versorgungswerk der Landesapothekerkammer als der für ihn
zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung sowie
Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen. Die
vorgenannten landesrechtlichen bzw satzungsrechtlichen
Bestimmungen knüpften an das Kriterium der Ausübung des
Berufes eines Apothekers an. Nach § 2 Abs 3 BApO sei die
Ausübung des Apothekerberufs die Ausübung einer
pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung,
Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der
Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der
Berufsbezeichnung "Apotheker". Nach § 1 Abs 1 S 1 der
Berufsordnung der Landesapothekerkammer Hessen bestehe die
Aufgabe des Apothekers in der Sicherstellung der
ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.
Dieser Auftrag umfasse insbesondere die Information und Beratung
über Arzneimittel, die Beratung in Fragen rund um die Gesundheit,
die Entwicklung, Herstellung, Prüfung, Lagerung, Abgabe und
Risikoerfassung von Arzneimitteln und die Suche nach neuen
Arzneistoffen und Darreichungsformen. Der Apotheker übe seine
Aufgabe in verschiedenen Tätigkeitsformen aus. Er könne in der
öffentlichen Apotheke, in der Industrie, im Krankenhaus, in
Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, in Behörden und
Körperschaften, an der Universität, in Lehranstalten und
Berufsschulen tätig sein (§ 1 Abs 1 S 3 der Berufsordnung). Zwar
beschäftige sich die Beigeladene zu 2 und damit auch der Kläger
nicht mit Arzneimitteln oder -stoffen, sondern ausschließlich mit
Reinigungs- und Sterilisationsprozessen zur Aufbereitung von
komplexen Medizinprodukten. Auch seien Medizinprodukte gemäß
§ 2 Abs 3 Nr 7 Arzneimittelgesetz (AMG) regelmäßig keine
Arzneimittel. Dennoch sei nach Auffassung des Senats die
Herstellung und Aufbereitung von Medizinprodukten grundsätzlich
keine für einen Apotheker berufsfremde Tätigkeit. Zunächst sei
festzustellen, dass die Definition einer pharmazeutischen Tätigkeit,
wie sie § 2 Abs 3 BApO regele, keine abschließende Aufzählung
enthalte. Die Formulierung der Norm ("insbesondere") zeige, dass
die von ihr erfasste Berufsausübung nicht ausschließlich unter der
Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" erfolgen müsse und
die beispielhafte Aufzählung nicht abschließend sei. Eine
entsprechende - erweiternde - Auslegung werde aus Sicht des
Senats unter Berücksichtigung der geplanten Änderung des § 2 Abs
3 BApO durch den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 11.3.2016
(BR-Drucks 120/16) bestätigt. Der Gesetzgeber wolle - in Ergänzung
des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 zur
Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von
Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr 1024/2012 über
die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-
Informationssystems ("IMI-Verordnung") - weitere Tätigkeitsbereiche
Informationssystems ("IMI-Verordnung") - weitere Tätigkeitsbereiche
benennen, die das Berufsbild der Apothekerinnen und Apotheker
maßgeblich prägten (BR-Drucks 120/16 S 62). Ausdrücklich
genannt würden in der geplanten Neuregelung insbesondere der
sog "Industrieapotheker" in der pharmazeutischen Industrie (Nr 2),
aber auch Tätigkeiten im Medizinproduktewesen der öffentlichen
Gesundheitsverwaltung (Nr 11), wobei durch die Formulierung
"insbesondere" aus Sicht des Senats wiederum deutlich werde,
dass es sich bei der Aufzählung keineswegs um eine
abschließende Aufzählung handele, was auch aus der Begründung
des Gesetzesentwurfs hervorgehe. Die geplante Neureglung stelle
damit klar, dass ebenfalls Tätigkeiten im Bereich des
Medizinproduktewesens und in der pharmazeutischen Industrie
grundsätzlich unter den Tätigkeitsbereich des Pharmazeuten fallen
könnten. Zu berücksichtigen sei ferner, dass das Studium der
Pharmazie gemäß Anl 1 zu § 2 Abs 2 Approbationsordnung für
Apotheker (AAppO) unter Stoffgebiet F auch die pharmazeutische
Technologie einschließlich des Medizinproduktewesens umfasse,
die damit zu den Pflichtgebieten des Studiums der Pharmazie
gehöre. Ferner sehe die Anl 1 zu § 2 Abs 2 AAppO unter dem
Stoffgebiet H die Arzneistoffanalytik unter besonderer
Berücksichtigung der Arzneibücher und der entsprechenden
Normen für Medizinprodukte vor. Hinzu komme, dass es auch sog
apothekenpflichtige Medizinprodukte gebe
(§§ 27 bis 29 der Arzneimittelrichtlinie), die gemäß § 1 Abs 1 S 2
Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Gegenstand einer
ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung seien. Unter
Zugrundelegung des durch die BApO bzw deren geplante
Neuregelung sowie durch die Berufsordnung definierten Maßstabs
einer pharmazeutischen Tätigkeit sei die von dem Kläger bei der
Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit als Verantwortlicher
für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen
sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter befreiungsfähig iS von
§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, denn Art und Inhalt dieser Beschäftigung
seien jedenfalls teilweise berufsspezifisch für einen Apotheker. Da
die mit Krankheitserregern kontaminierten Instrumente wie zB
Operationsbestecke oder andere entsprechend eingesetzte
Medizinprodukte die Quelle von Infektionen beim Menschen sein
könnten, seien an die Aufbereitung solcher komplexen
Medizinprodukte (§ 4 Medizinprodukte-Betreiberverordnung -
Medizinprodukte (§ 4 Medizinprodukte-Betreiberverordnung -
MPBetreibV) besonders definierte Anforderungen zu stellen, wobei
es notwendig sei, im Rahmen eines etablierten
Qualitätsmanagementsystems die bewährten Verfahren stets in
gleichbleibend hoher und nachweisbarer Qualität zu gewährleisten.
Die Beigeladene zu 2 entwickele Reinigungs- und
Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten. Der
Kläger könne aufgrund seines pharmazeutischen Studiums die für
die Aufbereitung komplexer Medizinprodukte definierten
Anforderungen überprüfen, Verbesserungen anstoßen und mit
entsprechendem Fachwissen begleiten. Gerade als Apotheker habe
er Kenntnisse darüber, welche Stoffe und Verfahren zur Keimfreiheit
unter welchen Bedingungen führten. Chemie, Toxikologie,
pharmazeutische und chemische Medizin, Mikrobiologie, Biochemie
und pharmazeutische Technologie seien wesentliche Bestandteile
des Studiums. Diese Kenntnisse würden vom Kläger bei seiner
täglichen Arbeit auch umgesetzt. Auch die in den "Gemeinsamen
Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention" des Robert-Koch-Instituts und des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Fassung
2012) aufgestellten Anforderungen an die Hygiene bei der
Aufbereitung von Medizinprodukten erforderten Sachkenntnisse
insbesondere im Bereich Hygiene und Mikrobiologie, die durch das
Studium der Pharmazie abgedeckt würden. Die fortlaufende
Anwendung der Arzneibücher, die vom Kläger bei der Aufbereitung
von Medizinprodukten ebenso zu berücksichtigen seien wie beim
Einsatz der verschiedenen zur Keimabtötung eingesetzten
Verfahren einschließlich der Bio- und Chemieindikatoren zur
Sterilitätsüberprüfung, stelle aus Sicht des Senats eine für einen
Pharmazeuten berufsspezifische Tätigkeit dar. Ausschließlich
Apotheker beschäftigten sich bereits im Studium mit Aufbau und
Systematik des sog Arzneibuchs iS des § 55 AMG. Die Beigeladene
zu 2 betreibe zudem seit 20 Jahren Grundlagenforschung zu
Aufbereitungsprozessen von Medizinprodukten und führe hierzu
weltweit wissenschaftlich-technische Seminare durch, die der Kläger
mit pharmazeutischem Fachwissen begleite. Die von der
Beigeladenen zu 2 entwickelten Methoden, den Erfolg der
Reinigung anhand von Prüfkörpern zu quantifizieren, auch um die
Desinfektions- und Reinigungsprozesse zu validieren, seien den
Anwendern (Krankenhäusern und pharmazeutischen Industrie) zu
Anwendern (Krankenhäusern und pharmazeutischen Industrie) zu
erläutern; auch hierbei spiele das Fachwissen des Klägers als
Apotheker eine große Rolle. Entgegen der Auffassung der
Beklagten finde sich weder in § 6 SGB VI noch in den
landesrechtlichen bzw satzungsrechtlichen Bestimmungen die
Tatbestandsvoraussetzung einer "approbationspflichtigen Tätigkeit".
Dies würde das befreiungsfähige Tätigkeitsprofil eines Apothekers
letztlich auf die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder in einer
Krankenhausapotheke verengen, was weder mit § 2 Abs 3 BApO
noch mit der Rechtsprechung des BSG
(Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R) in Einklang zu bringen sei.
Die apothekerrechtliche Approbation iS von § 2 Abs 1 BApO sei für
die Ausübung einer apothekerlichen Tätigkeit auch im Kontext der
Kammerrechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht zwingend
erforderlich. Der Verweis der Beklagten darauf, dass laut der
Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 2 alternativ eine zum
Pharmaziestudium gleichwertige Qualifikation ausreichend gewesen
sei, führe zu keiner anderen Bewertung. Stellenausschreibungen
bzw -beschreibungen und etwaige darin enthaltene formale
Qualifikationen oder Anforderungen seien nicht maßgeblich;
entscheidend sei allein der tatsächliche Inhalt der konkret
ausgeübten Tätigkeit. Nach §§ 17 bis 19 AAppO sei die Ausbildung
der Apotheker außerdem interdisziplinär angelegt, sodass ein
Zusammenarbeiten mit anderen Disziplinen (Chemiker,
Biochemiker, Physiker) bei der Entwicklung, Herstellung und
Prüfung von Medikamenten und Medizinprodukten im
apothekerlichen Berufsbild angelegt sei und daher nicht gegen das
Vorliegen einer berufsspezifischen Tätigkeit verwendet werden
könne.
9
Die zeitliche Beschränkung der Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht erst ab 20.12.2012 ergebe sich aus § 6
Abs 4 S 1 SGB VI. Danach wirke die Befreiung vom Vorliegen der
Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei
Monaten beantragt werde, sonst vom Eingang des Antrags an. Der
Kläger habe seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2 bereits am
1.10.2009 aufgenommen. Ein ausdrücklicher Antrag auf Befreiung
sei bei der Beklagten erst am 20.12.2012 eingegangen. Eine
Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht bereits
ab 1.10.2009 (bzw durchgängig seit 1985) ergebe sich auch nicht
aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 21.2.1985.
10
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine
Verletzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Das Berufungsgericht sei
zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger wegen seiner bei
der Beigeladenen zu 2 ausgeübten Beschäftigung Pflichtmitglied der
Landesapothekerkammer Hessen und zugleich Pflichtmitglied des
Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen sei. Für
die Beantwortung der Frage, ob der Kläger in seiner konkreten
Beschäftigung den Beruf des Apothekers ausübe, habe das Gericht
einen rechtlich unzutreffenden Bewertungsmaßstab zugrunde
gelegt. § 2 Abs 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 der Satzung der
Landesapothekerkammer Hessen knüpften nach der
Rechtsauffassung des LSG an die Ausübung des Berufs eines
Apothekers iS der BApO an. Nach der seit dem 23.4.2016 geltenden
und für die vorliegende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
maßgebenden Fassung des § 2 Abs 3 S 1 BApO sei Ausübung des
Apothekerberufs die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit
unter der Berufsbezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin". Der
neu eingefügte S 2 beginne mit: "Pharmazeutische Tätigkeiten
umfassen insbesondere" und führe im Weiteren zehn
entsprechende Tätigkeiten auf. Die Aufzählung umreiße die
möglichen Tätigkeitsfelder von Apothekern. Vom Wortlaut her
befassten sich danach Apotheker auf verschiedenen Stufen - von
der Herstellung über die Prüfung und Lagerung bis hin zum Verkauf
und der Information - mit Arzneimitteln. Lediglich Ziffer 10 sei
allgemein gefasst und ordne dem Apothekerberuf auch Tätigkeiten
zu, die sich mit Beiträgen zu örtlichen oder landesweiten
gesundheitsbezogenen Kampagnen befassten. Insoweit spreche
der Wortlaut der Vorschrift dafür, dass Gegenstand "apothekerlicher"
Tätigkeit Arzneimittel bzw Arzneistoffe seien. Dieser Einschätzung
entspreche auch der Text der Vorgängervorschrift. Die Neufassung
der Vorschrift zum 23.4.2016 sei allein im Zuge der Umsetzung der
Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die
Anerkennung von Berufsqualifikationen erfolgt. Darüber
hinausgehende Änderungen, etwa zum Kreis der Tätigkeiten, die
Bestandteil der Ausübung des Apothekerberufs seien, seien nicht
beabsichtigt gewesen. Dies folge aus der Gesetzeshistorie und der
beabsichtigt gewesen. Dies folge aus der Gesetzeshistorie und der
Gesetzesbegründung. Demzufolge seien nach § 2 Abs 3 BApO
weiterhin nur solche Tätigkeiten dem Apothekerberuf zugehörig, die
sich mit Arzneimitteln oder -stoffen befassten. Somit sei die Tätigkeit
des Klägers, die Befassung mit den durch die Beigeladene zu 2
hergestellten und aufbereiteten Medizinprodukten, schon nach dem
Wortlaut des § 2 BApO nicht Bestandteil der Berufsausübung eines
Apothekers. Ebenso wenig lasse die im Gesetz verwendete
Formulierung "insbesondere" den Schluss zu, dass auch Tätigkeiten
im Zusammenhang mit Medizinprodukten Bestandteil der
Berufsausübung eines Apothekers seien. Die vom LSG angestellten
Erwägungen zum Vorliegen einer "berufsspezifischen Tätigkeit"
überzeugten demgegenüber nicht. Die vom Berufungsgericht
vorgenommene Auslegung des § 2 Abs 3 BApO sei schon deshalb
fehlerhaft, weil das Gericht bei seiner Prüfung nicht die zum
Zeitpunkt der Entscheidung (28.4.2016) geltende Fassung der
BApO ab 23.4.2016 berücksichtigt habe. Vielmehr habe das Gericht
die Vorgängerregelung zugrunde gelegt. Aber auch inhaltlich
überzeuge die Argumentation des LSG nicht. So lasse sich die vom
Berufungsgericht ausdrücklich praktizierte erweiternde Auslegung
der Norm nicht auf eine weitere, im Entwurf eines Vierten Gesetzes
zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom
11.3.2016 lediglich angedachte Gesetzesänderung stützen. Ebenso
wenig sei eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs 3 BApO mit Blick
darauf geboten, dass die pharmazeutische Technologie
einschließlich des Medizinproduktewesens zu den Pflichtgebieten
des Studiums der Pharmazie gehörten oder dass sog
apothekerpflichtige Medizinprodukte nach der ApBetrO Gegenstand
einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung seien. Ein
anderes Ergebnis folge auch nicht aus der vom LSG ergänzend
herangezogenen Berufsordnung der Landesapothekerkammer
Hessen. Vielmehr entsprächen die dort in § 1 Abs 1 S 2
umschriebenen Aufgaben des Apothekers weitgehend den in § 2
Abs 3 BApO genannten Tätigkeiten, die Bestandteil des
Apothekerberufes seien. Nach dem aktuellen Wortlaut des § 2 Abs 3
S 1 BApO sei Apothekerberuf diejenige pharmazeutische Tätigkeit,
die unter der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" ausgeübt
werde. Um aber die Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" zu
tragen und den Beruf des Apothekers auszuüben, sei nach § 2 Abs
1 BApO die Approbation erforderlich. Auch wenn die Approbation
1 BApO die Approbation erforderlich. Auch wenn die Approbation
personenbezogen und nicht mit Bezug auf eine konkrete Tätigkeit
erteilt werde, folge aus Sinn und Zweck des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB
VI, dass ein Befreiungsrecht nur für solche Erwerbstätigkeiten
bestehe, die "approbationspflichtig" seien. Die Approbation müsse
also für die Ausübung der Tätigkeit notwendige Voraussetzung sein.
Nur unter diesen Umständen führe die ausgeübte Tätigkeit
zwingend zu einer Versicherungspflicht in beiden
Alterssicherungssystemen und auch nur diese Auslegung werde
dem Charakter des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI als
Ausnahmevorschrift von der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht Beschäftigter gerecht.
11
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April
2016 und des Sozialgerichts Gießen vom 28. September
2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
12
Der Kläger, der ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt hatte und
diese wieder zurückgenommen hat, beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
13
Der Kläger rügt sinngemäß, dass die Revision mangels
formgerechter Begründung unzulässig sei. Hierzu trägt er vor, die
Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem angefochtenen Urteil
auseinandergesetzt. Die Revisionsbegründung gehe nur darauf ein,
dass die Tätigkeit des Klägers im Bereich des
Medizinproduktewesens nicht der eines Apothekers entspreche. Mit
den übrigen Ausführungen des LSG, insbesondere zu der
fortlaufenden Anwendung der Arzneibücher durch den Kläger, die
eine für einen pharmazeutischen Beruf spezifische Tätigkeit
darstelle, befasse sich die Begründung nicht. Abgesehen davon
könne die Revision in der Sache keinen Erfolg haben. Die
Begründetheit der Revision scheitere schon daran, dass das LSG
festgestellt habe, dass er, der Kläger, eine Tätigkeit als Apotheker
ausübe. Abgesehen davon könne sich die Beklagte nicht auf § 2
Abs 3 BApO berufen. Insoweit sei zu beachten, dass das GG dem
Bundesgesetzgeber keine Kompetenz zugewiesen habe, das
Berufsbild des Apothekers abschließend zu beschreiben. Nur die
Länder könnten verbindlich entscheiden, welche Tätigkeit die eines
Apothekers sei. Deshalb habe das LSG seine Untersuchung
ausdrücklich und ausführlich auf das Landesrecht gestützt. Die
Revisionsbegründung lasse eine Darlegung zur Tragweite der
BApO vermissen. Im Übrigen habe der Bundesrat in der BR-Drucks
120/16 klargestellt, dass die Risikoabwehr in der pharmazeutischen
Industrie, auch im Medizinproduktewesen bisher und künftig zum
Tätigkeitsfeld des Apothekers gehöre.
14
Die Beigeladene zu 1 weist darauf hin, dass die Mitgliedschaft des
Klägers bei ihr und dem Beigeladenen zu 3 darauf beruhe, dass er
nicht nur die Approbation besitze, sondern auch pharmazeutisch, dh
in seinem Beruf tätig sei. Ein Apotheker, der nicht pharmazeutisch
tätig sei, könne nicht Mitglied der Beigeladenen zu 1 und nicht
Mitglied der Beigeladenen zu 3 werden.
15
Die Beigeladene zu 3 ist ebenfalls dieser Auffassung. Außerdem
weist sie darauf hin, dass aufgrund der bereits ergangenen
höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Landesrecht über die
Frage der Pflichtmitgliedschaft zu entscheiden habe, und angesichts
des Umstandes, dass das BSG an die Auslegung des Landesrechts
gebunden sei, die Revision bereits unzulässig sei.
16
Die Beigeladene zu 2 hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
17
A. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Ansicht des Klägers
und des Beigeladenen zu 3 zulässig.
18
1. Die Revision ist kraft Zulassung durch das LSG in der
angefochtenen Entscheidung statthaft (vgl § 160 Abs 1 Alt 1 SGG).
An die Zulassung ist das BSG gebunden; dies stellt § 160 Abs 3
SGG ausdrücklich klar (vgl auch BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1). Die
Bindung gilt entgegen der wohl von dem Beigeladenen zu 3
vertretenen Auffassung auch dann, wenn der vom Berufungsgericht
angenommene Zulassungsgrund nicht vorliegt oder sich die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf nicht revisibles
Recht bezieht
(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl
2017, § 160 RdNr 26; BSG SozR 3-5533 Nr 100 Nr 1 S 3; BVerwG
Urteil vom 9.10.1996 - 6 C 11/94 - Juris RdNr 22 ff)
. Das LSG hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG
zugelassen, weil die Frage, ob die Befreiung eines Apothekers von
der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eine
"approbationspflichtige Tätigkeit" voraussetze, höchstrichterlich
noch nicht geklärt sei. Zwar hat der erkennende Senat diese Frage
zwischenzeitlich entschieden
(Urteil vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - zur Entscheidung in BSGE
und SozR 4-2600 § 6 Nr 14 vorgesehen)
. Gleichwohl bleibt die ohne Beschränkung zugelassene Revision
als Vollrevision statthaft
(vgl BFH Urteil vom 30.1.1970 - IV 2/65 - Juris RdNr 5 und 7).
19
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Revision auch
formgerecht begründet.
20
Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer
Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig
und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die
Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den
festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt
worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem
vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung"
bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen
Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die
Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen,
dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und
inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften
anderer Auffassung ist
(Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016,
66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242
RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978
RdNr 7)
. Diesen Anforderungen ist genügt.
21
Insbesondere setzt sich die Beklagte ausreichend mit den Gründen
der angefochtenen Entscheidung auseinander und greift diese
vollständig an.
22
Die Beklagte hat vorgetragen, dass nach der Rechtsauffassung des
LSG § 2 Abs 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 der Satzung der
Landesapothekerkammer Hessen an die Ausübung des Berufs
eines Apothekers iS der BApO anknüpften. Ausgehend davon hat
die Beklagte weiter ausgeführt, dass nach § 2 Abs 3 S 1 BApO in
der maßgeblichen Fassung vom 18.4.2016, gültig ab 23.4.2016 -
wie schon nach der vom LSG zugrunde gelegten
Vorgängerregelung - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nur solche Tätigkeiten dem Apothekerberuf
angehörten, die sich mit Arzneimitteln oder -stoffen befassten. Ist
aber die Apothekertätigkeit ausschließlich auf die Befassung mit
Arzneimitteln und -stoffen beschränkt, sind sämtliche anderen
Tätigkeiten des Klägers, die das LSG als berufsspezifisch bewertet
hat, für den Apotheker berufsfremd. Damit erfasst die
Auseinandersetzung der Beklagten mit den Gründen der
angefochtenen Entscheidung nicht nur die Beschäftigung des
Klägers mit Medizinprodukten, sondern ebenso die fortlaufende
Anwendung mit Arzneibüchern, auch wenn diese in der
Revisionsbegründung nicht ausdrücklich angesprochen worden ist.
23
B. Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des
Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet
(§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob ein Anspruch des Klägers auf Befreiung
von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung ab dem 20.12.2012 gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1
SGB VI
(in der hier maßgeblichen Fassung von Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur
Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom
9.12.2004 - BGBl I 3242)
begründet ist, lässt sich auf der Grundlage der vom LSG
festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden.
24
1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
ist zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger für letztere nicht das
Rechtsschutzbedürfnis.
25
a) Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht für die noch streitige Zeit ergibt sich nicht
bereits aus dem Bescheid der BfA vom 21.2.1985.
26
aa) Der Bescheid vom 21.2.1985 bezieht sich nicht auf die Tätigkeit
des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. Dies ergibt eine Auslegung
des in ihm enthaltenen Verwaltungsakts (VA).
27
Die Auslegung eines VA hat ausgehend von seinem
Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB
ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es
nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der
Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im
Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die
Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und
Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der
Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind,
wenn der VA sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der
Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge
berücksichtigende Beteiligte
(BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom
20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18)
.
28
Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 21.2.1985
dahin zu verstehen, dass er den Kläger von der
Rentenversicherungspflicht für die am 16.10.1983 beginnende
Beschäftigung ab 1.1.1985 befreit. Dagegen ist der VA keinem
Verständnis dahin zugänglich, dass die Befreiung unabhängig von
dieser Beschäftigung für die gesamte Zeit der Mitgliedschaft des
Klägers in der Landesapothekerkammer Hessen für jede ausgeübte
Beschäftigung als Apotheker Geltung entfaltet.
29
Der Bescheid vom 21.2.1985 trägt die Überschrift "Befreiung von
der
Versicherungspflicht
nach
§
7
Abs.
2
des
Angestelltenversicherungsgesetztes (AVG)" und lautet nach der
Bezeichnung des Namens des Klägers und der Grußformel wie
folgt:
"Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur
Rentenversicherung der Angestellten befreit.
Eingangsdatum des Befreiungsantrages 02.01.85
Eingangsdatum des Befreiungsantrages 02.01.85
Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der
Versicherungspflicht
16.10.83
Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung 01.01.85
Versorgungseinrichtung
Landesapothekerkammer Hessen
Versorgungswerk
Am Leonhardsbrunn 5, 6000 Frankfurt
Beginn
der
Befreiung
1. Jan. 1985
Die Befreiung wirkt erst
[
]
vom Eingang des Antrags an, da sie nicht innerhalb von 2
Monaten nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der
Versicherungspflicht beantragt wurde (§ 7 Abs. 3 AVG)
[x] ab Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung.
Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer
daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der
Versorgungseinrichtung, soweit Versorgungsabgaben in gleicher
Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur
Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten wären.
Werden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, so gilt die Befreiung
nur für die Beschäftigung, auf der die Mitgliedschaft in der
Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die
Versorgungsabgaben zu berechnen sind."
Danach folgt die Rechtsbehelfsbelehrung.
30
(1) Einen VA und damit einen Verfügungssatz bzw eine Regelung
enthalten allein die umrandeten Ausführungen im Bescheid vom
21.2.1985; die weiteren Erklärungen, insbesondere über die Dauer
der Befreiung, sind lediglich erläuternde Hinweise zu der getroffenen
Befreiungsentscheidung
(stRspr; BSG Urteil vom 7.11.1991 - 12 RK 49/89 - SozR 3-2940 § 7
Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215,
221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B
5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57;
BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr
5 RdNr 37; zuletzt Urteil des 12. Senats vom 5.12.2017 - B 12 KR
11/15 R - Juris RdNr 24; aA LSG Nordrhein-Westfalen vom
14.3.2017 - L 18 R 852/16 - Juris RdNr 55)
. Dies ergibt sich sowohl aus der äußeren Gestaltung der
Ausführungen als auch ihrem Inhalt. Durch die Umrandung der
Verlautbarungen zu dem Eingangsdatum des Befreiungsantrags,
dem Beginn des "Beschäftigungsverhältnisses" und dem Beginn der
Befreiung werden diese von den nachfolgenden Erklärungen
abgehoben und ihnen dadurch eine besondere Bedeutung
beigemessen. Insbesondere aber sind allein sie individuell auf den
Kläger und damit auf den Einzelfall bezogen, während die
Ausführungen zur Dauer der Befreiung und ihrer Geltung bei
Mehrfachbeschäftigungen allgemein gefasst sind und schon damit
als bloße Hinweise für die individuelle Regelung ausgewiesen
werden.
31
(2) Dass der in dem Bescheid vom 21.2.1985 enthaltene VA die
Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht ab
1.1.1985 regelt, bedarf angesichts seiner Verlautbarungen keiner
Erläuterung. Der weitere Regelungsgehalt, die
Tätigkeitsbezogenheit der Befreiung ergibt sich insbesondere aus
dem im Bescheid in Bezug genommenen Antrag des Klägers vom
2.1.1985 (Eingangsdatum). In diesem hat der Kläger in der Rubrik
"Anschrift des derzeitigen Arbeitgebers Prof. Dr. K. R., Zentrum f.
Hygiene + med. Mikrobiologie des Klinikums d. UNI M." sowie als
"Beginn der angestelltenversicherungspflichtigen Beschäftigung"
den 16.10.1983 angegeben und darum gebeten, "mir diese
Befreiung zu bestätigen". Der damalige Befreiungsantrag betraf
daher unzweifelhaft die seinerzeit ausgeübte Beschäftigung an der
Universität M.
32
Die Abfrage des "derzeitigen Arbeitgebers" im Antragsformular
unterstreicht, dass das Bestehen einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung notwendige Voraussetzung für die Befreiung von der
Versicherungspflicht in der Angestellten-
/Beschäftigtenrentenversicherung ist. Ohne das Bestehen einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung kommt eine Befreiung von
der gesetzlichen Angestellten-/Beschäftigtenrentenversicherung
schon aus logischen Gründen nicht in Betracht. Dabei macht die
Verwendung des Begriffs "derzeitig" deutlich, dass es um die
aktuelle, im Zeitpunkt des Antrags bestehende Beschäftigung geht
und auch nur um diese gehen kann. Ob die Voraussetzungen für die
Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen, kann
der Rentenversicherungsträger nur anhand einer konkreten
Beschäftigung und deren Ausgestaltung prüfen. Nicht jede
Beschäftigung eines Apothekers oder Angehörigen eines sonstigen
verkammerten Berufs muss gemessen an den jeweils einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen auch wirklich die Ausübung einer
pharmazeutischen oder sonstigen verkammerten Tätigkeit sein.
Dies ist nicht der Fall, wenn der Betroffene eine berufsfremde
Tätigkeit ausübt. Ebenso wenig kann eine Befreiung ausgesprochen
werden, wenn der Antragsteller einer geringfügigen Beschäftigung
nachgeht und daher versicherungsfrei ist
(§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 2 oder § 8a iVm § 8
Abs 1 Nr 2 SGB IV)
. Abgesehen davon wird derjenige, der als Beschäftigter einen
Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung
stellt, im Zeitpunkt der Antragstellung zumindest im Regelfall nicht
wissen, ob er seine aktuelle Beschäftigung aufgeben und
insbesondere in demselben Beruf eine Folgebeschäftigung
aufnehmen wird. Auch aus diesem Grund kann sich ein
Befreiungsantrag nur auf die gegenwärtige Beschäftigung beziehen.
Im Übrigen enthält der Antrag des Klägers keine Formulierung, die
der Auslegung zugänglich wäre, er beantrage die Befreiung von der
gesetzlichen Rentenversicherung für den Beruf des Apothekers und
die Dauer seiner Mitgliedschaft in der Landesapothekerkammer
Hessen ohne Bezug auf eine bestimmte Beschäftigung.
33
Dem am 2.1.1985 vom Kläger mit dem dargestellten Inhalt gestellten
Befreiungsantrag hat die BfA mit Bescheid vom 21.2.1985
stattgegeben. Antrag und Bescheid beziehen sich korrespondierend
auf die damalige Beschäftigung des Klägers im Zentrum für Hygiene
und medizinische Mikrobiologie des Klinikums der Universität M.
Demgegenüber ist der Bescheid vom 21.2.1985 keinem Verständnis
dahin zugänglich, dass die Befreiung von der gesetzlichen
Rentenversicherung für eine durch eine oder mehrere
Charakteristika geprägte Tätigkeit als solche - hier die eines
Apothekers - erteilt ist
(so LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.3.2017 - L 18 R 852/16 -
Juris RdNr 55 ff, 59 bei einem vergleichbaren Bescheid der BfA für
die Tätigkeit als Bauingenieur)
. Für eine solche Interpretation gibt der Wortlaut des Bescheides
nichts her. Der dort verwendete Begriff des
"Beschäftigungsverhältnisses" bzw der "Beschäftigung" lässt eine
derartige Auslegung nicht zu. Beschäftigung ist auch im
rentenversicherungsrechtlichen Sinn die nichtselbstständige Arbeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind
(vgl § 7 Abs 1 SGB IV). Beschäftigung im hier maßgeblichen Sinn
meint daher nicht die Tätigkeit als solche bzw einen bestimmten
Beruf oder ein Berufsbild, sondern die für einen Weisungs-, dh
Arbeitgeber verrichtete Tätigkeit.
34
Darüber hinaus belegen weitere Ausführungen im Bescheid vom
21.2.1985 die Tätigkeitsbezogenheit der Befreiungsregelung. So hat
die Beklagte zum einen darauf hingewiesen, dass die Befreiung bei
Ausübung mehrerer Beschäftigungen nur für die Beschäftigung gilt,
auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und
nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen
sind. Zum anderen hat sie darum gebeten, "den früheren
(vorherigen) Arbeitgeber von der Befreiung zu verständigen", falls
"Sie inzwischen Ihren Arbeitgeber gewechselt haben". Insbesondere
letztere Erklärung zeigt, dass sich die Befreiung ausschließlich auf
das im Antrag genannte "Beschäftigungsverhältnis" und nicht auch
auf Folgebeschäftigungen bezieht. Ansonsten wäre nicht
verständlich, warum sich die Bitte um Informierung über die erteilte
Befreiung nicht auf den vorherigen und den nachfolgenden
Arbeitgeber bezieht.
35
Eine Berücksichtigung der übrigen Ausführungen der BfA im
Bescheid vom 21.2.1985 führt zu keinem anderen Ergebnis.
36
Diese lauten neben den bereits oben zitierten Erklärungen zur
Dauer der Befreiung nach der Rechtsbehelfsbelehrung wie folgt:
"Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2
AVG die Befreiung von der Versicherungspflicht nach X § 48
Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs zu widerrufen.
Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen,
die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung
führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
- die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet
- keine Versorgungsabgaben mehr zu entrichten sind
(z.B. nach Bewilligung einer Rente aus der
Berufsgruppenversorgung)
- Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem
Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.
Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch
die BfA."
37
Auch diese Verlautbarungen sind weder eigenständige
Regelungen/Verfügungssätze iS von § 31 S 1 SGB X noch
Nebenbestimmungen iS von § 32 SGB X, sondern lediglich
erläuternde Hinweise zu der getroffenen Befreiungsentscheidung
(stRspr; BSG Urteil vom 7.11.1991 - 12 RK 49/89 - SozR 3-2940 § 7
Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215,
221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B
5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57;
BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr
5 RdNr 37)
.
38
Darüber hinaus erlauben sie wie auch die Hinweise über die Dauer
der Befreiung keine Interpretation des Verfügungssatzes im
Bescheid vom 21.2.1985 dahin, dass die Befreiung unabhängig von
der konkreten Beschäftigung auf Dauer wirkt und nur im Fall des
"Widerrufs", dh der Aufhebung nach § 48 SGB X endet.
39
Insbesondere angesichts der Antragsbezogenheit des Bescheides
beschränkt sich vielmehr die Aussage zur Dauer der Befreiung für
die Zeit der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden
freiwilligen Mitgliedschaft auf deren Fortgeltung in Abhängigkeit von
der Höhe der geleisteten Versorgungsabgaben und lässt die Frage
nach der Dauer der Befreiung im Hinblick auf sonstige
Voraussetzungen unberührt. Aus denselben Gründen bezieht sich
die Erklärung zum Ende der Befreiung durch förmlichen "Widerruf"
der BfA nur auf das Ende der Befreiung bei Anwendung des § 48
Abs 1 SGB X und nicht auch auf das Ende der Befreiung unter
Berücksichtigung der sonstigen Beendigungstatbestände eines VA.
40
Ebenso wenig indiziert die im Bescheid vom 21.2.1985 in Bezug
genommene Bescheinigung vom selben Tag, dass die Befreiung
des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig
von seiner damaligen Beschäftigung im Zentrum für Hygiene und
medizinische Mikrobiologie des Klinikums der Universität M. für
jedwede Tätigkeit als angestellter Apotheker erteilt worden ist.
41
Dass die Bescheinigung "dem jeweiligen Arbeitgeber für die Dauer
des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen" ist, zwingt nicht
zu dem Verständnis, dass die Befreiung auch Folgebeschäftigungen
erfasst. Der Begriff "jeweilig" hat ua die Bedeutung "entsprechend" -
mit dem Synonym "augenblicklich" -, "gerade anwesend" bzw
"gegenwärtig" - zB mit den Synonymen "aktuell, akut, derzeit,
derzeitig, heute, jetzt, zeitweilig, momentan" -
(vgl http://synonyme.woxikon.de/synonyme/jeweilig.php) oder "zu
einer bestimmten Zeit gerade bestehend, herrschend, vorhanden, in
einem bestimmten Einzelfall, Zusammenhang gerade bestehend,
herrschend, vorhanden, vorliegend"
(Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd 5, 3.
Aufl 1999, S 2005)
. Diese Worte beschreiben mehr oder weniger deutlich einen
statischen, unveränderlichen Zustand. Insbesondere der Begriff
"jeweilig" im Sinne von "gegenwärtig, heute" schließt eine Geltung
der Bescheinigung für Folgearbeitgeber aus. Unter Zugrundelegung
des Begriffs "jeweilig" im Sinne von "gegenwärtig, heute" erfasst die
am 21.2.1985 ausgestellte Bescheinigung nur den Arbeitgeber, bei
dem der Kläger an diesem Tag beschäftigt war, und damit auf
keinen Fall die Beigeladene zu 2, für die der Kläger erst seit
1.10.2009 tätig ist. Ebenso wenig zwingt die weitere Formulierung
der Bescheinigung, wonach diese "bei Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitnehmer zurückzugeben" ist,
zu der Annahme, dass der Arbeitnehmer die Bescheinigung auch
Folgearbeitgebern auszuhändigen hat, was nur im Fall der Geltung
der Befreiung für Folgebeschäftigungen Sinn ergäbe. Ausweislich
der weiteren Verlautbarungen der Bescheinigung ist diese unter
bestimmten Voraussetzungen "an die BfA zurückzugeben". Diese
Rückgabepflicht kann mangels anderer Anhaltspunkte nur den
Arbeitnehmer als Empfänger der dem Bescheid als Anlage
beigefügten Bescheinigung treffen. Deren Rückgabe durch den
Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ist demnach schon deshalb
notwendig, damit dieser seiner gegenüber der BfA bestehenden
Rückgabepflicht Folge leisten kann.
42
bb) Ausgehend von dem dargestellten Regelungsgehalt des
Bescheides vom 21.2.1985 entfaltet dieser seit Aufgabe der im
Antrag vom 2.1.1985 (Eingangsdatum) genannten Beschäftigung
keine Rechtswirkungen mehr. Er ist vielmehr in diesem Zeitpunkt
gemäß § 39 Abs 2 SGB X unwirksam geworden, weil er sich auf
andere Weise erledigt hat
(so bereits Beschluss des Senats vom 7.3.2018 - B 5 RE 3/17 R -
Juris RdNr 36)
.
43
b) Eine bereits bestehende Befreiung des Klägers von der
gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich auch nicht aus § 231
Abs 1 S 1 SGB VI, nach dem Personen, die am 31.12.1991 von der
Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit befreit bleiben. Bei der jetzigen
Beschäftigung des Klägers handelt es sich schon deshalb nicht um
"dieselbe Beschäftigung", die der ursprünglichen Befreiung von der
Versicherungspflicht zugrunde lag, weil es sich bei der
Beigeladenen zu 2 um eine andere Arbeitgeberin als die Universität
M. handelt und daher auch ein anderes Arbeits- und
"Beschäftigungsverhältnis" zu beurteilen ist
(vgl BSG SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 23).
44
c) Anhaltspunkte für ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in
den uneingeschränkten Fortbestand der ursprünglich erteilten
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung sind nicht ersichtlich
(vgl dazu allgemein BSG, aaO, RdNr 33 ff).
45
2. Ob die Klage auch begründet ist, lässt sich auf der Grundlage
der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend
entscheiden. Nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werden von der
Versicherungspflicht befreit
Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung
oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer
durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden
Verpflichtung
Mitglied
einer
öffentlich-rechtlichen
Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer
Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und
zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer
berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits
vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur
Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer
bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung
einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung
der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen
Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall
verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für
Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei
auch die finanzielle Lage der berufsständischen
Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
46
Dabei hat gemäß § 6 Abs 3 S 1 SGB VI die zuständige oberste
Verwaltungsbehörde die rechtlichen Anforderungen an die
berufsständische Versorgungseinrichtung vor Entscheidung des
Trägers der Rentenversicherung zu bestätigen
(vgl BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36; Gürtner in
Kasseler Komm, § 6 SGB VI RdNr 30 - Stand September 2015)
.
47
a) Der Kläger ist nach den unangefochtenen und damit bindenden
Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) abhängig iS von § 7 Abs 1 S 1
SGB IV beschäftigt. Er erbringt seit dem 1.10.2009 bei der
Beigeladenen zu 2 als Verantwortlicher für Medizinprodukte,
Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als
Qualitätsmanagementbeauftragter nicht selbstständige Arbeit in
einem Arbeitsverhältnis.
48
b) Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger Pflichtmitglied
der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 1) und damit
einer berufsständischen Kammer ist. Rechtsgrundlage hierfür sind §
1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 des Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 S
1 der Satzung der Landesapothekerkammer Hessen, nach denen
der Kammer grundsätzlich alle Apotheker und Apothekerinnen
angehören, die ihren Beruf in Hessen ausüben. Das LSG hat
darüber hinaus festgestellt, dass der Kläger Mitglied einer öffentlich-
rechtlichen Versicherungseinrichtung - oder Versorgungseinrichtung
geworden ist. Der Beigeladene zu 3 ist als Versorgungswerk der
Apotheker im Lande Hessen eine berufsständische
Versorgungseinrichtung, deren Mitglieder nach § 12 Abs 1 S 1 Alt 1
der Satzung des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer
Hessen grundsätzlich alle Kammerangehörigen sind, die ihren Beruf
in Hessen ausüben.
49
c) Nach der Beurteilung des LSG übt der Kläger auch eine
befreiungsfähige Beschäftigung iS von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI
aus.
50
aa) Eine Beschäftigung ist dann befreiungsfähig im Sinne der Norm,
wenn wegen dieser Beschäftigung eine Pflichtmitgliedschaft in einer
Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer
besteht. Dies ist anhand der einschlägigen versorgungs- und
kammerrechtlichen Normen zu prüfen
(BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 34; BSG Urteil vom
7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 14 RdNr 14 f)
.
51
Ausgehend hiervon hat das LSG zur Prüfung der
Befreiungsfähigkeit der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit § 2 Abs 1
S 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 S 1 der Satzung der
Landesapothekerkammer Hessen herangezogen, nach denen der
Kammer grundsätzlich alle Apotheker und Apothekerinnen
angehören, die in Hessen ihren Beruf ausüben. Ferner hat das
Berufungsgericht auf § 5a Abs 1 Hess HeilBerG iVm § 12 Abs 1 S 1
Alt 1 der Satzung des Versorgungswerks der
Landesapothekerkammer Hessen abgestellt, nach dem Mitglieder
des Versorgungswerks grundsätzlich alle Kammerangehörigen sind,
die ihren Beruf in Hessen ausüben. Zur Auslegung des in den
landes- bzw satzungsrechtlichen Bestimmungen aufgeführten
Kriteriums der "Ausübung des Berufs eines Apothekers" hat sich
das LSG ergänzend auf § 1 Abs 1 S 2 der Berufsordnung der
Landesapothekerkammer Hessen und § 2 Abs 3 BApO
(in der bis zum 22.4.2016 geltenden Fassung) gestützt, der eine
ausdrückliche Definition des Apothekerberufs enthält, sowie
zusätzlich die seinerzeit geplante Änderung des § 2 Abs 3 BApO
durch den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 11.3.2016
(BR-Drucks 120/16) berücksichtigt, die mittlerweile Gesetz geworden
ist (vgl § 2 BApO idF vom 20.12.2016 - BGBl I 3048). Unter
Zugrundelegung der in der BApO bzw ihrer seinerzeit geplanten
Neuregelung sowie der in der Berufsordnung definierten Maßstäbe
einer pharmazeutischen Tätigkeit hat das LSG die vom Kläger bei
der Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit als
Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und
Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter als
befreiungsfähig angesehen, weil Art und Inhalt dieser Beschäftigung
jedenfalls teilweise berufsspezifisch für einen Apotheker seien.
52
(1) Dieses Ergebnis entzieht sich einer Überprüfung durch den
Senat.
53
Die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts scheitert insoweit
allerdings entgegen der Ansicht des Klägers nicht an bindenden
Feststellungen des LSG. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass
der Kläger eine Tätigkeit als Apotheker ausübt, stellt keine
Feststellung von Tatsachen, sondern eine rechtliche
Schlussfolgerung aufgrund der Subsumtion bestimmter Tatsachen
unter die herangezogenen Rechtsvorschriften dar.
54
Eine rechtliche Überprüfung des Subsumtionsschlusses des LSG
scheidet aus, weil die Regelungen des Hess HeilBerG sowie der
Satzungen der Landesapothekerkammer Hessen und des
Versorgungswerks dieser Kammer dem nichtrevisiblen Landesrecht
angehören. Zur Auslegung dieser landesrechtlichen Bestimmungen
hat das Berufungsgericht zwar ua ergänzend Bundesrecht
herangezogen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass seine Auslegung
des Landesrechts revisibel wird
(vgl BSG SozR 3-6935 Allg Nr 1 S 3 mwN).
55
Verweisungen oder Bezugnahmen auf Bundesrecht ermöglichen die
Revision nur dann, wenn eine solche Regelung kraft eines
Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers gilt
(BVerwG Beschlüsse vom 24.3.1986 - BVerwG 7 B 35.86 - und vom
2.7.1990 - BVerwG 5 B 37.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr 132
und 160 mwN)
. Dies ist hier nicht der Fall.
56
Die BApO enthält keine Verpflichtung des Landesgesetzgebers, bei
berufsständischen Regelungen den bundesrechtlichen Begriff der
Berufsausübung des Apothekers zu verwenden, insbesondere
diesen in jeder Hinsicht so wie das Bundesrecht abzugrenzen
(vgl auch BVerwG Urteil vom 30.1.1996 - 1 C 9/93 - Juris RdNr 16
zur BApO idF vom 19.7.1989 - BGBl I 1478)
. Die BApO regelt insbesondere, welche Tätigkeiten die Approbation
als Apotheker erfordern und welche Voraussetzungen für die
als Apotheker erfordern und welche Voraussetzungen für die
Erteilung der Approbation erfüllt sein müssen. Dementsprechend
bezieht sich § 2 BApO auf die Berufszulassung
(vgl Nomos-BR/Haage BApoO/Heinz Haage, 2. Aufl 2016, BApO § 2
RdNr 1)
. Ebenso wenig betreffen die übrigen Bestimmungen der BApO
Regelungsbereiche berufsständischer Art wie das Kammerrecht
(vgl auch BVerwG, aaO, RdNr 13 zur BApO idF vom 19.7.1989 -
BGBl I 1478)
. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 19 GG
auch kammerrechtliche Regelungen für Apotheker ermöglicht,
seitdem durch das Gesetz zur Änderung des GG vom 28.8.2006
(BGBl I 2034) mit Wirkung zum 1.9.2006 Art 74 geändert und in Abs
1 Nr 19 "das Recht des Apothekenwesens" eingefügt worden ist, um
"eine umfassende, nicht auf die Zulassung oder heilende Aspekte
beschränkte Regelung dieses Rechtsgebiets" zu ermöglichen
(BT-Drucks 16/813 S 13; für eine kammerrechtliche Fragen
umfassende Regelungskompetenz: Bonner Komm zum GG, Art 74
Abs 1 Nr 19 RdNr 19 sowie Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke,
GG, 14. Aufl 2018, Art 74 RdNr 250; aA wohl Kluth in ders,
Föderalismusreformgesetz, 2007, Art 74 RdNr 8)
. Jedenfalls hat der Bundesgesetzgeber solche Regelungen nicht
getroffen, sodass die Bundesländer insoweit zur Gesetzgebung
weiterhin befugt sind (Art 72 Abs 1 GG). Dementsprechend ist der
Landesgesetzgeber bei der Bestimmung des Personenkreises, auf
den sich der Wirkungskreis der Landesapothekerkammer erstrecken
soll, und der Bestimmung dessen, wann Berufsangehörige im Sinne
des Kammerrechts ihren Beruf ausüben, nicht an den
bundesrechtlichen Begriff der BApO rechtlich gebunden, kann also
die Abgrenzungen eigenständig vornehmen
(vgl BVerwG, aaO, RdNr 17 zur BApO idF vom 19.7.1989 - BGBl I
1478)
. Die Heranziehung von Bundesrecht durch das Berufungsgericht
stellt sich mithin lediglich als eine zulässige Interpretationshilfe dar,
die jedoch nichts daran ändert, dass das ausgelegte Merkmal der
Berufsausübung des Apothekers dem Landesrecht angehört und
damit nicht revisibel ist (vgl BVerwG aaO).
Mit dieser Auffassung weicht der Senat nicht von der Entscheidung
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Mit dieser Auffassung weicht der Senat nicht von der Entscheidung
des 3. Senats vom 10.3.2011
(B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 4-5425 § 4 Nr 1, RdNr 17) ab,
in der ausgeführt ist, dass die Auslegung von Landesrecht das
Revisionsgericht nicht bindet, wenn sie gegen Bundesrecht verstößt,
was ua der Fall sei, wenn das LSG bei der Gesetzesauslegung
bundesrechtliche Normen herangezogen habe, die den ihnen
beigelegten Regelungsgehalt nicht aufwiesen. Diese Ausführungen
sind nicht dahin zu verstehen, dass bei einer bloßen Heranziehung
von Bundesrecht als Interpretationshilfe für Landesrecht die
bundesrechtliche Norm auf ihr richtiges Verständnis durch das LSG
vom Revisionsgericht überprüfbar wäre, was verneinendenfalls die
Revisibilität von Landesrecht zur Folge hätte. Dies ergibt sich zum
einen daraus, dass der 3. Senat in der genannten Entscheidung
(aaO) selbst ausführt, ein Verstoß gegen Bundesrecht liege nicht
bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht zu
einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde, und zum
anderen aus dem in Bezug genommenen Urteil des BSG vom
3.11.1993 (14b REg 6/93 - SozR 3-6935 Allg Nr 1 S 3). Auch dort ist
- unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG -
hervorgehoben, dass keine Revisibilität vorliegt, wenn das
Tatsachengericht Bundesrecht lediglich zur Ergänzung lückenhafter
landesrechtlicher Regelungen herangezogen hat. Eine Revisibilität
von Landesrecht ist im dort entschiedenen Fall bejaht worden, weil
das Tatsachengericht den geltend gemachten Rechtsanspruch
entgegen dem klaren Wortlaut der einschlägigen landesrechtlichen
Bestimmungen aus zwingenden Bestimmungen des europäischen
Gemeinschaftsrechts und damit Bundesrecht zu Unrecht abgeleitet
hat. Um einen solchen Sachverhalt geht es vorliegend nicht.
Insbesondere hat das LSG nicht entgegen dem Wortlaut der
maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften einen
Befreiungsanspruch des Klägers aus bundesrechtlichen Normen
abgeleitet. Es ist nochmals zu betonen, dass das Berufungsgericht
ausgeführt hat, die einschlägigen "landesrechtlichen bzw.
satzungsrechtlichen Bestimmungen knüpfen an das Kriterium der
Ausübung des Berufs eines Apothekers an", dessen Definition es §
2 Abs 3 BApO entnommen hat. Ferner hat das LSG erklärt, dass ua
"unter Zugrundelegung des durch … die Berufsordnung (der
Landesapothekerkammer Hessen) definierten Maßstabs einer
pharmazeutischen Tätigkeit … die von dem Kläger bei der
pharmazeutischen Tätigkeit … die von dem Kläger bei der
Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit … befreiungsfähig
i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI …" ist.
58
(2) Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt allerdings, ob die
Anwendung des Landesrechts in der Auslegung durch das
Berufungsgericht Bundesrecht, insbesondere Verfassungsrecht
verletzt. Dies ist der Fall, wenn das Berufungsgericht den Rahmen
der Gesetzesauslegung überschritten und die Bindung an Gesetz
und Recht (Art 20 Abs 3 GG) willkürlich missachtet hat
(vgl BSGE 108, 8 = SozR 4-5425 § 4 Nr 1, RdNr 17).
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Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
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Es ist nicht erkennbar, dass das LSG willkürlich nicht die im
Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vom 28.4.2016 geltende und
damit für die Zeit ab dem Datum ihres Inkrafttretens maßgebliche
Fassung des § 2 Abs 3 BApO vom 18.4.2016, sondern
ausschließlich die am 22.4.2016 außer Kraft getretene Fassung der
Vorschrift seinem Urteil zugrunde gelegt hat
(vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage bei einer Verpflichtungsklage Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 34
mwN)
. Unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungszeit für eine
zweitinstanzliche mündliche Verhandlung, insbesondere der
erforderlichen Zeit für die Erstellung eines Entscheidungsvorschlags,
drängt sich vielmehr geradezu auf, dass die (ausschließliche)
Anwendung einer Gesetzesfassung, die sechs Tage vor der
Entscheidung außer Kraft getreten ist, versehentlich erfolgt bzw das
Außerkrafttreten der alten Fassung übersehen worden ist. Ebenso
wenig bestehen Anhaltspunkte für eine willkürliche Fehlinterpretation
des Wortlauts des § 2 Abs 3 BApO durch das LSG, das aus dem
Wort "insbesondere" geschlossen hat, dass die Vorschrift keine
abschließende Aufzählung pharmazeutischer Tätigkeiten enthält
und die von ihr erfasste Berufsausübung nicht ausschließlich unter
der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" erfolgen muss,
zumal sich der 5. Senat des LSG für dieses Verständnis auf den
Beschluss eines anderen Senats des Hessischen LSG stützen
konnte
(vgl Hessisches LSG Beschluss vom 17.11.2011 - L 8 KR 77/11 B
ER - Juris RdNr 35)
. Auch lässt die Heranziehung weiterer Sachargumente - wie zB die
Berücksichtigung der seinerzeit geplanten Änderung des § 2 Abs 3
BApO in Gestalt der ausdrücklichen Benennung weiterer
Tätigkeitsbereiche für Apotheker unter Beibehaltung des Wortes
"insbesondere" sowie der Ausbildungsinhalte des Studiums der
Pharmazie - die Schlussfolgerung auf eine willkürliche
Gesetzesauslegung nicht zu.
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bb) Schließlich verlangt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI entgegen der
Ansicht der Beklagten nicht, dass die Tätigkeit, für die eine Befreiung
von der Versicherungspflicht erteilt werden kann, eine
"approbationspflichtige" Tätigkeit - hier iS des § 2 BApO - ist. Dies
ergibt sich weder aus dem Wortlaut oder der Gesetzeshistorie der
Norm, noch sprechen sonstige Erwägungen für ein solches
Normverständnis
(vgl hierzu ausführlich Urteil des 5. Senats vom 7.12.2017 - B 5 RE
10/16 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 6 Nr 14
vorgesehen)
. Der Bundesgesetzgeber hat sich vielmehr bei der Ausübung seiner
entsprechenden Gesetzeskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG
auf die Inkorporation der landesrechtlichen Normen zum Kammer-
und Versorgungsrecht beschränkt.
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d) Dagegen kann auf der Grundlage der tatrichterlichen
Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger
aufgrund seiner entgeltlichen Beschäftigung auch
(renten)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI),
weil Feststellungen zu den Voraussetzungen einer
Versicherungsfreiheit wegen Entgeltgeringfügigkeit
(§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden
Fassung iVm § 8 Abs 1 SGB IV und § 230 Abs 8 SGB VI bzw § 5
Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung iVm §
8 Abs 1 Nr 2 SGB IV)
fehlen. Ebenso fehlen Feststellungen zu den
Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a bis c
iVm Abs 3 S 1 SGB VI.
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Diese Feststellungen sind auch nicht deswegen entbehrlich, weil
nach den Ausführungen des LSG allein "streitig" ist, ob der Kläger
eine befreiungsfähige Beschäftigung iS des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB
VI ausübt und die weiteren Voraussetzungen der Norm "unstreitig"
vorliegen. Das sozialgerichtliche Verfahren wird nach wie vor vom
Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) beherrscht, dem ein
streitiges bzw unstreitiges Vorbringen der Beteiligten fremd ist. Die
SGe haben dementsprechend einen angegriffenen VA unabhängig
von dem Vorbringen der Beteiligten unter jedem rechtlichen
Gesichtspunkt zu prüfen. Initiativen des Bundesrates für eine
"Einschränkung des Streitstoffs" durch übereinstimmende
Erklärungen der Beteiligten, die überdies nur Höhenverfahren
betreffen
(vgl Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Änderung des SGG vom
28.6.2016 - BR-Drucks 18/8971 Anl 1 S 5, 7, 9; vgl auch
Plenarprotokoll 964 über die Sitzung des Bundesrates vom 2.2.2018
S 10 )
, sind bislang nicht Gesetz geworden
(vgl Beschluss des Bundesrates vom 2.2.2018 über die erneute
Einbringung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
SGG beim Deutschen Bundestag - BR-Drucks 29/18)
.
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In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG die noch
nicht geklärten Tatsachen festzustellen haben.
65
Die Kostenentscheidung bleibt einer Entscheidung durch das LSG
vorbehalten.